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Anzeige von einem Landjäger in der Person eines älteren, hiesigen Mannes, welcher die Schuhe unter dem Holz in seiner Wohnung versteckt hatte, ermittelt und zur Anzeige gebracht worden.
Pforzheim 6. Sept. Gestern wurde hier eines der großartigsten Volksschulhäuser weit und breit im Beisein der Behörden durch einen feierlichen Rundgang, Reden und Gesänge eilige- weiht. Das Haus ist im sog. Osterfeld an der Grenze von Alt-Pforzheim und dem 1900 eingemeindeten chem. Torf Brötzingen erbaut, kostet mit dem Grund und Boden über eine Million Mark und bietet Raum für rund 2000 Schüler.
Baden-Baden 4. Sept. Der Sieg des Graditzer Hengstes Hammurabi hat auch beim Kaiser große Freude bereitet. Kaiser Wilhelm, der sofort nach der Entscheidung von dem Erfolg durch ein Telegramm in Kenntnis gesetzt worden war, depeschierte roch am gleichen Abend dem obersten Leiter der kgl. preußischen Gestütsverwaltung, Grafen Georg Lehndorff in Baden, zurück, er habe sich sehr über den Sieg im großen Preis mit Goldpokal gefreut, einen Sieg, der nur der hohen Einsicht und rastlosen Tätigkeit der Grafen zu danken set. Die Depesche schloß mit den Worten: „Möge das Glück auch ferner mit unseren Farben sein." — Zum Juwelendiebstahl im Hotel Stephani hier wird weiter mitgeteilt, daß die wertvollsten abhanden gekommenen Schmuckstücke ein Diadem mit 36 Steinen ist, von denen 5 fehlen. Wert 44 000 dann eine Diamantkette im Wert von 20 000 ^ und eine Diamantbrosche im Wert von 6000 Die übrigen Schmuckstücke, etwa 30 an der Zahl, haben einen Gesamtwert von 30 000
Strausberg 6. Sept. ZudemEisen- bahn-Attentat bei Strausberg wird noch gemeldet: Der Betrieb zwischen Strausberg und Rehfelde ist eingleisig wieder ausgenommen worden. Die Untersuchung gegen den unbekannten Urheber der Entgleisung hat insofern einen bemerkenswerten Fortschritt gemacht, als es gelungen ist, ein genaues Signalement des mutmaßlichen Täters zu beschaffen. Ein Hauptinteresse der Untersuchung richtet sich sttzt auf den Verbleib des Direktors Kraschutzki aus Königsberg. Man rechnet auch amtlich mit der Möglichkeit, daß Kraschutzki ein Opfer der Flammen geworden ist. Bei den Ausräumungsarbeiten sind verbrannte Reste gefunden worden, die möglicherweise von einem Menschen herrühren. Der Bahnarzt vr. Kasche in Strausberg ist von der Bahnverwaltung aufgefordert worden, sich sofort an die Unfallstelle zu begeben.
Berlin 6. Sept. Die Bewegungen der südwestafrikanischen Schutztruppe gegen Morenga find, wie der L.-A. von unterrichteter Seite erfährt, vorläufig zur Einstellung gelangt. Morenga
befindet sich nach wie vor auf englischem Gebiet und verhält sich anscheinend ruhig. Oberstleutnant v. Estorff, der sich nach dem Süden des Schutzgebietes begeben hat, ließ den 70 Bondels durch ihre gesandten Boten Mitteilen, daß sie sich unterwerfen sollen. Man wartet daher ab, wie diese sich weiter verhalten werden.
Berlin 6. Sept. Nun ist festgestellt, daß ein Unbekannter, der sich als Chauffeur ausgab, dessen Automobil außerhalb Strausbergs liege, den bei dem Eisenbahnunfall gefundenen Schlüssel bei einem Schlossermeister in Strausberg hat anfertigen lassen. Eine weitere Spur des Täters hat man noch nicht.
Elbing 5. Sept. Eine ergötzliche Geschichte von der Nehrung weiß die „Elb. Ztg." zu erzählen. Vor Pillau liegt bei Peise als Fahr- Zeichen eine Leuchttonne, dis wegen ihrer Größe bei der Schifferbevölkerung und in Seglerkreisen unter dem Namen „Peis er Bulle" bekannt ist. Der Malermeister des Dorfes hat die Tonne anstreichen müssen und reicht seine Rechnung („den Peiser Bullen zweimal mit Oel- farbe angestrichen . . 8 ^"), bei der Hafenbauinspektion ein, wo man an dem bekannten Namen keinen Anstoß nimmt und dem Mann das Geld bezahlt. Da aber kommt am Jahresschluss von der Oberrcchnungrkammer an die Hafenbauinspektion in Pillau folgende Anfrage: „Hält die Hafenbauinspektion in Pillau auf Peise einen Bullen? Und wenn, warum ist dieser Bulle zweimal mit Oelfarbe gestrichen?"
