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dem Beschluß betr. Revision und Neufestsetzung der Taglöhne usw., sowie dem Antrag auf Ausdehnung der Kranken- und Jnvalidätsversicherung auf alle Hausgewerbetreibenden und Heimarbeiter, sowie auf baldige Vereinheitlichung und Vereinfachung der Unfall-, Invaliden- und Krankenver- verstcherung nicht beigetreten in der Erwägung, daß die vielgestaltigen, hierbei in Betracht zu ziehenden Umstände und Verhältnisse sich zur Zeit nicht genügend übersehen lassen; dagegen beantragt sie, in solchen Bezirken, wo ein erhebliches Mißverständnis besteht, zwischen den für die Zwecke der Arbeiterversicherung bestimmten Sätzen der ortsüblichen Taglöhne, der Jahresarbeitsverdienste der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter, sowie der Naturalverpflegungsansätze einerseits und den beträchtlichen Bezügen dieser Art andererseits auf eine Revision und Neufest, setzung dieser Sätze hinzuwirken.
Stuttgart 1. Juli. In Cannstatt sprang am Samstag nachmittag eine 33 Jahre alte Frauensperson vom Sailerwasen aus in den Neckar, konnte aber selbst wieder das Ufer er- reichen. Sie wurde ins Bürgerspital verbracht.
Stuttgart 2. Juli. Der fahrplanmäßig um 7.35 abends in Stuttgart eintreffende Schnellzug 77 von Amsterdam ist gestern abend um 7 Uhr auf der Station Großsachsenheim auf den vorausgefahrenen Güterzug 6241 aufgefahren. Der Zugführer und der Heizer des Schnellzugs wurden leicht verletzt, von den Reisenden ist niemand zu Schaden gekommen. Der Materialschaden ist unbedeutend. Eingleisiger Betrieb bis 2 Uhr früh. Ursache: Ueberfahren des auf halt stehenden Einsahrsignals.
Stuttgart 2. Juli. (Strafkammer.) In der Nacht zum 24. Mai wurde in Cannstatt in der Wohnung eines Metzgermeisters, während sich dieser bei einer Hochzeitsfeier befand, eingebrochen. Die Diebe sprengten eine Türe auf und entwendeten sodann aus einer im Wohnzimmer stehenden Kommode, die sie gewaltsam erbrachen, einen Geldbetrag von 150 Die Einbrecher, die schon vielfach vorbestraften ledigen Taglöhner Wilhelm Gräter und Christian Hoyler von Cannstatt wurden alsbald ermittelt und fest, genommen. Die Strafkammer verurteilte die Angeklagten Gräter und Hoyler zu je 2 Jahren Zuchthaus, während der Mitangeklagte, ledige Taglöhner Hermann Philipp von Frankenbach, der Wache gestanden hatte, 1 Jahr Zuchthaus erhielt.
Kirchheim u. T. 1. Juli. Das heftige Gewitter, das am Samstag nachmittag auch über unsere Markung wegzog, hat durch Hagel- schlag im Bezirk mehrfachen Schaden angerichtet. Namentlich sind Owen und Ohmden betroffen worden.
Kirchheim u. Teck 2. Juli. Beim gestrigen Vieh markt waren zugeführt: 22 Zuchtsauen, Preis pro Stück ^ 140—400; 20 Mastochsen per Paar 1100—1350; 50 Zugochsen 950-1050; 72 Zugstiere 425-900; 125 Kühe per Stück 225-500; 107 Kalbeln 325—600; 174 Rinder 125—435; 560 Milchschweine per Paar 20—35;' 98 Läuferschweine 48—70. Mit der Bahn gingen ab in 26 Wagen 276 Stück Rindvieh; in 2 Wagen 84 junge Schweine.
Mannheim 1. Juli. Gestern Abend 7 Uhr wurde das eu xros-Lager der Firma Gebrüder Schwabenland, Haushaltung?- und Küchengeräte durch ein Großfeuer vollständig zerstört. Vier Schlauchleitungen mußten gelegt werden, um ein weiteres Umsichgreifen des Feuers zu verhindern. Der Schaden ist enorm, jedoch durch Versicherung gedeckt.
Mannheim 2. Juli. Der Ausläufer Ronellenfitsch, der am Fastnacht-Montag seine Frau und zwei Kinder ermordet hat, wurde gestern vom Schwurgericht zum Tode und 10 Jahren Zuchthaus verurteilt.
München 1. Juli. Schwere Gewitter mit Hagelschlag verursachten gestern Abend großen Schaden in München und Umgebung.
