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Festes ihr Interesse an den Bestrebungen der Gesangvereine betätigten und zugleich das Ansehen der Gemeinde Gechingen hoben.
Wildberg 7. Juli. DerKaninchen- und Geflügelzuchtverein Wildberg und Umgebung hielt heute im Gasthaus zur Sonne seine Monats-Versammlung ab. Nachdem der 2. Vorstand Herr Geometer Klein die Mitglieder begrüßt hatte, erteilte er Hrn. Rich. Wimmenauer aus Hirsau das Wort zum Vortrag über das Thema: „Die rentable Geflügel- und Kaninchenzucht bedingt durch vorteilhafte Wahl der Fütterung." Herr Wimmenauer führte ungefähr Folgendes aus: Erfreulicherweise habe die deutsche Geflügelzucht seit mehreren Jahren einen ganz bedeutenden Aufschwung genommen und ein Interesse hervorgerufen, das die verschiedensten Berufsklassen unseres Volkes veranlaßt habe, in kleinerem oder größeren Maßstabe Geflügel- und Kaninchenzucht zu betreiben. Mit Mut solle der Züchter an's Werk gehen und nicht verzagen, wenn seine ersten Hoffnungen an großer Kückensterblichkeit fehlschlagen, welch' letztere nicht zum wenigsten aus ungeeigneter Fütterung hervorgehe. Die Abendfütterung solle aus Körnern bestehen, des Morgens solle Weichfutter gegeben werden, dem mit großem Vorteile Bubecks Kraft-Geflügelfutter beizumengen sei. Der Herr Vortragende erwähnte alle Arten des Naturfutters, welches jedoch heutzutage nicht mehr ausreiche; wo es den Tieren an freiem Auslauf fehle, sei das Kunstfutter eine Notwendigkeit geworden und wären als anerkannt gut und billig die Futterpräparate von Bubeck und Sohn in Untertürkheim entschieden vorzuziehen. Wenn man eine hervorragende Produktion im Lande habe, dann wende man sich auch dahin, denn „warum in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah!" — Der Herr Vorstand dankte Hrn. Wimmenauer für seinen lehrreichen Vortrag und schloß gegen - 6 Uhr die Versammlung.
Stuttgart 9. Juli. Die zweite Kammer hat heute die Beratung des Etats des Finanz- departements begonnen und zunächst auf einen Antrag des Abg. Gröber (Ztr.) beschlossen, einen Antrag Keil (Soz.) betr. die Fortführung der Steuerreform in der Richtung, daß an die Stelle der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer eine nur auf der größeren Leistungsfähigkeit des unverschuldeten Vermögens beruhende nach oben steigende Ergänzungssteuer gesetzt wird, zurückzustellen und seine Beratung mit derjenigen eines diesbezüglichen Antrags des Zentrums zu verbinden. Der Abg. R e m b o l d-Aalen (Ztr.) brachte einige Beschwerden akademischer Beamten vor, u. a., daß auf das Examen zu großer Wert gelegt und die meisten höchsten Stellen des Finanzdepartements mit Angehörigen einer bestimmten Tübinger Studentengesellschaft besetzt werden. Gröber (Ztr.) wünschte Befreiung der Oberamtssparkassen von der Auskunftspflicht in Steuerfragen, damit die Leute sich nicht von den Sparkassen abwenden. Die Antworten des Finanzministers blieben auf der Tribüne fast unverständlich. Er erklärte, daß Auskunft von den Sparkassen nur erteilt werden soll, wenn Defraudationsverdacht vorliege. Ferner teilte er auf eine Anfrage des Abg. Graf mit, das gesamte Ministerium habe sich für die Gewährung von Unterstützungen an Beamtenbaugenossenschaften ausgesprochen. Im weiteren Verlauf der Debatte wurde ein Antrag Feuerstein (Soz.) betr. Fortführung
der Gemeiudestatistik (Uebersicht über die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinden) und ein Antrag Elsas (Vp.) betr. eine Statistik über die wirtschaftliche Entwicklung der durch neue Nebenbahnen mit dem Eisenbahnnetz des Landes verbundenen Gemeinden angenommen. Die Tätigkeit des Stasistischen Landesamts fand die Anerkennung des Berichterst. I)r. Hjeder sowie des Abg. Schrempf. FürdieOberamtsbeschreibungen wurde ein mehr volkstümlicher Ton gefordert. Acht neue Hauptsteuerverwalterstellen wurden abgelehnt, dagegen statt der geforderten 66 Stellen 74 Stellen von Finanzamtmännern genehmigt. Die von dem Finanzminister anläßlich der Steuerreform gewährten Renumerationen im Betrage von etwa 26000 ^ wurden als billig anerkannt, jedoch der Wunsch ausgesprochen, daß für solche Renumerationen künftig ein besonderer Titel in den Etat eingesetzt werde. Eine Eingabe der im Gratia! entlassenen Steuerwächter und auf Gebühren angeftellten Orissteuerbeamten um Gleichstellung mit ihren berufsmäßigen Kollegen wurde der Regierung zur Erwägung übergeben. Der Etat des Finanzdepartements (Kap. 98—107) wurde erledigt. Morgen Fortsetzung der Etatsberatung.
