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Amis-- und ÄnzeigeöläLt für den Bezirk Calw.
82. Jahrgang.
Brscheinungltaze: LienStag. Donnerstag, SamS- rag, Sonntag. JnsertionSpreiS 10 Psg. pro Zeile für Ltad t nni 8,,trkSort«außer Bezirk 12 Pfg.
Samstag, den 12. Oktober 1907.
SLormenentSpr. in d.GltHipr. Viertels. Jirk.L.ioinel.rrL-erl. Brrrleljlhrl. Pofiör-ULLpreiS ohne Brstrlig. f. d. OrtL-u. Nachbar- orrsoc-^kehrK Mt., f. sonst. Nt. I.tv, Bestellgeld 20 Pfg.
Tagesnenigkeiten.
* Calw 10. Okt. Das Fortbildung«- fch ulwesen wird in hiesiger Stadt zunächst so geregelt werden, daß aus sämtlichen Schülern der Schule 3 Abteilungen gebildet werden. Dis erste Abteilung, die sich in u und b gliedert, umfaßt die gehobene gewerbliche Fortbildungsschule, die zweite Abteilung die allgemeine gewerbliche Fortbildungsschule und die dritte Abteilung die allge« meine Fortbildungsschule. Letztere scheidet dadurch aus der gewerblichen Fortbildungsschule ganz aus und untersteht nicht dem Gewerbeoberschulrat sondern dem Konsistorium. Die Schüler der all. gemeinen Fortbildungsschule erhalten jährlich 80 Stunden Unterricht. In die Abteilung I u kommen hauptsächlich die Holzberufe, wie Schreiner, Zimmerleute, Wagner, in die Abteilung Ib die Metallberufe wie Schlosser, Mechaniker, Flaschner und verwandte Berufe. Der Abteilung II werden die Schneider, Buchdrucker, Schuhmacher, Buch- binder, Lakiere, Konditoren, Korbmacher und Gärtner zugewiesen. In die allgemeine Fortbildungsschule kommen die Friseure, Kellner, Metzger, Bierbrauer, Fabrikarbeiter und andere. Durch diese Gliederung soll eine bessere berufliche Ausbildung der eigentlichen gewerblichen Berufs, arten erreicht werden. Für die Abteilungen I und II ist die Buchführung obligatorisch, während für die allgemeine Fortbildungsschule eine vereinfachte Buchführung vorgeschrieben ist. Der Unter« rtcht in der gewerblichen Fortbildungsschule wird abends von 7—9 Uhr stattfinden, Tagunterricht wird also erst später eingeführt werden. Dis mit dem neuen Schuljahre in Kraft tretende Aenderung wird in der Hauptsache so lange be. stehen bleiben, bis ein Gewerbelehrer im Haupt, amt angestellt werden kann. In diesem Fall wird eine vollständige Neuorganisation durchgeführt werden. Zur Einführung der einschneidenden Neuorganisation find aber neue Schullokale not. wendig, da die vorhandenen nur abends für den Unterricht frei sind und zum Tagesunterricht für die Fortbildungsschule nicht zur Verfügung stehen.
* Calw 10. Okt. Mit dem gestrigen Abend hat das „Fackeln" wieder seinen Anfang genommen. Während in früheren Jahren auf dem hohen Felsen ein großes Feuer angezündet und Gesänge von der Schuljugend angestimmt wurden, beschränkt sich dis uralte Sitte nur noch auf dem Fackelschwingen und einem Feuer auf dem Brühl. Die Beteiligung an dem Fackeln wird von Jahr zu Jahr geringer.
8.6. Calw 10. Okt. In Unterreichen, buch wurde gestern abend der Wirt Schiefer zum „Deutschen Kaiser" verhaftet, unter dem dringenden Verdacht, durch Mißhandlungen den Tod seiner etwa 28 Jahre alten Frau, verschuldet zu haben.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.j Se. König!. Majestät haben vermöge allerhöchster Entschließung vom 10. Oktober die Karl-Olga- Medaille in Silber dem Amtmann Ripp- mann in Calw verliehen.