München 1. Juli. Als vr. Peters sich heute Morgen zum Gerichtsgebäude begab, wurde er von der versammelten Menge mit Rufen: Pfui Peters, Frauenpeitscher, Abzug Peters! empfangen. Die auf Wunsch des Prozeß-Vorsitzenden verstärkten Polizeimannschaften mußten einschreiten um Peters vor weiteren Insulten zu schützen.
München 1. Juli. (Prozeß Peters gegen die Münchener Post.") Am Montag wurde die Witwe des Kolonialdirektor Dr. Kayser vernommen, die über das Verhältnis ihres verstorbenen Gemahls zu Dr. Peters und dem Abg. Dr. Arendt Lussagte. Bis zum Jahr 1894 war das Verhältnis meines Manne» zu Peters freundschaftlich. Als dann im Jahre 1895 Vollmar im Reichstag die Anklagen gegen Dr. Peters vorbrachte, da wurde die erste Untersuchung eingeleitet, die aber nichts ergab, so daß die Beziehungen der Dr. Peters zu meinem Mann dieselben blieben. Erst 1896, als Bebel mit dem Tuckerbrief kam, wurde die Sache sehr ernst, und mein Mann, der große Sympathien für Dr. Peters hatte, konnte sich nur sehr schwer entschließen, sie aufzugeben. In seinem Gerechtigkeitssinn mußte er die Untersuchung einleiten, und was die ergeben hat, wissen Sie ja. — Im Jahr 1895 war mein Mann an Blutvergiftung schwer erkrankt. Dr. Arendt besuchte ihn zu jener Zeit; das Ende der Unterredung war damals, daß mein Mann zu Dr. Arendt sagte: „Sie verlassen augenblicklich mein Zimmer und betreten nie mehr mein Haus!" — Eugen
Ein dürrer Zweig, der sich leise im Abendwtnde bewegte, schlug auf den Granit. In dem ungewissen Dämmerschein und bei der tiefen Stille der Nacht, konnten Augen, die der Aberglaube verdunkelte, leicht sehen, was von ihnen verlangt wurde. —
„Ich sehe einen spanischen Matrosen mit blutiger Brust — ein weißes, blasses Gesicht taucht aus den Wogen auf — und eine bleiche Frauenhand hebt sich drohend empor," rief das Kind auf der Mauer mit singender Stimme.
Wie betäubt starrten sie hinüber, bekreutzten sich angstvoll und begannen abgerissene Gebete zu murmeln. Guenn nickte Nannic dankbar zu.
Rodellec stieß ein erzwunges Lachen aus. „Das ist seine gewöhnliche Narretei," versuchte er sich und den andern einzureden.
„Es winkt dir mit einer knochigen Hand!" warnte die Stimme von der Mauer. „Der spanische Matrose sieht nach Lo'i'c, das Gesicht in den Wogen nach dir — nach dir." Abermals entstand eine lange, peinliche Pause.
„Da du alles weißt," begann Rodellec endlich mit geheucheltem Gleichmut, „so sag' uns doch, wo Hamor, der Maler steckt?"
„Der segelt mit Meurkce draußen in der Bucht," erwiderte Nannic mit seiner gewöhnlichen Stimme. Dieses Uebergehen in den natürlichen Sprachton, war ein Kunstgriff, der seines Eindrucks auf die Hörer niemals verfehlte. Sie zusammenschreken zu sehen, machte Nannic stets die größte Freude.
„Wenn da» wahr ist, könnten wir eigentlich ruhig nach Hause gehen," knurrte Nives verdrießlich.
„Mir ist jetzt überhaupt alle Lust an dem Handel vergangen," meinte HM niedergeschlagen.
„Ihr schämt Euch jetzt selber, HM," bemerkte Guenn kaltblütig.
„Da hast du recht, Guenn, ich habe auch von Anfang an für einen
Wolfs bemerkt: Herr von Wißmann hat sich öfters sehr abfällig über Peters geäußert. — Dr. Peters erwidert darauf, daß) Wißmann ihm gegenüber einmal Eugen Wolfs als „kolossales Rindvieh" bezeichnet habe. — Zeuge Major v. Lengerke war seinerzeit bei dem Diner in Cassel zugegen, bei dem Peters die von Major v. Donat beanstandeten Aeußerungen über seinen Aufenthalt am Kilimandscharo getan hat. Er sagt aus: Ich war sehr überrascht über den Eindruck den Herr v. Donat aus den damaligen Aeußerungen von Peters gewonnen hat, als ich dessen Aussage in der Zeitung las. Mein Eindruck von dem Ge- spräch damals ist ein total anderer als der des Majors v. Donat. — v. Donat bleibt bei seinen früheren Angaben und erklärt, „Peters sei nächst einem Zuchthäusler in Ratibor der schwerste Verbrecher, den er in seinem Leben vor Augen gehabt habe; er sei nach seiner Anschauung ein mehrfacher Mörder." — Dr. Peters: Wegen dieser Aeußerungen wird sich Herr v. Donat vor Gericht zu verantworten haben. — Der Sachverständige Major a. D. Dr. v. Tiedemann tritt warm für Dr. Peters ein, dessen Einfluß und Tätigkeit es zu danken sei, wenn Eugen Wolff wie dieser gesagt habe, ohne einen Schuß abgeben zu müssen, durch dieselben Gegenden marschiert sei. Ueberhaupt stehe es einem Reisenden wie Eugen Wolff, den er nur als eine Art „Globetrotter" bezeichnen könne, wenig zu, einen Mann wie Dr. Peters als Sachverständigen zu beurteilen. — Hierauf begannen die Plaidoyers.