Ulm 9. Juli. Vor längerer Zeit wurde berichtet, daß in einer Neu-Ulmer Familie 6 Personen nach dem Genuß von Pudding an Vergiftung schwer erkrankten. In der Münchener Medizin. Wochenschrift wird der Fall nun näher besprochen und dargelegt, daß als Ursache der Vergiftung Eiweiß anzusehen ist, in dem sich durch die vorhergegangene Aufbewahrung in einem leeren Eisschrank ein sehr gefährliches, der Grupps der Ptomaine (Leichengift) zugehöriges Gift entwickelt hatte. Spätere Versuche zeigten, daß von diesem Gift 0,04 A ein Meerschweinchen töteten. Es wird in dem Artikel ausgesprochen, daß jeder Eisschrank mehrmals im Jahre, besonders wenn er länger ohne Eisfüllung geblieben ist, sorgfältig zu reinigen ist.
Von der bayrischen Grenze 9.Juli. Ein Dienstknecht aus Oxenbronn bei Günzburg, der wegen Baumfrevels schon 6 Wochen Gefängnis abgesessen hatte, beschädigte 4 Tage nach Verbüßung dieser Strafe wieder ein halbes Dutzend Obst- bäume durch Anschneiden so, daß sie wahrscheinlich zu Grunde gehen werden. Das Günzburger Schöffengericht schickte den boshaften Menschen nun auf 6 Monate ins Gefängnis und verurteilte ihn ferner wegen verschiedener anderer Rohheitsdelikte noch zu einer weiteren Gefängnisstrafe von 1 Monat 20 Tagen.
Von der Mosel?. Juli. Die Traubenblüte nimmt laut „Köln. Ztg." infolge der ungünstigen Witterung der letzten Wochen einen sehr schleppenden Verlauf. Der fortwährende Regen wirkt geradezu verheerend auf sie. Allerorts macht sich ein starkes Auftreten des Heu- und Sauerwurmes bemerkbar, ganz besonders in den bessern, gesunden Lagen. Dort hat dieser schlimme Feind des Weinstocks schon jetzt großen Schaden angerichtet. In den Bodenlagen beginnt allenthalben trotz mehrmaligen Spritzens die
Peronospora aufzutreten. Man sieht an der ganzen Mosel schon jetzt einer schlechten Weinernte entgegen; die Weinpreiss find infolgedessen in die Höhe gegangen.
Essen 9. Juli. Im Kantinenkeller der Schönebecker Zementfabrik wurde ein Arbeiter mit zerschmettertem Schädel und Stichen im Halse ermordet aufgefunden. Er ist dort nach empfangener Löhnung ermordet und beraubt worden.
Berlin 9. Juli. Der frühere Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika, Leutwein, hat auf die Bitte eines hiesigen Blattes um sein Urteil über den Peters-Prozeß mit folgenden Worten geantwortet: Ueberlingen, Bodensee, den 5. Juli: Den Eingang Ihres Geehrten vom 2. ds. bestätige ich sehr ergeben. Ich bedauere indes, Ihren Wünschen nicht Nachkommen zu können, schließe mich vielmehr dem Münchener Gerichtshöfe an. Wie dieser, maße ich mir kein Urteil darüber an, ob Dr. Peters mit der Hinrichtung des Mabruk Maßnahmen getroffen hat, die den damaligen Umständen nach gerechtfertigt waren oder nicht. Dieses salomonische Urteil mache ich auch zu dem meinigen.
Paris 9. Juli. Der Petersburger Korrespondent des Petit Parisien erfährt aus guter Quelle, daß der Zar Peterhof verlassen habe und an Bord seiner Dacht nach den norwegischen Fjords abgefahren ist. Diese dürften wahrscheinlich auch das Ziel des deutschen Kaisers sein. Der Korrespondent glaubt, daß eine Zusammenkunft zwischen den beiden Monarchen dort stattfinden wird. Es war ihm jedoch unmöglich, wegen der späten Stunde, zu welcher die Nachricht einging, hierüber Erkundigungen einzuziehen.
Warschau 9. Juli. Heute nachmittag wurde, als der Polizeimeister in einem Wagen die Lublinstraße pafierte, von Unbekannten aus einer Wohnung gegen den Wagen eine Bombe geschleudert. Die Pferde wurden verletzt, der Wagen zerstört. Der Polizeimeister blieb unverletzt. Ein Kind wurde auf der Straße verwundet. Es fanden viele Verhaftungen statt.
