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verwiesen und dem Antrag der Kommission gemäß einem Antrag des Abg. Liesching noch angefügt, daß, soweit die Denkschrift eine Bitte um Abschaffung des Umgelds enthält, die Entscheidung ausgesetzt und die Denkschrift in diesem Teil an die Finanzkommission zurückverwiesen wird. Die von Braunger (Zentr.) gewünschte Einführung einer allgemeinen Weinsteuer wurde von sämtlichen Parteien, auch dem Zentrum, abgelehnt. Nach rascher Erledigung der Kapitel 129—131 begann das Haus die Beratung des Postetats.
Stuttgart 19. Juli. Ein Opfer grober Fahrlässigkeit ist heute nachmittag ein etwa 5 Jahre altes Mädchen geworden, das bei der Ecke Rothe» bühl- und Senneselderstraße von einem Radfahrer, der kein Glockenzeichen gegeben hatte, umgefahren wurde, so zwar, daß das Mädchen mit dem Kopf auf den Randstein des Trottoirs aufschlug und direkt unter das Rad zu liegen kam. Das bedauernswerte Geschöpf dürfte erhebliche Verletzungen davongetragen haben. Der Radfahrer wird sich wohl wegen fahrlässiger Körperverletzung noch vor Gericht zu verantworten haben. Es ist geradezu unglaublich, wie leichtsinnig in manchen Straßen hier dis Radfahrer zufahren, ohne auf dar verkehrende Publikum Rücksicht zu nehmen.
Stuttgart 19. Juli. Gestern Nachmittag war der Gärtnergehilfe Martin Lastin hier auf einem Grundstück in der Ehrenhalde mit Felgen beschäftigt. Auf einem benachbarten Grundstück wurde mittels eines Flobertgewehrs auf Scheiben geschossen; hiebei verfehlte eine Kugel ihr Ziel und drang dem Lastin hinter dem Ohr in den Hinterkopf ein. Der Getroffene mußte ins Katharinenhospital verbracht werden, doch besteht zunächst keine Lebensgefahr.
Tübingen 19. Juli. Ein ebenso raffinierter wie gefährlicher Mreditschwindler stand heute vor der Strafkammer Tübingen in der Person des Kaufmanns Tobias Seifert in Schwegenheim bei Germersheim. Derselbe hat zwar seine Haupttätigkeit in Baden entfaltet und steht dort wegen einer großen Zahl von Betrügereien in Untersuchung. In Württemberg beschwindelte es zwei Pflanzengroßhandlungen in Reutlingen und Eningen und einen Handschuh« fabrikanten in Eßlingen je um einige hundert Mark indem er Palmen und Handschuhe auf Credit bezog und als Referenz einen Konkurrenten des betreffenden Geschäfts aufgab. Auf diese Weise bezog er auf Credit Waren jeglicher Art für die er immer wieder Hehler fand. Das Gericht verurteilte ihn zu 7 Monaten Gefängnis und hielt es für angebracht ihn zu verhaften.
Tuttlingen 19. Juli. Letzter Tage wurden auf dem hiesigen städtischen Friedhof von
4 Grabsteinen die auf diesen angebrachten marmornen Engelfiguren gewaltsamerwetse weggerissen, zum Teil weggeworfen, zum Teil entwendet. Auf Ermittlung des Täters sind 40 Mark Belohnung ausgesetzt.
Tuttlingen19. Juli. (Wollmarkt.) Die Zufuhr zum heutigen Wollmarkt betrug 260 Ztr. Erlöst wurden 33 625^; durchschnittlich 129,50^.
Tegernsee 19. Juli. Der Postgehilfe Steingruber stürzte gestern bei einer Tour auf den Plankenstein über eine Wand und überschlug sich mehrere Male. Er wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht.
Berlin 19. Juli. Der japanische General Nishi hat im Palasthotel ein Bankett veranstaltet, zu dem zahlreiche japanische und deutsche Offiziere eingeladen waren. Der japanische Genera! führte in seiner Rede aus: als vor 40 Jahren Japan sich in modernem Sinn umgestalten wollte, hat es in Europa Vorbilder gesucht und sich für Deutschland als Vorbild für Japan entschieden. Deutschlands Lehren habe Japan seit 20 Jahren befolgt. Seitdem habe Japan mehrfach Gelegenheit gehabt, sein Schwert auf seine Schärfe zu prüfen, und es dürfe ohne Ueber- hebnng sagen, daß es sich bewährt habe. Dem deutschen Meister zolle Japan aufrichtigen Dank. Er hoffe, daß sein japanisches Vaterland auch ferner von Europa und namentlich von Deutschland lernen und dadurch aus der Jugendlichkeit zur Männlichkeit heranwachsen werde. Der japanische General schloß mit einem Hoch auf Kaiser Wilhelm und seine weltberühmte Armee.
