Erzählungen für den Feierabend
Die Gefangene /
von Gertrud Bäumer
Tie Burg von Garda sitzt auf einem Fels- kegcl wie ein winziger Reiter aus einem breiten Roß. mit dem das Riesenheer der Alpenberge gegen das östliche Seeufer und die Ebene hin vvrstößt. Sein Bug steht mit Hunderten von Metern senkrecht über dem see. Seine flanken sollen mit steilen grauen Felsivänden und abschüssigen Geröllhalden in das Neben und Obstbäume tragende Land, sein Rücken endigt in einem waldigen Sattel, aus dem die nächste Stufe der Vorberge aufsteigt. Das alles sieht die gefangene Königin heule — an einem blauen Maientage — zum erstenmal. Zum erstenmal war ihr gestattet worden, die vielen feuchten Stufen aus dem lichtlosen Kerker, in dem sie , Wochen lang festgehalten war. hinaufzusteigen. um ein paar Stunden auf dem besonnten kleinen Söller zuzubringen, auf den die Treppe mündete. Ihrer kräftigen Jugend war wenig von diesen Wochen anzumerken. Ihr selbst unbegreiflich waren sie nicht qualvoll gewesen. Sie war von der Treue zweier guter Menschen umsorgt; nichts-sonst drang zu ihr. nichts Frohes und nichts Schmerzliches. Aber als Marlin einmal andeutete, daß man ihr wahrscheinlich die Freiheit geben würde, wenn sie sich entschlösse, den Schleier zu nehmen, sah sie ihn tief erstaunt an. Nie. auch jetzt nicht, hätte sie an das Kloster gedacht.
Nun sah sie zum erstenmal wieder in die Welt hinaus.
In der ersten Woche träumte sie über See und Land hin. sah wie zum erstenmal dem Gras aus der Mauer zu, mit dem der Wind spielte, sprach ohne Worte mit den Lazerten. die sich sonnend, sie mit goldenen Augen ansahen und. scharfe blaue Schatten mit sich ziehend, in die Spalten huschten, folgte den großen Kreisen der Hellen Seeadler in der Luft und sah sie niederstoßen zum dunkelblauen Spiegel.
In der zweiten Wollte begann sie Burgen, Häuser und Straßen zu suchen, den Weg der Boote über den See zu beobachten, den Zirg des Ufers und der Berge zu betrachten, den Stand der Tonne damit zu vergleichen und versuchte, ein Bild des Berges selbst, aus dem sie war. und seiner Burg zu gewinnen.
In der dritten Woche gestand sie sich daß sie dies nicht nur tat. um ihre Stunden zu füllen, sondern aus Lockung der freien Ferne. Unversehens hingen sich Pläne an ihre Er- kundigungen — unten. Im Dunkel, zwischen den Steinen — verwegene Pläne, unmög- liche Pläne. Wenn sie für die Stunden, in denen das Gitter über der schmalen Treppe sich öffnete, wieder Heraufkain, zeigte ihr das unerbittliche Tageslicht, daß es keinen Aus- weg aus eine»! Kerker gab. zu dein zweiund- siebzig Stufen hinab in den Felsen führten, oder von einem Söller, von dem nach außen hin der Fels steil wie eine Mauer Hunderte von Metern vor aller Augen im Lande und aus den See hinabstürzte.
In der vierten Woche begann sie sich nach der Zeit zurückzusehnen, in der das Leben in ihr ins Dunkle hinein verklungen war. Ter Söller wurde so unerträglich wie der Kerker. Jetzt erst sing ihre Gefangenschaft an. Ter Anblick der freien Vögel über dem See war so qualvoll wie das Vorbeistreichen des Bergwindes an ihren Schläfen, die lichte Weite des Himmels so beunruhigend wie der dunkle Zwang der Mauern. Es gab nichts mehr — nicht den Psalter, nicht Gebet, nicht Träume ins Land hinaus oder in ihr Leben zurück, das auch nur für eine Stunde die Pein ihrer wilden Sucht nach Freiheit beschwichtigt hätte, auch nicht den Schlaf. Jetzt erst sahen die Getreuen. Martin und Bo- nella, sie mit Angst an. Ihre Jugend ver- zehrte sich.