Petersburg 9. Juli. In Hofkreisen verlautet, der Zar werde in den nächsten Tagen eine längere Seereise antreten. Man glaubt, daß die Fahrt Gelegenheit zu einer Zusammenkunft des Zaren mit Kaiser Wilhelm geben wird, der sich grade auf der Nordlandreise befindet. Ein bestimmter Ort der Zusammenkunft sei jedoch noch nicht vereinbart.
Marktbericht.
Calw 10. Juli. (Vieh markt.) Heutige Zufuhr 468 Stück Rindvieh. Handel lebhaft zu seither, festen Preisen. Höchst erlöster Preis für 1 Paar Ochsen 1180 ^ Kühe wurden zu 350 bis 570 Rinder zu 3—500 gehandelt. Gesamtverkauf 230 Stück. — Auf den Schweinemarkt waren zugebracht 251 Milchschweine und 83 Läufer. Für erstere wurden ^ 16—34, für Läufer 45 bis 100 erlöst. Absatz schleppend.
Guenn seufzte tief auf. „Du weißt es natürlich am besten, Nannic," entgegnete sie mit großer Sanftmut. „Gute Nacht!"
„Halt, Guenn, höre einmal — hast du wirklich das schwere Bild allein durch die Tür gezwängt?"
„Nun ja, ich sagte dir's ja schon —" es klang müde und gleichgiltig.
„Du hingst dort an dem hohen Balken nur an deinen Händen, damit sie glauben sollten, es wäre der alte Morot! du — wirklich du? —"
„Gewiß, Nannic, was hätte ich denn auch sonst tun können?"
Nannic streckte seine langen, schwachen Arme aus und betrachtete sie mit unaussprechlicher Verachtung. Eine trostlose Sehnsucht spiegelte sich in seinen bleichen Zügen, heftigste Empörung gegen den elenden, mißgestalteten Körper, der ihn überall hemmte. Dann nahm er seine gewöhnliche aleichgiltige Marke wieder vor. Den Kopf in den verkrümmten Händen bergend, die klugen Augen halb geschlossen, sagte der kleine Krüppel in trockenem Ton: „Es war gar nicht so übel — für ein Mädchen."
21. Kapitel.
Als Madame in den Vo^gAöurs am Abend von Hamors Ankunft in Plouvenec gegen ihn die Andeutung fallen ließ, daß die Frau Postmeisterin zuweilen seltsam zerstreut sei, hatte sie ihr damit nicht Unrecht getan. Die Maler pflegten diese ihre Eigentümlichkeit mit stärkeren Ausdrücken zu belegen.
„Wie seltsam sich die nämlichen Typen überall wiederholen," hatte Hamor bei sich gedacht, als er der besagten Dame zum erstenmal gegenüber trat. „Diese hagere, unachtsame Frau hat mich, so wie hier, schon in Maine, Massachusetts und Kalifornien über ihre Brillengläser hinweg angestarrt," vertraute er einer Tage» seinem Freunde Staunton. „Sie
mag französisch sprechen so viel sie will, sie erscheint mir immer identisch mit jener Posthalterin in einem kleinen Dorfe Neu-Englands, die mir eines Tages sagte: ,Da, Mr. Hamor, ist ein langer Brief für Sie, von Ihrer Cousine Elisabeth; so viel ich daraus ersehe, geht's ihr und der ganzen Sippschaft gut?"
Die Beamtin in Plouvenec war zugleich Telegraphistin und legte ein schmeichelhaftes Interesse für den Inhalt jeder Depesche an den Tag, ein vorwurfsvoller Blick traf denjenigen, der es vorzog, sich dabei einer andern, als der französischen Sprache zu bedienen. Ueber ihre Unregelmäßigkeit und Saumseligkeit bei der Briefausgabe fluchten die fremden Maler zuerst, machten dann gütliche Vorstellungen und fügten sich zuletzt, wie die Muselmänner, ins Unvermeidliche. Sie nahmen ohne Murren fünf Tage alte Briefe in Empfang und ertrugen standhaft alle Prüfungen, welche ihnen das Geschick sonst noch durch die Plouvenecer Post auferlegte. Aber der Tag sollte noch kommen, an dem Hamor sich weigern würde, als Philosoph zu dulden.
Die letzten Pinselstriche an dem großen Bilde waren getan, es war fertig, war getrocknet, war Hamors Meisterstück. Stundenlang konnte er jetzt davor fitzen, es einer letzten, stummen Kritik zu unterwerfen. Endlich begann er die Kiste zuzurichten, in der es nach Paris reisen sollte, seinem Schicksal zu begegnen.
Guenn sah diesen Abschiedsfeierlichkeiten in tiefer Erregung zu, ihr Herz war zum Ueberfließen voll von reichen» köstlichen Erinnerungen. Das beste Stück ihrer jungen Lebens lag vor ihr, eingenagelt in der großen Bilderkiste.
(Fortsetzung folgt.)