Hirsau," wie die schwarz.rote Schleife daran be­sagte, aus und diese Sträußchen blieben den ganzen Tag über das Erkennungszeichen für die Teil­nehmer. Das Bäbele aber rief beim Gang durch den Klostergarten durch seine Treuherzigkeit und Schlagfertigkeit wiederholt Stürme von Heiter­keit hervor. Drinnen im Turm unter der alten Ulme trug das Bäbele ihr Gedicht auf vielseitigen Wunsch noch einmal vor und meinte schließlich zum Herrn Minister des Innern:Jetzt, wenn's no au en Wert Hot!" Sie erlangte auch, wenn wir recht hörten, die Zusage» daß fie bei ihrer Hochzeit verlobt ist sie schon über die neue Brücke fahren dürfe. Weiter ging es unter der sachkundigen Führung insbes. des Ortsgeistlichen zur Besichtigung der altehrwürdigen restaurierten Kirche, wo Orgelschall die Eintretenden empfing, und zu der darüber gelegenen, von dem früheren Ortsgeistlichen, Pfarrer Klaiber, angelegten Alter­tümersammlung, wo besonders der Ziegel mit dem Vers: 111s lavat io-torem, gui vult, eustoäirs Interesse erregte. In Liebenzell wartete eine neue Ueberraschung: vor dem unteren Bad harrte eins im Halbkreis aufgestellte Gruppe von 9 jungen Mädchen, flankiert von 2 kleinen Jungen; zwei der Mädchen trugen Gedichte vor (darunter das bekannteGrüß Gott") und über­reichten dem Herrn Ministerpräsidenten und dem Herrn Präsidenten von der Ersten Kammer prächtige Sträuße. Darauf setzte sich die Fest­gesellschaft unter den Klängen der Kurkapelle im Tanzsaal zum Imbiß nieder, der höchst einladend arrangiert war. Nach einem Gang durch die Anlagen kehrte die Gesellschaft zum Bahnhof zurück: wieder offizieller Abschied und Musik. Rasch trug der Zug die Teilnehmer durch das Nagold­tal hinab und durch Brötzingen dem Enztal zu. Am festlichsten war der Empfang selbstver­ständlich am Endziel: Wildbad, das seine Gäste durch reiche Beflaggung ehrte und sie durch eine Ehrenpforte hereingelsitete. Nach der Ankunft am Bad teilte sich die Gesellschaft in vier Gruppen und nun wurden unter der liebenswürdigen und sach­kundigen Führung der Spitzen der Badverwaltung und der Stadt das alte wie das neue Bad, das Katharinenstift, das neue mediko-mechanische In­stitut, welches ganz besonderes Interesse beanspruchte, sowie die neue Schwimmhalle besucht, die sich an dem warmen Tag besonders einladend präsentierte. Alle Badeeinrichtungen begegneten dem ungeteilten Interesse der Besucher und fanden vielseitige An­erkennung. Inzwischen war die Stunde des Mittagsmahls (V-3 Uhr) herangekommen: der große Saal im kgl. Badhotel war mit den württ. Farben dekoriert und die Tafel unter Verwendung reichen Blumenschmucks aufs Geschmackvollste ge- deckt. Die Zahl der Gedecke betrug 98. Die Badkapelle konzertierte beim Mahle. Der einzige Toast während des Mahles wurde vom Herrn Ministerpräsidenten auf Se. Maj. den König aus­gebracht.

Nach dem Essen zerstreuten sich die Teil­nehmer gruppenweise in die Enzanlagen und auf die anliegenden Höhen, um sich in der herrlichen, reinen Luft zu ergehen und das schöne Landschafts­bild zu genießen. In den späteren Nachmittags- stunden traf man sich wieder beim Kurtheater an den kühlen Ufern der Enz zu zwangloser Unter­haltung. Wie die Bevölkerung der besuchten Täler den Mitgliedern der Regierung und den Ständen eine warme und innige Aufnahme bereitet hat, so hatte auch das Badepublikum Wildbads dem Besuch lebhaftes Interesse entgegengebracht, welches sich natürlich auch durch photographische Momentaufnahmen kundgab.

Um 3/t 8 Uhr entführte der Sonderzug die Teilnehmer wieder aus dem Enztal. Da die Rückfahrt wieder über Calw erfolgte, so war Gelegenheit geboten, den Teilnehmern noch eine finnige Aufmerksamkeit zu erweisen: die Kloster­ruine in Hirsau wurde mit verschiedenfarbigen Gläsern elektrisch beleuchtet und bot so von der Höhe herab einen prächtigen Anblick dar. Gegen 10 Uhr langte der Sonderzug wieder hier an, worauf man sich noch zu einem Glas Bier im Hotel Royal vereinigte. Allgemein war das Gefühl vollkommener Befriedigung über das schöne Ge­lingen des Ausflugs.

