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Sie waren vollständig verbrannt und verbrüht und wurden ins Krankenhaus gebracht. An ein Auskommen der Beiden ist nicht zu denken.

Berlin 27. Juni. Der gewaltige Brandauf dem Viktoria-Speicher der allgemeinen Berliner Omnibus-Gesellschaft beschäftigte die Feuerwehr die ganze Nacht hindurch, ohne daß es gelang, das Feuer ganz zu ersticken. Noch immer lodern an einzelnen Stellen die Feuer­garben empor. Die großen Mengen von Benzin und Spiritus, die in unmittelbarer Nähe des Brandherdes lagerten, konnten durch die an­strengende Tätigkeit der Wehr geschützt werden, sodaß dis Gefahr einer Katastrophe vermieden wurde. Der vermißte Arbeiter hat wahrscheinlich den Tod in den Flammen gefunden.

Berlin 27. Juni. Ein schweres Ver­brechen haben, wie demBerl. Tagebl." ge­meldet wird, zwei Deutsche in Stockholm begangen. Sie haben in ihrem Hotel einen Briefträger ermordet und um 700 Kronen be- raubt. Die Mörder sind entflohen.

Berlin 27. Juni. Die vor einigen Wochen erfolgte Haussuchung in den beiden hiesigen russischen Lesehallen haben jetzt weitere überraschende Maß­nahmen zur Folge. Es hat sich bei der Prüfung der Vorgefundenen Papiere entgegen dem von den Lesehallen betonten Standpunkt zweifellos ergeben, daß diese Lesehallen nur der Deckmantel für die hier bestehende geheime Gruppe der russischen sozialen Arbeiterpartei waren. Das Resultat der polizeilichen Untersuchung ist die bevorstehende Ausweisung von 7 Vertrauens­leuten beiderlei Geschlechts. Es ist beantragt worden, gegen diejenigen russischen Studenten, die einer dieser Lesehallen als Mitglied ange­hörten, von der Universität relegiert werden.

Paris 26. Juni. Marcellin Albert, dem nach seiner Rückkehr aus Paris zum Teil mit Mißtrauen begegnet wurde, hat seine Popularität wieder erlangt infolge des Beschlusses, den Wider­stand fortzusetzen. Marcellin Albert erzählte, daß Clemenceau ihm 100 Francs Reisegeld vorgestreckt hätte die er natürlich sofort zurückschicken wird. Er ist nach Montpellier unterwegs, um sich dort der Justiz zu stellen. Angesichts der Fortdauer der Bewegung im Süden ist die Lage des Mini­steriums Clömenceau wieder sehr prekär und sein Sturz wieder in den Bereich der Möglichkeit gerückt.

Paris 27. Juni. Die militärischen Aktionen, welche seit dem 18. Luni in den Süd- Departements erforderlich waren, haben eins Extra-Ausgabe von 3 200 0(M Francs verur­sacht ohne die Kosten, welche äüe der Versetzung des 17. Infanterie-Regiments nach Tunis erwachsen.

London 27. Juni. Die Jamestowner Ausstellung wurde gestern früh, wie aus Washington gemeldet wird, durch eine furchtbare Feuersbrunst mit gänzlicher Vernichtung be­droht. Das Feuer brach außerhalb der Aus­stellung in einem Hotel aus und verbreitete sich so rapide, daß es binnen Kurzem 12 mächtige Hotels zerstörte. Zwei Hotelgäste verbrannten, ein dritter, der vermißt wird, wurde wahrschein­lich ebenfalls ein Opfer der Flammen. Der verursachte Schaden beträgt etwa 1200000 Viele hundert von Hotelgästen entgingen nur mit knapper Not dem Tode. Alle verloren ihre sämtliche Habe. 12500 Leute wurden obdachlos.

Petersburg 26. Juni. Die Knebelung der Presse hatte im Verlauf von 8 Tagen fol­gendes Resultat: 8 Zeitungen find unterdrückt, 7 Redakteure gerichtlich belangt» 3 Redakteure und ein Verleger in das Gefängnis gesteckt, 12 Blätter mit zusammen 35000 Rubel bestraft.