— Bei den im Juni und Juli an den Realgymnasien abgehaltenen Reifeprüfungen haben nachstehende Schüler das Zeugnis der Reife erlangt und sich dadurch die damit verbundenen Berechtigungen erworben: Jooß, Gottlieb, S. des Geometers in Calw, Trautwein, Siegfried, S. des Kaufmanns
in Calw, Schau Wecker, Ludwig, S. des verst. Oberförsters in Wildberg.
— In Salmbach OA. Neuenbürg verstarb nach längerer Krankheit Schultheiß Gnamm, früherer K. Forstwart in Hirsau.
Hemmingen OA. Leonberg 10. Okt. In Flözlingen OA. Rottweil hat dieser Tage der verheiratete Schlosser Paul Haaga aus Hofen OA. Sprichingen, wohnhaft in Oberndorf, beim Gastwirt Flammer einen Einbruchsdiebstahl ausgesührt, wobei dem Dieb 5000 ^ in die Hände fielen. Es ist ihm s. Z. gelungen auf einem bereitgestellten Fahrrad zu entfliehen. Jetzt ist Haaga anläßlich eines neuen Einbruchs im hiesigen Ort festgenommen worden.
Stuttgart 9. Okt. Der erste Redakteur des „Staatsanzeigsrs", Professor v. Wieland, wurde seinem Ansuchen entsprechend unter Anerkennung seiner langjährigen, treuen und un r- sprießlichen Amtsführung in den bleibenden Ruhestand versetzt.
Stuttgart 9. Okt. In Stuttgart ist in dem Gebäude der Kronenstraße Nr. 6 zum Zwecke der Abgabe von Speisen und Getränken zu billigen Preisen und in guter Beschaffenheit an das im Hauptbahnhof beschäftigte und verkehrende Eisenbahnpersonal eine Kantine errichtet worden. Abgegeben werden ab 1. Oktober ds. Js. Kaffee, Limonade und Bier, sowie auf der Preistafel der Kantine verzeichnete Speisen.
Stuttgart 10. Okt. Studierende Frauen haben eine Petition, die von 100 Uni- versttätsprofefforen befürwortet ist, an den preuß. Kultusminister gerichtet, in der sie um formelle Freigabe des Universttätsstudiums, wie es in süd, deutschen Staaten schon geschehen ist, ersuchen, da sie jetzt die gleichen Vorbedingungen wie die Männer erfüllen.
Tübingen 9. Okt. Einem geriebenen Schwindler ist ein junger Juwelier zum Opfer gefallen. Der Schwindler gab sich als Kom- merzienratssohn von Reutlingen aus und prahlte mit der Freundschaft hiesiger Professoren. Da er seine goldene Uhr bei einer Uebung verloren habe, suchte er eine wertvolle andere goldene Uhr mit Kette aus und verschwand. Nachforschungen ergaben, daß es sich um den entlassenen Kranken- Wärter Breitmaier handelt, der auch in Reutlingen und Pfullingen Geschäftsinhaber durch sein sicheres Auftreten als Reserveoffizier beschwindelt habe.
Kirchheimu. T. 9. Okt. Gestern wurde der Rezitator Hans Weber aus Proßla ver« haftet und dem K. Amtsgericht und von da nach Aalen eingeltefert. Weber war von der Staats, anwaltschaft Ellwangen steckbrieflich verfolgt, weil er verschiedene Zeitungrexpeditionen um die Anonncengebühren geprellt hatte. Weber wollte gestern abend hier auftreten.
