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der Künste der Akademie selbst ebenso wie der Familie des verstorbenen Professors Joachim ihr Beileid aussprechen. Bei den Beerdigungsfeierlichkeiten wird sich der Kaiser durch einen Flügeladjutanten vertreten lassen. Ferner hat Fürst Reuß seine Beteiligung an der Beisetzung in Aussicht gestellt.
Berlin 17. Aug. Von wohl informierter Seite erhält das „Berliner Tageblatt" folgende Mitteilung: Nach den im Laufe der letzten Stunden bei dem Oberkommando der Schutztruppe eingelaufenen telegraphischen Meldungen ist die Situation im Schutzgebiet eine außerordentlich ernste, nicht minder ernst, als sie im Januar 1904 bei dem Ausbruch des Herero-Aufstandes war. Man gibt sich darüber keinem Zweifel hin, daß Morenga, der wie bereits gemeldet, mit 400 Anhängern, von denen 150 mit Martinygewehren bewaffnet sind, deutsches Gebiet betreten hat, als- bald zur Offensive übergehen wird. Oberstleutnant von Estorff wird sich mit seinem Stabe, den Hauptleuten Heye und Banszus, zur Zeit in Windhuk, nach Ketmanshop begeben. Ein Heran- ziehen der Truppen aus dem Norden nach dem bedrohten Süden ist seitens des Oberleutnant Estorff in die Wege geleitet.
Posen 17. Aug. In der Provinz Posen sind jetzt nur noch 250 Schulkinder am Schulstreik beteiligt. Nach amtlichen Meldungen erreichte der Schulstreik am 14. November v. I. seinen Höhepunkt mit 46 886 Streikenden, allein in der Provinz Posen.
Posen 17. Aug. Ein Gaunerstreich, der stark an den Ueberfall auf das Rathaus in Cöpenick erinnert, hat sich bei einem Gutsbesitzer in der Nähe von Posen ereignet. Dort erschienen in einer Automobildroschke zwei Herren, von denen sich der eine als Regierungsassessor v.Rigo bei der Kgl.Ansiedelungskonnmssion vorstellte. Der Begleiter sei sein Sekretär. Der Assessor sagte dem Gutsbesitzer, er komme im Auftrag der Ansiedelungskommission, um den Betrag von 9000^ für Zuchtvieh, das dem Gutsbesitzer durch Vermittlung der An- fiedelungskommission geliefert sei, etnzukassieren. Die Rechnung stimmte. Der Gutsbesitzer hatte aber so viel Geld nicht beisammen, da die Herren früher, als ausgemacht war, zu ihm kamen. Er bat den Assessor daher, mit der Bezahlung von 6000 ^ zufrieden zu sein und die übrigen 3000 ^ zu stunden. Der Assessor war sehr gnädig und erfüllte seine Bitte. Er strich die 6000 ^ ein, nachdem der Sekretär sie sorgfältig nachgezählt hatte, und fertigte darüber ordnungs- gemäß eine Quittung aus. Die Kassenscheine nahm er selbst an sich, während die Gold- und Silberstücke von dem Sekretär in einen Leinenbeutel geschüttet wurden. Der Gutsbesitzer war hoch erfreut über das Entgegenkommen der beiden
und stellte ihnen infolgedessen Keller und Küche zur Verfügung. Sie ließen es sich gut schmecken und der Assessor hatte seine liebe Not, um den Sekretär von dem edlen Naß, das ihm vorgesetzt war, zu trennen. Am andern Tage erfuhr leider der Gutsbesitzer, daß er zwei geriebenen Gaunern in die Hände gefallen war. Die Polizei hat die beiden noch nicht erreichen können. Es soll sich um einen Kaufmann und um einen niederen Angestellten der Ansiedelungskommission handeln.
Wien 17. Aug. Aus allen Teilen der Monarchie kommen Meldungen über den gestrigen Wettersturz. In vielen Gegenden sind Gewitter mit Hagelschlag niedergegangen. In den Gebirgsgegenden ist die Temperatur bis unter 5 Grad gesunken. Die Berge sind mit Neuscknee bedeckt.
Brunneck 18. Aug. Im Pustertal, im Zillertal, in den Riesenfernern, in den Dolomiten und in den Tauern istSchnee gefallen. Viele Sommergäste sind eingeschneit.