In der fünften Woche erschien in einem kleinen Winkel des Burghofes, auf den Adel- Heid hinuntersehen konnte, ein alter Mann mit krumm gezogenem Rücken und ebensolchen Beinen, stellte einen Block zum Holzhauen aus und fing an. Neste die er von einer unsichtbaren Stelle des Hofes heran- holte, zu zerkleinern und zu einem Breun- Holzstoß zu schichten. Martin erzählte ihr. daß der alte Mann sein ganzes Leben auf der Burg Dienste getan hätte. Er ging schon seit Jahren nicht mehr hinunter. Es half ein wenig, ihm zuzuschauen wie er langsam und gleichmäßig und mit der Sicherheit und Behutsamkeit lebenslanger Gewohnheit daS weiße Holz teilte. Der Bau des Holzstoßes man sah es an der Sorgfalt mit der die scheite gewählt und verworfen und gelegt wurden war eine besondere Kunst. Es gab Menschen dachte die Königin, deren Leben füllte eine solche Arbeit aus und hatte ,'ein Ziel darin daß sie gut gemacht wurde. Vor Gott waren sie treue Knechte und hatten den Vorrang vor den großen Ungetreuen, -vem alten Mann da unten gehörte die Verheißung ich will dich über viel letzen! Sie 'reute sich wie der kunstvolle Ring mit dem er da? Merk angelegt hatte in schöner Fvrm mit alatwn Wänden ausstieg als hätte sie
unw -d 'nt.
Mine? hatte der alte Mann einen in En, junger Verwandter von ihm I
sei gekommen, ihn zu besuchen, erzählte Bonella. Sie arbeiteten zu zweien. Dem jungen Gehilfen ging die Arbeit schnell von der Hand. Aber er trieb allerlei Spiel dabei. Nun stellte er einen knorrig gewachsenen Wurzelast so hin daß er aussah wie ein Mann und hing ihm sein Wams um; oder er las Scheite nach der Größe aus und ordnete sie wie Heerhaufen. Oder er legte aus geraden und krummen Scheiten auf dem Boden eine Figur — die Königin zuckte zusammen — alles Blut rann ihr zum Herzen — in der Figur erkannte sie das Wort 666610. - Das sind Bischof Adalhard und Graf Maginfred, sagte die Königin atemlos vor Herzklopfen.
An jedem der nächsten Tage schrieben die Holzscheite ein oder auch nur ein halbes Wort dann wurden sie wieder zusammengeworfen. xovx - (ZUäLtZE — l-IE — 6<ZIlI'?I!:8 — äXTIt: — PONI^I — 8L?1'. — tg/ztt' 1 'Uäk:: Jeden Neumond sind Reiter vor dem nördlichen Tore Mantuas.
Diese Tage und Nächte, in denen sie an den erschienenen Worten herumrätselte und auf die nächsten wartete, gaben der Königin ihre ganze junge Tatkraft zurück. Also man rechnete darauf, daß sie einen Ausweg fänden und sich bis Mantua zu Fuß durchschlügen. Aber wie sollten sie hinauskommen? Heißen Kopfes hatte sie in diesen Nächten alle Möglichkeiten überdacht und überdacht; in den Hellen Stunden auf dem Söller mit Martin vor dem weiten Lande, die Straße nach Süden ermessend, Pläne besprochen und verworfen und neue gesucht und als vergeblich erkannt. Zu Bestechungen hatten sie keine Mittel: auf Versprechen würde niemand helfen, denn die Gefahr war zu groß und die Bewachung der Burg stark, weil man sogar auf Angriffe von Adelheids Freunden gerüstet war. Einen Ausweg, der nicht über ein bewachtes Tor ging, gab es nicht. Am
Tier sich in die Erde wühlte? War es ein Traum, daß sie einmal in Marmorsälen Krone und Purpur getragen hatte? Es war nichts in ihr als ein dumpfer Wille, auch fast wie der eines Tieres, der sie von Tag zu Tag trieb.
Als eines Tages — sie halten den zweiten Neumond vorübergehen lassen müssen — alle drei betend vor dem Altar lagen, schrie Bonella aus einmal hell auf. Martin hielt ihr sofort den Mund zu. und was er in der Erregung heftig sagte, klang wie: dumme Gans. Unter dem Altarbehang kroch eine lange schwarze Schlange heraus. Eine harmlose Grasnatter. Wo kam sie her? Tie Taube mit dem Oelzweig. sagte Martin. Jubel in der bebenden Stimme, zur Königin, indem er dem Tier einen an seiner Haut klebenden Halm abnahm, ehe er es packte und in die Höhlung zurückschob. Sie kommt von draußen — der Herr hat uns erhört!
