Amts- und RnzergeölaLt für Sen Bezirk Calw.

82. Jahrgang.

167 .

BML

-rsch»inunz»tage: Dtenrtag, Donnerstag, 8ams- laa. Tonntag. JnserttonSpretS 10 Pfg. pro Zeile für Stadt and vezirklort«; außer Bezirk IS Vsg.

Tagesnenigkeiten.

3L. Stammheim bei Calw 18. Okt. Die hiesige Gemeinde, die teilweise seit 1871 eine Wasserleitung mit natürlichem Druck besitzt, beab­sichtigt nun für alle Einwohner die Wohltat einer Hauswasserleitung zu beschaffen. Der staatliche Techniker ist bereits mit der Ausarbeitung eines Planer beauftragt. Wasser ist genügend vor­handen; doch muß es mittelst eines Motors in die hochgelegenen Häuser gepumpt werden.

Stuttgart 18. Okt. Die Neckarzeitung meldet, daß der König von Sachsen, der vorgestern seinem Schwager, dem Fürsten Hohen­lohe in Bartenstein einen Besuch machte, auf dem dortigen Schloß die Prinzessin Pia Monica unterbringen wollte.

Stuttgart. 18. Okt. Gestern früh ist in Untertürkheim beim Herbstanschießm ein Hilfr- feldwächter dadurch verunglückt, daß sich beim Laden seines Karabiners das Pulver entzündete und er dabei Brandwunden im Gesicht davontruz. In der Königsstraße wurde gestern nachmittag eine 65jährige Frau von einem Herrn, der. einem Radfahrer aurweichen wollte, umgeworfen. Sie erlitt außer einem Schlüsselbeinbruch eine Gehirn­erschütterung und wurde ins Katharinenhospital verbracht.

Tübingen 18. Okt. Gestern Nacht ist aus dem neuen, seit 2 Jahren in Betrieb befind­lichen Amtsgerichtrgefängnis wie bereits gemeldet zum zweitenmal in einer Woche ein Gefangener ausgebrochen. Der Flüchtling namens Fischer wurde vor etlichen Tagen wegen Diebstahls von der Schweiz aus hierhergeliefert. Der vor 8 Tagen ausgebrochene Schulknabe Gunzert, der an der Dachrinne herab und über die Mauer geklettert war, wurde von seinen Verwandten inzwischen wieder eingeliefert.

Sonntag, Len 2V. Oktober 1907

Jrslingen OA. Rottweil 18. Okt. Dem hiesigen Gemeindepsleger wurden dieser Tage 1400 ^ entwendet. Der freche Räuber freute sich aber nicht lange seiner Beute, er wurde durch Oberlandjäger Berschwinger und Landjäger Laupp in der Person des Max Bantle von hier ermit­telt und in Haft genommen. Die gestohlene Summe wurde noch in voller Höhe vorgefunden.

Ulm 18. Okt. In vergangener Nacht stießen auf dem hiesigen Bahnhofe zwei Rangier­züge zusammen, wodurch 2 Wagen zertrümmert wurden. Ein Ankuppler trug schwere Verletzungen davon. Die übrigen Bediensteten konnten sich durch Abspringen noch rechtzeitig in Sicherheit bringen.

Ulm 18. Okt. Gestern ist das zur Be­malung der Südseite des Rathauses dienende Gerüst entfernt worden, nachdem die Maler ihre Arbeit schon vor einigen Wochen beendigt hatten und in den letzten Tagen auch die Fixierung der in Krimscher Manier ausgeführten Bilder und Ornaments zu Ende gebracht worden ist. Wäh­rend die Westseite und die dieser zunächst gelegene Hälfte der Ostsette nur einfache farbige Umrahm­ungen um die Fenster erhalten hat, ist die an die Ostseite grenzende Hälfte der Südseite reicher gehalten und paßt sich damit der schon in den Vorjahren fertiggestellten Nord- und Ostseite an. Das Hauptstück der neuen Bildnis maleret ist die von Professor Widmann in München gezeichnete und kolorierte Darstellung der Einzuges der Ulmischen Streiter, nachdem sie 1376 Kaiser Karl IV. bei Elchlingen besiegt hatten. Dieses Bild nimmt die ganze Breite unter den drei gotischen Ratssaalfenstern der Südseite ein. Im Gibelfelde befindet sich eine Ulmer Schachtel ab­gebildet und rings um sie zieht sich ein Kranz von Wappen jener Staaten und Städte, mit

vkonnementSpr.tn d. Stadtpr. vierteil. MI. l.lotnel.Drüztrl. SierteljLhrl. Vosttezugiipreir ohne Bestellr. s. d. OrtS-u. Nachbar ortSoeriehr I Mk.. f. d. sank. Verkehr Wk. t.tv, Bestellgeld W Psg

welchen die freie Reichsstadt im Mittelalter in Handelsverbindung gestanden ist. Dar Rathaus ist nun auf allen Seiten bemalt.