Antwerpen 6. Sept. Im Hafen herrschte Nachts vollkommene Ruhe, dank dem ununterbrochenen Landregen. Das Feuer in den Holzlagern schwelt noch weiter, doch ist jetzt die Gefahr vorüber. Man glaubt, daß die anarchistischen Apostel der Propaganda der Tat die Brände anlegten. Die Polizei wurde gestern von der bevorstehenden Ankunft eines deutschen und zweier französischen Anarchisten benachrichtigt. Die anarchistischen Elemente werden scharf beobachtet. Im Hafenbecken La Campine wurde ein Individuum festgenommen, das versuchte, einen Holzstoß mit Petroleum in Brand zu stecken. Die Versicherungs-Gesellschaften erklären, für den Schaden nicht aufkommen zu wollen. Nach dem Gesetz ist die Stadtverwaltung unter den vorliegenden Umständen, die den Charakter öffentlicher Unruhen tragen, für den Schaden verantwortlich. In einer Versammlung der Ausständigen erklärte der Sozialist Chapelle, Geldmittel seien genügend eingegangen, um den Ausstand vorläufig drei Wochen fortzusetzen. Auch weitere Zusicherungen von England und Deutschland lägen vor. 30 000 Brote wurden verteilt. Chapelle ermahnte die Ausständigen energisch, sich jeder Ausschreitungen zu enthalten.
Budapest 6. Sept. Der Redakteur der
„Börsenzeitung" in Petersburg, vr. Leo Vasiliewsky reiste über Budapest nach Fiume, um den Expriester Gapon, der dort weilt, im Auftrags der russischen Regierung nach Rußland zurückzuführen. Der Redakteur soll Instruktionen vom Minister des Aeußern erhalten haben, denen zufolge Gapon ungehindert nach Rußland kommen könne. Er müsse jedoch in Finnland bleiben, wo er monatlich 300 Rubel an staatlicher Unterstützung erhalten soll. Gapon müsse ohne Aufsehen nach Rußland zurückkehren, und den falschen Namen, den er zur Zeit führe behalten. Journalisten dürfe er nicht Rede stehen. Gapon soll in Fiume vom dortigen russischen Konsul 1200 Rubel Reisegeld erhalten haben.
Marienbad 6. Sept. Der englische Botschafter Goschen erklärte einem Korrespondenten der „Neuen Freien Presse", daß ihm über eine Zusammenkunft zwischen dem Zaren und König Eduard nichts bekannt sei.
Sosnowice 6. Sept. Gestern abend wurde der Generaldirektor Krasniewrki von der Renardgrube durch sechs Schüsse ermordet.
Warschau 6. Sept. Aus Lublin wird gemeldet: Wegen des letzten von Sozialisten auf dis Weichselbahnstation Minkowice gemachten Ueber- fallcs und des Raubes der Bahngelder fanden in der Vorstadt große Haussuchungen statt. Hierbei endeckte man in der Wohnung der Gebrüder Borenstein 200 Nevolverpatronen, 2 Browning- Pistolen, mehrere Dynamit- und Melinit-Pakete. Beide Brüder wurden verhaftet, ebenso 18 Arbeiter, die zur Kampfes-Organisation gehören sollen. — Aus Lodz wird telegraphiert: 7 Banditen haben den reichen polnischen Kaufmann und Hausbesitzer Adamek, der die Zahlung von 1000 Rubeln ablehnte, ermordet.
Casablanca 6. Sept. Die Auswanderung von Juden und Spaniern dauert fort. Sie reisen zu Hunderten nach Spanien und Frankreich, da sie der Ansicht sind, daß für längere Zeit der Handel vollständig unterbrochen bleiben wird.
Vermischtes.