Biberach 9. Okt. Das große Zentral« Säge-undHobelwerkG. m. b. H. in Biberach steht seit 12 Uhr in Flammen. Das Feuer fand in den reichen Holzvorräten gute Nahrung. Sämtliche Gebäulichkeiten find binnen kurzer Zeit ein Raub der Flammen geworden. Dar Feuer ist in einem Holzschuppen entstanden. Die Ent-
stehungsursache ist unbekannt. Die Geschäfts« bücher und die Geldvorräte im Kontor konnten gerettet werden. Der Schaden wird auf über 100000 ^ geschätzt.
Biberach 10. Okt. Zudem Großfeuer, das gestern das Zentralsägewerk vernichtete, wird uns geschrieben: Nachmittags fünf Uhr lag das erst vor ca. zehn Jahren erbaute, mit allen fachtechnischen Errungenschaften der Neuzeit aus- gestattete Werk in Trümmern. Dar Feuer fand in den aufgehäuften Holzvorräten reichliche Nahrung. Die Rauchentwickelung war eins ganz bedeutende und weithin durch das Rißtal sichtbar. Die Feuer, wehr mußte bei der Aussichtslosigkeit für dar Hauptbrandobj-kt ihre Tätigkeit darauf beschränken, die bis gegen dar städtische Gaswerk lagernden Schnittwaren (Bretter und Balken) zu räumen, um ein Uebergreifsn der Feuers auf das Gas. werk zu verhindern. Der Einwohnerschaft hatte sich bereits die Furcht bemächtigt, das Gaswerk werde in Brand geraten und so großer Unhell entstehen. Der Schaden dürfte mehrere hundert« tausend Mark betragen und ist durch Versicherung gedeckt. Das Gebäude war nur von dem technischen Leiter bewohnt, dem alle Fahrnis verbrannte. Entstehungsursache ist noch unbekannt.
Ulm 10. Okt. Der mit der Besorgung der Zentralheizanlage im Rathaus betraute Heizer wurde am Dienstag abend bewußtlos im Heiz- raum aufgefunden, und es gelang erst nach einstündigem Bemühen, den Mann wieder zum Leben zu bringen. Es wurde eine schwere Gasvergiftung festgestellt, die durch Abschließen aller Zugsvorrichtungen am Ofen herbeigeführt worden war.
Ravensburg 9. Okt. Der Mitbesitzer des Warenhauses Landauer, Friedrich Landauer, ging heute kurz vor 12 Uhr im Geschäft-lokal über ein Glasdach. Dieses brach ein und Land, auer stürtzte etwa 10 Meter tief hinunter, erlitt einen schweren Schädelbruch, sowie einen Bruch des linken Armes; er wurde von der Santtäts. kolonne in seine Wohnung verbracht.
Friedrichshafen 8. Okt. Derheutige Aufstieg des Zeppeltn'schen Luftschiffs, der in Gegenwart Seiner Majestät des Königs von Württemberg, des deutschen Kronprinzen, sowie des Erzherzogs Leopold Salvator von Oesterreich stattfand und der von dem Grafen Zeppelin auf besonderen Wunsch Seiner Majestät unternommen wurde, vollzog sich unter besonders schwierigen Umständen. Das Luftschiff sollte mit der alten Füllung keinen Aufstieg mehr unternehmen, so daß das Gas volle 8 Tage hindurch ohne jede Nachfüllung geblieben war. Die Tragkraft hatte sich infolgedessen bedeutend vermindert und konnte wegen geringer Garvorräte am Morgen des Auf« sttegtages auf kaum 600 Lx gebracht werden. Der Aufstieg wurde trotzdem beschlossen, zumal der Wunsch bestand, das Luftschiff auch bei stärkerem Wind zu erproben. Im Gegensatz zu den früheren Aufstiegen wehte eine Brise von 5—6 Metern in der Sekunde, die sich während der Fahrt noch verstärkte. Der See warf weiße Wellen, so daß vielfach die Befürchtung ausgesprochen wurde, ob das Luftschiff wie an den früheren, verhältnismäßig ruhigen Tagen seinen Niedergang auf die