698
Abends fand im Theater der Stadt eine Festvorstellung statt. Den musikalischen Teil hatte ein Schülerorchester unter der Leitung von Musik- direktor Buttschardt übernommen. Auf einen schwungvollen Feflprolog von Fr. Mayer, vorgetragen von Fräul. A. Schutz, folgte ein von A. Kuhn und Fr. Mayer verfaßtes Wielandfestspiel in gebundener Sprache. Das sinnige Werk wurde mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Mit dem Besuch einiger durch Wieland denkwürdig gewordener Punkte, so insbesondere des Schlosses Warthausen, zu dessen Besichtigung die auswärtigen Gäste von Frhr. v. Warthausen eingeladen worden waren, schloß am Mittwoch die in allen Teilen stimmungsvoll verlaufene Feier.
Friedrichshafen 8. Sept. Von einem traurigen Unglücksfall wurde die Familie des Schneidermeisters Bausinger hier betroffen. Die 19jährige Tochter desselben, die in St. Gallen bedienstet war, verbrannte sich am Spiritusapparat derart, daß sie gestern infolge der erhaltenen Wunden ihr junges Leben lassen mußte. Vor 4 Jahren ist ein Sohn derselben Familie, als er in Immenstaad beim Hopfenbrechen war, im See ertrunken.
Aus dem Kinzigtal 5. Sept. Die in Zell a. H. erscheinende Schwarzw. Post enthält im Sprechsaal folgende köstliche Anfrage die weitere Verbreitung verdient: „In Nr. 58 dieser Zeitung vom 28. Mai veröffentlicht das wohllöbliche Bür- germeisteramt die Badeordnung, nach welcher die Badezeiten wie seither beibehalten werden nämlich u. a.: in der großen Badeanstalt: von 10—12 für Mädchen unter 18 Jahren, von 12—3 Uhr für Damen über 18 Jahre; in der kleinen Badeanstalt: von 10—12 Uhr fürFrauen und Jungfrauen, von 12—5 UhrfürMäd« chen. — Es interessiert nun weniger die Zeit- einteilung, sondern mehr die Klassifizierung der Badenden. Und hierüber bittet um Auskunft: Eine Bürgerstochter, die über 18 Jahre ist, sich zu den Damen zählt, und auch-darauf berechtigten Anspruch erhebt, als Jungfrau angesehen zu werden.
Straßburg 7. Sept. In Dorfe Kaufe! bei Diedenhofen war ein angesehener Bürger beerdigt worden. Während nun der Totengräber mit dem Zuschaufeln des Grabes beschäftigt war, hörte er plötzlich aus der Tiefe ein dumpfes Klopfen. Eilig lief er zum Bürgermeister. Der Sarg wurde im Beisein eines Arztes geöffnet, welcher feststellte, daß der Mann nur scheinbar tot war, im Sarge aber erstickte. Der Mann war ohne die gesetzliche Leichenschau beerdigt worden. (St. Mpst.)
Bochum 7. Sept. Nach amtlicher Darstellung beziffern sich die in Gelsenkirchen entdeckten Unterschlagungen bei der Steuer
kasse auf etwa 30 000 Als Täter kommen die Beamten Loos und Boock in Betracht. Gegen den Polizeisekretär Thiemann hat die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Unterschlagung von Jagdscheingebühren eingeleitet. Sekretär Bieck, der gleichfalls in die Machenschaften verwickelt ist, verübte unlängst Selbstmord.
Berlin 6. Sept. Die Wagentrümmer an der Unfallstelle bei Strausberg wurden heute nachmittag noch einmal gründlich durchsucht. In den Spiralfedern der Polsterung eines verbrannten Wagenabteils fand man bei der Untersuchung verschiedene Geldstücke, 20-Mark und 10« Markstücke, auch Nickelgeld, die zum Teil stark beschädigt waren, außerdem Kleiderknöpse mit der Firma Orgler und Hirsch-Königsberg, ferner ein Stück von einem Hosenträger; auch wurde ein Stück Schädeldecke gefunden. Eine Anfrage in Königsberg ergab, daß der Bankdirektor Kra- schutzki von der betreffenden Firma Kleider bezogen hat. Die gefundenen Gegenstände wurden nach dem Bahnhof Rehfelde gebracht und dann auch von dem Sohn des vermißten Bankdirektors Kraschutzki gründlich geprüft. Es steht außer Frage, daß Kraschutzki bei dem Unfall verbrannt ist. Die Polizei und die Gendarmerie stellten infolge dieses Fundes ihre sonstigen Untersuchungen ein. — Dem „Berl. Tagebl." wird mitgeteilt, daß das Befinden des verunglückten Ingenieurs Hoffmann, der unter anderem eine Gehirnerschütterung erlitt, andauernd besorgniserregend ist. Es besteht wenig Aussicht, den Patienten am Leben zu erhalten.
