135. Amts- und Änzeigeölatt für den Bezirk Calw. 82 . Jahrgang.
LUcheinunzttag«: Dlenltag, Donnerstag. Lamr- tag, Sonntag. JnsertionSpretl 10 Pfg. pro Zeile für Stadt an» AtjirkSorte; außer Bezirk 12 Psg.
Sonntag, de« 25. Angnst 1997.
ilbonnernenttpr.tad.Srabtvr.Btertelj.Mk. 1.1» inrl.Dr!igrrl. BterteljSLrl. Postbezugtpreit ohne Best-llg. s. d. Ort», u. Nachbar- orttoerkehr 1 Mk., s. b. sonst. Berkehr Mk. 1.10, Bestellgeld 20 Pf,.
Tagesnenigkeiteu.
Calw 24. Aug. Der seit Mittwoch in Untersuchungshaft gewesene Hausbursche des bad. Hofes ist heute wieder freigelaffen worden.
sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.j Infolge der im August d. I. an dem Lehrerinnenseminar Markgröningen abgehaltenen ersten Dienstprüfung ist u. a. Seminaristinnen für befähigt zur Versehung von unständigen Lehrstellen an Volksschulen erklärt worden: Schund, Anna, von Gechingen, OA. Calw.
— Eisenbahnsache. Von der Generaldirektion der württ. Staatsbahnen wurde zur Vorbeugung einer mißbräuchlichen Ausnutzung des seit 1. Mai eingeführten Gepäcktarifs bestimmt, daß bei Vorzeigung von 2 Fahrkarten mit besonderer Vorsicht zu verfahren sei; es sei nämlich die Wahrnehmung gemacht worden, daß Reisende an Stelle einer Fahrkarte für die Klaffe, die sie benützen wollen, eine Fahrkarte der nächst niederen nebst einer halben Karte als Zusatzkarte oder neben ihrer Fahrkarte noch eine halbe Karte 4. Klaffe, die sie als Fahrausweis überhaupt nicht benützen wollen, lediglich zu dem Zweck lösen» um durch Vorzeigung von 2 Fahrkarten eine billigere Fracht für ihr Reisegepäck zu erzielen — sei es, um für 25 kx die Berechnung nach der Vorstufe zu erlangen, sei es, um für das 200 übersteigende Gewicht die doppelte Anrechnung zu umgehen. Wenn also halbe Fahrkarten (Kinderfahrkarten) mit anderen Fahrkarten bei der Ge> päckabfertigung vorgelegt werden, ohne daß ein zugehöriges Kind anwesend sei, so sei der Reisende zu befragen, ob die Kinderfahrkarte tatsächlich von einem Kind benützt wird. Hiebei sei besonders darauf aufmerksam zu machen, daß nur in diesem Fall die Anrechnung bei der Gepäckabfertigung in Anspruch genommen werden dürfe.
lH Liebenzell 23. Aug. Der deutsche
Barde vr. Kristel veranstaltete gestern einen Singabend im hiesigen Lindensaal. Schade, daß das Konzert nicht stärker besucht war, denn dieser Singabend war in Beziehung aus musikalische Veranstaltungen das beste, was im Laufe dieser Saison geboten wurde. Die Singfolge war sehr geschickt zusammengestellt. Die einzelnen Nummern kamen in meisterhafter Weise zum Vortrag. Der Künstler verfügt über eine prächtige Stimme, wie man sie nicht oft zu hören bekommt. Kein Wunder, daß das Publikum mit seinem Beifall auch nicht kargte. Einzelne Nummern erzielten sogar rauschenden Beifall, so daß sich der Sänger mehrmals zeigen mußte; so: „Die Königswacht" aus den „Skaldengesängen" von Fürst Eulenburg, „das Erkennen" von Löwe, einige Volkslieder, die der Sänger auf der Laute selbst begleitete. Auch der Scherz kam in den Gesängen zum Ausdruck. Man bekam u. a.: „Lachpeter" von Fr. Abt und „Schmacht-Fritzchen" von C. M. v. Weber zu hören. Herr Kausfmann aus Calw hatte in dankenswerter Weise die Klavierbegleitung übernommen» die er auch mustergiltig durchführte.
Darmsheim OA. Böblingen 28. Aug. Seine Majestät der König Hai für die Verunglückten in Darmsheim 1000 ^ Unterstützung gegeben. Außerdem gingen noch verschiedene größere Beiträge ein.
Stuttgart 23. Aug. In dem Amts- blatt lesen wir: Bei dem am 20. ds. Mts. in Darmrheim OA. Böblingen entstandenen Brandunglück hat eine mit einer Dampfspritze ausgerüstete Abteilung der hiesigen Berufsfeuerwehr, die'mittels Extrazugs nach Böblingen und von dort auf mitgenommenen Wagen und Pferden an die Brandstätte geeilt war, andauernd und wie allgemein anerkannt erfolgreiche Brandhilfe geleistet. Angesichts der Ausbreitung und Gefährlichkeit des Brander glaubte die Stadtverwaltung
damit einer allgemeinen Pflicht der Menschlichkeit zu entsprechen, die sie ohne Zögern erfüllte, trotz- dem die für Stuttgart aus der Hilfsaktion erwachsenen Auslagen beträchtliche sind und die Entblößung der Stabt von einem Teil der örtlichen Feuerwehr bei der nach Hunderttausenden zählenden Bevölkerung und den v'"len Millionen von Werten ein nicht leicht zu nehmendes Risiko bedeutete. Wenn aber von verschiedenen Staats- beamten und dementsprechend auch in einzelnen Blättern verlautbar wurde, die Hilfeleistung sei auf Anordnung irgend einer staatlichen Behörde erfolgt, so ist demgegenüber aller Anlaß gegeben, zu betonen, daß die Absendung der Berufsfeuerwehr aus der freien Entschließung der Stadtverwaltung hervorging, und daß diese Verwaltung auch in Zukunft die Entscheidung darüber sich Vorbehalten muß, ob in einem auswärtigen Brandfall eine über die gesetzliche Bestimmungen hin- ausgehende Brandhilfe, zumal mittels der Beruss- feuerwehr, zu gewähren sei oder nicht.