Nun arbeiteten sie fieberhaft weiter. Nicht lange vor dem dritten Neumond erschien unten in dem Hofwinkel der Bursch, fing an. von der Spitze des Holzstoßes Scheite in einen Korb zu sammeln. Aus die Mauer legte er nun das Zeichen —? — Martin warf einen Apfel hinunter, in dessen Schale er mit seinem Fingernagel ritzte: Vero — jawohl! und auf der anderen Seite: Enno — Jetzt! Er sah. daß der Bursch den Apfel aushob, betrachtete, erst von der einen, dann von der anderen Seite anbiß und aufaß. Dann warf er seine Kappe in die Luft, fing sie und verschwand.
Martin brach schon seit einigen Nächten den lockeren Kalkstein um den Spalt heraus, durch den die Schlange gekommen war. Noch hatte er der Königin nicht gesagt, was er schon spürte, daß der Spalt sich verbreiterte. Er wollte erst den Weg erprobt haben. Heute versuchte er es. Er kroch ein Stück in einem engen Gang, dann fand er. daß dies der letzte Ausläustr eines kegelförmigen Spaltes ins Innere hinein war, der immer höher wurde und an der Südflanke des Rückens in Buschwerk und Gras ins Freie führte. Ge
Siurr-errfchiag j
Ueber dir und mir eine Glocke schlägt.
Schlägt den Weichen Traum aus unfern Ohren. Traum, der dich und mich durch weite Himmel trägt, Traum, an dem wir Maß und Ziel verloren. Stundenschlag.
Blick' in deine Enge, du bist kaum ein Tag.
Und die Kette klirrt uns am Fuß — die Zahl, Zwingt herab aus hohen Geisteschören:
Pflüge, pflüge tief eines Lebens Tal.
Ende jeder Ueberlegung stand das Wort: unmöglich!
Unter ihnen wurde der Holzstoß vollendet. Dann würde die Möglichkeit weiterer Nachricht aushören. Der Bursch stand aus der Mauer und baute an der letzten Spitze, zu der man vom Boden nicht heranreichte. Aus die Mauer legte er noch drei Worte, da konn- ten sie nur von oben gesehen werden.
8äXO - LäVl5klEE — l-OVITO: Der Fels hat Höhlen — grabt.
Als sie hinunter in ihren Kerker kamen, starrten die Steine der Wände sie hart und verschlossen an. Wie, womit, wo sollten sie graben? Zum erstenmal brach die Königin in ein heißes verzweifeltes Schluchzen aus. Marlin warf sich vor dem kleinen Altar aus die Knie und wartete schweigend, daß die Königin ibm folge. Als sie sich neben ihn zu Boden geworfen hatte, betete er laut. Er betete mit den Worten des neunten Psal- mes — des Siegespsalmes, von der schönen Jugend vorzusingen —: Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen und erzähle alle seine Wunder — — es hoffen auf Dich, die Deinen Namen kennen, denn Du verlässest nicht, die Dich. Herr, suchen! Er betete, daß der Herr das Wunder an ihnen tun und ihre Hand führen und stärken möge. Tie jubelnde Zuversicht der heiligen Worte schlug in ihre Seelen, daß sie an das Unmögliche glaubten. Das war die Kraft, die sie brauchten. Sie beschlossen, hinter dem Altar anzufangen. einem Holztisch, den das Tuch be- deckte, schon weil sie dort den Versuch am besten immer wieder verbergen konnten.
In der ersten Nacht gelang es Martin, eine Furche von Fingersbreite und wenig mehr Tieie emzukratzen. Er hatte nur einen Stein. Ter erste Neumond war in zwei Wochen. Sie würben Monde brauchen. Am zweiten Tage fand Bonella aus dem Boden des Eimers in dem sie den Unrat aus Sem Kerker hinausschaffte, das Eisen einer Axt. Martin und Bonella wechselten einander die Nächte ab. Tie Königin half. Die endlosen Nächte, die so vergingen, schmolzen der Königin später zusammen zu dem Wissen um die letzten Höhlen der menschlichen Not und Verzweiflung. Was war noch an ihr von der Königin im Schmutz und Gestank des Kerkers. an ihren verschleißenden Kleidern ihrem verwildernden Haar, an den rauhen zerrissenen HLnd-n. mit denen sie wie ein
Von lü. 6. Xolbenkexer
Spür' das Erdreich, ihm wirst du gehörenl Stundenschlag.