Paris 18. Aug. Der Matin meldet aus Mogador: Die Lage ist immer noch kritisch. Das Konsular-Corps trat zu einer Konferenz zusammen und ersuchte den Pascha, alle Vorkehrungen zum Schutze der Europäer zu treffen. Vor einigen Tagen war beschlossen worden, den Admiral Filibert angesichts der Lage zu ersuchen, Kriegsschiffe zu entsenden. In der Konferenz, welche am 12. August stattfand, war ebenfalls dieser Wunsch aus- gesprochen worden. Daraufhin ging der Kreuzer du Chayla nach Mogador ab.
Toulon 18.Aug. Große Waldbrände sind gestern ausgsbrochen. Mehrere Ortschaften befinden sich in Gefahr. Infanterie ist zur Ablöschung des Feuers beordert worden.
London 17. Aug. Aus New-Dork wird gemeldet: Ein Deutscher namens Wasser, der seit 5 Jahren von seiner Frau getrennt lebte, weil er sie eines unsittlichen Lebenswandels beschuldigte, kehrte zu ihr zurück und ersuchte sie ihn wieder aufzunehmen. Als die Frau sich weigerte, zog er einen Revolver und schoß auf sie. Darauf ergriff die anwesende Tochter Wassers, eine verwitwete Frau Langlotz, ebenfalls einen Revolver und feuerte auf ihren Vater. Zwischen Tochter und Vater kam es zu einem heftigen Kugelwechsel. Der fünfte Schuß der Tochter streckte den Vater nieder. Mutter und Vater starben im Hospital. Einige Stunden darauf wurde die unverletzte Tochter verhaftet. Sie erklärte, sie sei keine Mörderin, sondern nur die Rächerin ihrer Mutter.
London 17. Aug. Nach einer vorgestern datierten Depesche des Reuterschen Spezialdisnstes in Casablanca kam abends vorher ein mau.
rischer Bote in dar französische Lager und meldete dem General Drude, daß, wenn er nicht sofort kapituliere, dieFranzosen bis aufden letztenMann niedergemacht würden und das Fremdenviertel von Casablanca völlig niedergebrannt würde. Die englische Kolonie — fährt der Berichterstatter fort — ist von dem Bombarde- ment und der Plünderung furchtbar mitgenommen. Die englischen Gebäude sind von den französischen Granaten völlig zerstört, und sonst etwa übrig gebliebenes Mobiliar ist von den Khameßleuten teils gestohlen, teils zertrümmert worden. Die englischen Verluste werden ouf zirka 4 Millionen beziffert. Heute geht eine Deputation nach Tanger, um beim englischen Konsulat vorstellig zu werden. (Stuttg. Morgenp.)
London 18. Aug. Der Verband der Briefträger hielt gestern eine Versammlung ab, in der eine Tagesordnung angenommen wurde, worin gegen die Unzulänglichkeit der Löhne Ein- spruch erhoben wird, sowie gegen den Verlust gewisser bürgerlicher Rechte und gegen die Haltung der höheren Beamten gegenüber dem unterge- ordneten Personal.
Madrid 18. Aug. Nach den letzten hier eingegangenen Nachrichten ist die Lage in Fez bedrohlich. Gestern gingen aus Cadix 500 Mann spanische Infanterie und 300 Mann Kavallerie nach Casablanca ab.
Chicago 16. Aug. Heute morgen gab der Präsident des Telegraphistenverbandes allen im kommerziellen Telegraphenverkehr beschäftigten Beamten Anweisung, in den Ausstand zu treten, falls nicht Verträge mit dem Verbände abgeschlossen seien. — Dieser Aufruf zum Generalstreik ist nach neueren Meldungen nicht be- folgt worden.
New - Castle 18. Aug. Die Werftbesitzer an der Nordküste beabsichtigen, alle Arbeiter auszusperren angesichts der Haltung der Arbeiter der Firma Etwick, welche ohne stichhaltigen Grund die Arbeit eingestellt haben. Durch diese Aussperrung würden 20 000 Arbeiter betroffen werden. In Narrow sind bereits 1200 Mann ausgesperrt.
Petersburg 18. Aug. Hiesige Blätter berichten von einem neuen vereitelten Attentats- versuch auf den Zaren. Die Uebersiedelung der Zarenfamilie von Petersburg nach Zarskoje Selo soll hiermit in Zusammenhang stehen.
