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Amts- und ÄnMgeblütt für den Oe;irk Calw.
82. Jahrgang.
Srschklnungstage: Dienltaz, Donnerstag, Tam»- tan, Sonntaz. Jnsertionsprets 10 Pfr-pro Zeilesür Stadt mw Bezirlsorte; außer «e,trk 12 Psz.
Amtliche Bekanntmachungen.
Sonntag, den 21. Jnli 1907.
«lbvnnernentLpr.tnd.Stadtpr.üilertelj.Mr.l.loincl.Lrllzer!. MerteljLhrl. Pofib^uzspreiS ohne Veit «Hg. f. d. Orts- u. Nachbar, ortioeriehr 1 Mk.. s. d. sonst. Berlehr Ml. 1.10. Bestellgeld 20 Psg.
K. Fachschule für Feinmechanik einschl. Uhrmacherei und Elektromechanik in Schwenningen a. N.
In die K. Fachschule für Feinmechanik einschl. Uhrmacherei und Elektromechanik in Schwenningen a. N. kann am 15. Sevtember ds. Js. noch eine beschränkte Anzahl junger Leute ausgenommen werden, welche bis dahin die Berechtigung zum Einjährig- Freiwilligen-Dienst erworben haben. Programme und Auskünfte sind von dem Vorstand der Schule, Professor vr. Göpel in Schwenningen, erhältlich.
Stuttgart, 9. Juli 1907.
Mosthaf.
Tagesneuigkette«.
F Liebenzell 19. Juli. Am letzten Montag wurde der neue Festplatz durch ein Kinderfest eingeweiht. Obwohl das Wetter morgens schlecht und zweifelhaft aussah, lichteten sich gegen Mittag die Wolken und konnte dann das Fest nachmittags bei heiterem Himmel ab» gehalten werden. Es war ein schönes Bild, als der Zug der festlich geschmückten Kinder unter Vorantritt und dem Spiel der hiesigen Kurkapelle durch dis Straßen unseres Städtchens zum Feflplatz sich bewegte. Dort entwickelte sich bald ein buntes Leben und Treiben. Nach dem aufgestellten Programm wurden die verschiedenen Preisspiele von den Kindern mit großer Lust und Freude ausgeführt und mit wirklichem Vergnügen sahen die Erwachsenen zu, sich freuend über den Eifer, den die Kinder entwickelten, und oft in Lachen versetzt durch die verschiedenen unfreiwilligen Purzelbäume, die es dabei absetzte. Auch sonst wurde für Unterhaltung gesorgt durch
Steigenlassen von Ballons, Abschießen von Feuerwerk, Karoussel rc. Unsere Kurkapelle hat durch den Vortrag verschiedener netter Stücke das Fest mit verschönern helfen. Allgemein war die Freude über die gelungene und schöne Feier. Dank gebührt besonders noch dem Komitee, welches sich um das Zustandekommen und die Ausführung des Festes verdient gemacht hat.
Stuttgart 19. Juli. Die Zweite Kammer hat -heute die Etatsberatung fortgesetzt und zwar abermals mit einer Besprechung der Einkommen- steuer, was Präsident von Payer veranlaßte, daran zu erinnern, daß in acht Tagen der ganze Etat von beiden Häusern erledigt fein müsse. Geklagt wurde heute wieder über eine zu geringe Rücksicht auf die Verschiedenartigkeit der landwirtschaftlichen Verhältnisse und auch darüber, daß die Steuer für manche Kreise des Mittelstandes eine Erhöhung gebracht habe. Bei der Einschätzung sollte gerecht und billig verfahren werden unter Rücksicht namentlich auf die Kreise, die im Erwerbsleben schwer tun. vr. Ptstorius erwiderte darauf, daß diese landwirtschaftlichen Verhältnisse schon bisher im weitesten Umfang berücksichtigt worden seien. Richtig sei allerdings, daß in der Landwirtschaft verhältnismäßig geringe Einkommen vorhanden sind. Ein rücksichtsvolles Vorgehen sei der Wunsch der Verwaltung. Nach Annahme eines von der Linken gestellten Schlußantrags kam es noch zu persönlichen Bemerkungen. Graf (Ztr.) verwahrte sich gegen den ihm von Feuerstein gemachten Vorwurf der Aneignung fremden geistigen Eigentums, welchen Vorwurf der Präsident schon gestern gerügt hatte, sowie gegen den nicht gerügten Vorwurf allzugroßen Eifers in der Stellung von Anträgen. Die Beratung der von ihm gestellten drei Anträge habe nicht so viel Zeit in Anspruch genommen, wie die eine Rede Feuersteins über die Konsumvereine. Es sei zu bedauern, daß der Ton des Beobachterberichterstatters in dieses Haus getragen werde.