Berlin 19. Juli. Heute Nacht wurde eins Frau Anna Path im Hause ihrer Dienstherrschaft ermordet aufgefunden. Der Mörder hatte die Wohnung nach Wertsachen durchsucht und zahlreiche Wertgegenstände mitgenommen. Das Polizeipräsidium setzt auf die Ergreifung des Täters eine Belohnung von 1000 ^ aus.
Breslau 19.Juli. Wie der „Br. G.-A". meldet, ereignete sich heute Vormittag ein schweres Bootsunglück auf der Oder. Ein mit 6 Personen, einer Dame und 5 Herren besetztes Segelboot, geriet in das Wehr am Zoologischen Garten. Alle sechs fielen ins Wasser. Drei Herren konnten gerettet werden. Von der Dame und den beiden anderen Herren fehlt jede Spur. — Wie dasselbe Blatt weiter mitteilt, ist der Odsrdamm am Zoologischen Garten stark gefährdet. Zahlreiche Arbeiter sind bemüht, ihn zu halten. Die Dörfer, welche zwischen der Oder und Ohle unweit Breslau liegen, sind völlig unter Wasser und sind vom Verkehr mit der Stadt abgeschnitten.
Hamburg 19. Juli. Durch Explosion einer umgefallenen Petroleumlampe entstand gestern in der Deichstraße genau an derselben Stelle, wo im Jahre 1842 der bekannte große Ham- burger Brand ausbrach» ein gewaltiger Speicherbrand, der sich schnell ausdehnte. Eine Anzahl Feuerwehrleute wurden durch Qualm und Rauch betäubt. Der Brand dauert fort. Der bisherige Schaden beträgt mehrere hunderttausend Mark.
London 19. Juli. Der Daily Expreß meldet aus Warschau, daß ein Pogrom in der polnischen Stadt Skonitz stattgefunden hat. Die Bauern der umliegenden Dörfer griffen die Stadt an mit der ausgesprochenen Absicht, die jüdischen Einwohner zu massakrieren. Die Mehrzahl der Juden in Skonitz versuchte zu entfliehen, um auf österreichisches Gebiet zu gelangen, doch verfolgten die Bauern sie mit großer Hartnäckigkeit. Die Bauern ergriffen 37 Juden in den Wäldern zwischen Skonitz und der österreichischen Grenze und töteten 25 Personen beiderlei Geschlechts. Die übrigen 12 Juden, die ergriffen wurden, kamen mit dem Leben davon, wurden aber von den Bauern schwer mißhandelt und gequält. Schließlich schritten auf Befehl der Behörde Kosaken ein und trieben die Bauern in ihre Dörfer zurück.
New-Jork 19. Juli. In Philadelphia wurden etwa 2500 Personen, die einem Festzuge beiwohnten, von der Hitze überwältigt. Die Hospitäler find überfüllt.
Vermischtes.
Demokratisches Königtum. Aus Christiania wird der „Vossischen Zeitung" geschrieben: Man muß es den Norwegern lassen, daß sie Ernst damit machen, ihr neues Königreich demokratisch einzurichten. Und König Haakon kennt seine Norweger bereits gut genug, um ihnen darin nicht zu widersprechen. Ein einfacheres Hofleben als das norwegische gibt es denn auch wohl kaum, und der Verkehr der Königsfamilie mit der Bevölkerung vollzieht sich in Formen herzerquickender Natürlichkeit und Würde. Nicht zuletzt deswegen nennen die Norweger ihren König „brav" und „wacker", und sie hüten sich sorgsam, durch eigene allzugroße Unterwürfigkeit den jungen Monarchen in Versuchung zu bringen, von ihren demokratischen Formen irgendwie abzuweichen. So findet Herr Michelscn, König Haakons „geistiger Vater", es angebracht, von Zeit zu Zeit seinem Schützling einen aufmundernden Wink zu geben, ja nicht die Forderungen einer zielbewußten Demokratie außer Acht zu lassen. Gleich beim Einzug in Christiania, redete Herr Michelsen bekanntlich (wie freilich auch bestritten worden ist) den Monarchen „Herr König" an und vermied
Oftmals murmelte er vor sich hin, die großen, blauen Augen weit geöffnet: „Ich sah es ja kommen. Ich sagte es ihm, ich habe es auch ihr gesagt, der andere ist nicht zu tadeln. Es sollte so koznmen. Der andere kam und ging, ohne zu wissen, wie es stand." — Die Weiber wiederholten seine Worte mit frommer Scheu und fügten sie ihrem Vorrat an Geistergeschichten, Wundern, Weissagungen und Zaubersprüchen bei. So errang Nannic noch im Tode den Ruhm, nach welchem er am meisten gestrebt hatte während seines kümmerlichen Daseins; er ging dahin, wenn auch nicht im Ruf der Heiligkeit, so doch in dem eines Wesens voll geheimer, übernatürlicher Kräfte, was ihm weit mehr galt.
