Nr. 2
Erzählungen für den Feierabend
i'Nt
Schnee, der große Glans des Daseins
Line nachdenkliche Geschichte zwischen Schileuten von MsredGraber
Draußen hat die Winternacht begonnen I mit ihrer silbernen, knirschenden Kälte. Diel Sternbilder stehen in einer unerhörten Klar- heit am Himmel, weltweit befreiend und seltsam bedrängend zugleich. Sie lassen an Wan- derer denken, die zu dieser Stunde noch unterwegs sein mögen in der verschneiten Unendlichkeit der Berge. Wer weiß, ob sie ihr Ziel finden, wer weiß, ob sie nicht fast ver- zweifeln über dieses ungeheuerliche, eisige Weltall, dem sie ausgeliefert sind, vielleicht noch für viele Stunden. Ta ist nichts mehr vom geliebten Glanz des Winters und der Sonne, da ist nur noch ein fahler und grauer Schnee, der von den Aeonen von Jahren spricht, da die Welt noch unbelebtes Eis war.
Drinnen in den Gaststätten ist fröhlicher Nusklang nach dem sonnigen Tag. Lässig tanzen die Paare, zufrieden vom sportlichen Vergnügen im Schnee.
Tr. Montanus, mit seinen leicht angegrauten Haaren der Thpus eines vergeistigten Sportmannes, sitzt bei Lisa und Bruno Springer, mit denen er den Tag aus Parsenn verbracht hatte. Bruno ist ein anständiger kräftiger Junge, der den Schilauf restlos'be- herrscht. auch Lisa kann sich durchaus aus den Brettern sehen lassen mit ihrem Können lvie mich ald Erscheinung. Sie ist von einer reizenden, nachdenklichen Fröhlichkeit die durch ihre Frische und Unmittelbarkeit nie manden gleichgültig läßt. Montanus ist von hrem Dasein seltsam berührt und ergriffen wie sehr auch diese junge Generation von -hm verschieden ist. weil sie ihr Natur- ja ihr Lebensgefühl auf ganz anderen Grundlagen ausgebaut hat. Seiner Welt, die das Wandern als einen dauernden Zustand der Seele empfindet, steht ein im Sportlichen verhaftetes Leben gegenüber, das sich die mackst Vergnügungen dienstbar
Lisa scheucht Montanus aus seinen Gedanken auf:
.-Ich liebe Ihre Art. Doktor, wie Sie die winterliche Bergwelt durchfahren, so be- so ganz verbunden ' mit ihr. Mrr erscheint sie oft noch trotz aller Schönheit etwas fremd.'
Montanus dankt und lächelt, während er! mit Lisa tanzt. Er spürt ihre strahlende Jugend und ihre Daseinskrast wie ein großes Wunder.
...Im Grunde waren Sie heilte nicht zufrieden mrt uns. mit Bruno und mir.' sagte sie dann. ^
Er weicht aus: „Zufrieden? O doch, wie Wllte ich es auch nicht sein? Ich fand selten Begleiter, die ein so natürliches und wirklich Gefühl für den Schilauf haben. Es rst doch alles vorhanden: Freude Be- schwingtheit. Energie, Gelenkigkeit — das ganze Rüstzeug.'
^.."Wenn das nach Ihrer Ansicht genügt?" wirst Lisa ein. ^
„Nun, wenn Sie darauf bestehen, es gibt für den Schilauf verschiedene seelische Grundlagen die vielleicht mit dem Alter und dem Leoensgang des einzelnen Zusammenhängen.
lung. Ihnen gilt die Fahrt alles, die Landschaft, genauer gesagt, die Seele der Landschaft, weniger. Das soll kein Vorwurf sein, denn die Abfahrt durch die weißen Welle" der Hänge ist etwas ganz Wundervolles. Trotzdem sollte man sie nicht überwerten, das Borubergehende nicht voranstellen, um am nvig Bestehenden im Schuß vorbeizusausen. Me Zeit, die man auf einer Uhr für die Bewältigung einer Abfahrt abliest, ist ganz ohne Belang für das innere Erlebnis eben -Ar selben Abfahrt. Die Bergwelt wird nicht kleiner und ungefährlicher, wenn man sie schneller durchnäßt. Wie sehr haben sich doch die Maßstabe verschoben!"
