Amts- und Anzeigeblatt für den Kezirk Calw.
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82. Jahrgang.
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LischeinungStage: Dienktaz, Donnerstag. SamS- taa, Sonntag. JnsertionSprei» 10 Pfg. pro Zeile für Stadt und Vezirklorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Samstag, de« 6. Juli 1907.
Abonnenientlpr. in b. Stabt pr. Viertelt- Mk. 1.10 diel, rrüzerl. Vierteljührl. Postdezuglprei« ohne »estellg. f. d. Ort», u. Nachbar. ort»oerk«hrlMt.,s.b. sonst. Verkehr MI. 1.10, Bestellgeld »0 Pf,.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachnng der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung von Unterrichtsknrsen im Hufbeschlag.
Um Schmieden die Vorbereitung zu der durch das Gesetz vom 28. April 1885, betreffend das Hufbeschlaggewerbe, vorgeschriebenen Prüfung behufs des Nachweises ihrer Befähigung zum Betrieb dieses Gewerbes zu ermöglichen, finden an den Lehrwerkstätten für Hufschmiede in a) Hall, b) Heilbronn, e) Reutlingen, ä) Ravensburg und 6) Ulm dreimonatliche Unterrichtskurse im Hufbeschlag statt, welche am Montag, den 9. September 1907, ihren Anfang nehmen.
Die Anmeldungen zur Aufnahme in einen dieser Kurse sind bis 10. August ds. Js. bei dem Oberamt, in dessen Bezirk sich die betreffende Lehrwerkstätte befindet, vorschriftsmäßig einzuretchsn.
Dem Zulaffungsgesuch sind in Form urkundlicher Belege anzuschließen:
1. ein Geburtszeugnis;
2. der Nachweis der mit Erfolg bestandenen Lehrzeit im Schmiedhandwerk und einer, zweijährigen Tätigkeit als Schmiedgeselle wobei der Bewerber schon im Hufbeschlag beschäftigt gewesen sein muß; die Zeugnisse hierüber müssen von den betreffenden Meistern selbst ausgestellt und von der Ortsbehörde beglaubigt sein;
3. wenn der Bewerber minderjährig ist, eine Einwilligungserklärung des Vaters oder Vormundes ;
4. ein von der Gemeindebehörde des Wohn, fitzes des Bewerbers ausgestelltes Prädikatszeugnis, sowie eine Bescheinigung derselben darüber, daß dem Bewerber die erforderlichen Geldmittel zur Bestreitung seines Unterhalts während des Unterrichtskurses zu Gebot stehen werden;
5. eine von dem Bewerber, und wenn derselbe minderjährig ist, auch vom Vater oder Vormund Unterzeichnete Erklärung, durch welche die Verbindlichkeit übernommen wird, die der Staatskasse erwachsenen Kosten zu ersetzen, wenn von dem Schüler der Unterrichtrkurs vor seiner Beendigung ohne Genehmigung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft verlassen oder durch eigenes Verschulden die Entfernung aus demselben veranlaßt oder die Prüfung binnen einer gesetzten Frist nicht erstanden wird (§ 4 Abs. 2 der Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 11. Juni 1885).
Stuttgart, 1. Juli 1907.
v. Ow.
Tagesneuigkeiten.
Calw 4. Juli. Die mittlere Mühle, die eine Zeit lang den Namen Pforzheim-Calwer Bäckermühle führte, wird bald als Mühle eingehen. Wie bekannt, ist die Mühle in Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Besitzer Geiger von Fabrikant Georg Wagner käuflich erworben worden. Der neue Eigentümer wird die Wasser
kraft für seine Zwecke ausnützen und einen neuen Betrieb einführen. Die Mühleeinrtchtung wird deshalb entbehrlich werden. Die Maschinen des Hobelwerkes wurden gestern von den Herren Wilh. Schwämmle, Heinrich Perrot und KarlBelz gekauft und hat der Besitzer der Mühle den Käufern in dankenswerter Weise gestattet, die Maschinen bis 1. September im seitherigen Ge- bäude stehen zu lassen. Dadurch ist den Geschäftsleuten» dis das Hobelwerk bisher benützt haben, auch fernerhin möglich, ihre Arbeiten ausführen zu können, was für manche Handwerker von großem Vorteil ist und wofür dem Eigentümer der Dank der Geschäftsleute sicher ist. Die Käufer der Maschinen stehen in Unterhandlung mit einem Wasserwerksbesitzer wegen der späteren Aufstellung der Maschinen und werden die Verhandlungen wohl bald zu einem praktischen Resultat führen.
Calw. Ueber die „Wiener lustige Bühne" des Herrn Alexander Störk, die, wie aus dem Inseratenteil ersichtlich, am Samstag und Sonntag abend in der „Brauerei Dreiß" Vorstellungen gibt, lesen wir im „Nördlinger Anzeigenblatt": „Ein selten genußreicher Abend wurde gestern im „Weißen Roß" von der „Wiener lustigen Bühne" dem erschienenen Publikum geboten und war zum Schluß dis Stimmung des Publikums: „Diese Leistungen waren noch nicht in Nördlingen", die verdienen, daß es voll wird, daher wollen wir über die gebotenen Darstellungen näheres bringen. Hansi Hilpert betritt die Bühne und singt allerliebste humorvolle Lieder. Zur Abwechslung kommt ein Schwank „Die erste Probe", wobei dar Publikum durch die Verwechslung zweier Personen nicht aus dem Lachen herauskommt. In der dritten Nummer singt Emmi Deweaux, eine Sängerinvon Gottes Gnaden, wie sie in Nördlingen noch nicht gehört wurde; in deutscher und französischer Sprache zeigt sie uns ihre prächtigen Stimmittel. „Msr. Roche und Mlle. Jenär" balancieren Seifenblasen wie Gummibälle, teilen sie in der Mitte durch und machen aus einer Kugel zweie. Dann folgen Rezitationen, Lieder, humoristische Vorträge und Schlußposse. Alles in allem ein wirklich amüsanter Abend. Herr Direktor A. Störk versteht es, sein Publikum zu unterhalten. Wer sich einige Stunden gut amüsieren will, besuche die heutige Vorstellung, es wird ihn gewiß nicht reuen, denn jeder kommt aus seine Rechnung.
