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Streiks sind Lohndiffsrenzen. Die Verwaltung hatte sich aber rechtzeitig Hilfskräfte gesichert, so daß nach einer Stunde der ganze Betrieb wieder ausgenommen werden konnte.

Haag 29. Juni. Vergangene Nacht brach in dem linken Flügel der hiesigen Kavallerie- Kaserne eine heftige Feuersbrunft aus. Es ift dies bereits das zweite Mal im Verlauf von 2 Monaten, daß in dieser Kaserne ein Brand entstanden ist. Die Behörden sind über­zeugt, daß diese Brände von verbrecherischen Händen angelegt worden sind.

London 29. Juni. Gestern wurde in ganz England der Geburtstag König Eduards gefeiert. Es fand hier ein glänzender Umzug statt. Der König und die Prinzen des königlichen Hauses wohnten einer Truppenschau auf dem Truppenübungsplatz der berittenen Garde bei. Abends gaben die Minister ein glänzendes Fest.

Stockholm 27. Juni. Gestern vormittag wurde in einem hiesigen Hotel der Geldbrief­träger Olsson ermordet. Der Tat verdächtig sind zwei Deutsche, welche das Zimmer, in dem der Mord geschah, bewohnten und die nach Ein­tragung im Fremdenbuch Richard Schmidt und Theodor Prigge hießen. Olsson wollte einen an Schmidt adressierten und auf 150 Kronen lautenden Gsldbrief abliefern. Man nimmt an, daß während Schmidt quittierte, Prigge den Geldbriesträger von hinten überfallen habe. Die Räuber raubten dem Ermordeten 700 Kronen Bargeld und ergriffen die Flucht. Die Polizei glaubt, daß Prigge in Wahrheit Ludwig Scholkemcyer heißt. (Wie ein Telegramm aus Stockholm meldet, sind die beiden Verbrecher in Moholm ergriffen worden und haben ein Geständnis abgelegt.)

Petersburg 29. Juni. In Riga ist es der Polizei gelungen, eine ganze Organisation militär-revolutionärer Agitatoren, gegen 30 Mann stark, zu verhaften. Diese Organisation be­schäftigt sich speziell mit der revolutionären Pro­paganda im Sappeurlagsr bei Kurtenhof. Infolge der vielen Verhaftungen im sozialistischen Lager ist auch das baltische Spezial-Organ der extremen Linken, Zina, dessen Nummern regelmäßig kon­fisziert wurden, eingegangen.

Kapstadt 29. Juni. Es bestätigt sich, daß Samuel Maherero sich in der Nähe von Johannesburg angesiedelt und mit den Minen einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat.

Vermischtes.

Automobilrennstrecke in Bayern. Eine Automobilrennstrecke in Bayern dürfte, wie demFränk. Kurier" aus München geschrieben wird, nur eine Frage kurzer Zeit sein. Der vom Kaiser in Homburg angeregte Gedanke der Er­richtung einer solchen Rennbahn sei vom Bayrischen Automobilklub sofort aufgegriffen worden. Man

bemüht sich nun, ein geeignetes Gelände in Bayern ausfindig zu machen. Auf besondere Schwierig­keiten dürfte das nicht stoßen. Wenn, wie man sicher erwarte, die bayrische Staatsregierung den Bestrebungen des Bayrischen Automobilklubs ent­gegenkomme, so werde Bayern der Mittelpunkt des Deutschen Automobilsports werden.