..Ich möchte damit nicht.' fügt er bei wahrend sie sich wieder setzen, „die Berge als etwas Furcksterweckendes hinstellen, ich wehre mich nur dagegen, daß man ihrer Größe Diminutive anhängt, damit sie ein harmloseres Aussehen bekommen sollen.'
Montanus schweigt, er komm! sich plötzlich über die Beziehungen des
Menschen zur winterlichen Bergwelt bei einer fungen Frau höchst lächerlich vor. Er möchte ihr eher etwas sagen über den unerklärlichen Glanz, der in ihren Augen liegt über das rerzvolle Fluidum, das ihr Wesen ausströmt. Und so sagt er:
..Sprechen wir doch nicht mehr von der, Bergen. Lisa, sondern von Ihnen . . .'
Sie lächelt und schüttelt den Kopf:
..Auch wenn wir von den Bergen reden sprechen wir ja von uns, auf einem kleinen Umweg vielleicht. Sie müssen weitererzählen. ich höre Ihnen gerne zu. Sie erlebten doch Anfang und Entwicklung des Schilaufs, während wir nur hineingestellt wurden in die Bewegung, ohne eine Tradition zu besitzen.'
.Wie sehr haben Sie doch den Grundgedanken getrosten: ohne Tradition. So ist es; die Entwicklung des Schilaufs ist plötzlich eine viel zu hastige geworden: Er wurde zur Mode wie schon so Unzähliges auf dieser
alten Erde, zu einer gesunden Mode freilich. Natürlich hat er auch alle Nachteile einer jeden Mode: Die Mitläufer, die nur mit- macheii. weil er eben Mode ist. Es sind viele, allzuviele. die den Winter aus diese angenehme Art totschlagen. Wenn Sie heute abend einen Bekannten fragen, wie er den Tag verbracht habe, dann wird er Ihnen nicht etwa sagen: Heute? Da bin ich einmal zwei volle Stunden aus der Alp Dnranna aus den, Rücken gelegen und habe in die Sonne gestaunt. Die Wände der fernen Sulz- sluh über den Wäldern der Tiefe haben es mir angetan. Dann ist eine kleine Wolke durch das tiefe Blau des Himmels gezogen und ein großer Vogel — ich weiß nicht, was
Abends sind und die einem Menschen den! Gefallen tun. ihm gegen seine Minderwertig-! keitsgefühle etwas aufzuhelfen. Wenn sich die Lebensberechtigung des Schilaufs auf diesen Dingen gründete, wäre ich dann nicht unendlich arm? Ja. ich bin so altmodisch, daß mir selbst die fabelhaftesten Rekorde herzlich wenig sagen. Während die phnsische Leistung steigt, löst sich die Bindung mit der Natur, weil es nicht möglich ist. daß Schnelligkeit und Stoppuhr zur Vertiefung führen. Es vergessen ja so viele, daß es nicht nur eine Technik, sondern auch einen Geist des Schilaufes gibt. Ich denke bei diesen Dingen gar nicht an die Wettläuser. Springer, Absahrer. Slalomspezialisten und Langläufer, die Nennen besuchen, sind gewissermaßen Beruss- leute. die ihre Kunst im Wettkamps vor Zuschauern zeigen wollen. Das ist ganz in Ordnung. Ich denke an die um das Hundertfache größere Schar der Amateure. Dabei müssen
"MM
KM
ME
--SM
Bab«IÄlit>e« oder der Schueevstug
Willi Döülcr
Verschneites Vors /
Von Karl SuiMscl
Es war doch Gras und Baum und Stein, war Acker, Korn und Klee — nun will's von allem keines sein, ist Stille nur und Schnee.
