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Amts-- und Änreigeblatt für den Kezirk Calw.
82. Jahrgang
LrlchiinunzStage: Dienltag, Donner»t ag. Sam»- tas, Sonntag. Jnserttonrprei» 10 Psz. pro Zeile für Stadt and Sejirttorte; außer Bezirk 12 Pf».
Dienstag, dev 29. Avgnst 1997.
»bonn»m«n»»pr.ind.Stadtpr.viertllj.Mt.l.l0inrl.LrItg«ri. Dierteljührl. PostLezujptprei» ohne Bestell-. s. d. Ort»- u. Nachbarort«-, erk.hr I MI., >. b. sonst. Verkehr Mt. I.io, « ' " --
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Amtliche Bekanntmachungen
An die K. OrLsschuliuspektorate.
Die Bezirksschulversammlung wird am Mittwoch, den 4. September, hier im Saal des evang. Vereinshauses stattfinden und vormittags 9 Uhr beginnen.
Tagesordnung.
1. Bericht des Unterzeichneten.
2. Vortrag. Erteilung des Naturgeschichtsunterrichts nach dem neuen Lehrplan mit Berücksichtigung der Schulverhältnisse, sowie der natürlichen Verhältnisse unseres Bezirks.
3. Vortrag: Der Reform-Zeichenunterricht in der Volksschule.
Die K. Ortsschulinspektorate werden ersucht, von Vorstehendem den einzelnen Schulstellen Eröffnung zu machen und Eröffnungsbescheinigung an das Unterzeichnete einsenden.
Calw, 19. August 1907.
K. ev. Bezirksschulinspektorat.
Schmid.
Tagesnenigketten.
Calw 17. Aug. Bei einer Rauferei hat der Uhrmacher Günther in Stammheim seinem Gegner das Bierglas am Kopf zerschlagen und sich dann, als er auf diesen mit dem Revolver schießen wollte, selbst die Hand durchschossen und schwer verletzt.
Calw 19. Aug. Von dem seit 8 Tagen vermißten 7 Jahr alten Knaben Ludwig Zellner konnte bis jetzt noch keine Spur entdeckt werden und herrscht über dessen plötzliches Verschwinden immer noch tiefes Dunkel.
Calw 19. Aug. Wie aus dem Inseratenteil ersichtlich, wird der durch seine früheren Vorstellungen hier noch gut bekannte Seilkünstler A. Stey- Knie mit seiner Truppe heute und morgen Abend
die beiden letzten Vorstellungen geben. Bei der Reichhaltigkeit des Programms und den vorzüglichen Leistungen der Künstler kann ein Besuch der Vorstellungen nur empfohlen werden.
sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.j Seine Majestät der König haben am 16. August d. Js. allergnädigst geruht, den tit. Rechnungsrat Hayd, Vorstand der Registratur der Generaldirektion der Posten und Telegraphen, auf seiner derzeitigen Stelle zum Postbetriebsinspekior zu befördern.
Z Deckenpfronn 18. Aug. Die Getreideernte, die Heuer 14 Tage später als in früheren Jahren begonnen, ist seit einer Woche in vollem Gange. Sommer- wie Winterfrucht liefern quantitiv und qualitiv einen vollen Ertrag. Das Oehmd ist schon vorher eingebracht worden. Die vorausgegangene anhaltende Trockenheit hat den Oehmdertrag leider ziemlich beeinträchtigt. Dagegen versprechen die Kartoffelfelder eine ergiebige Ernte an schönen, gesunden Knollen zu geben. Da auch der Hopfen vielversprechenden Anflug zeigt und der Odstertrag gut auszufallen scheint, so ist der Landmann mit dem diesjährigen Ernteergebnis recht wohl zufrieden.
Altensteig 17. Aug. Das Sammeln von Heidelbeeren geht nunmehr seinem Ende entgegen. Da sie Heuer in nicht besonders reich- licher Menge vorhanden waren, wurden in letzter Zeit hohe Preise für dieselben bezahlt. Zurzeit werden Preißelbeeren und Himbeeren gesammelt. Letztere gelten per Pfd. 20 H.
Herrenberg 17. Aug. Die Hopfenanlagen sind in den meisten Orten des Bezirks in schönem Stand und lassen einen guten Ertrag erhoffen. Obst gibt es teilweise ordentlich, z. B. auf der K. Domäne Renthin, in Unterjettingen rc. Die Getreideernte liefert überall schöne Erträge.
Herrenberg 17. Aug. Auf den heutigen Schweinemarkt, waren zugeführt: 240 Stück Milchschweine, Erlös pro Paar 24—35 52
Stück Läuserschweine, Erlös pro Paar 40—80 Verkauf mittelmäßig.
Böblingen 17. Aug. Das „N. Tagblatt" schreibt zu der Vergiftungsaffäre in der Familie Lorenzi, daß die Familie allerdings als Ursache der Vergiftung Cremeschnitten anfieht» die aus der Konditorei Müller bezogen wurden. Ebenso bestimmt erklärt jedoch Konditor Müller, daß seine Schnitten nicht die Ursache sein können, da noch 5 weitere Personen an demselben Tage solche gegessen hätten, ohne daß sie erkrankt wären. Die Gutachten der Aerzte widersprechen sich. Endgültige Aufklärung wird erst das Ergebnis der Untersuchung der Ver- dauungrorgane des Verstorbenen, die zur Zeit in Stuttgart vorgenommen wird, ergeben.
