154
82. Jahrgang
Amts- und ÄnzeigeblaLt für den Bezirk Calw.
Lrschiinungrtilge: Dienttaz, Donnerstag, Samr- taa, vonntag. Jnsertiontpreit 10 Pfg. pro Zeile für Ltad t und »ezirtlorte; außer Bezirk IS Pfg.
Samstag, -e« 28. September 1907.
LbunnementLpr. in d. Stadt pr. Viertrlj. Mk. 1. L0 Inel.Träger!, viertrljährl. VostbezugSpreis ohne Brsteüg. f. d. Orts- u. Nachbar- ort»rerkehr 1 Mt., f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld SV Psg.
Tagesueuigkeiteu.
Z Deckenpfronn 25. Sept. Die ersten Verkäufe in H o p f e n kamen hier heute zustande. Es wurden 50 pro Zentner nebst einem kleinen Trinkgeld gelöst. Das Gewicht dürfte bei der diesjährigen vollkommenen Dörre zurück- schlagen. Hier lagert ziemlich viel gute, lupulinreiche Ware; Käufer find erwünscht.
A Deckenpfronn 25. Sept. Seit ca. 3 Jahren wird der zweite Sohn des Schneiders und Meßners K. hier vermißt. Letzten Freitag gerieten zwei Brüder des Vermißten, die in Stuttgart in Arbeit stehen, dort in einer Wirtschaft in Streit, in dessen Verlauf der jüngere den älteren des verbrecherischen Bsiseiteschaffens beschuldigte. Untersuchung ist im Gange.
Neuenbürg 24. Sept. Das von unserem allezeit rührigen Schützenverein am Sonntag ab- gehaltene Nachbarschafts-Preisschießen nahm unter flotter Beteiligung der Schützenbrüder aus Wildbad, Pforzheim, Calw und Hirsau einen in allen Teilen gelungenen, programmäßigen Verlauf. Von ^/« 12 bis '/rl Uhr konzertierte die Schützenkapelle Asch von Pforzheim auf dem Marktplatz. 4 Uhr Aufziehen der ölgemalten Ehrenscheibe, welche von keinem der Schützen gefehlt wurde, ein Resultat, das selbst den ältesten Schützen nicht denkt. Es wurde überhaupt sehr gut geschossen, was nur der intensiven Arbeit der letzten Jahre im Gau zu verdanken ist. Abends von 6 Uhr ab gesellige Vereinigung, gemeinschaftlicher Abendessen und Preisverteilung bei vorzüglicher Bewirtung im „Bären". — Nachfolgend seien je die 15 ersten Schützen auf Meisterscheibs und Festscheibeverzeichnet: a) Meisterscheibe: 1. Schmalz- Pforzheim, 2. Jung-Pforzheim, 3. A. Schmidt- Neuenbürg, 4. Beißer-Calw, 5. Hippe lein« Calw, 6. Claß-Calw, 7. Katz-Pforzhetm, 8. Maier-Wildbad, 9. Klauser-Neuenbürg, 10. Oschs- lin-Pforzheim, 11. Deyle-Calw, 12. Lutz-Neuen« bürg, 13. Höfer-Calw, 14. Kiefer-Wtldbad, 15. Höhn-Neuenbürg. 5) Ehrenscheibe: 1. Maier-Wtldbad, 2. Claß-Calw, 3. Weiß.
Pforzheim, 4. Schlatt er er-Calw, 5. Beeri« Hirsau, 6. Hohenstetn-Weilderstadt, 7. Herbster- Neuenbürg, 8. Klauser-Neuenbürg, 9. Jung-Pforz- heim, 10. Mühleisen-Pforzheim, 11. Schönlen- Calw. 12. Schmalz-Pforzheim, 13. Höfer-Calw, 14. Hippelei n-Calw, 15. Großkopf-Neuenbürg.