Feuerstein (Soz.) wollte sich gegen einen angeblichen gestrigen Zwischenruf des Abgeordneten Gröber verwahren, der ihm Unart vorgeworfen habe. Gröber (Ztr.) bestritt, diesen Zwischenruf gemacht zu haben. Im weiteren Verlauf der Debatte wurden die Kapitel 125 Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer, 126 Kapitalsteuer, 127 Wandergewerbesteuer und 128 Umsatzsteuer rasch erledigt. Zu Kapitel 129 (Wirtschaftsabgaben) wurde bezüglich einer Denkschrift des Landesverbands württem- bergischer Wirte ein Antrag der Kommission angenommen, die Forderung betreffend Abänderung der Durchschniltsberechnung durch die Erklärung des Finanzministers, die seitherige Art dieser Berechnung auf dem Verwaltungswege dahin abändern zu wollen, daß die Weine im Preise von mehr als 1 nur mit dem Betrag von 1 in die Berechnung eingesetzt werden sollen, die übrigen Forderungen durch frühere Beschlüsse für erledigt zu erklären. In der Debatte wurde von allen Seiten zum Ausdruck gebracht, daß eine Abschaffung des Umgeldes bei der gegenwärtigen Finanzlage ohne die Schaffung eines Ersatzes hierfür im Betrag von 2'/- Millionen nicht möglich sei. Liesching (Vp.) kündigte einen Antrag auf Abschaffung des Umgelds für später an und zwm unter Nennung dieses Ersatzes. Demgegenüber erinnerte Rembold-Aalen (Ztr.) daran, daß di« Abschaffung ohne die erste Kammer nicht möglich sei. Es handle sich bloß um platonische Liebeserklärungen. Abg. Keil (Soz.) stellte den Antrag, die Regierung zu ersuchen, bei der weiteren Ausgestaltung der Steuergesetzgebung die völlige Abschaffung des Umgelds in Aussicht zu nehmen. Finanz- minister v. Zeyer betonte, daß vorerst an den direkten Steuern festgehalten werden müsse, solange kein Ersatz dafür vorhanden sei. Die Regierung könne für absehbare Zeit eine Vorlage, die aus Abänderung oder Abschaffung deS Umgeldes abziele, nicht machen. Der Antrag Keil sei nicht annehmbar. Dieser Antrag wurde nach längerer Debatte mi! 38 gegen 36 Stimmen an die Finanzkommission
va; zischermädchen von der Bretagne.
Von B. W. Howard.
(Fortsetzung.)
Nach Guenns Tode irrte Jeanne umher, wie ein verlassene! Vögelchen. Sie trauerte und wollte sich nicht trösten lassen. Unten am Fluß, wenn die andern plauderten, beugte sie sich nur tiefer über das Wasser und seufzte, und weinte herzbrechend. „Ohne Guenns Scherzworte und lustige Possen, wird man bei allem so müde," klagte sie. Nur Madame in den Vo^axsurs wußte etwas mit ihr anzufangen. Madame schwatzte aber auch nicht wie die übrigen.
„Wenn man verschieden ist von den andern, geschieht jedesmal etwas Schlimmes. Guenn war so ganz anders," sagte Jeanne oft trübselig, und in Madames Augen schimmerte es feucht, wenn sie antwortete. „Du hast recht, Jeanne, sie war ganz anders, das weiß der liebe Gott!"