Auch Guenns ungestümes Herz, dies große Herz, das so leidenschaftlich für ihr Volk schlug — wäre befriedigt gewesen, hätte sie die Weiber unten am Flusse hören können. Wie die jüngeren um sie klagten und weinten, und wie die alte Mutter Nives mit seltsam zittriger Stimme zornig rief: „Seid still ihr Närinnen. Sie war mehr wert als ihr alle zusammen. Wer sagt einem jetzt noch ein lustiges Wort? 28er hat solche lachende Augen, die einen fröhlich machen und alle Gliederschmerzen vergessen lassen? Mit wem von euch lohnt es denn noch der Mühe zu reden? — Seid still, sage ich."
Darauf erwiderte Mutter Quaper in tiefen Kehllauten unter heftigem Schluchzen: „Das frage ich auch Madame Nives, mit wem? Es ist freilich etwas spät am Tage, daß Ihr dahinter kommt. Ich war immer ihre Freundin und sie wußte es auch."
Dann entspann sich ein langer, hitziger Kampf, aber Guenn würde sich darüber gefreut haben, geschah es doch ihr zu Ehren. Noch viele aufrichtige Tränen flössen um sie und das Lob ihrer Güte, Klugheit und Schönheit erscholl allenthalben. Da, wo der Engel des Todes die majestätischen Fittige aurbreitet, findet der Neid keine Stätte für seinen Gifthauch und seine Bosheit muß schweigen.
So war Guenn nicht vergessen; in den Annalen von Plouvenec wurde ihr Andenken getreulich ausbewahrt. Noch lange Zeit nach ihrem
Tode lebte sie unter ihrem Volke fort, und wenn die Leuts von ihr sprachen, schien dis zierliche, kleine Gestalt in ihrer kecken Frische und Anmut, noch immer durch das Dorf zu streifen, hier mit einem freundlichen Zuruf für die Schiffer am Strande, dort mit einer heftigen Erwiderung für jeden, der ihr zu nahe trat. Man glaubte die frohe, herzhafte Stimme bei Spiel und Arbeit singen zu hören, und in den kühnen, blauen Augen, die unendlichste Nachsicht für ihr Plouvenec zu lesen und hochmütige Geringschätzung für die ganze übrige so unbedeutende Welt da draußen.
Zehn Jahre später verbrachte Hamor einen Winter in Rom. Die Zeit war ihm hold gewesen und glimpflich mit ihm umgegangen, sie hatte einige Ecken und Kanten seiner Gestalt und Züge abgeschliffen, und ihm dabei allen Reiz der knabenhaften Anmut gelassen und den goldenen Schein in seinem blonden Haar und Bart. Hervorragend in seiner Kunst, immer vorwärts schreitend in rastlosem Sterben, von einem erlesenen Freundeskreis umringt und reich genug, um alle seine Ansprüche zu befriedigen, war Hamor ein vom Glück begünstigter Mensch.
Bis jetzt hatte er noch nicht geheiratet. An Veranlassung über diese wichtige Angelegenheit mit sich zu Rate zu gehen, hatte es ihm nicht gefehlt, denn er war ein Liebling der Frauen und auch jetzt noch geneigt, an besonders reizenden Mädchen psychologische Studien anzustellen. Für die Stunden, in denen er sich von der Arbeit losreißen mußte, um seine Mahlzeiten einzunehmen, oder weil sich leider täglich der Abend einstellte oder aus sonst einem zwingenden Grunde, fand er stets die eine oder andere Frau, für die er sich mit mehr oder weniger Gefühl begeistert, aber er gab selbst lackend zu, daß keine für ihn mehr sein könne, als die reizende Blume eines Tages. Zu seinen verheirateten Freunden pflegte er zu sagen: „ Ihr beweist Euern Gattinnen im besten Falle doch einen größeren oder geringeren Grad von Ergebenheit. Ich würde der meinigen gar keine bezeigen. Sobald ich nicht mehr über meine eigene Kühnheit staunte, ein so wundervolles Geschöpf mir zu eigen gemacht zu haben, würde ich sie vergessen.
(Schluß folgt.)