Petersburg 27. Juni. Der Zar Unter­zeichnete gestern das Abschiedsgesuch des Reichs­kontrolleurs Schwanebach. Dieser galt als äußerst reaktionär. Auch im Kabinet Stolypin erfreute sich Schwanebach keiner besonderen Sym­pathien unter den übrigen Ministern. Besonders übel gesinnt war er dem Grafen Witte an dessen Sturz er seiner Zeit mitgearbeitet hatte.

Petersburg 27.Juni. Excellenz Nikiti, der Gehilfe des Ministers für Ackerbau und Land­wirtschaft ist dem Gericht überliefert worden

wegen betrügerischen Operationen zum Nachteil der Regierung bei der Ausnutzung der enorm großen Kronwälder, die an der Petschora gelegen sind. Es handelt sich um Millionen von Rubeln. Das Untersuchungsmaterial ist dem Senat über­geben worden.

Lemberg 27. Juni. In Stryi in Galizien fand gestern im Parterresaal eines Privathauses eine Trauung statt, als plötzlich die Kellerwölbung einstürzte und der Fußboden zerbarst und etwa 30 der Hochzeitsgäste in die Tiefe fielen. 16 wurden schwer verwundet aus den Trümmern des Gewölbes geborgen, die andern kamen mit dem Schrecken davon.

Vermischtes.

Der Prozeß Peters. Vor dem Amts­gericht München I begann der Prozeß des I)r. Karl Peters gegen den verantwortlichen Redakteur derMünchner Post", Gruber, wegen Beleidigung durch mehrere Artikel des genannten Blattes, in denen u. a. die bekannten Vorwürfe gegen Peters wegen willkürlicher und ungerechter Hinrichtung eines schwarzen Dieners und einer jungen Negerin wiederholt waren. Redakteur Gruber legt ein­gehend die Gründe dar, die ihn bewogen hätten, Peters als Mörder zu bezeichnen. Die Vorkomm­nisse seien durch den Spruch des Disziplinarge­richtes festgestellt, vr. Peters erwiderte, daß Gruber die Verhältnisse nicht kenne. Alles, was über die persönlichen Beweggründe behauptet werde, sei erlogen. Rechtsanwalt Bernheim, der Vertreter Gruber», bedauert, daß das Auswärtige Amt die Disziplinarakten gegen Peters nicht vor­legen lasse. Rechtsanwalt Rosenthal, der Ver­treter von Peters, erwidert, daß das Diziplinar- urteil auf falschen Feststellungen aufgebaut sei. Wenn die ganzen Disziplinarakten vorgelegt wür­den, so werde dies Peters sehr begünstigen. Das ungerechte Urteil allein vorzulegen, damit könne er sich nicht einverstanden erklären. Als erster Zeuge wird der Oberleutnant a. D. Kunstmaler Frhr. v. Pechmann vernommen, der als Schutz, truppenoffizier nach Afrika gekommen war und dann mit vr. Peters am Kilimandscharo gewesen ist. Der Zeuge schildert die Vorkommnisse ebenso wie vr. Peters. Mabruch sei nur wegen Ein­bruches, Jagodja nur wegen wiederholter Flucht hingerichtet worden, vr. Peters selbst sei gegen die Hinrichtung der letzteren gewesen, sei aber überstimmt worden. Von einer grausamen Be­handlung von Negerinnen sei dem Zeugen nichts bekannt. Darauf trat die Mittagspause ein.

(Explosion im Luftballon.) Die Ge­fahren der Luftschiffahrt werden durch eine Kata­strophe beleuchtet, die sich in Ungarn ereignete und mehrere Menschenleben forderte. In der Nähe des Gutes Hajde Boyzeriny ist in der Nacht zum Sonntag ein unbekannter Ballon niederge­gangen, der die Gondel verloren hatte. Als der Gutsbesitzer mit seinem Dienstpersonal sich dem Ballon mit einem offenen Licht näherte, erfolgte eine heftige Explosion, da sich das Gas des Ballons entzündet hatte. Der Gutsbesitzer sowie drei Leute vom Dienstpersonal wurden sofort getötet und sechs andere Personen schwer verletzt. Der Ballon wurde später als ein aus Frankreich stammender festgestellt. In der Nähe des Un­glücksorts fand man nachher die Leichen der In­sassen, die aus der Gondel gestürzt sein müssen. Es waren zwei französische Offiziere sowie ein Zivilingenieur. Nach einer späteren Darstellung aus Pest hat die Ballonexplofion sich anders zu­getragen. Der Besitzer Siegmund Fekete hatte der großen Hitze wegen sein Nachtlager unter freiem Himmel im Hofe seines Anwesens ausgeschlagen. Er wurde von einem heftigen Rauschen aus dem Schlafe geweckt und sah, daß sich ein großer schwarzer Körper aus der Luft herabsenkte, weshalb er sein Gesinde alarmierte, um mit diesem den Gegenstand zu untersuchen. Es stellte sich heraus, daß derKörper" ein Luftballon war. Kaum aber kam man dem Ballon mit Licht in die Nähe, als er auch schon explodierte, wodurch der Meier­hof in wenigen Minuten gänzlich in Brand stand. Der starke Lustdruck, der durch die Explosion be­wirkt wurde, streckte die umstehenden Leute zu Boden, und alle erlitten schwere Brandwunden. Am schwersten wurde der Landwirt Fekete selbst