Berlin 7. Sept. Ein unter dem dringenden Verdacht, bei Stra u sb erg den Eilzug zum Entgleisen gebracht zu haben, verhafteter früherer Eisenbahnarbeiter Wirsing ist wieder aus der Haft entlassen worden. Wie verlautet, ist in Trebersdorf an der Ostbahn eine neue Verhaftung in der Angelegenheit erfolgt.
Berlin 7. Sept. (Besteuerung von Kraftfahrzeugen.) Wie dem Berl. Tageblatt aus Wien gemeldet wird, wird dem in der nächsten Woche zusammen tretenden niederösterreichischen Landtag unter anderem ein Gesetzentwurf unterbreitet werden, der die Besteuerung der Automobile und Motorräder vorsieht. Nach dieser Vorlage hätte jeder Automobilbesitzer in Niederösterreich in Zukunft 1000 Kronen, jeder Besitzer eines Motorrads 100 bis 200 Kronen jährlich an Landersteuern zu entrichten. Diese Steuer soll eine Schadensgutmachung darstellen. Ueberdies wird noch ein Haftpflichtgesetz für diese Art von Kraftfahrzeugen in Vorschlag gebracht werden.
Berlin 7. Sept. JmDeutsch-Ovambo- Lande herrscht, wie der Natl. Ztg. von best unterrichteter Seite mitgeteilt wird, trotz der
kriegerischen Vorgänge jenseits der portugiesischen Grenze vollkommene Ruhe. Anders lautende Nachrichten find entweder völlig aus der Lust gegriffen oder darauf zurückgeführt, daß kürzlich unter den Großleuten von Ondonga vor allem gegen die Neffen Kambondes gerichtete Streitigkeiten abgebrochen sind. Solche Reibungen kommen unter den Ovambo immer wieder vor. Sie haben aber stets ganz lokalen Charakter.
Antwerpen 7. Sept. Vorläufig scheint die Ruhe in Antwerpen wieder hergestellt. Doch erwartet man von dem dieser Tage erfolgenden Eintreffen einiger sozialistischer Redner, die den Deputierten Anseele in der Agitation unterstützen sollen, nichts Gutes. Die Arbeit wird unter militärischer Bedeckung mit Hilfe von 3500 eng. lischen, deutschen und holländischen Arbeitern verrichtet. Der Brand ist beendet, der Schaden wird jetzt auf 6 Millionen taxiert. Der Präsident der Federation maritime, Steinmann, wird noch immer von den Streikenden bedroht. Alle Fenster seines Hauses sind eingeworfen und er kann nur unter Bedeckung täglich seinen Weg machen. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind zum Aushalten entschlossen. Die Regierung hat erklärt, daß sie in diesen wirtschaftlichen Kampf nicht eingretfen könne und sich darauf beschränken müsse, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Hiezu habe sie alle Vorkehrungen getroffen.
Wien 7. Sept. Gestern hat König Eduard seinen Aufenthalt in Marienbad beendet und ist nach London abgereist. Die Behörden in Marienbad waren vor wenigen Tagen vertraulich benachrichtigt worden, daß ein den revolutionären Kreisen bekanntes verdächtiges Individuum von Paris nach Marienbad gereist sei und man befürchtete, daß ein Anschlag gegen das Leben des König Eduards geplant sei. Daraufhin wurde die Zahl der Geheimpolizisten um 20 Mann verstärkt. Der König bewegte sich jedoch unbekümmert wie zuvor in der Oeffentlichkeit.
Innsbruck 7. Sept. Der Postassistent Jig aus Stuttgart verunglückte bei einer Rodelpartie so schwer, daß er nach Schruns in ein Hospital überführt werden mußte.
Paris 7. Sept. Der Matin meldet aus London, das deutsche Kaiserpaar werde gelegentlich seines Besuches in England auch der Hauptstadt einen Besuch abstatten. Es heißt, die städtischen Behörden beabsichtigen, da» Kaiserpaar zu einem Diner in der Gutldhall einzuladen.