Darmsheim 25. Sept. Sicherer Nachricht gemäß ist Pfarrer Richter von hier, dem Haus und fast der ganze Hausrat am 20. August beim Brande zu Grunde ging» auf die erledigte Pfarrei Sülzbach bei Weinsberg ernannt worden; es wurde ihm der 16. Oktober als Aufzugstermin bestimmt. Schullehrer Ulm er hat unter der Brandkatastrophe so in den Nerven gelitten, daß er sich in eine Heilanstalt begeben mußte. Im ganzen sind an Geldgaben 37 000 ^ eingelaufen; man hofft auf 100 000 da der Schaden doch sehr groß ist.
Stuttgart. Eine Reihe von illustrierten Blättern brachten dieser Tage das Bildnis Professor Dr. Gustav Jägers und seiner zweiten Gattin. Der weithin bekannte Gesundheitslehrer und Naturforscher hat sich am 16. Juli d. Js., bald nach seinem 75. Geburtstag wieder vermählt, mit einer seiner Familie schon seit längerer Zeit nahestehenden Dame, die etwa die Hälfte der Lebensjahre zählt, wie ihr nunmehriger Gemahl. Die Hochzeit fand in Murrhardt statt, wo Prof. Jäger einen Landsitz hat. Für Jäger, der sich einer blühenden Frische und Gesundheit erfreut, ist dieser Ehebund eine neue Bewährung seiner Gesundhettslehre. (Staatranz.)
Stuttgart 26. Sept. Am 28. Sept. find es 50 Jahre, daß eines der glänzendsten Volksfeste gefeiert wurde. König Wilhelm hatte zu dem landwirtschaftlichen Hauptfest im Jahre 1857 den Kaiser Napoleon III und den Kaiser Alexander von Rußland, die in Stuttgart zusammengetroffen waren, eingeladen. Gegen 11 Uhr vormittags bewegte sich ein glänzender Zug von Stuttgart her über die Wilhelmsbrücke auf den Wasen. König Wilhelm der immer zu Pferd auf dar Volksfest kam, war diese» Mal
von beiden Kaisern umgeben — Napoleon zur Rechten — Kaiser Alexander zur Linken. Hinter den Monarchen kamen die Pcinzen und ein Gefolge von mindestens 200 Personen. In dem Gefolge des Kaisers Napoleon befanden sich die Generale de Fatlly und Fleury, Prinz Joachim Murat und der Minister des Aeußern Graf Walewski, in dem des Kaisers Alexander der Minister des Aeußern Fürst Gortschakoff und der Minister des kaiserlichen Hauses Graf Adlerberg. Sodann folgten drei vierspännige Wagen. Es saßen die Königin Pauline von Württemberg, die Kaiserin Marie von Rußland, die Königin Sophie der Niederlande und der Königin Amalie von Griechenland darin. Abteilungen der Stadtgarde eröffneten und schloffen den Zug. Eine vieltausendköpfige Volksmenge bildete von der Wilhelmsbrücke bis zum Festplatz Spalier. Nachdem der König, geführt von dem Minister des Innern von Linden, den fürstlichen Gästen im Kreis alles gezeigt hatte, gingen die Preisverteilung für dar Vieh und die Wettrennen vor sich, begünstigt vom herrlichsten Wetter.
Stuttgart 26. Sept. In letzter Nacht wurde zwischen Südheim und Kaltental ein Ma- schinist angeblich von zwei Burschen ange- halten und ihm sein Geld abverlangt. Der Angefallene soll den beiden Tätern mit einem Stock Schläge auf die Köpfe versetzt und sie verletzt haben.
Stuttgart 26. Sept. Graf Zeppelin hat am gestrigen Mittwoch Nachmittag abermals eine 3 V-ständige Uebungsfahrt über den See gemacht. Der neue Aufstieg des Luftschiffs konnte von höher gelegenen Standpunkten aus auch in Ravensburg mit bloßem Auge gut beobachtet werden. Das Luftschiff bewegte sich zwischen 2 und 3 Uhr auf der Strecke Jmmenstaad-Langen- argen, zweimal fuhr er diesen Weg mit offensichtlich großer Schnelligkeit und verschwand dann um 3*/i Uhr in der Richtung nach Konstanz. Die Hebungen, Senkungen und insbesondere die Drehungen gingen, wie man auch von hier aus
Sine Mrl au die Wafferliautt im August IM.
