528
Umstände. Das Urteil lautete sodann auf 5 Jahre Zuchthaus. Der Vertreter der Anklage hatte 8 Jahre Zuchthaus beantragt. Die Verhandlung fand teilweise unter Ausschluß der Oeffentlich. keit statt.
Zuffenhausen 4. Juli. Heute Nacht 12 Uhr brach in der Holzwarenfabrik von Gustav Frick ein Brand aus, der dank angestrengtester Tätigkeit der Feuerwehr auf seinen Herd beschränkt blieb, trotz nächster Nähe größerer Holzlager und zweier Schreinereien. Der Gebäude- und Materialschaden ist ziemlich bedeutend, doch ist der Besitzer versichert. Ueber die Entstehungsursache ist bis jetzt noch nichts bekannt.
Haberschlacht 3. Juli. Vor der Heuernte pflegt man die Scheuern und ihre Dächer in Stand zu setzen. So wurde im letzten Monat auch die wohl größte hiesige Scheuer, die „Apostel- scheuer^, die zum alten „Schlößle" gehörte, repariert und ihr Dach umgedeckt. Bei dieser Ge- legenheit fanden sich einige Ziegel mit der Jahreszahl 1696 (oder gar 1606?). Sie haben eine längere Gestalt als die jüngeren, weil früher die Dächer „weiter gelattet" waren, und sind viel älter geworden, als die meisten aus dem 20. Jahrhundert wohl zu werden Aussicht haben, nämlich über 200 Jahre alt. Sie erinnern an die Einfälle der Franzosen, die zu dieser Zeit hier übel gehaust und u. a. die Kirchenglocken geraubt hatten. Einer der noch übrig gebliebenen 10 Bürger war der Besitzer des „Schlüßler" und der Apostelscheuer, der damals 55jährige Jeremias von Westen, der nun daran ging, seine Scheuer wieder zu decken. Woher der Name der Scheuer stammt, ist unbekannt. Wir denken daran, daß sie die Vorräte von so viel Bauern faßt, als es Apostel waren. Tatsächlich haben heute auch beinahe so viel Bauern Anteil daran.
Friedrichshafen 3. Juli Unter Glockengeläuts und Kanonendonner traf gegen 1 Uhr das Königspaar mit dem gesamten Hofstaat, von Bebenhausen kommend, mittels Sonderzug hier ein. Am Bahnhof hatten sich die Spitzen der Bezirks-, Staats-, Stadt- und Kirchenbehörden zur Begrüßung eingefunden. Die Schiffe gaben den Tag über auf der Höhe des K. Schlosses Salutschüsse ab.
Mannheim 4. Juli. Unter der Anklage, die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Schutztruppe in Ostafnka beleidigt zu haben, stand der politische Redakteur der sozialdemokratisch en Volksstimme, Oskar Geck, vor dem Schwurgericht. Er brachte in der Volksstimme ein Bild, das eine Hänge-Szene darstellte und begleitete das Bild mit einem Artikel, aus dem herausgelesen werden konnte, als wäre die Hinrichtung von Angehörigen der Schutztruppe frivol vollzogen worden. Die Hinrichtung war aber auf Grund eines kriegsgerichtlichen Urteils erfolgt, weil die Neger auf eine Patrouille geschossen hatten. Das Urteil lautete auf einen Monat Gefängnis und Tragung der Kosten. Ferner wurde dem Oberkommando der Schutztruppe die Publikations- befugnis des Urteil» zugesprochen. Der Strafantrag war vom Kolonialdirektor Dernburg gestellt worden.
München 3. Juli. Dr. Peters machte im Verlauf einer Rede gestern Abend auf dem ihm zu Ehren veranstalteten Abschieds-Bankett folgende sensationelle Mitteilung über den Tuckerbrief: Bebel hat sich geweigert, seinen Hintermann zu nennen; ich kenne aber diesen Mann, dem Bebel das Material gegeben hat. Ich kenne die Leute, die den Tuckerbrief am 12. März 1896 in einem Berliner Kaffeehaus zusammengeschrieben haben, und am nächsten Morgen zu Bebel gegangen sind, um ihm das Material zu bringen. Wir kennen das Alles. Aber unter Diskretion kann ich auch Mitteilen, daß einer der Beiden seine Kenntnis von der Sache für 10 000 ^ verkaufen wollte. Ich glaube, daß wir in der nächsten Zeit mehr über den Tuckerbrief zu hören bekommen werden und ich habe das Gefühl, daß dadurch mehr Aufklärung über den ganzen Fall gebracht wird. Ich fürchte, daß sogar einer ooer der andere kvmpromitiert wird, der heute Abend noch mit größter Ruhe zu Bett geht.