Mordprozeß. Vor dem Schwur­gericht in Hanau steht der 45 Jahre alte Jagdaufseher Friedrich Schaar von Breitenborn im Kreise Gelnhausen unter der Anklage des Mordes. ES wird ihm zur Last gelegt, seine Frau, mit der er in zweiter Ehe verheiratet war, vergiftet zu haben. Die Frau war am 9. März 1906 nach Einnahme des Morgenkaffees plötzlich gestorben. Der Leichenschauer, ein Bruder des Angeklagten, hatte Tod durch Schlagansall festgestellt. Gleich nach der Beerdigung ver­breitete sich in Breitenborn das Gerücht, Schaar habe seine Frau aus der Welt geschafft, um eine wohlhabende Witwe in Breitenborn heiraten zu können. Dieser Witwe hatte er schon bei Leb- zelten seiner Frau Heiratsanträge gestellt, sie u. a. auch gefragt, ob sie ihn eventuell heiraten würde, wenn seine Frau plötzlich sterben sollte. Dabei soll er auch gesagt haben, wenn sie ihn nicht heirate, werde er sie und sich selbst er­schießen. Das über die Todesursache umlaufende Gerücht stützte sich auch darauf, daß Schaar acht Tags vor dem Tode seiner Frau das gemeinsam mit ihr besessene Haus auf sich allein über- schreibsn ließ. Am 2. Januar 1907 veranlaßte die Hanauer Staatsanwaltschaft die Ausgrabung der Leiche der Frau Schaar. Die von Gerichts­chemiker vr. Popp-Franksurt a. M. vorgenommsne Untersuchung der Leichenteile ergab, daß die Frau an Strychnin gestorben sei. Es ist fest­gestellt, daß Schaar Strychnin zum vergiften von Füchsen besaß. Der Angeklagte bestreitet jegliche Schuld an dem Tode seiner Frau und behauptet, sie habe längere Zeit vor ihrem Tode Selbstmord­gedanken geäußert, da sie wieder Familienzuwachs zu erwarten gehabt habe; das Strychnin sei ihr ja leicht zugänglich gewesen. Bis Mittag war erst dis Vernehmung des Angeklagten zu Ende. Der als Zeuge vernommene Bürgermeister von Breitenborn glaubt nicht daran, daß die Frau Selbstmord begangen habe.' Für die Verhandlung sind 2 Tage vorgesehen. Es sind 50 Zeugen und 4 Sachverständige zu vernehmen.

Der Aufruhr in Südfrankreich war wiederum Gegenstand der Beratung in der Deputiertenkammer. Der Sozialist Bedouce interpellierte. Er führte aus, die Bewegung sei eine ausschließlich wirtschaftliche. Er wirft dem Ministerpräsidenten das vergossene Blut vor und verlangt schließlich, daß an der Spitze der Re, gierung ein Mann stehen müsse auf den alle Republikaner rechnen könnten. (Beifall bei den Sozialisten.) Hierauf ergreift Meunier das Wort. Er verlangt, als ein Mittel der Be­

ruhigung die Freilassung Alberts, Ferrouls und aller Mitglieder des Komitees von Argelliers. Aldy führt mehrere Zeugenaussagen an, nach denen die Kürrassiere und Gendarmen zuerst ge­schossen hätten, sogar auf Kinder, während die Polizeibeamten auf die Baikone des Stadthauses schossen. MinisterpräsidentClemenceaubestreitet dies und sagt, die von Aldy angeführten Vorfälle erforderten eine Untersuchung. (Bewegung.) Nach dem ungesetzlichen Vorgehen der Gemeindebehörden sei er zu strengem Vorgehen gezwungen gewesen. Ohne die Einmischung des Komitees von Argelliers würden die Steuern wie gewöhnlich bezahlt worden sein.Wir befinden uns vor dem Aufstand. Dürfen wir einen solchen dulden?"' (Zahlreiche Rufe: Nein!) Die Truppen hatten die Weisung erhalten nur im äußersten Notfälle zu schießen. Die Kammersitzung dehnte sich bis nach Mitter­nacht aus. Schließlich wurde mit großer Mehr­heit eine Tagesordnung angenommen, in welcher der Regierung ein Vertrauensvotum erteilt wird. Ter Vorschlag zur Einsetzung eines parlamen­tarischen Untersuchungsausschusses wurde abgelehnt. Es sind neue Truppensendungen nach dem Süden abgegangsn, da verlautet, die Regierung werde mit Exekutionen gegen dis ca. 5000 Steuerrück­ständigen Vorgehen. Die Vertreter der Winzer­verbände haben beschlossen, daß die Zahlung der Steuern zu verweigern sei, daß die Gemeindebe­hörden ihre Entlassung geben sollten und daß die Freilassung der Verhafteten zu fordern sei. Ferner wurde noch das Mindestmaß der zu Gunsten des Weinbaus zu stellenden Forderungen festgelegt.