Heimsheim 17. Aug. Hier erhängte sich auf der Bühne ihres Wohnhauses die 40jährige Bauersehefrou Brodbeck. Die Lat geschah in einem Anfall von Schwermut.
Stuttgart 16. Aug. Die Schlachtvieh- und Fleischbeschau in Württemberg im 2. Quartal d. I. wurde vorgenommen an 135 Pferden, 4165 Ochsen, 2883 Bullen, 9548 Kühen, 21765 Jungrindern, 45245 Kälbern, 120981 Schweinen, 3701 Schafen, 10172 Ziegen und 22 Hunden.
Stuttgart 16. Aug. Die städtische Kommission zur Feststellung der Fleischpretse hat den Ladenpreis für Kalbfleisch um 5 H herabgesetzt, auf 80 -H. Ochsenfleisch kostet z. Zt. noch 85 Rind-, Kalb- und Schweinefleisch (erste Qualität) je 80 aZ, Hammelfleisch 75 --Z, Schaffleisch 65 --Z.
Gerettet!
Roman von Walter Schmidt-Häßler, Stuttgart.
(Fortsetzung.)
„Aber sie sind ja verlobt!" stotterte Werner, dem das Blut zu Kopfe stieg, und der ganz starr und verwundert dasaß.
„Aber verheiratet sind sie noch nicht, mein Verehrtester", lachte Gehring, indem er seine Zimmerpromenade wieder aufnahm, „und glücklicherweise habe ich noch den ganzen schönen, langen Winter vor mir, dem Wolf die zarte Beute mit sehr energischen Fingern aus den gefräßigen Zähnen zu nehmen! Und Sie, lieber Herr Graf, müssen wir dabei helfen!"
„Was könnte ich denn tun?" fragte Werner. „Und wie kommen Sie zu der Voraussetzung, daß mich die ganze Sache so interessiert, um hier pro oder contra persönlich einzugreifen?"
„Lieber, junger Freund", sagte der Alte, indem er vor Werner stehen blieb und ihn gutmütig ansah, „glauben Sie mir, ich kenne die Menschen, und eine langjährige Gewohnheit hat mich gelehrt, auch hinter glatten Stirnen zu lesen und manches Unausgesprochene zu erraten. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich voraussetzs, daß auch Sie eine aufrichtige Freude haben würden, wenn Sie die Gewißheit hätten, daß diese Heirat nicht zustande käme. Seien Sie ehrlich, sagen Sie, ob ich mich irre!"
Werner erhob sich. Er war sehr blaß geworden und trat langsam, ohne zu antworten, an eines der hohen Fenster, lehnte den Kopf an die Scheiben und blickte auf die Straße hinaus, während Gehring hinter ihn trat und ihm die Hand auf die Schulter legte mit den Worten:
„Behalten Sie ihr Geheimnis für sich, wenn Sie nicht dar Bedürfnis haben, er mit einem Freunde zu teilen! Wenn die Zeit Ihnen noch nicht gekommen scheint, das, was jetzt in Ihnen gährt, auszusprechen, so ver
schließen Sie sich ruhig in sich! Er genügt Ihnen ja, daß Sie wissen, daß ein ehrlicher Freund Sie durchschaut, mit Ihnen fühlt, und Ihnen gern zur Verfügung steht» wenn Sie ihn brauchen. Aber für jetzt sagen Sie mir eins: Wollen Sie mir beistehen, das arme Mädchen zu schützen vor dem beklagenswerten Lose, zu dem man sie verurteilt hat?"
Hastig wendete sich Werner um. Sein Gesicht glühte und seine großen Augen flammten, als er leidenschaftlich ausrtef: „Ja, ich will Ihnen helfen, und zwar mit voller Seele, mit Einsetzung meiner ganzen Kraft, da« verspreche ich Ihnen! Auch mir ist der Gedanke furchtbar, untätig zusehen zu sollen, daß Jemand, wer es auch immer sei, ungewarnt und schutzlos ins Verderben stürzt, und die Ehe mit Kurt wäre auch nach meiner Ueberzeugung ein Verderben für das ahnungslose junge Geschöpf."
„Ich danke Ihnen", sagte Gehring freudig, „und wie zwei zu Schutz und Trutz Verbündete wollen wir Vorgehen, hier Licht und Klärung zu verschaffen!"
„Nur um Gotterwillen keinen Skandal!" sagte Werner» „denn dar denke ich mir für ein so zartbesaitetes Gemüt wie Erika das gefährlichste Mittel."
„Nein, seien Sie unbesorgt! Ihren Seelenfrieden soll kein Schatten trüben, und deshalb wollen wir eben gemeinsam handeln, denn meiner Ueberzeugung nach genügt er, der alten glaubensseligen Exzellenz die Binde von den Augen zu nehmen und, ausgerüstet mit überzeugenden Beweisen, ihn von dem Unwerte seines Schwiegersohnes zu überzeugen. Der alte Selten liebt sein Kind und glaubt in der Tat, sie durch die Vereinigung mit ihrem Jugendgespielen unsagbar glücklich zu machen!"
Die Herren setzten sich wieder und tauschten ihre Meinungen aus, wobei Werner auch des Bildes auf Kurts Schreibtisch erwähnte mit der ominösen blauen Schleife und dem Champagnerglas.
„Wenn ich erfahren könnte, wer das gewesen sein mag," eiferte