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Amts-- und Änzeigeblatt für den Bezirk Calw.
82. Jahrgang.
Erscheinungstage: Dienstag, Donnerstag, Samstag, Sonntag. JnserlionSpreiS 10 Pfg. pro Zeile für Stadt and SeziUSorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Dienstag, de« 8. Oktober 1907
Xbormkmrnttpr. in d. Stadt pr. Biertelj. Mt. l. 10 tnct.rriaer l. vierteliLhrl. Bostde,ug»prei« ohne Bestrllg. f. d. Ort», u. Nachbar, ortlo-rtrhr t Mt., s. b. sonst. B-rt.hr MI. i.t«, « P,,.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung.
Mannschaften, aller Waffengattungen der Reserve, die zum Dienst in Südwestafrika bereit find, können sich bis einschl. 23. Oktober d. I. Wochenvormittags 9 Uhr beim ünterzeichneten Bezirkskommando melden.
Bezirkskommando Calw.
Bekanntmachnng -er Zentralleitnng -es Wohltätigkeitsvereins betreffend -ie Bewerbung um das Ehrenzeichen für weibliche Dienstboten.
Das von Ihrer Majestät der verewigten Königin Olga gestiftete Ehrenzeichen für weibliche Dienstboten wird an Weihnachten ds. Js. wieder zur Vergebung kommen. Dabei können solche weibliche Dienstboten berücksichtigt werden, welche innerhalb des Königreichs Württemberg in einer Familie oder auf einem und demselben Anwesen nach zurückgelegtem 14. Lebensjahr ununterbrochen mindestens volle 25 (für das silberne), bezw. 50 (für das vergoldete Ehrenzeichen) Jahre lang treu und in Ehren gedient haben. Ist das Dienstverhältnis ohne Verschulden des Dienstboten durch äußere Verhältnisse, wie eigene Krankheit oder Krankheit von Angehörigen und dergleichen unterbrochen worden, so kann die vor der Unterbrechung zurückgelegte Dienstzeit zu der nachfolgenden hinzugerechnet werden.
Die Bewerbungen um das Ehrenzeichen sind spätestens bis zum 1. Dezember ds. Js. durch das gemeinschaftliche Amt des Dienstorts bei der Zentralleitung des Wohltätigkeitsvereins einzureichen. In denselben ist neben den Angaben über Namen, Alter, Heimat und Konfession des Dienstboten daS Zutreffen der oben genannten Voraussetzungen bezüglich der Dienstdauer, der Art der Dienstleistung, unter Hervorhebung etwaiger besonders hervorragender Leistungen, und der völligen Unbescholtenheit des Dienstboten näher darzulegen. Beizufügen ist
1) eine amtliche Bescheinigung über den Tag des Dienstantritts und über die ununterbrochene
Fortdauer des Dienstverhältnisses (bezw. bei Dienstunterbrechungen auch über den Tag des Austritts und des Wiedereintritts) auf Grund der polizeilichen Melderegister;
2) ein Famtlienregisterauszug, aus dem die Familienverhältnisse des Dienstboten zu ersehen sind;
3) ein amtlich beglaubigtes Zeugnis der Dienst- Herrschaft über Charakter und Verhalten, sowie die Leistungen des Dienstboten.
Stuttgart, 2. Oktober 1907.
Moser.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung eines Fortbildungskurses für Hufschmiede in Ulm.
Mit Genehmigung der K. Ministeriums des Innern wird in der Zeit vom 9. bis 14. Dezember 1907 an der Lehrwerkstätte für Hufschmiede in Ulm ein sechstägtger Fortbildungskurs für geprüfte Hufschmiede abgehalten werden.
Bei demselben werden nicht bloß die Hauptlehren des Hufbeschlags mit besonderer Berücksichtigung der am häufigsten vorkommenden Beschlagsfehler wiederholt und die Krankeiten der Hufe samt ihrer Beschlagsbehandlung besprochen, sondern es wird besonders auch die Anfertigung neuer und erprobter Kureisen und die Herstellung eines modernen und zweckmäßigen Winterbeschlags praktisch geübt.
Der Unterricht, welcher von dem Tierarzt, Stabsveterinär Dr. Lutz in Ulm und dem Lehrschmied Jehle daselbst erteilt wird, ist unentgeltlich. Außerdem wird jedem Teilnehmer ein Beitrag zu den Aufenthaltskosten in Höhe von 15 neben dem Ersatz der Kosten der Eisenbahnfahrt (Rückfahrkarte 3. Klasse) gewährt.
Die Zahl der Kursteilnehmer ist auf sech- festgesetzt. -
Gesuche um Zulassung zu dem Kurs find unter Vorlage des Prüfungszeugnisses sowie eines
Leumundszeugnisses spätestens bis 15. November d. I. beim Sekretariat der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft einzureichen.
Stuttgart, den 25. September 1907.
I. V.: Krais.
Tagesueuigkeiteu.
— Am 4. Okt. ist von der evang. Oberschulbehörde eine Volksschulstelle in Laussen a. N. dem Schullehrer Bickelin Stammheim, Bez. Calw, übertragen worden.