)( Liebenzell 2. Juli. Die dieses Jahr nach den Plänen des Landschaftsgärtners Lilienfein in Stuttgart erstellte neue Festwiese neben den Kuranlagen, die eine weitere Verschönerung unseres Kurortes ist, soll am Montag, den 15. d. Mts. mit einem Kinderfest eingeweiht werden. Die hiesige Einwohnerschaft wird regen Anteil an der Feier nehmen und unsere Kleinen freuen sich jetzt schon sehr auf diesen frohen Tag. Es ist zu hoffen, daß das Fest auch unfern Kurgästen und ihren Kindern eine freudige Abwechslung in ihrem hiesigen Aufenthalt bietet. Möge uns günstiges Wetter beschert sein
Stuttgart 4. Juli. Heute früh waren in einer Alteisenhandlung zwei Arbeiter mit dem Erwärmen einer Drahtseilriemenscheibe beschäftigt. Die Scheibe zersprang plötzlich und beide Arbeiter erlitten Verletzungen im Gesicht und an den Händen.
Stuttgart. (Schwurgericht.) Die Bluttat auf dem Staffelaufgang bei der Wiederholdstraße beschäftigte jetzt dar Schwurgericht. Die Anklage richtete sich gegen den verheirateten 30 Jahre alten Zsmentarbeiter Karl Eblen von Rohracker wegen versuchten Totschlags. Er wird beschuldigt, er habe am 9. Januar nachmittags gegen 5 Uhr auf dem von der Wiederholdstraße in die Helferich- straße führenden Staffelaufgang der 27 Jahre alten Gouvernante Pauline Baco mit einem Bajonett drei Stiche in die linke und rechte Brustieite und in den Bauch versetzt, in der Absicht sie zu töten, die Tat jedoch nicht mit Ueber- legung ausgeführt. Der Angeklagte erklärte, er könne mit dem besten Willen nicht sagen, warum er das Fräulein gestochen habe. Am fraglichen Tag sei er auf einer Baustelle in der Birkenwaldstraße gewesen und habe sodann in der Wirtschaft zum Birkenhof einige Glas Bier getrunken. Gegen 5 Uhr habe er die Wirtschaft verlassen und sei den Staffelaufgang abwärts gegangen. Etwa in der Mitte des Aufgangs sei ihm ein Fräulein begegnet, auf das er mit den Worten: „Wollen Sie mich lieben" zugegangen sei. Als das Fräulein um Hilfe gerufen, habe er das Bajonett aus der Tasche gezogen und habe damit zugestochen. Dem Angeklagten wird vorgehalten, daß er im Lauf der Voruntersuchung über den Vorfall eine genaue Schilderung gegeben habe. Er habe angegeben, daß er zu der Gouvernante geäußert habe: „Wenn Sie weinen, dann mache ich Sie hin." Ferner, daß er sie durch die Stiche zum Schweigen bringen wollte, damit sie ihn nicht verraten könne. Fräulein Baco bezeugte, der Angeklagte habe sie mit den Worten: „Wollen Sie mich lieben" angepackt und sie sitzen heißen. Sie habe laut um Hilfe gerufen, worauf der Angeklagte geäußert habet „Wenn Sie weinen, dann töte ich Sie", dabei habe er das Bajonett drohend vorgezeigt und ihr zuerst einen Stich in den Bauch versetzt. Ob der Täter ihr die zwei weiteren Stiche noch stehend beigebracht habe, könne sie nicht mehr sagen. Die Geschworenen sprachen den Angeklagten des versuchten Totschlags schuldig, ohne Zubilligung mildernder Umstände. Das Urteil lautet sodann aus 7 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust.
Stuttgart 4. Juli. (Schwurgericht.) Eine Rabenmutter stand heute in der Person der led. 24 Jahre alten Dienstmagd Luise Sommer von Neckarweihingen wegen Mords vor dem Schwurgericht. Sie wurde beschuldigt, am 15. Febr. ihren am 4. Febr. unehelich geborenen Sohn Karl auf dem israelitischen Friedhof lebendig vergraben zu haben. Die Angeklagte gab zu, daß sie das Kind auf diese Weise aus der Welt geschafft habe und erklärte, daß sie keinen andern Ausweg gewußt. Wie die Verhandlung ergab, wurde die Angeklagte am 15. Febr. aus der Landerhebammenanstalt entlassen. Am gleichen Tag begab sie sich, nachdem sie mit dem Kind längere Zeit planlos umhergelaufen war, auf den israelitischen Friedhof, wo sie auf einem verwahrlosten Grab die Erde wegscharrte und sodann das schlafende Kind in das Grübchen hineinlegte und mit Erde wieder zudeckte. Die Geschworenen sprachen die Angeklagte der Kindstötung schuldig ohne Zubilligung mildernder