Blick' in deine Enge. Lu bist kaum ein Tag.
Will — ein Vogel streicht ober mir in Ruh.
Ein Gewölk zerfließt in blauen Gründen.
Härter ist die Hand, eng und schwer der Schuh: Du, auch du wirst in die Weite münden. Stundenschlag.
Blick' in deine Enge, sei ein Tag.
rade wollte er vorsichtig hinausschauen, da regte sich etwas vor ihm. Er drückte sich an den Felsen und sah den Burschen vom Hof durch das Gesträuch streifen. Salve, sagte er leise, nachdem er sich vergewissert hatte, daß er allein war. Der Bursch war mit einem Sprung bei ihm. Seit lange, flüsterte er schnell, schaue ich mich an den Spalten um. die hier allenthalben sich öffnen. Das nenne ich Glück. Nach Dunkelwerden findet Ihr hier zwei Mannskleider und Nahrung. Geht am ersten Tag in die Berge hinauf. Ich werde eine andere spur machen und sie irreführen. Er steckte dem Priester noch auf alle Fälle sein Messer zu und verschwand.
Martin kroch zurück. Das Messer war gut um der Königin und Bonella das lange Haar abzuschneiden. Bis zur Dunkelheit lagen die drei betend vor dem Altar. Dann schob sich der Priester in die Höhlung hinein. Bonella war die letzte.
Was ihnen bisher geglückt war. war das Schwerste, aber das Wagnis begann erst jetzt. Ihre Flucht mußte am frühen Morgen entdeckt werden. Man würde sehr schnell ihren Ausgang finden. In die Berge hinauf war schwer mit ihren erschöpften Kräften. Sie stiegen die ganze Nacht, dann lagen sie in einer Mulde mannshohen Ge- büichs der weißen Heide im Schatten von Eichen. Es blieb den ganzen Tag totenstill. Tie Bienen summten Friede sang es in ihnen.
In der nächsten Nacht mußten sie in die Ebene. Da war es nicht leicht, am Tage Deckung zu finden. Einmal lagen sie im hohen Mais — während immer neue Reiter- truppS über die Wege sprengten. Sie hörten den Husschlag sie sahen über den grünen Stauden die Staubwolken stehen und wußten: das galt ihnen. Ja sie sahen die Männer einschwenken und mit Lanzen wie mit Falknerstangen ins Feld stoßen. Sie lagen in Rohr und Binsen des Sees, ein Fischer ruderte sie ein Stück quer durch die schilfige Bucht und briet ihnen einen Fisch für ihren Hunger.
Aber noch ehe sie nach glühenden Auaust- tagen in Hunger und Durst auf ihrer sechsten Nachtwanderung in das sumpfig ver- breiterte Tal des Mineio um Mantua kamen, erklang Hufschlag und Klirren der Gehenke durch die aufhellende Morgendämmerung ihnen entgegen. Sie waren durch alle Anstrengung der Flucht so ermattet, daß
sie den Entschluß, sich noch einmal zu ver- bergen, nicht mehr ausbrachten sondern sich fti Gottes Hand befahlen und wieder gingen. Sie spürten, daß der Trupp sie. herankvm- mend, beobachtete, aber es war zu spät. Dicht vor ihnen machten die Reiter halt. Einer saß ab. Ueber die staubige Hand der Königin beugte sia, Graf Maginfred.
(Aus: „Adelheid — Mutter der Königreiche" von Gertrud Bäumer. Rainer-Wun- derlich-Verlag Tübingen. In diesem Werk wird Geschichte in einzigartiger Weise lebendig; es verbindet gewissenhafte Forscherarbeit mit gewaltiger dichterischer Konzeption.)
Maria im Rvsenhag
Von I- u <t « > g käte
Stephan Lochner, der Maler, beugte sich ernst über das Gesicht der Kranken, die man an diesem spätsommerlich schönen Nachmittag aus ihrem kleinen Hause an die steil abfallende Mauer des Meersburger Schlosses geschoben hatte. Unten spiegelte der Bodensee; noch hing die Luft voll des Ruchs der reisen Rosen.