Paris 8. Sept. Der Berliner Korrespondent des Petit Parisien erklärt Mitteilen zu können, daß die Antwort der deutschen Regierung auf die französische Note in der Marokko. Angelegenheit heute übergeben werden wird und daß dieselbe in sehr freundschaftlichem Tone gehalten sei. Es werden darin nur einige Vor-
Sehnsucht in die Dämmerung hinausflüsterte und sich langsam umwandte, fiel sein Blick auf die leichtgekleidete Mädchengestalt, die mit leuchtenden Augen und lächelnden Lippen zwischen den blühenden Gebüschen auf der Steintreppe ve» Gemäuers vor ihm aufstieg.
Einen Augenblick standen sie sich wortlos gegenüber und sahen sich an, erstaunt, überrascht, glückselig. Dann breitete Heinrich die Arme au», als wollte er die ganze Welt umschlingen in überströmender Seligkeit, und Beate flog an seine Brust.
Sie gehörten zu einander, das wußten sie ja längst.-
Eine Viertelstunde später kam der alte Großmann, seinen Dichter mit dem Poem abzuholen, und war nicht wenig erstaunt, das Tor der Ruine verschlossen zu finden. Kopfschüttelnd ging er um das Gemäuer herum, spähte an den efeuüberwucherten Steinwänden empor und rief den Namen seines Sohnes. Aber niemand antwortete, nur das ferne Lachen der fröhlichen Gesellschaft schlug an sein Ohr — in der Ruine rührte sich nichts.
Und wieder ging er zurück bis an das eisenbeschlagene Tor» legte die Hand auf die Klinke und rüttelte kräftig, daß es nur so dröhnte.
„Heinrich! — Heinrich!" rief er hinauf in die Höhe, wo Ginster und Haselbüsche ihm die Aussicht versperrten, und endlich antwortete über ihm die Stimme seine» Sohnes: „Bist Du's, Papa?"
„Aber natürlich bin ich's," lachte der Alte.
„Was ist denn hier eigentlich los?"
„Ich bin gefangen hier oben! Eingeschlosssn nach allen Regeln der Kunst!"
„Johann wird den Schlüssel haben," brummte Großmann senior. „Ich werde ihn Dir holen! Bist Du fertig mit Deiner Ueberraschung?"
„Fix und fertig!" lautete die Antwort.
„Kann ich also meinen Gästen was Besonderes ankündigen?"
„Ja Papa — etwas ganz Besonderes. Ich glaube, Du wirst zufrieden sein!"
„Wollen mal sehen!" lachte der Vater und ging eilig den Hügel hinunter, den Schlüssel zu holen, während Heinrich und Beate langsam die Steintreppe herunterstiegen, fest an einander geschmiegt, Hand in Hand.
Sie konnten und wollten nicht sprechen, es war ihnen, als müßte jeder laute Ton dieser Stunde stören oder sie aufrütteln aus einem seligen Traume, der zu wenig war, um Wirklichkeit sein zu können. — Endlich hörten sie hastige Schritte sich nähern, der Schlüssel klirrte im Schloß, und das Tor kreischte in seinen rostigen Angeln.
Und Hand in Hand standen die beiden glücklichen Menschen vor dem alten Herrn, der das Bild mit halboffenem Munde wie eine Vision anstarrte.
„Was — ist denn — das?" stieß er endlich hervor.
„Meine Ueberraschung. Papa!" lächelte Heinrich. „Ich habe die Zeit benutzt, um mich zu verloben!"
„Ja — mein Gott — ist denn das möglich!" stammelte der gute Alte, „Sie — Komtesse, wollen wirklich — tatsächlich — meinen Sohn —" Aber er kam nicht weiter. Beate hatte Heinrichs Hand losgelassen und warf sich jetzt mit tieferrötendem Gesicht dem alten Manne in die Arme, der sie herzlich an die Brust schloß und dem dicke Tränen der Rührung über die Wangen perlten, während er seinem Sohne die Hand reichte und sagte: „Junge! Das hast Du brav gemacht, das ist mir lieber als das schönste Gedicht!"
„Und nun," rief Heinrich, „schnell hinunter zur Gesellschaft und das Evangelium verkündet!"
„Halt, mein lieber Junge!" antwortete der alte Herr, indem er Heinrichs Hand ergriff und ihn sanft zurückhielt, „so schnell geht das nun doch nicht, wie Deine Dichterphantafie es sich träumt. Hier muß erst noch ein anderer gefragt werden, von dem Euer Glück abhängt und ohne den es absolut nicht geht — Gras Werner!" (Fortsetzung folgt.)