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wollen sich anderweitigen Erwerbrzweigen zuwenden. Die beiden jüngsten Söhne lernen unter Aufsicht des Vormundschaftsgericht das Lithographenhandwerk. — Musikdirektor Steindel hat sich dem Urteilsspruch der hiesigen Strafkammer, die ihn, wie bekannt, wegen Mißhandlung seiner Söhne zu 7 Monaten und 3 Tagen Gefängnis verurteilte, unterworfen. Das Urteil ist damit rechtskräftig geworden.
Stuttgart 27. Aug. Heute früh hat sich in den Anlagen an der Hasenbergsteige ein Herr erschaffen. Die Leiche, die noch nicht agnosziert ist, wurde ins Leichenhaus des Pragfriedhofs verbracht.
Fellbach 23. Aug. Die Getreide, ernte ist beendigt und lustig streicht nun der Wind übers Stoppelfeld. Die Ernte selbst fiel nach Güte und Menge sehr gut aus. Vom Viertelmorgen wurden durchschnittlich 50 bis 60 Dinkelgarben geerntet. In manche Aecker wurden sofort weiße Rüben gesät, die auf den Herbst ein beliebtes Viehfutter geben. — Mit der Oehmd- ernte, die etwas spärlich aurfällt, wurde begonnen.
Ludwigsburg 27. Aug. (Schweine, markt.) Zufuhr Milchschweine 326 Stück, Läuferschweine 42 Stück. Preis für 1 Paar Mtlchschweine 20—30 für 1 Läuferschwein 30—60 Die Zufuhr von Milchschweinen war heute eine starke, von Läufern eine mittelstarke. Der Verkauf ging gut und beide Gattungen wurden je stark zur Hälfte verkauft.
Hessigheim a. N. 26. Aug. Einem guten Herbsterträgnis können wir entgegensehen. Mit großer Sorgfalt haben die Winzer dieses Frühjahr ihre Arbeit begonnen und fortgeführt. So stehen jetzt die Weinberge in schönster flkacht und tragen reichlich und gesunde Früchte.
Göppingen 27. Aug. Das Opfer einer überaus rohen Tat wurde laut Hohenstaufen am Sonntag abend ein jüngerer Zimmermann von hier. Derselbe kam auf dem Heimweg von aus- wärt« durch Rechberghausen und wurde daselbst im Verlauf eines Wortwechsels mit einem Holzscheit derart über den Kopf geschlagen, daß er sofort bewußtlos zusammenbrach. Der Verletzte, um den sich die rohen Patrone nicht weiter kümmerten, erlitt eine Gehirnerschütterung und eine große, klaffende Wunde am Kopf, die vernäht werden mußte. Untersuchung des Falles ist eingeleitet.
Alten stadt 27. Arg. Ein junger Bursche, der auf ein Automobil, das wegen eines kleinen Defekts nicht mehr weiter konnte, im Moment der Abfahrt heimlich aufstieg, wollte, als er sich zu weit der Heimat entrückt sah, selbst wieder abspringen. Hiebei fiel er so unglücklich auf das Gesicht, daß er bis zur Unkenntlichkeit entstellt, ins Krankenhaus gebracht werden mußte.
Tübingen 24. Aug. Die Getreideernte ist nun so ziemlich beendet. Der Ertrag an Stroh und Körnern ist durchweg gut. Auch die übrigen Feldfrüchte stehen schön; ebenso ist der Ausfall der Heu- und jetzt der Oehmdernte ein günstiger, wenn auch das Oehmdgras infolge der bestandenen Dürre sehr zurückblieb. Mit dem Obstertrag sollte es allerdings bester sein, denn hier ist kaum eine mittelmäßige Durchschnittsernte zu erhoffen. Die Hopfen in der Umgebung versprechen einen schönen und guten Ertrag. Glücklicherweise ist unsere Gegend von Hagelschlag ver- schont geblieben, so daß man mit dem heurigen Jahrgang im allgemeinen zufrieden sein kann. — Das Erntefest, die sckgenannte „Sichelhänge" das früher durch allgemeine festliche Veranstaltungen an vielen Orten verherrlicht wurde, wird Heuer wieder aufs neue in allgemeiner Feier begangen. — Mit den Weinbergen steht es schlecht. Hier wird Heuer kaum etwas zu holen sein.
Tuttlingen 27.Aug. Der Schwindler, der sich voriges Jahr als vertriebener Karthäuser aurgab und in den Pfarrhäusern Besuche abstattete, sitzt im Gerichtsgefängnis in Tuttlingen. Seine Aburteilung erfolgt, sobald die Voruntersuchung durch das Amtsgericht erfolgt ist.