Es weiß nichts mehr von einer Zeit, die hell die Stunden ries, und olles liegt ihm nun so weit, und iedes schläft so tief.
es für einer war — hat über nur seine Kreise gezogen. Zwischen den Hütten durch sind vielverzweigte Wildfpuren gegangen. Ta geben sich die Tiere in den stillen Stunden ein Stelldichein. Ich mar wunschlos glücklich, weil ich so in der warmen Sonne liegen konnte mitten in den Bergen, und ich spürte in mir etwas vom großen und milden Glanz des Tages und von der Freude, daß ich da sein durste im Schnee der Berge. Nnd wie es langsam dämmerte, da bin ich weitergezogen. und unten war ich m» mir zufrieden. trotzdem ich noch ein paar gehörige Purzelbäume schlug. Nein, io spricht unser Bekannter nicht, sondern: Heute habe ich Parsenn zweimal durchfahren, das erstemal in 27. das zweitemal in 29 Minuten, eine ausgezeichnete Zeit, nicht wahr, denn schließlich bin ich ja nicht der Otto Furrer. Das Steilstück in den Wald habe ich mit drei Schwüngen gemeistert, morgen versuche ich es mit zweien, und übermorgen wage ich es im Schuß. Sie werden mich vielleicht altmodisch finden, wenn ich Ihnen tage, daß es mich schüttelt, wenn ich von diesen Rekorden der Eitelkeit höre, die das Gespräch eines
Von Bauernsorgen unberührt verrinnt ihm Tag um Tag, kaum, daß es noch im Herzen spürt den liebgewohnten Schlag.
Nur manchmal, wenn von ungefähr ein Schuß des Jägers fällt, hebt es die Wimper, traumesschwer, lauscht in die weiße Welt.
Sie mich nicht falsch verstehen: Ich bin für den sportgerechten Schilauf und nicht sür eine Stümperei. Aber die Seligkeit einer ^ Abfahrt darf nicht in der Furcht unter- geheu. mau könnte diesmal in einer weniger guten Zeit unten anlangen. Tie Schönheit der Berge !oll nicht in Absahrtsprobleme zerlegt werden. Doch schließlich gehören ia die Berge nur dem allein der auch ihnen gehört, und das ist immerhin ein Trost. Tenn ist die Kunst des Schöpfers nicht eine viel größere der einen strahlenden Schnee- kristall formt oder der durch feinen Schnee einen kleinen, armseligen Baiimstrunk zum Märchen verzaubert?"
Lisa meinte: „Heute, als Sie rasten wollten ans Plan da Gorz, drängte Bruno weiter, weil er nochmals über Parsenn wollte am gleichen
lich gesunden hätte . . ." Er zogen, oann spricht er weiter: „Wir können nichl zweimal abfahren, aber wir können vielleicht das Ewige der Erde in diesem vergänglichen Kleide waren, wenn wir zu Füßen der große» Stille sitzenbleiben. Lächerlich, nichl wahr?"
Lisa schüttelt den Kops. Sie berühr! seine Hand:
„Ich möchte einmal so verbunden sei» mit dieser weißen Welt wie Sie. Für Sie ist der Schilaus ei». Ausdruck Ihres Lebeiisbekeniil- nisses als Wanderer, für viele andere nur ein Sport. Jener Tun ist laut, Ihres leise. Weil für Sie die phpsische Leistung selbstverständlich ist. brauche» Sie keinerlei Rekorde zu Ihrem Glück, viel eher eine ruhige Stunde mit Wäldern i» der Tiefe und Gipfeln über Ihnen."
Da kommt Bruno, der an der Bar gestanden hatte, mit drei kraftvollen junge» Menschen.
Er stellt die verlegen Lächelnden vor mit dein Satz: „Drei Abfahrtskanonen! Morgen machen wir zusammen die tüchtigeTour zum Gletscher- diican, ich weiß nicht, ob du miikannst." Er schaut zweifelnd auf Lisa.
„Ich gehe morgen mit Dr. Montanus, wenn er mich mitnimmt!" Montanus begegnet ihrem fragenden Blick und nickt. Was hätte ihm auch Schöneres begegnen können? Lisa erhebt sich nnd reicht allen die Hand: „Gute Nacht, ich will morgen frisch sein!"
