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Der ältere Bursche wurde dem Gefängnis, der jüngere, Strafunmündige, seiner Familie über­geben.

G Villingen 8. Aug. Der Besuch der Ausstellung ist fortgesetzt sehr gut. Jeder­mann äußert sich sehr befriedigt über das Gesehene und nimmt sich vor immer wieder zu kommen. Gestern nachmitttag 5 Uhr stieg der angekündigte Ballon mit Herrn Spiegel-Chemnitz, verfolgt von den Blicken einer 1000 köpf. Menschenmenge, in die Höhe. Eine Depesche von Trossingen meldete 6,50 Uhr die glückliche Landung des Ballons in Schwenningen. Der nächste Sonntag dürste einen Glanzpunkt der Ausstellung bilden. An diesem Tage, dem Jubeltage, findet vormittags V-1112 Uhr Frühschoppenkonzert in der Aus- ftellung statt. Nachmittags 2'/-- Uhr in der Fest­halle Festakt und 50 jähriger Jubiläum des Ge­werbevereins, 3 Uhr Gautag der Schwarzwälder Gewerbevereine, von 36 Uhr und von 811 Uhr großes Militärkonzert. 5 Uhr, wiederholter Aufstieg des Herrn Spiegel-Chemnitz. Abends festliche Beleuchtung aller Gebäude zu Ehren des Jubelvereins, farbige Lichtfontäne, Wasser­künste. Dieses reichhaltige Programm wird nicht verfehlen, eine große Anzahl von Besuchern von Nah und Fern hierher zu führen.

Karlsruhe 8. Aug. Der Polizeibericht meldet: Gegen den 64 I. alten, verheirateten, zuletzt in Mannheim wohnhaften Freih. Karl v. Lindenau ist gestern vom Amtsgericht Karlsruhe Haftbefehl unter der Beschuldigung des Er- pressungsversuchs, der Beleidigung und der Be­günstigung erlassen worden. Der Haftbefehl wurde gestern nachmittag in Mannheim vollzogen. Lindenau hat während der Hauptverhandlung gegen Hau wegen Mords an dessen Verteidiger einen anonymen Brief gerichtet, in dem er mit­teilt, er habe sich am 6. November zu einem Stelldichein nach Baden-Baden begeben und sei Zeuge der Ermordung der Frau Molitor gewesen, Hau sei nicht der Täter; wer geschossen habe, sage er, Lindenau, nicht. Der Verteidiger möge dies zur Kenntnis der Geschworenen bringen. An die Staatsanwaltschaft kam kein solcher Brief. Um dieselbe Zeit richtete Baron Lindenau einen ano­nymen Brief an Frl. Olga Molitor, dessen wesentlicher Inhalt dahin geht, er habe gesehen, daß Olga ihre Mutter erschossen; Lindenau ver­spricht ihr zu schweigen, versichert sie seiner Liebe und bittet um ihre Hand. Er erbittet Antwort in derBad. Presse". In letzterem Brief wird ein Erpressungsversuch und eine Beleidigung gegen Frl. Molitor erblickt.

Karlsruhe 8. Aug. Die Badische Presse erhält die zuverlässige Mitteilung, daß Herr von Lindenau auch heute im Gefängnis genau wie gestern nach dreistündigem Verhör vor dem Staatsanwalt auf dem Inhalt seiner an Olga Molitor und an den Rechtsanwalt Dr. Dietz ge­richteten Briefe bestehen bleibt. Der Verteidiger von Lindenau, Rechtsanwalt Dr. Gönner-Karls­ruhe beabsichtigt, Beschwerde gegen die Verhaftung von Lindenaus einzulegen. Wie aus Mann­heim gemeldet wird, wird Fräulein Olga Molitor noch heute von Karlsruhe dort eintreffen, um Lindenau gegenüber gestellt zu werden.

Ingolstadt 7. Aug. lieber die Gegend von Pfaffenhofen gingen gestern Nachmittag und die ganze Nacht furchtbare Gewitter nieder, welche an den Häusern und Kulturen großen Schaden anrichteten. Die Hopfenernte wurde infolge eines wolkenbruchartigen Regens und ver­nichtenden Hagelschlägen teilweise zerstört. Der angerichtete Schaden ist bedeutend.

Berlin 8. Aug. Die Ankunft des Königs von England zum Besuch beim Kaiserpaar wird am 14. ds. Mts. um 9 Uhr Vormittags auf dem Bahnhof Wilhelmshöhe er­folgen. Dort wird eine Ehrenkompagnie vom 83. Infanterie-Regiment aufgestellt sein.