Jeanne heiratete sehr jung, weil es zweckmäßig schien; sie alterte frühzeitig und führte ein arbeitsvolles, mühseliges Leben. Sie zog brave Buben auf, sah sie zur See gehen, aber nicht wiederkehren und trauerte um sie in bangen Sturmnächten, wenn die Wellen hoch gingen. So lebte sie das geduldige, entsagungsreiche Dasein, das Guenn als das härteste Schicksal angesehen hatte. Jeanne trug alles sanft und ergeben, wie das in ihrer Natur lag; allmählich wurde ihre Sanftmut zur Gleichgiltigkeit, und ihre Tage verflossen im mechanischen Kreislauf kleiner, alltäglicher Sorgen, bis in das einsame, liebe« und freudeleere Alter.
Madame hatte ihr Hauswesen und ihre Gäste zu versorgen wie bisher, aber dennoch schien sie jetzt mehr freie Zeit für die jungen Mädchen von Plouvenec übrig zu behalten als früher, sie fanden jederzeit Rat und Auskunft bei ihr, mochte sie auch noch so beschäftigt sein. Das scheue Erröten in einem Mädchenantlitz entging ihr nicht und sie lieh auch dem kleinsten Anliegen ein williges Ohr. Gegen junge, fremde Künstler blieb sie merkwürdig teilnahmlos. „Warum sollen unsere Mädchen unnötig leiden
wegen dieser Fremden?" fragte sie sich selbst in Stunden innerer Einkehr. „Hab' ich damals dem armen Kinde gegenüber ein Versehen begangen? Hätte ich ihr besser beistehen können?" —
Rodellec trug einen heftigen Schmerz zur Schau; er schwelgte ordentlich in seinem Jammer und ward von vielen wohlmeinenden, leichtgläubigen Menschen bedauert. In angetrunkenem Zustand pflegte er mit Vorliebe von den „seligen Engeln" zu reden, wie er Frau und Kinder nannte. Ihr Himmelsglück diente ihm als Hintergrund, von dem sich seine eigene, schwergeprüfte Persönlichkeit wirkungsvoll abhob. Er lebte noch viele Jahre und blieb gesund, kräftig und von frischem Aussehen. Rührig und tätig zur See, war er auch der erste, wenn es ein Gelage galt, beim Scheine des gelben Lichts in der Schenke. Bei Nacht erquickte ihn ein ruhiger Schlaf, der höchstens durch übermäßigen Branntweingenuß gestört wurde, und sein Appetit ließ nichts zu wünschen übrig. Für Leute von Rodellecs Schlage gibt es keinen Kummer.
Nannic kränkelte und starb. Es war wohl das klügste, was er tun konnte — Nannic war ja immer klug. Er war niemals kräftig gewesen, im Winter nahm seine Schwäche zu, er war immer müde und wußte nicht, wie er ohne Guenn weiterleben sollte, ohne die starke, lustige Guenn, die alle seine Neckereien mit ihrem strahlenden Lächeln aufnahm, die schöne Guenn, rosig wie eine Pfirsiche und frisch wie ein Tautropfen, dis immer sang und tanzte, immer zur Hand war, wenn man sie brauchte. Nannic litt nicht viel, er siechte dahin und die Frauen im Dorfe waren gut und liebevoll zu ihm. Auf Madames weisen Rat, nahm ihn Jeannes Mutter mit nach ihrer Wohnung, ihn da zu verpflegen. Nannic blieb bis zuletzt geduldig und dankbar, weigerte sich aber hartnäckig, seinen Vater zu sehen.
„Klagen und Seufzer sind billig zu haben," sagte er verächtlich. „Vater hin, Vater her, sprecht mir nicht von ihm. Wenn Ihr ihn herbringt, drehe ich mich nach der Wand um. Er hat sie getötet. Er hat uns alle getötet. Ich Kasse ihn. Und wenn Ihr die Wahrheit hören wollt: Ich habe ihn mein Lebenlang gehaßt."