Stuttgart 23. Aug. (Strafkammer.) Der Geschäftsführer des hiesigen Malerverbands nannte während de« hiesigen Malerstreiks einen Arbeitswilligen einen Sikeliorccht-r und schlug ihm dabei mit einem Stock auf das linke Bein. Außerdem äußerte er zu dem Arbeitswilligen, wenn er die Arbeit nicht niederlege, dann komme er in die Streikbrecherliste. Er wurde deshalb vom Schöffengericht wegen Vergehen gegen 8 153 der Gewerbeordnung zu fünf Tagen Gefängnis verurteilt, dagegen von einem Vergehen der ein- fachen Körperverletzung mangels Strafantrags freigesprochen. Die von dem Angeklagten gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde von der Strafkammer verworfen.
Stuttgart 23. Aug.MDer englische Delegierte Quelch erhielt durch die Stuttgarter Polizei-Direktion gestern Hen Befehl, bis heute
Gerettet!
Roman von Walter Schmidt-Häßler, Stuttgart.
(Fortsetzung.)
Werner konnte in dieser beinahe krankhaften Stimmung nicht nach Hause gehen, denn an Schlafen war ja doch nicht zu denken. Seinen Bruder aufzusuchen, hatte er keine Lust, denn das Herz war ihm jetzt zu voll mit Dingen, die er gerade vor ihm geheim zu halten fest entschlossen war, und so kam ihm denn der Gedanke, seinen Bekannten, den Schauspieler Römer, aufzusuchen, den er jetzt, nach Schluß des Theaters, in seinem Stammlokal, einer stillen, behaglichen Weinkneipe, zu finden gewiß war.
Werner war jetzt so recht in der Stimmung, an das Glück anderer zu denken und machte sich ja längst im stillen Vorwürfe, daß er nicht schon vor längerer Zeit daran gedacht hatte. Er traf den Künstler, wie er vermutet hatte, in dem rauchgeschwärzten Winkel am eichenen Tisch in Gesellschaft einiger Herren, die Werner gleichfalls kannte, wenn auch nur oberflächlich, und Römer rief dem Eintretenden schon entgegen: „Hierher, Herr Graf, bitte! — Sie suchen gewiß mich, wie ich so eitel bin, voraurzusehen, und ich habe Ihnen ganz interessante Dinge zu erzählen."
Die Herren rückten zusammen, Werner setzte sich neben den Künstler, und dieser begann sofort:
„Vor allen Dingen, liebster Herr Graf, muß ich mal eine recht indiskrete Frage tun! Aber es drückt mir da» Herz ab! — Ist vas Stück von Ihnen?"
„O nein, lieber Herr Römer," lachte Werner, „wahrhaftig nicht! Sie können nach Herzenslust Kritik üben. Ich bin nicht der Autor!"
„Das tut mir eigentlich recht leid," antwortete der andere» „denn ich hätte gern meine ehrlichen Komplimente an den rechten Mann gebracht."
„So gefällt es Ihnen also noch immer, und '.Ihr Chef hat sein schnell gegebenes Wort noch nicht bereut?"
„Bereut?" lachte Römer. „Wie ich das finde!! Ich hätte Ihnen schon vor einiger Zeit Bericht erstattet, aber als ich Ihnen einen Besuch machte, sagte man mir, Sie seien für längere Zeit verreist, und so mußten denn dis Ereignisse ohne Ihre Anwesenheit ihren Gang gehen.
„Es hat sich also etwas ereignet?"
„Sehr viel sogar und Erfreuliches dazu. Ihr Stück hat seine Lese- probe glücklich überstanden und auf jeden der Kollegen jeinen gleich tiefen und nachhaltigen Eindruck gemacht und die besten Hoffnungen erweckt. In drei bis vier Tagen findet die erste Bühnenpcobe statt, und wenn er Ihnen Freude macht, als Vertreter des geheimnisvollen Autors dabei zu sein, so mache ich mir das Vergnügen, Sie dazu einzuladen."
Werner schüttelte herzlich die dargebotene Hand und sagte erfreut: „Besten Dank! Ich komme, selbstverständlich komme ich, und wenn ich irgendwie kann, bringe ich Ihnen gleich den Dichter mit; denn wenn Sie glauben, daß er sich zeigen darf —"
„Ob," unterbrach ihn Römer; „er darf sich sehen lassen, denn er ist wirklich ein ganzer Kerl, und wenn auch noch manches jugendlich und unfertig ist, so wiegt das starke Talent doch reichlich alle kleinen Mängel auf. Vor allen Dingen ist er mal seit langer Zeit wieder ein richtiger Theaterstück mit gesunden, normalen Menschen, die volle Existenzberechtigung haben und keine krankhaften Ausgeburten einer verkrüppelten Phantasie sind. Und schon das allein tut wohl nach all dem gesucht Häßlichen, was man in letzter Zeit auftischen mußte, weil nichts Besonderes da war. Sehen Sie zum Beispiel gleich das neue Stück, „Das Köaigrmärchen", von der eigenartigen Dichterin, die keinen Vers ohne Zote schreiben kann. Wie ehrlich hat das Publikum diese Parodie auf das deutsche Märchen abfallen lassen, trotz der schönen Meyerschsn Musik. Nach solcher Similiware tut eine saubere, ehr-