(Was in Amerika nicht alles möglich ist.) In den Vereinigten Staaten ist jetzt zum erstenmal der Fall eingetreten, daß ein Mann von seiner Frau zu einer Gefängnisstrafe ver­urteilt worden ist. In New-Jersey hatte Samuel Smith den Richter damit ermüdet, daß er sozu­sagen jede Woche wegen Trunkenheit, Radau- Macherei und Mißhandlung seiner Frau vor Gericht erscheinen mußte. Trotz aller Ermahn­ungen und Geldstrafen erwies er sich als unver­besserlich. In der vorigen Woche hatte er sich wieder wegen derselben Vergehen zu verteidigen, wozu sich noch gesellte, daß er in seinem Hause die ganze Einrichtung zertrümmert hatte. Der Richter sagte, er wisse nichts mit dem Angeklagten anfangen und lud die im Gerichtssaal anwesende Frau Smith ein, auf der Richterbank Platz zu nehmen und den Fall selbst zu entscheiden. Die wackere Ehegattin folgte der Aufforderung, setzte das ihr dargereichte Käppchen auf und sagte: Samuel Smith, Du wirst für dreißig Tage eingesperrt. Ich kann mich mit meinen fünf Kindern selbst erhalten. Du bist ein Trunken­bold und ich kann mit Dir nicht länger Zusammen­leben. Ich werde wenigstens einen Monat von Dir befreit sein. Es ist möglich, daß Du Dich im Gefängnis besserst und arbeitsam wirst; ich bezweifle es aber!" Der Richter Unterzeichnete sofort das Urteil und ließ "rnith abführen.

Amtliche md privataazeigen.

Stadtgemeinde Calw.

Bekanntmachung betr. Abfuhr gekauften Holzes ans den Stadtwaldnngen.

Nachdem die Zahlungs- und Abfuhrtermine für das in den Stadt­waldungen angekaufte Beigholz, Stangen, Reisig und Flächenlose abgelaufen sind, werden die Käufer bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe oder des wieder­holten auf ihre Kosten zu veranstaltenden Verkaufs dringend aufgefordert, ihre Lose bis spätestens 20. Juli ds. Js. zu bezahlen und abzuführen.

Calw, den 1. Juli 1907.

Stadtschuttheißenamt.

Conz.

klltensteig Stadt.

Am Mittwoch, den 3. Juli ds. Js., findet hier ein

Biehmarkt

statt.

Stadtschuttheitzenamt.

Welker.

Aereiu zur Keöung des Krerndenverkehrs

in ßalw.

Bei steigender Nachfrage nach Privatwohnungen für 23 Wochen erbitte ich mir Anmeldungen unter Angabe der Zahl der Zimmer, der Betten und des Preises für Unterkunft mit und ohne Verpflegung.

Calw, 1. Juli 1907.

Der Vorsitzende:

Stadtschultheiß Conz.

Gemeinde Hirsau.

Die Kksmmg »m SV cbm KaWemki

wird am kommenden Donnerstag, den 4. Juli ds. IS., vormittags 10 Uhr, auf dem hiesigen Rathaus vergeben.

Den 28. Juni 1907.

Gemeinderat.

Liebenzell.

Im BoWreüungswege

verkaufe ich am Samstag, den 6. ds. Mts., vormittags 10' - Uhr:

eine Säulenbohrmaschine milde« dazu gehörigen elf Bohrer» und Bohrkopf,

wozu Liebhaber eingeladen werden. Zu­sammenkunft beim Rathaus.

Gerichtsvollzieher Schumacher.

Oberreichenbach.

Zm Vollstreckungswege

verkaufe ich am Montag, "den 8. ds. Mts., vormittags 10 Uhr:

1 schöne Kuh (Rotscheik),

wozu Liebhaber eingeladen werden. Zu­sammenkunft beim Rathaus.

Gerichtsvollzieher Schumacher.