Friedrichshafen 26. Aug. Die nächste Probefahrt des Luftschiffes des Grafen Zeppelin wird voraussichtlich Mitte September stattfinden. Die neue große schwimmende Halle, die nunmehr zur Hälfte fsrtiggestellt ist, muß zuvor vollständig fertiggestellt werden.
Köln 27. Aug. Auf einen Personenzug von München—Gladbach nach Köln wurden unweit der Station Mülheim mehrere Schüsse aL- ge feuert, wobei ein am Fenster stehender, älterer Herr schwer verletzt wurde. Trotz eifriger Recherchen ist es bisher nicht gelungen, der Attentäter, die in den letzten Tagen Anschläge auf Züge verübten, habhaft zu werden.
Frankfurt a. M. 26. Aug. Die Beerdigung des früheren Reichstagsabgeordneten Wilhelm Schmidt erfolgte unter Beteiligung von etwa 30 000 Personen. Die Trauerrede hielt Reichrtagsabgeordneter Brühns und Stadtverordneter Quarck. 81 sozialdemokratische Korporationen legten Kränze nieder.
Frankfurt a. M. 27. Aug. Prinzessin Heinrich von Preußen kam gestern Abend 7 Uhr 05 Min. aus Wilhelmrhöhe vom Besuche ihrer Schwägerin, der Kaiserin, hier an. Am Hauptbahnhof wurde sie von dem Großherzog von Hessen, ihrem Bruder, abgeholt. Die Herrschaften dinierten im englischen Hof, worauf der Groß- Herzog per Automobil nach Wolfsgarten zurückfuhr. Die Prinzessin Heinrich verließ Frankfurt um 11 Uhr und fuhr nach St. Moritz in der Schweiz.
München 27. Aug. Der bei einem bayerischen Grafen beschäftigte Chauffeur Johann Weißhaupt stieß gestern in der Nähe von Moß- bürg mit seinem Automobil gegen ein Holzfuhrwerk. Das Automobil wurde dabei zertrümmert und der Chauffeur getötet.
Dresden 27. Aug. Die „Chemnitzer Allgemeine Zeitung" meldet, Kaiser Wilhelm habe den König Friedrich August Mitte Mai auf Schloß Pillnitz in strengstem Inkognito besucht. Der Kaiser sei mit dem Automobil von Potzdam gekommen. Vermutlich habe die Beratung internen Familienangelegenheiten gegolten. Jetzt fand auf Schloß Moritzburg eine geheime Beratung mit Bischof Schäfer und den Ministern statt, dis mit dem Kaiserbesuch zusammenhängen soll. Man vermutet, daß die Unterredung sich auf die Mon- tignoso-Affäre oder die Wiederverheiratung des Königs bezogen habe.
Berlin 26. Aug. Eins amtliche Depesche aus Windhuk besagt: Nach Meldungen der Kundschafter und englischen Hottentotten ist Moris am 20. August mit 2 Hottentotten und 37 Pferden zu Morenga gestoßen. Morenga ist angeblich von Bakrivier wieder in die Berge gezogen. Der Gouverneur der Kapkolonie bestätigt die Anwesenheit Morengas auf englischem Gebiet bei bei Bakrivier Mund. Alle verfügbare britische Polizei ist dorthin entsandt. Nach Mitteilungen des Generalkonsuls plündern Morengaleute das englische Gebiet.
Berlin 27. Aug. Nach langen Vorbereitungen ist gestern Abend das lenkbare Luftschiff des Majors v. Parseval zum ersten Mal in diesem Jahre in die Luft gestiegen. Es herrschte ein Wind mittlerer Stärke. Der Ballon stieg vorzüglich mit und gegen den Wind. Sämtliche Wendungen gelangen.
Berlin 27. Aug. Ein blutiges Eifersuchtsdrama hat sich gestern Abend im äußersten Norden abgespielt. Die in der Ackerstraße wohnhafte Friedericke Hopps, Mutter von zwei Kindern im Alter von 18 und 14 Jahren, wurde von ihrem Schlafburschen, dem 39 Jahre alten Stallknecht Plön, mit dem sie ein Verhältnis unterhielt, erstochen. Plön hat sich nach Begehung der Mordtat an einem Türenpfosten erhängt.