München 2. Juli. (Peters-Prozeß.) In den Gründen des Urteils gegen den Redakteur Gruber wird ausgeführt, daß das Beweismaterial ein ungenügendes gewesen ist und daß das Zeugenmaterial nicht so vollständig war» um eine völlige Klärung der Sache zu ermöglichen. Es wird aber als festgestellt erachtet, daß vr. Peters bei den fraglichen Handlungen im Bewußtsein seines Rechts gehandelt habe. Straferschwerend war die Schwere und die Zahl der Beleidigungen, strafmildernd daß es sich um Angriffe handle, die schon 10 Jahre lang und auch von anderer Seite gebracht worden waren. Das Gericht nahm an, daß die Hinrichtungen nicht aus gesetzlichen Motiven erfolgt sind.
München 2. Juli. Das Urteil im Prozeß Peters gegen die Münchner Post wurde heute gefällt. Redakteur Gruber wurde wegen fortgesetzter Beleidigung zu 500 ^ Geldstrafe ev. 50 Tagen Gefängnis nnd zur Tragung aller Kosten verurteilt. Dem Kläger Dr. Peters wurde die Publikationsbefugnis zugesprochen. Von der Widerklage wurde Dr. Peters freigesprochen.
Kassel 2. Juli. Eine unbekannte junge Dame sprang hinter Melsungen aus dem Leipzig- Aachener Mittags-Schnellzug in die vorbeifließende Fulda und ertrank. Der Vater wollte seiner
ehrlichen Kampf gestimmt. In so trübem Fahrwasser segelt mein Boot nicht wieder. Das hübsche kleine Mädel, sie hat ihre Sache tapfer geführt und uns ehrlich die Meinung gesagt. Nein, nein, Rodellec, ich habe jetzt ganz genug. Laßt den Maler in Frieden, und laßt Guenn ihren Willen."
„Nur ruhig, Mann, das wird sich finden," versetzte Rodellec besänftigend.
Als die Männer fort waren, kletterte Nannic langsam und vorsichtig von der Mauer herunter und stand neben seiner Schwester, die er mit einer Art mitleidiger Teilnahme betrachtete. „Die Mädchen sind alle Närrinnen," sagte er mit Nachdruck; das sollte soviel heißen als, „du hast dich vom Eifer fortreißen lassen."
„Ja, ich weiß wohl," antwortete sie demütig; „aber es schadet nichts, Nannic. Ich konnte nicht länger an mich halten, ich glaube, ich wäre erstickt, hätte ich ihnen nicht endlich die Wahrheit sagen können."
„Du fingst ganz vernünftig an, hast aber alles verdorben, weil du nicht bei dir behalten konntest, was du wußtest. Die Mädchen plaudern immer alles aus."
„Wirklich, tun sie das?" fragte sie leise.
„Es fehlte nur noch, daß du ihnen sagtest, daß ich immer ihrer Spur folge — Gott selbst weiß kaum besser, was sie tun und lassen, als ich, — nur daß der Herrgott ihren Plänen nicht Einhalt tut, und ich sie jedesmal zu Schanden mache. Warum hast du ihnen denn verschwiegen, daß ich sie neulich nachts am Strande belauscht habe, und daß du Meurice geschickt hast, um Monsieur heute abzuholen, daß du Meurice überhaupt um den Finger wickeln kannst? Warum hast du ihnen nicht gesagt, daß du dich — nun das hast du ihnen ja deutlich gesagt — und wenn sie nicht gar so dumme, harte Köpfe hätten, müßten sie —"
„Laß nur gut sein, Nannic," bat sie mit müdem Ton, „kannst du ihn heute Nacht fern von mir halten, glaubst du, daß das möglich ist?"
(Fortsetzung folgt.)