Bibera ch 18. Okt. Der Zirkus Angelo, der kürzlich unter Entfaltung einer großen Reklame hier Vorstellungen gab, hatte für seine letzte Vor­stellung mehrmals die Ankündigung erlassen, daß er die Besucher des drei Stunden Wegs von hier entfernten Marktfleckens Ochsenhausen mittelst Extrazuges in ihre Heimat zurückbefördern werde. Wohl veranlaßt durch diese günstige Beförderungs- gelegenhett haben sich denn auch von Ochsenhausen eine Anzahl Schaulustige eingefunden, als aber die Vorstellung beendigt war, zeigte er sich, daß der Direktor für keinen Extrazug gesorgt hatte. Die Leute mußten nun entweder in der Nacht zu Fuß zurück oder hier übernachten. Die also Enttäuschten wollten sich dar nicht gefallen lassen, sie haben das Verhalten des Direktors vielmehr der Staatsanwaltschaft Ravensburg zur Anzeige gebracht, und gegenwärtig finden Erhebungen statt. Das Schutzvorbringen des Direktors geht dahin, daß er am Vorstellungsabend am Zirkus ein Plakat angebracht habe, das den Extrazug absagte. Wenn dem auch so ist, so dürfte das kaum zu seiner Entlastung dienen, denn die Ochsenhausener Be­sucher, konnten das Plakat doch erst lesen, nachdem sie schon einmal hier waren.

Karlsruhe 17. Okt. Gestern früh halb 3 Uhr brachte sich der 20 Jahre alte Studierende Leon Pomeranz aus Jaroslau, Galizien, der in einem 3. Stocke in der Zähringerstraße wohnte, in selbstmörderischer Absicht hinter ver­riegelter Türe mit einem Rasiermesser schwere Schnittwunden am Halse und an der Brust bei und sprang nachher zum Fenster hinaus, wo er auf dem Gehweg mit gebrochenem

Der verlorene Sohn.

Roman vonElSbeth Borchart.

(Fortsetzung.)

Inge atmete erst auf, als sie im Wagen saß, der ste nach Buchenau zurückbrachte.

Zu Hause angelangt, trat sie in das Wohnzimmer, wo Frau Helm­brecht saß.

Bei Inges Eintritt flog ein freudiges Lächeln über ihr Gesicht.

Wie vorteilhaft sich das Kind entwickelte! Fast mit jedem Tage kam es mehr aus der Knospe heraus, und die Zeit lag nicht mehr fern, wo es sich zu voller Blüte entfaltet haben würde. Inge versprach schön zu werden. Gott mochte ihr da» rÄne Kindergemüt, den ungetrübten Frohsinn erhalten!

Wie ein Gebet stieg es in der Mutter Herzen auf.

Der Vater hat mich wohl schon vermißt, Mutti?" fragte sie.

Ja, Inge, gehe nur zu ihm."

Ich muß immer an chn denken, Mutti, und konnte gar nicht auf­merksam sein. Wie lange ist es denn her?"

Achtzehn Jahre."

Und er kann den verlorenen Sohn noch immer nicht verschmerzen?"

Nein-vu kennst die traurige Geschichte ja.-Du weißt,

daß er sich selbst die Schuld an dem Verlust beimißt, daß er sich grau­samer unbeugsamer Härte anklagt."

Und er ist doch stets so Mt ich begreife nicht, wie er damals"

Gehe nur zu ihm, Inge. Dein Vater ist wie immer an diesem Tage traurig, und du wirst vielleicht wieder die rechten Trostesworte für ihn finden."

Ich will es versuchen. Der arme Vater! Ich glaubte, daß seine zufriedene Stimmung, sein gutes Befinden ihn diesmal über den traurigen Tag hinwegbringen würde. Er war doch in letzter Zeit so viel froher und wohlgemuter als sonst, nicht wahr, Mutte?"

Ja, Kind; das macht aber, daß die Sorgen um seine Fabrick jetzt von ihm genommen sind, daß er eine so treue Stütze, einen so kraftvollen Vertreter gefunden hat."

In Mr. Williams?" sagte ste leise, und eine Helle Röte stieg in ihr Gesicht.

Ja, in ihm. Wir können dem Himmel nicht genug danken, daß er uns diesen Mann schickte. Dein Vater schätzt ihn und vertraut ihm."

Und du, Mutti?"

Ich habe ihn lieb gewonnen wie einen Sohn. Das sagt dir alles Inge."

Mit einem Male schwang Inge stürmisch die Arme um der Mutter Hals und küßte sie.Ich gehe jetzt zum Vater adieu, Mutti."

Damit eilte sie auch schon zur Türe hinaus.

Frau Helmbrecht sah ihr eine Welle gedankenvoll nach. OL sie eine Ahnung von dem hatte, was sich in dem jungen Herzen ihre« Kindes voll­zog, jene» geheimnisvolle Werden, jene Macht, die im tiefsten Innern ver­borgene Keime und Blüten treibt?

5.

Kommerzienrat Helmbrecht saß in seinem Arbeitszimmer.

Inge hatte ihn soeben verlassen, seine kleine Inge» die es so gut verstand, ihm da» Herz zu erleichtern und zu erwärmen, die diese Kraft in mancher schweren Stunde an ihm erprobt hatte.

Auch heute hatte er sie wieder gespürt, diese Wunderkraft, und noch, als ste ihn verlassen hatte, blieb ein Abglanz davon zurück. Er wurde jedoch schwächer und schwächer vor den Gedanken die sich mit unwider­stehlicher Gewalt vor seine Seele drängten und sie verdunkelten. Was