Kalte rn (Deutschsüdtirol). Ueber die Aussichten des Trauben- und Obst st ands wird dem„Schw. M." geschrieben: Wie im Jahr 1900, so erfreut sich auch in diesem Jahr die Obst- und Traubenkultur, dank der günstigen Witterung, eines überaus befriedigenden, und, wenn nicht in den letzten Tagen noch ein Unwetter oder Wettersturz eintritt, zu den schönsten Erwartungen berechtigen, den Erntebestands — auch überall frei vom gefürchteten Sauerwurm. Insbesondere berechtigen
Lustig zogen die Pferde an» Lori sauste wieder in großen Sprüngen vor dem Gespann her und, den Kopf an die Scheiben der Vestibül gelehnt, blickte Beate dem dahingleitenden Schlitten nach, bis auch das ferne Hundegebell an der Visiere des Waldes verhallt war.
Pünktlich um 11 Uhr 26 Minuten war der Zug in die Halle ein- gelaufkn, und Werner hatte mit Heinrich die Familie Großmann und Beate in Empfang genommen. Natürlich war sofort der gute Alte wie ein ausgehungerter Löwe mit Fragen über die Beiden hergefallen, stieß aber stets auf das eine unerbittliche Wort der Erwiderung „Nach dem Diner", daß er ganz wütend die Fäuste ballte, aber nur in der Tasche seines Pelzes, denn sein Wirt war von geradezu bestrickender Liebenswürdigkeit, schob sofort seinen Arm unter den seinigen und plauderte mit einer Lebhaftigkeit, die etwas geradezu Nervöses hatte, während Heinrich mit den Damen hinterher ging.
„Uebrigens," sagte Werner im Verlaufe des Gesprächs, „muß ich zunächst zu Ihrer Beruhigung ein kleines Geständnis ablegen. Ich habe, um Sie alle heute gemeinsam hierher zu locken, meine Zuflucht zu einer kleinen Kriegslist genommen, indem ich eine Angelegenheit, die eigentlich Sie gar nicht berührt, zu einer ungemein wichtigen Sache aufgebaufcht habe. Es ist mir allerdings ein großes Glück widerfahren, das ich mir gar nicht erträumt habe, ein Glück, das ich eigentlich gar nicht verdiene. Aber es ist eben nur mir begegnet, und wenn Ihr lieber Sohn, der zuerst davon hörte, meine Glückseligkeit in herzlicher Freundschaft zu der seinigen machte und meine Einladung durch ein so überschwengliches Telegramm unterstützte, um ihr Nachdruck zu verleihen, so war dies weder meine Absicht, rock lag es in meinem Programm."
„Hoffentlich aber bereuen Sie es nicht, gekommen zu sein."
„Wie könnte ich das," entgegnete Großmann, „und Sie nehmen mir wirklich einen Stein von der Seele, denn Sie ahnen gar nicht, was ich
alles vermutet habe. Aber wenn es wirklich etwas ist, was Ihr Glück betrifft, lieber Herr Graf, so freut es mich herzlich, gekommen zu sein, denn daß wir zu Ihnen ein gewisses Gefühl der Zugehörigkeit haben, müssen Sie ja längst gefühlt haben."
„Hab' ich gefühlt," lachte Werner, „und daß ich dankbar dafür bin, hoffe ich Ihnen eines Tags glänzend zu beweisen, denn wir echten Ellingens lassen uns nichts schenken, auch nicht in Gefühlssachen."
Bei Werner angekommen, plauderte die kleine Gesellschaft in fröhlicher Weise, und der alte Papa hatte seinen ganzen guten Humor wiedergefunden, nachdem ihn Werner beruhigt hatte, daß es sich nur um ihn handelte.
Kurz vor zwei Uhr kamen auch Viktor und Gehring und man ging zu Tisch.
Und es war tatsächlich reizend behaglich in des Grafen hübscher Garconwohnung, daß man sich buchstäblich in ein Heim versetzt glaubte, in dem eine Hausfrau mit liebenden Händen alles zum Empfang der früh- lichen Gäste bereit gemacht hätte.
Gehring strahlte. — Das schöne Gesicht leuchtete heute in allem Sonnenschein eines ungetrübten inneren Glücks, und als er Beate vorge- stellt worden war, sah er lange in das rosige Mädchengesicht mit dem Ausdruck so warmer Herzlichkeit, daß Beate vom ersten Moment an für den älteren Freund ihres vergötterten Bruders eine aufrichtige Sympathie empfand. Plötzlich erhob sich der Amerikaner, schlug an sein Glas und begann:
„Meine Herrschaften! Erschrecken Sie nicht, es ist kein Toast, den ich ausbringen will, sondern nur eine Mitteilung, die ich Ihnen zu machen habe."
Werner wurde dunkelrot und blickte auf sein Glas, während die Rechte nervös mit dem Deffertmeffer spielte.
(Fortsetzung folgt.)