Von E. F. in Calw.
(Schluß.)
Manche hatten sich luftige, herrliche Sitzplätze erwählt. Hoch oben auf den mit Segeltuch zugedeckten Rettungsbooten sah man die Seekrankheit und was so drum und dran hängt nur von ferne; auch mir blieb sie fern und ich hatte den vollen Genuß der prächtigen Seefahrt.
Majestätisch lag das Meer in all seiner Klarheit und Unendlichkeit vor uns!
Bald erblickte man Helgoland mit seinem hochgetürmten, steilen Felsenufer. Um den Vers:
„Grün ist das Land,
Rot ist die Kant,
Weih ist der Strand,
Das sind die Farben von Helgoland*
richtig zu würdigen, fehlte uns leider die l. Sonne, doch ein bedeckter Himmel hat auch seine Lichtseiten. Klaren Auges konnte man nach allen Seiten Ausschau halten, nicht müde wird man, dem Spiel der Wellen mit seinen auf-und abwogenden Gischtkämmen zuzuschauen. Fern am Horizont tauchte ein schneidiges Schulschiff auf, stolz blähten sich seine Segel im Winde! Leider kam es nicht in Hörweite, wir konnten den „blauen Jungens" kein „Hurrah" zurufen. Dampfer aller Arten und Größen fuhren vorbei, immer gab es was zu sehen oder zu entdecken.
Das Mittagessen hat uns, das einzige Mal auf der ganzen Reise, nicht recht geschmeckt. War es das Schwanken, das innen im Schiff entschieden unangenehmer ist, oder waren wir vom „Kaiser Wilhelm* her so sehr verwöhnt?
Die Zeit vor dem Landen benützte man, sich nach dem Befinden seiner Bekannten zu erkundigen, jedermann wurde kritisch betrachtet. Was man da alles zu hören bekam! Fast bereute ich mir die Geschichte nicht doch auch aus der Nähe angesehen zu haben. —
Von Brunsbrüttelkoog per Bahn durch Schleswig-Holstein nach Kiel, wo wir die 3 folgenden Tage Nachtquartier bezogen.
Montag früh unter Führung eines Deckoffiziers der Marine, Gang durch die Stadt über den Lorenzdamm, Hohenzollernpark zur Holtenauerstraße mit prächtiger Aussicht auf den Hafen, weiter nach dem Strandweg, wo auf der einen Seite sich ein schöner Blick auf den ganzen Kriegshafen, auf der andern Seite auf die Baulichkeiten der Seebadeanstalt, des kaiserl. Jachtklubs u. s. w. bietet. Im Hafen wimmelte es förmlich von Schiffen, zufällig befand sich die ganze Kriegsflotte hier. Weit — weit hinaus lagen die Linienschiffe und Kreuzer verankert.
Nachmittags fuhren wir in zwei kleineren Dampfern zum Linienschiff „Zähringen", das von oben bis unten besichtigt wurde. Ueberall Kanonen — vorne und hinten je 2 der größten Geschütze, nach oben und unten kleinere, ganz oben Revolverkanonen und Maschinengewehre. Mt welchem Stolz erklären uns die Matrosen alles, was wir wissen wollen! Sicher sind ihnen unsere Fragen oft recht komisch vorgekommen. Wie blank ist auf solchem Schiff auch die kleinste Ecke, immer wird geputzt und gestrichen. Weiter unter tadelloser Führung „Onkel Kellers", eines wirklich redebegabten Deckofftziers, zur kaiserlichen Werft, den riesengroßen Werkstätten des Schiffs- und Maschinenbaus. Auf die wichtigen, einzelnen Teile der Schiffe wurden wir aufmerksam gemacht, sahen ältere Schiffe, welche mit dem Neuen und Besseren, das man inzwischen erfunden ausgestattet wurden, kurzum so wie unsere Gruppe war sicher keine geführt worden.