Hirsau 4. Aug. Tie vergangene Woche bot den Gästen des hiesigen Luftkurorts ab­

wechslungsvolle und belebte Stunden. Die Zeiten, in denen hohe Würdenträger in der erhabenen Stille des Klosters weilten, schienen wieder auf­zuleben, denn in den Vormittagsstunden des ver­gangenen Freitag wurde demselben die hohe Ehre des Besuches der Mitglieder der K. Staatsregierung und der beiden Häuser des Landtags zu teil, über dessen Verlauf oben berichtet wurde. Es war aber ein schöner und glücklicher Zufall, daß an jenem Abend der Verschönerungs-Verein im Klosterwäldchen ein Konzert mit florentiner Be­leuchtung und bengalischer Beleuchtung des weltberühmten Ulmenbaus veranstaltete, so daß die vom Wildbad zurückkehrenden Gäste vom Vormittag den feenhaften Anblick der Kloster­beleuchtung von den Höhen des Welzbergs aus genießen konnten. Die ungemein starke Be­teiligung legte ein lohnend Zeugnis dafür ab, daß mit dieser Veranstaltung ein Wunsch unserer Kurgäste erfüllt wurde. Die Calwer Stadtkapelle hat es mit ihren herrlichen Weisen auch ver­standen, die Teilnehmer bis zum letzten Augenblick zu fesseln. Mit einem ganz eigenartigen und neuen Genuß wurden wir aber in der weihe­vollen Stille des heutigen Sonntagmorgens durch den musikverständigen Lehrer Hirsaus er­freut, welcher im Kreuzgangsgarten des Klosters einen Liedermorgen mit gemischtem Chor veranstaltete. Das mit feinem Kunstsinn zu­sammengestellte und prächtig zu Gehör gebrachte Programm nahm einen glänzenden Verlauf und brachte zumal an diesem Orte eine geradezu erbauliche Wirkung hervor. Mögen unsere lieben Gäste in diesen kleinen Darbietungen das Be­streben erkennen, ihnen den Aufenthalt in unserem idyllischen Tal so angenehm als möglich zu machen.

o. n.-.

r. Neubulach 4. Aug. Auch Heuer wieder ist eine Ferienkolonie von Stuttgart unter Führung von Fräulein Stengel in der Zahl von 28 Mädchen hier cingetroffen und haben Quartier im Gasthaus zur Sonne bezogen. Die Kinder erfreuen sich bei der bewährten guten Verpflegung ihres besten Wohlseins und machen täglich Spaziergänge in die Waldungen. Für die Zwecke des Fremdenbesuchs, seien es Passanten oder hier sich aufhaltende Gäste wurde an Stelle des Ortsarrests im Torturm nach den Plänen des Oberamtsbaumeisters Köhler ein Lesezimmer im altertümlichen Stile eingerichtet, das bei herrlicher Fernsicht angenehmen Aufenthalt bietet.

Wimsheim OA. Leonberg 3. Aug. Es schweben gegenwärtig mit den Brüdern Heß, Besitzer eines Elektrizitätswerks in Tiefenbronn, Verhandlungen zwecks Uebertragung von elektrischer Kraft für unfern Ort zur Be­leuchtung, sowie zum Betrieb landwirtschaft­licher und gewerblicher Maschinen. Bereits hat sich eine große Zahl von Interessenten zur Ent­nahme von elektrischer Kraft verpflichtet.

Stuttgart 3. Aug. (Strafkammer.) In der Nacht zum 25. Mai wurde eine in der Sonnenbergstraße gelegene Verkaufsbude erbrochen. Die Diebe entwendeten Zigarren, 100 Flaschen Bier und Eßwaren, die sie in Säcken in den nahen Wold schleppten, wo fie sich daran gütlich taten. Wegen dieses gemeinschaftlich begangenen Diebstahls wurden die led. Taglöhner Christian Bopp, Ludwig Blankenhorn, Peter Maier zu je 8 Monaten Gefängnis und die led. Taglöhner Friedrich Salm, Karl Oßwald, Jakob Braun und Friedrich Frisch zu je 5 Monaten Gefängnis verurteilt.

Stuttgart 3. Aug. Infolge fort­gesetzter Klagen von Interessenten über Be­schädigungen von Milchflaschen ist dem beteiligten Eisenbahn-Personal eine schonliche Behandlung der Milchflaschen beim Ein-, Unr­und Ausladen wiederholt eingeschärst worden.