Frankfurt a. M. 3. Juli. Vor der Strafkammer hatte sich heute der Hochstapler „amerikanische Plantagenbesitzer" Charles Noel Barnsdall, richtig Karl Nuber, der es als Heiratsschwindler zu einer Berühmtheit gebracht hat, zu verantworten. Er hatte vor einiger Zeit einer jungen Dame, die er in einer Münchner Pension kennen lernte und mit der er sich verlobte, 63 000 ^ entlockt. Die Summe, die die Dame auf der Frankfurter Bank abhob, nahm Barnsdall an sich und ging flüchtig. Von ihrem Gelds soll das Fräulein nahezu 50000 ^ zurückerhalten haben, nachdem der Heiratsschwindler in Zürich verhaftet werden konnte. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu 3 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust.
Ein Bürgermeister verschwunden. Auf der Fahrt nach Berlin ist der Bürgermeister von Oppeln, Dr. Böcksch, verschwunden. Der Vermißte hat die Absicht gehabt, nach Berlin zu reisen, und ist am 7. Juni nach Berlin abgefahren. Bis zum heutigen Tage ist er aber nicht in Berlin eingetroffen. Auch seine Angehörigen in Oppeln sind noch ohne jegliche Nachricht über den Verbleib des Verschwundenen. Die Berliner Polizei hat nach allen Richtungen hin die Nachforschungen über den Verbleib des Vermißten in die Wege geleitet.
Nürnberg 4. Juli. Die Juwelenfirma Silbertau brachte zur Anzeige, daß der flüchtige Juwelendefraudant Lütte seit einiger Zeit auch von ihr Juwelen bezogen habe. Anfangs habe er prompt, später aber nur noch mit Stockungen bezahlt und sie so um einen 100 000 ^ übersteigenden Betrag betrogen.
Berlin 3. Juli. Der Wiener Ju- welen-Diebstahl des Nürnberger Schauspielers Lütte stellt sich nach den näheren Ermittelungen als die raffiniert ausgeklügelte Tat eines routinierten internationalen Hochstaplers heraus. Ein Teil der kostbaren Schmucksachen ist, wie jetzt festgestellt, im königlichen Leihamt zu Berlin verpfändet worden. Die übrigen hat der flüchtige Defraudant Lütte scheinbar noch in seinem Besitz. Der geschädigte Juwelier Herzl hat sich von Wien nach Berlin begeben. Die Berliner Polizeibehörde glaubt bereits einige Anhaltspunkte zu haben.
Berlin 3. Juli. Das Urteil im Petersprozeß findet in der hiesigen Presse je nach Parteistellung verschiedene Aufnahme. Während die rechtsstehenden Blätter der Meinung sind, daß Peters gereinigt aus dem Prozeß hervorgehe, erklären die liberalen Organe, daß Peters keine Veranlassung habe, sich über das Urteil zu freuen. Die „Deutsch Tageszeitung" schreibt: Die Verurteilung Grubers zu einer Geldstrafe ist ein neuer Beweis dafür, daß die Ehre in Deutschland nicht den Rechtsschutz genießt, den dieses höchste persönliche Gut beanspruchen darf. Die „Tägliche Rundschau" erklärt: Das Münchener Gericht hat festgestellt, daß Peters den Mabruck und die Jagodja im Bewußtsein des Rechtes hinrichten ließ und daß geschlechtliche Motive weder bei der Urteilsfällung noch bei der Hinrichtung mitsprachen. Damit fällt der Vorwurf einer die Ehre des Dr. Peters vernichtenden Handlung glatt zu Boden. Die „Berliner Neuesten Nachrichten" sagen: das Ergebnis konnte für Dr. Peters nicht günstiger sein. Es ist mehr als seine Freunde und er selbst wahrscheinlich erwartet haben. Das „Berliner Tageblatt" schreibt: In gewissem Sinne hat Herr Peters einen Erfolg zu verzeichnen. Daß er selbst damit zufrieden sein sollte, ist nicht anzunehmen. Peters und seine Freunde wollten eine eklatante Genugtuung, die aber ausgeblieben ist. Vielleicht wäre der Kläger besser gefahren, wenn er sich nicht selbst gar zu schlimm belastet hätte. Peters war Peters größter Feind. Der „Vorwärts" sagt: Die Münchener Richter dürften sich bei der Sonderbarkeit ihres Verdiktes nicht wundern wenn der nicht vom Kolonial-Furror angesteckte Teil des Volkes die Feststellung des Disziplinargerichtes für völlig unerschüttert hält. Peters bleibt Hängepeter»!