Bruno wendet sich zu Montanus und meint: „Ein flottes Sportmädel, meine Schwester, bald wird sie soweit sein wie wir, nicht wahr, Doktor? Wirklich reizend von Ihnen, daß Sie sich Ihrer annehmen!"
Dr. Montanus bleibt noch ein paar Augenblicke nachdenklich sitzen. Aber er sieht die Tanzender nicht mehr. Vielleicht, so denkt er sich, findet Lisa die schmale Brücke von der flüchtigen Freude des Augenblicks zur seelischen Verbundenheit mit der weißen Welt der Berge, vom Schnee znm großen Glanz des Daseins ... nnd zu wir.
„Marti.. Marti.
!Eine Schelmengeschichte von Lorenz Strobl.
Mächtig kalt war der Winter nnd elend lang. Hat die größten Löcher in die Holz- schupsen gefressen.
Dezember . . Januar . . Die Leut' hassen auf einen linden Februar . . Schnecken . .l
Noch im Märzen waren die Weiher stein- hart gefroren, das ganze Dörfer! rundum in Eis nnd Schnee.
Die Waldbauern konnten leicht zuwarten. Haben einen Baum nach dem andern im Holzschlag geholt und in die bauchigen Kachelöfen gepulvert, daß die Durchsichten geglüht und die Stuben grad gewachelt haben vor lauter Wärm und Gutsein.
Ist das Scheitholz ausgegangen, sind die Kienstöck an tue Reih' gekommen, das Wurz- Holz von den Fichten und Föhren, den Buchen nnd Eichen, die im Spätherbst mrt Winden. Aexten und Ketten aus dem Waldboden gerissen wurden, über ein Jahr lang an der Sonnseite der Scheune ausgetrocknei waren. Pechig, verknorrtes altes Wurzholz ist's. und so ein harziger Fichtenklotz. der hält einen halben Tag die Bauernstube warm und wenn auch draußen vor den Fenstern das Grnndeis bricht.
Die Bauern haben aus diese Art leicht überwintern können.
Anders aber die Häusl-Leut und Tagwerker.
Wohl hat der alte Zaunlechner Marti sich den ganzen Herbst durch geschunden und geplagt. Hat Dürrholz vom Wald heimgekarrt. Hat schon zeitig im Frührahr ein paar kerngesunde Tannenbäum mit dem Beil angehauen, daß sie den Sommer über gestorben und er die Bäum nn Brachmond mit bestem Wißen nnd Gewissen als dürre Boschen hat heimiahren können. Ein mächtiger Holzstoß ist bis zum Winter an der Hinteren Wand vom Marti feiner Hütten ausgewachsen hinauf bis zur hölzernen, wetterzeriresienen Dachrinne.
..Jetzt mein ich. konnt's langen für dies Jahr .
Ter Marti gipst sich eine TabakspriS aut den Haudrücken. Schnupft. Striegelt mir den krummen Knöcheln der rechten Faust seinen grauen, bockstarren Schnaiizbart. Wirft die Holzbau in t>en Schupien. Das heißt io viel wie Feierabend siir diese? Jahr.
lind er hat halt doch nicht gereicht mit seinem Vorrat.
„Matthäus, bricht's Eis . . Hat er keius. bringt er eins!"
Aber zum strengen Vorwinter, dem gnchen
Tage. Da wurden Sie doch recht zornig, packten 'Js'" ,
Ihren Rucksack ans nnd sagten: .Ich bleibe da: W^linachtswetter. ha der sonst o romme
wenn Sie gehen wollen, ich hindere Sie nicht.' Banernhellige noch einen grunmigen^Nach- Da blieb auch Bruno kleinlaut sitzen."
Montanus lächelt: „Nett, daß Sie dran denken. Ich wollte eigentlich noch etwas bei- fügen, was Ihr Bruder wahrscheinlich löcher
winter gebrächt. .Kreiizbirnbaiim . .!'
Der Markt welteri in die rauhe Kotzen , Mantel) hinterm kalten Oien. Die Lies kein Eheweib weil er im Herbst io ein stinkfauler Loderstrick gewesen und wann sie auch hiin.