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älteren Verwandten lebte, und jedesmal hatte sie ihm mit großer Freude erzählt, daß regelmäßig, wenn er abwesend war, die Familie Großmann sich in liebenswürdigster Weise um die Einsame gekümmert hatte. Erst war Papa Großmann dagewesen und hatte ihr einige Ableger wundervoller Rosen von drüben mitgebracht, dann war die freundliche Nachbarin gekommen und zwar eines Morgens schon ganz früh, war den ganzen Tag über bei ihr gewesen und hatte ihr einen ganzen Stoß neue Bücher mitgebracht, die für Wochen des Alleinseins Beatens Abendstunden ausfüllten.
Und dann war sogar der junge Großmann dagewesen, zweimal, nur kn passant im Jagdanzuge, der ihm viel hübscher gestanden hatte wie der lange Gehrock mit der altmodischen langen Taille.
„Na, was hat denn der gebracht, Schwesterchen?" hatte Werner lachend gefragt, und Beate hatte sehr ernst geantwortet: „Etwas, was mir viele Freude gemacht hat, Werner! Bitte, lache nicht darüber! Seine Gedichte!"
„Warum sollte ich denn darüber lachen? Im Gegenteil. Ich nehme den jungen Mann überhaupt sehr ernst, ernster vielleicht, als Du ahnst."
„Das freut mich, Werner", lächelte die Komtesse, „freut mich hauptsächlich deshalb, weil es Dir und Deinem Feingefühl wieder ein so glänzendes Zeugnis ausstellt, denn ich habe im stillen gedacht, Du würdest dm bescheidenen Dichter verhöhnen, weil er so ganz ander» ist als Du."
„Und das hätte Dir so leid getan?"
„Unbeschreiblich! Denn seine Gedichte sind schön, wirklich schön, wie wenige, die ich kenne, so voll tiefer Poesie und voll zarter, vornehmer Empfindung. Ich glaube, so muß Alles sein, was er schreibt."
„Ist es auch, Schwesterchen, und ich selbst habe schon mehr und Besseres von ihm gelesen. Aber das ist mein Geheimnis. Es freut mich nur, daß Du Dich des unbekannten Dichters so annimmst!"
„Das ist doch eines Jeden Pflicht!" antwortete Beate leicht errötend,
„denn woher soll der Dichter das gewinnen, was für sein Werden so notwendig ist, den Glauben an sein Können und das starke Selbstvertrauen, wenn man ihn nicht zum fröhlichen Schaffen ermuntert?"
„Und das tust Du wohl fleißig?" scherzte Werner.
„So viel ich kann," antwortete Beate mit einem gewissen Stolz. „Er war ja nur so flüchtig hier die beiden Male, aber ich habe ihm doch die herzliche Freude angesehen, als ich ihm sagte, daß ich das, was er mir zu lesen gegeben, schön finde. Und die Gedichte sind wirklich sehr schön, Werner, Du kannst mir's glauben. Ich verstehe doch auch was davon — Willst Du sie mal lesen?"
„Nein, danke," lächelte der Bruder. „Ich bin von ihrer Vortrefflichkeit auch ohnedies vollkommen überzeugt."
Beate sah Werner ein wenig geringschätzig an, als wollte sie sagen: „Na ja, was versteht denn auch so ein Mann von den Regungen äner Dichterseele?" Dann zuckte sie die hübschen Schultern auch ein bischen geringschätzig und sagte nur: „Wie Du willst! Der Verlust ist ganz Deinerseits!"
Dann setzten sich die Geschwister zu Tisch, und Werner hatte Gelegenheit zu beobachten, daß sich sein Schwesterchen sehr eingehend mit den Gedichten des jungen Poeten befaßt hatte. Es machte ihm Spaß, Beate ein wenig zu hänseln und über den jungen Großmann einige spöttische Bemerkungen zu machen, daß er sich einen Dichter ander« vorgestellt habe, und daß der Herr stuäio8U8 Ibsolossias doch ein bischen sehr wenig vertrauenerweckend aussehe.
Da wurde denn Beate ganz entrüstet, zog sehr energisch eine Parallele zwischen dem jungen Großmann und der unscheinbaren Nachtigall und betonte mehr als einmal, daß sie an den aufstrebenden Dichter fest glaube! „Wer so schöne Verse machen, wer so ideal zu empfinden vermag wie er," sagte sie endlich, „zu dem muß man ja Glauben haben." (Forts, folgt.)