Gl eiwitz 3. Aug. Der Bergarbeiterstreik nimmt bedenkliche Ausdehnung an. In Könige­hütte streiken 2600, in Zabrze über 1000 Mann. Die Bergwerksdirektion gibt die Gesamtziffer der Streikenden auf 4000 an. Gestern Abend kam es in Königshütte zu einem Zusammenstoß Streikender mit der Gendarmerie. Letztere zog blank und verwundete mehrere Streikende. Gegen

dis Gendarmerie wurde von den Streikenden mit Steinen geworfen. Die Hauptforderung der Aus­ständigen ist eine 20°/oige Lohnerhöhung. Alle Schankstätten im Streikbezirk find geschloffen.

Stettin 3. Aug. Der Stettiner Abend­post wird aus Swinemünde gemeldet: Nach der Ausfahrt der KaiseryachtHohenzollern" und ihrer BegleitschiffeKönigsberg" undSleipner", die heute Morgen um 9 Uhr erfolgte, dampften auch die im Hafen liegenden Torpedoboote see­wärts. Um 9*/r Uhr wurde am Horizont eine Rauchwolke sichtbar und die russische Kaiser­flotte kam heran, derStandart" mit dem Zaren an Bord gefolgt von den Minenkreuzern Progranitschnik",Sibirsk-Strejelik" undOchod- nik". Von derHohenzollern", die sich inzwischen der russischen Kaiserflotille dicht genähert hat, wird das Fallreep herabgelassen. Zwischen den beiden Kaiserschiffen werden zwei Boote sichtbar und bald darauf steigt auf demStandart" die deutsche Kaiserstandarte auf. Hierauf wendet derStandart" und nimmt den Kurs auf die deutsche Hochsee­flotte, gefolgt von derHohenzollern" und deren Begleitschiffen. Als derStandart" in die Linie der deutschen Kriegsschiffe einbiegt, dröhnt der Salut von allen Geschützen. Auf den deutschen Kriegsschiffen hatten die Mannschaften und Offi­ziere in Gala Aufstellung genommen und die Musikkapellen intonierten die russische Hymne. Darauf nahmen derStandart" und dieHohen­zollern" die Parade über die Flotte ab. In Swinemünde sind enorme Menschenmassen zu­sammengeströmt. Das Wetter ist kühl und regen­drohend.

Swinemünde 3. Aug. Heute Abend wird auf derHohenzollern" ein großes Galadiner gegeben, bei welchem der Zar Gast des Kaisers sein wird. Morgen, Sonntag findet auf beiden Kaiseryachten Gottesdienst statt und am Abend wird aus Anlaß des Namentages der Zarin auf auf der DachtStandart" ein Galadiner gegeben, wo Kaiser Wilhelm Gast des Zaren sein wird.

London 3. Aug. DemLloyd" wird aus Muscat telegraphiert: Der deutsche Dampfer Teutonia" scheiterte am 20. Juli, vier Seemeilen von Ras Madraka und wurde total wrack. 16 Personen von der Mannschaft, die in Booten abgegangen waren, werden vermißt. Der Dampfer fuhr von Bassora nach Hamburg.

Neueste Nachrichten.

Paris 5. Aug. Ein furchtbares Eisen­bahnunglück ereignete sich gestern mittag um 3 / 4 12 Uhr auf der Bahnstrecke Angerr-Poitier. Der um 11 Uhr 29 in Angers in der Richtung nach Poitier abgehende Zug ist am Eingang, der von Angers 6 km entfernten Brücke abgestürzt. Der Zug durchbrach die Brückenwehr, die Lokomo­tive, Tender und die darauffolgenden mit Reisenden besetzten Wagen fielen in den Fluß. Nach bei­läufigen Schätzungen dürften die Wagen ca. 50 Passagiere enthalten haben, von denen nicht einer gerettet werden konnte. Bis jetzt sind 13 furcht­bar verstümmelte Leichen geborgen, der Zugführer und der Heizer konnten ihr Leben dnrch Schwimmen retten. Die ganze Stadt ist in Aufregung, da viele um das Schicksal ihrer Angehörigen besorgt sind und die Organe der Stadtverwaltung nur unvollständige Listen der Verunglückten ausgeben können. Den neuesten Nachrichten zufolge sind bei der Katastrophe außer den schon gemel- deten 13 Personen noch 30 weitere verunglückt. Die Bergung mußte infolge der eingetretenen Dunkelheit eingestellt werden. Ob das Unglück durch eine Verschiebung der Brücke entstand, ließ sich noch nicht feststellen.

Reklameteil.

Die Entwöhnung der Kinder im Sommer

ist schwieriger als in anderer Jahreszeit, da durch Darreichung von Kuhmilch sehr oft Magen- und Darmstörungen verursacht werden. Man gibt die Kuhmilch deshalb lieber zuerst vermischt mit einer dünnen Suppe vonKufeke"-Kindermehl, welches die Kuhmilch leichter verdaulich macht und den Nährwert derselben erhöht. Man erzielt durch diese Nahrung eine geregelte Verdauung, den besten Schutz gegen die sogenannten Sommererkrankungen.