— (Die Zukunft der Elektrizität.) Kein Geringerer als Edison hat sich einem Zeitungsberichterstatter gegenüber über die Zukunft der Elektrizität ausgesprochen. Nach seiner Meinung wird die Welt in den nächsten Jahren große Fortschritte auf diesem Gebiet erleben. Namentlich sagt er voraus, daß durch Vermittlung der Elektrizität die Wissenschaft den Landwirt dazu befähigen werde, seine Aecker durch Stickstoff aus der Luft zu düngen. Ueberhaupt steht nach Edison die Elektrizität noch in ihren Kinderschuhen, und er sagt bescheiden, daß er trotz seiner unablässigen Arbeit über sie heute nur sehr wenig mehr wisse, als am Anfang seiner Laufbahn. Er hoffe aber, in einer nahen Zukunft die Erzeugung von Elek-
Er streckte sich lang ins Gras — ein heiteres, wunschloses Behagen überkam ihn, und mährend er dem Spiel zweier Schmetterlinge zuschaute, die sich über die Büschel der Wiesenblumen hinjagten, nahm er Notizbuch und Bleistift aus der Tasche und versuchte seine Stimmung und seine Gedanken zu bannen!
Währenddessen begann die Gesellschaft drunten immer fröhlicher und animierter zu werden, und einige junge Herren hatten ein Pfänderspiel vorgeschlagen, das mit allgemeinem Beifall angenommen wurde. — Nur Beate war ein wenig einsilbig geworden und hatte, als Werner sie fragte, über Kopsweh geklagt. Er hatte sie offenbar verstimmt, daß Heinrich, ohne sich zu entschuldigen, plötzlich verschwunden war — und nicht wiederkam. Sie hätte gern den alten Großmann gefragt, wo er geblieben sei, aber ein unbestimmtes Gefühl hielt sie davon zurück. Als die ganze Gesellschaft sich zum Pfänderspiele scharte, stand sie unbemerkt auf und trat zur Seite, lehnte ihre Teilnahme ab unter dem Vorwand» nicht ganz wohl zu sein, und stand, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, das bunte, ausgelassene Treiben mit gleichgiltigen Blicken betrachtend.
Gerade ihr gegenüber sah sie Werner neben Erika unter einer breitästigen Buche sitzen, ganz verloren in sein junger, seliges Glück, versunken in die Augen der Braut, teilnahmslos für alles, was um ihn her vorging.
Und da stieg mit einemmale ein seltsamer, nie gekanntes Gefühl in der jungen Menschenbrust auf wie ein physischer Schmerz, der ihr das Herzchen qualvoll zusammenpreßte.
Sie kam sich überflüssig vor — zum erstenmale in ihrem ganzen Leben! Ueberflüffig I —
Dort der Bruder, dem sie bisher alles gewesen, dessen ganzes Leben sie ausgestellt hatte» dachte nicht an sie, kümmerte sich nicht um die kleine verwöhnte Schwester, die hier so mutterseelenallein an dem Birkenbaum lehnte und sehnsüchtig zu ihm hinüberschaute.
All die fröhlichen Menschen um sie her dachten nur an ihr Vergnügen, an das alberne Spiel, jagten lachend und mit erhitzten Wangen an ihr vorbei durch die Büsche, ohne sich nach ihr umzuschauen und Keiner hatte das Bedürfnis, sie zu fragen: „Was fehlt Dir?! —"
Wußte fie's denn selbst? — Und doch war ihr mit einemmale so wehe ums Herz, daß es brennend heiß in ihren Augen ausstieg und ein paar große Tränen über ihre Wangen rollten.
Und daß auch Heinrich sich so fortgestohlen hatte, sich gar nicht um sie kümmerte, das empfand sie am bittersten, und in ihrer Seele bäumte es sich empor wie Trotz und Zorn.
Sie wollte ihn gar nicht sehen, wenn er kam, wollte ihm nicht be- gegnen, niemandem, sie wollte allein sein!
Langsam wendete sie sich um, ging zwischen den Stämmen hin, wie eine Traumwandelnde, und Schritt für Schritt erstieg sie den Hügel, der zur Ruine emporführte.
Immer weiter lag der Festplatz hinter ihr, immer entfernter klang das Lachen der Festgenossen, das ihr so weh tat, und so häßlich mit ihrer Stimmung kontrastierte, und droben endlich auf der Anhöhe, als sie nur das Rauschen des Abendwindes in den Wipfeln und das Gezwitscher der Schwalben hörte, atmete sie erleichtert auf.
Die eichene Tür stand halb offen — sie blickte hinein.
Drinnen war alles still — nur im hohen Grase zirpte eine Grille.
Einige Augenblicke stand sie so — traumverloren — einsam inmitten der schweigenden Natur.
Da hörte sie hinter sich Schritte, schwere Männerschritte auf dem Steingeröll hinter der Ruine, und instinktiv huschte sie über die Schwelle und trat hinter einen der breit vorspringenden Mauerpfeiler, um die Kommenden vorüber zu lassen.
(Fortsetzung folgt.)