Nagold 5. Okt. Die Stadtpflege erzielte aus dem Verkauf des Allmandobstes rund 1700
Nagold 5. Okt. Für Hopfen wurden hier 42—45 ^ per 50 KUo bezahlt.
Obertalheim OA. Nagold 6. Okt Vorgestern fiel der 68 Jahre alte Mesner Hamm durch da« Garbenloch auf die Scheuertenne und starb an den Verletzungen. In der Gemeinde bildet dis Affäre den Gegenstand lebhafter Erörterungen, und das Unliebsame wird erst noch folgen.
Herrenberg 5. Okt. Auf den heutigen Schweinemarkt waren zugeführt: 200 Stück Milchschweine, Erlös pro Paar 24—40 ^; 56 Stück Läuferschweine, Erlös pro Paar 45 bis 90 Verkauf ordentlich.
Oberndorf O.-A. Herrenberg 5. Okt. Auf der Straße zwischen Unterjettingen und Eschelbronn geriet der verheiratete 32 Jahre alte Fridolin Heu Messer von hier unter seinen mit Obst beladenen Wagen. Beide Räder gingen über ihn hinweg, wodurch der Tod sofort eintrat.
Stuttgart 5. Okt. (Wochenmarkt). Der heutige Markt wies eine starke Zufuhr auf, das Geschäft setzte schon in der Frühe sehr lebhaft ein. Besonders begehrt waren Zwetschgen,
Der verlorene Sohn.
Roman vonElSbeth Borchart.
(Fortsetzung.)
Er wandte sich an die beiden anderen, die bisher schweigend dem jungen kecken Redner das Wort gelassen und nur durch ihr Mienenspiel ihre Beteiligung daran kundgegeben hatten.
„Redet ihr."
Verlegen die Mütze in der Hand drehend, standen sie da.
„Wir wollen nicht mit Ihnen, sondem mit unserem Dienstherrn, Herr Kommerzienrat Helmbrecht reden," sagte der eine endlich. „Es war gegen die Verabredung, daß Franz Linden zu Ihnen sprach."
»So — — das hattet ihr also vor? Den armen blinden Mann wolltet ihr mit euren lächerlichen Forderungen belästigen? — Nun —
— immerhin-sei es denn. Geht und tragt ihm euer Anliegen vor.
Er mag in einer Sache entscheiden, die er allein zu schlichten vermag. Geht und seht, was ihr ausrichtet. Ich bleibe unterdes hier auf dem Hofe und erwarte eure Rückkehr."
Er hatte diese Worte so laut gesprochen, daß sie über den Hof hallten und von den übrigen Arbeitern verstanden wurden. Ein graubärtiger alter Arbeiter und Familienvater stieß seinen Nachbar an:
„Sie nur, Ernst-wie kühn und mutig er dasteht. Er ist doch
ein ganzer Kerl und versteht seine Sache wie kein Zweiter. Schade wäre es, wenn er fortgehen müßte; er hat die Sache doch erst in Zug gebracht, wenn er es auch manchmal zu forsch anfing."
„Pst — pst"-machte der andere, „laß da» nicht laut werden."
„Ich halte zu meinen Kameraden, selbstverständlich," erwiderte der
Graubärtige, aber — ich-will dafür sorgen-daß dem da —
—" er wies auf Williams-„kein Haar gekrümmt wird."
Unterdes waren die drei Deputierten nach der Villa abgegangen, und Williams trat furchtlos zu den Arbeitem hin.
Einige drohende Zurufe wurden bei seinem Nährrkommen laut; ein wüstes Durcheinander der Stimmen folgte. Der Graubärtige erhob aber abwehrend die Hand. „Ruhe — — in unserem eigenen Interesse gebt Ruhe! Wir wollen uns nicht betragen wie lorgelassene wilde Tiere-"
Ein Gebrumme und Geknurre ließ sich noch hin und wieder vernehmen; darauf wurde es mäuschenstill.
Williams ging an den Graubärtigen heran und legte ihm die Hand auf die Schulter:
„Seiffert-ich hätte wohl ein paar Worte mit Ihnen zu
reden-wollen Sie mir zur Fabrik folgen?"
„Gern, Mister Williams."
Beide Männer gingen auf die Fabrik zu, standen in der Tür und sprachen mit einander.
Plötzlich ging eine Bewegung durch die Menge. Ein dumpfes Brausen, ein Raunen, ein Flüstern und plötzlich anschwellend zu lauten Rufen:
„Herr Kommerzienrat Helmbrecht!"
Die Mützen flogen von den Köpfen.
Williams wandte sich um.
Von der Villa her kam Helmbrecht, von einem der Arbeiter geführt und von den beiden Deputierten begleitet.
Mit schnellen Schritten war er an der Seite des Fabrikbesitzers.
„Herr Kommerzienrat, ich beklage diesm Vorfall tief."
„Lassen Sie nur lieber William«, wir kommen hoffentlich wieder zurecht. Ich konnte es mir nicht versagen, selbst herzukommen, obgleich ich weiß, daß Sie die Sache auch ohne mich in Ordnung gebracht hätten."