..Sieh", sagte er versonnen, kaum fähig, den Blick aus der Trunkenheit der Stunde zu lösen, „ich habe nun das große Bild der Maria fertig vor mir stehen. Ich brauche es nur noch zu malen. Die Mutter trägt das Kind auf dem Schoß. Das lacht und schiebt das Händchen in die ihre, deren Leuchten über die Tafel blühn soll wie eine stille, edle Blume. Nun weißt du auch, warum ich zu dir in die alte Heimat gekommen bin!"
Sie errötete unter seinen Augen und schwieg. Er nahm ihre Hand.
.Ein Künstler, der das Himmlische will, muß aus dem Irdischen gestalten und es ins Göttliche steigern."
Sie schaute ihn voll an: „Aber warum denkst du dabei an mich? Was bin ich daß du mich immer wieder malst und um meine arme Nichtigkeit den Goldgrund der Heiligen legst? Ich war Magdalena, du maltest mich als Maria mit dem Veilchen, die Könige aus dem Morgenlande bringen mir ihre Geschenke. Tust du nicht Sünde mit solchem Werk?"
„Du bist mir das Heilige, das in mein Leben hinabgestiegen ist und mich vor seiner Anfechtung bewahrt", erwiderte er fromm, ihre Hand, die blaß auf der blauen Decke lag. fester fastend. „Wir gehören uns in sündloser Liebe an und sind niemals ein Fleisch gewesen. Es ist mir anfangs schwer geworden und dir wohl auch. Doch da Gott die Krankheit nicht von dir nimmt, ist es auch sein Wille, und wir dürfen uns nicht dagegen auflehnen. Aus deinem Opfer aber wächst meine Kunst, und du trägst schwerer als ich daran, da die Frau das Kind will, das sie mit dem Höchsten unmittelbar verbindet. So bist du die Reine, der ich mich ehrfürchtig beuge. Du wirst auch immer aus meinen Bildern wiederkehren; denn wen einmal das Göttliche berührte, den verlangt es nicht mehr nach dem Niedrigen. Denn alles will den Geist, der Mensch und die Blume, das Tier und der Stein."
Er strich das goldrote Gelock aus der Stirn und hörte wohl, wie sie leise weinte.
„Ich denke immer an den Augenblick, wo das Bild aus dem Staub der Werkstatt eingeht in den Glanz des Gotteshauses, in das Leuchten der Fenster, in das Atmen der Kerzen. in denen der ganze Duft der sommerlichen Wiesen mit dem tiefen Gesumm der Bienen quillt, und so löst sich auch langsam alles was mich im Aufbau quälte, das Eckige. Unbewegliche Ueberfüllte und Laute. Jetzt will alles eine .Bewegung werden, und von rechts und links strömt es zur Mitte, zum Wesentlichen und sinkt von dort wieder hinab in das Gras, in die Erde, daß es sich von neuem entzünde. Man reift wohl langsam. nicht nur in den Jahren."
Sie lächelte unter Tränen, und es sah ' lieblich aus. wie die Sonne aus dem See ihrer dunklen Augen stieg: ..Tu sprichst vom Altern und bist kaum über die Dreißig!"
..Das Werk zehrt, aber es macht mich auch wieder jung, da es in die zeitlosen Bezirke will. Ob es dauert, ich kann es nicht sagen; ob es Wert hat ich weiß es nicht. Ich lue es. weil ich es tun mutz, und das Lob der Freunde sagt mir nichts. Ich habe einmal Bilder gesehen die kamen wie von Gott, damals. als ich in den Niederlanden bei Jan van Eyck zu lernen suchte. Hilf mir Maria, daß ich keine taube Nuß. kein leerer Halm bleibe!"
Sie hob sich aus den Kissen und lehnte über der Mauer. Das Glänzen des weiten Masters drang aus der Tiefe, und über der Flu! stiegen die weißen verlorenen Ketten des Säntis: ..Geh deinen Weg. Stephan Lochner! Wir leiden damit du liebst, damit du uns anfüllst mit Gott!"
Das sanfte Silber des Sees lief in den Abend, der sich mit Glockengeläut und dem Schall heimkehrender Herden verklärte.
Herausacaeben tcmbera von
im Auftraa üer NL.-Proste Wt'rt- Hans Ncvlitna. Ulm a. D.