Berlin 4. Juli. (Privattelegr. d. Stuttg. Morgenpost.) Zu der Aufforderung der Kölnischen Zeitung an die Regierung,
endlich das Verhalten ihrer Beamten und Behörden durch Vorlegung der Geheimakten in Sachen Peters zu rechtfertigen, bemerkt der Lok.-Anz.: Bei dieser Beurteilung ist nicht außer Acht zu lassen, daß die Kölnische Zeitung selbst mit Dr. Peters in Fehde liegt, der einen Beleidigungrprozeß gegen sie angestrengt hat. Das „Verl. Tagebl." schreibt: Uns erscheint es unumgänglich notwendig, den Fall Peters nach allen Seiten klar zu legen. Welchen Weg dazu die Regierung ein- schlagen will, das muß sie selbst am besten wissen. Gegen den Vorschlag der Kölnischen Zeitung, die Peters-Akten einer Reichrtagskommission zu überweisen, spricht aber der Umstand, daß der Reichstag erst wieder im November zusammentritt. Man sollte die Aufklärung nicht bis dahin verschieben, sondern sofort die Akten der Oeffent- lichkeit unterbreiten. — Die Vossische Zeitung schreibt: Mit Recht hat Fürst Bismarck den Wert der Oeffentlichkeit gerühmt und versichert, mit seinem Willen solle kein Punkt der Verwaltung dunkel bleiben. Es ist daher sehr zu bedauern, daß die Regierung weder ihren Beamten die Erlaubnis zur Zeugenaus- sage erteilt, noch die Peters-Akten dem Gericht zur Verfügung gestellt hat. Es wird ihre Aufgabe sein, diesen Fehler nachträglich wieder gut zu machen.
Aus dem Allgäu 3. Juli. Gestern und in der vergangenen Nacht hat es in den Allgäuer Bergen bis zu 1000 in herab geschneit. Da der Auftrieb des Viehs auf die Almen schon größtenteils erfolgt ist, kam mancher Almbesitzer, der nicht noch vom vergangenen Winter her Heuvorräte hatte, wegen der Viehfütterung für den Augenblick in Verlegenheit. Heute hat sich das Wetter wieder etwas gebessert.
Brüssel 4. Juli. Hier wurde eine Verhaftung vorgenommen, die man in Verbindung mit der Angelegenheit des flüchtigen Juwelen- Defraudanten Lütte bringt.
Fredensborg 4. Juli. Um 8 Uhr abends fand im Königlichen Schloß Galatafel statt. König Friedrich von Dänemark brachte einen Trinkspruch aus, in dem er dem Kaiser den wärmsten Willkommen bot und des früheren Besuchs des Kaisers gedachte. Der deutsche Kaiser erwiderte mit herzlichem Dank für den warmen Empfang im trauten Kreise der königlichen Familie : Die Tage, die er als Gast an der Seite des Vaters des Königs weilen durfte, seien ihm unvergeßlich; er wage aus der freundschaftlichen Begrüßung die Hoffnung zu schöpfen, daß diese ein Ausdruck der herzlichsten Freundschaft zwischen beiden Häusern ist.
Petersburg 4. Juli. Der Zar reistim Lauf dieser Woche mit seiner Familie nach den finländischen Schären und zwar auf der Dacht „Standard", begleitet von 2 Torpsdojägern.
Petersburg 4. Juli. 262 politische Gefangene sind gestern aus Petersburg in die Verbannung geschickt worden.
Riga 3. Juli. Das Kriegsgericht hat gestern 8 Bauern wegen Raubes und Mordes zum Tode verurteilt.
Sosnowice4. Juli. Der Mauerermeister Mainka erhielt sein Todesurteil von den streikenden Maurern zugestellt. Trotzdem bewilligte Mainka die Forderungen der Maurer nicht. Mainka und seine Frau sind nun heute erschossen worden.
Rom 4. Juli. In ganz Italien wird heute der hundertste Geburtstag Garibaldis durch patriotische Veranstaltungen in überaus festlicher Weise gefeiert.
Gottesdienste.
k. Sonntag nach Hrinik-, 7. Juli. Vom Turm: 223. Predigtlied: 230. Wort des höchsten Mundes rc. 9 Uhr: Vormitt.-Predigt, Dekan Roos- Kirchengemeinderatswahl. 5 Uhr: Bibelstunde in der Kirche, Stadtpfarrer Schmid. Das Opfer ist für die Kirchbauten in Zillhauscn und Talheim (Heilbronn) bestimmt.
Sonnerstag, 11. Juli. 8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereinshaus, Stadtpfaner Schmid.