Berlin 7. Aug. DieNorddeutsche All­gemeine Zeitung" schreibt: Um den Besuch, den der Kaiser auf der Nordlandfahrt der Kaiserin Eugenie abgestattet hat, wird in auswärtigen Blättern eine Legende gesponnen, der zufolge die Begegnung auf Ansuchen der Kaiserin durch Kaiser

Franz Joseph vermittelt worden sei. Die Kaiserin habe die Gelegenheit benutzt, um dem deutschen Kaiser bisher bewahrte Geheimnisse von weit- tragender politischer Bedeutung mitzuteilen. Wir können feststellen, daß diese Geschichte frei erfunden ist. Der Besuch Sr. Maj. des Kaisers auf der Thiflle" war auch nicht verabredet. Der Kaiser hatte erst einen Tag vorher zufällig von der Anwesenheit der Kaiserin Eugenie in Molde Kenntnis erhalten.

Wie aus Dar-er-Salam gemeldet wird, sandte der Kaiser aus Swinemünde an den Staatssekretär Dernburg folgende Antwort: Ich danke Ihnen und allen dortigen Deutschen für den Gruß aus der Kolonie. Möchte derselben unter Ihrer Leitung eine Zukunft bevorstehen, welche das Vaterland mit Stolz erfüllt und dis braven Kolonisten für ihren Mut und ihre Aus­dauer reich belohnt. Vor allem sollen sie ohne Unterschied der Standes fest und einheitlich Zu­sammenhalten und Zusammenarbeiten. Ohne das ist kein Fortschritt zu erwarten. Wilhelm I. U.

Swinemünde 7. Aug. Der Kaiser hat gestern Abend Swinemünde verlassen. Der Zar hat bei seinem Scheiden einen wahren Ordsns- segsn niedergehen lassen. An Angehörige der Marine sind 500 Orden verteilt worden. Ferner wurden offizielle Persönlichkeiten bedacht. Die Matrosen derHohenzollern", die bei der Tafel bedienten, empfingen goldene Kapseluhren mit dem russischen Adler.

Altengrabow 7. Aug. Der Kaiser traf gegen 7 Uhr hier ein und begab sich im Automobil nach der Kommandantur, wo er zu Pferde stieg. Alsdann begann das Exerzieren der Garde-Kavallerie-Division gegen die 2. Garde- Kavallerie-Division unter General Graf v. Brühl. Es folgte ein weiteres Exerzieren beider Divisionen unter Führung des Kaisers. Nachdem er dann den Vorbeimarsch der bei der Uebung beteiligten Regimenter abgenommen hatte, nahm der Kaiser das Frühstück im Osfizierskasino ein. Die Nacht über wird der Kaiser im Lager verbleiben.

Crefeld 7. Aug. Infolge Genusses von roher infizierter Milch sind 41 Personen an Typhus erkrankt. Die städtische Sanitätskommission beschloß, allen Einwohnern zu empfehlen, nur gekochte Milch zu trinken.

Wien 7. Aug. Seit gestern Nachmittag richteten schwere Unwetter in verschiedenen Landesteilen bedeutenden Schaden an. In Nord­böhmen ist die ganze Obsternte vernichtet. Tele- phon- und Telegraphenleitungen sind vielfach zerstört.

Petersburg 8. Aug. Wie aus Moskau gemeldet wird, wurde die dortige Polizei be­nachrichtigt, daß in den Werkstätten der kaiserlich technischen Schule Bomben angefertigt wurden. Die Untersuchung ergab die Richtigkeit dieser Mitteilung und stellte eine Verbindung genannter Schule mit den Villenbewohnern in der Nähe Moskaus fest. Bei der dortselbst vorgenommenen Haussuchung wurden 5 Bomben und eine große Menge Sprengstoffe gefunden. 20 Personen wurden verhaftet. Eine Menge verbotener Schriften und ein Vervielfältigungspresse be­schlagnahmt.

Riga 7. Aug. Gestern im Morgengrauen wurde nach kriegsgerichtlichem Urteil in den Sand­bergen von Riga 10 Raubmörder, Taschen- und Straßenräuber erschossen, darunter 6 Mitglieder der Kampfes-Organisation des ehemaligen sozia­listischen Förderativ-Komitöz.

Eisenbahnunglück bei Gnesen.

Posen 7. Aug. Nach den neuesten Er­mittelungen find bei dem in einem Teil der letzten Nr. ds. Bl. gemeldeten Eisenbahnunglück bei Tremessen 12 Personen getötet worden, da­runter zwei See-Kadetten, Söhne eines Barons aus Potsdam, ferner ein russischer Hauptmann. Die Personalien der übrigen Getöteten, die teil­weise noch unter den Trümmern liegen, konnten bisher noch nicht fsstgestlllt werden, vermutlich im Ganzen 6 Personen, darunter der Bezirks- Kommandeur v. Henckel aus Ostrom, 2 Infanterie- Kadetten, der Heizer der ersten Maschine und

ein Postschaffner aus Berlin. Von Posen aus ging sofort ein Hilfszug ab. Die schwer Ver­wundeten wurden nach dem Krankenhaus Bethesta in Gnesen gebracht. Vom Eisenbahn- und Post- Personal ist außer den bereits Genannten Nie- mand verletzt. Der Verkehr auf der Strecke wird voraussichtlich auf 3 Tage gesperrt sein.

Gnesen 7. Aug. Die Entgleisung des Berliner v. «Zuges soll daraus zurück­zuführen sein, daß sich die Schienen und Eisen­bahnschwellen auf der Station Tremessen infolge der Reparaturarbeiten gelockert hatten. Der V.-Zug entgleiste an der Berührungsstelle zweier Schienen. Nach einer anderen Meldung ist der Zug fälschlich auf ein in Reparatur befindliches Geleise gelassen worden. Er sollte das bereits wieder hergestellte passieren. Es wird ange­nommen, daß sich die Schienenschrauben an der Unfallstelle infolge der gestrigen Hitze gelockert hatten. Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat sich an Ort und Stelle begeben. Von einem Augenzeugen wird noch gemeldet: Die zweite Maschine des V.-Zuges explodierte bei der Ent­gleisung. Die nachfolgenden 5 Wagen bohrten sich ineinander und zermalmten Alles, was sich in ihnen befand. Die Ursache der Katastrophe wird der großen Fahrgeschwindigkeit auf der in Reparatur befindlichen Strecke zugeschrieben.

Berlin 7. Aug. Bis 12 Uhr mittags waren von der Eisenbahn-Katastrophe 20 Tote offiziell gemeldet. Der Eissnbahnminister wird sich wahrscheinlich heute noch an die Unglücksstelle begeben.

Posen 8. Aug. Zu den Ursachen der Katastrophe wird gemeldet: In der vergangenen Nacht sollten unweit Talsee die Schienen aus- gswechselt werden. Damit die Arbeiten noch in der Nacht fertig wurden, hatten die Arbeiter vor Durchfahrt des Schnellzuges die Schrauben ge­lockert und sich dann in ihr Zelt zum Schlafen niedergelegt. Es war aber unterlassen worden, dem Schnellzuge die Gefährlichkeit der Strecke zu signalisieren, so daß der Zug mit Volldampf heranbrauste. Dis erste Lokomotive sprang aus dem Geleise und es hätte nicht viel gefehlt, so wäre sie in das Zelt, in dem die Arbeiter schliefen, hineingefahren.

Die Ereignisse in Marokko

Paris 7. Aug. Ueber die Beschießung von Casablanca wird berichtet: Die Beschießung richtete sich gegen die Dörfer in der nächsten Nähe der Stadt, zerstörte jedoch auch die Moschee und tötete eins große Anzahl von Eingeborenen. Während des Bombardements drangen die fana­tischen Stammesleute in Massen in die Stadt, deren Batterien schließlich ein Scheinfeuer gegen die französischen Schiffe eröffneten. Daraufhin wurden deren Geschütze auf die Stadt selbst gerichtet und die der spanischen Kreuzers ebenfalls. Sehr bald jedoch bat der Befehlshaber der marokkanischen Truppen um Pardon, den der Kommandant der Galilee verweigerte, indem er die Ergebung des marokkanischen Kommandanten an den fran- zösischen Konsul verlangte. Die Stadtbatterie ist von den französischen Granaten völlig zerstört. Sonst hat die Stadt angeblich keinen Schaden gelitten. Daß Europäer getötet oder verletzt wurden, ist nicht bekannt.

Paris 7. Aug. Wie nachträglich aus Tanger berichtet wird, soll der französische Kreuzer Galilö" circa 2000 Granaten gegen Casablanca abgefeuert haben.

Tanger 8. Aug. Ein aus Casablanca hier eingetroffener Dampfer meldet, daß bei seiner Abfahrt das Bombardement und der Kampf in den Straßen noch fortgedauert habe. Die Franzosen hätten gestern 2000 Mann gelandet. Die Mauren hätten das jüdische Stadtviertel geplündert und viele Juden getötet. Die Euro­päer seien alle in Sicherheit. Die Stadt stehe in Flammen oder sei zerstört. Dis Strand­batterien hätten auf die Schiffe gefeuert, seien aber sofort zerstört worden. In Cassablanca liegen die Straßen voll toter Marokkaner und alle Läden geschloffen. Die Konsuln hätten An«