und seine Dienstmagd verletzt. Kopfhaare und Bart Feketes sind bis auf die Wurzeln verbrannt und F. erlitt am ganzen Körper zahlreiche Brand­wunden. Die Magd erlitt insbesondere am Kopf schwere Verletzungen, und ihre Augen sind von den vielen Brandblasen, ganz bedeckt. Das Feuer äscherte sämtliche Gebäude des Meierhofs ein, da nicht genügend Leute zur Löscharbeit vorhanden waren. Viele Häustiers und große Mengen Frucht fielen dem Brande zum Opfer. Der Korb des Luft­ballons hatte keine Insassen, dagegen erklärte Fekete, daß er in dem Ballon Schriften gesehen habe, diese seien aber gleichfalls verbrannt. Der Ballon selbst trug die AufschriftBallon 2" und als Zeichen einen Adler in schwarzgelber Farbe. Anscheinend handelt es sich nicht um einen franzö­sischen, sondern um einen österreichischen Ballon. Denn die Wiener Luftschifferabteilung erklärt nach einem Privattelegramm, daß es sich um einen unbemannten Fesselballon handelte, der durch einen Sturm lorgerisssn und fortgeführt wurde, ohne daß dabei jemand verunglückte. Es ist also zu hoffen, daß sich die Nachricht von einem Todessturz dreier Balloninsassen nicht bestätigt.

(Feuer im zoologischen Garten.) Aufregende Vorgänge spielten sich in Posen im zoologischen Garten ab. Ein Pavillon, der zum Verkauf von Konditoreiwaren diente, war in Brand geraten und das Feuer griff alsbald auf die großen Kolonaden über. Von hier aus drohten die Flammen auch die benachbarten Raubtierzwinger zu erfassen, und es bestand eine Zeitlang die Gefahr, daß die dort eingeschlossenen Tiere ver­brennen würden. Infolge der furchtbaren Hitze, die vom Brandherd ausging, waren die Bestien bereits in große Unruhe geraten. Glücklicher­weise griff die Feuerwehr rechtzeitig ein und es gelang ihr unter Verwendung von drei Dampf- spritzen und neun Schlauchleitungen, die Gefahr von den Tieren abzuwenden. Außer dem er­wähnten Pavillon und zwei Kollonaden sind eine große Menge von Tischen und Stühlen, die auf dem Konzertplatz und den Kollonaden standen, ein Raub der Flammen geworden.

Der Wink mit dem Zaunpfahl. Der in Günzburg erscheinendeGünz- und Mindel- bote" schreibt: Auf den Redaktionstisch kommt gar manches geflogen: interessante, in der Regel aber nicht verwendbareEingesandt" über höchst pikante Vorkommnissein und außer dem Hause", Berichte über verspätete Schmetterlinge und ver­frühte Maikäfer, außergewöhnlich lange Roggen­halme und sonstige Seltenheiten an Naturprodukten unter letzteren aber leider recht selten etwas Genießbares, das behalten die egoistischen Be­sitzer für ihren eigenen Tisch zurück und ver­zichten lieber daraus, öffentlich rühmend hervor­gehoben zu werden. Eine erfreuliche Ausnahme macht in dieser Beziehung Herr Kunst- und Handelsgärtner Walz, der uns alljährlich einen hübschen Teller voll seiner schönsten Erdbeeren zum Präsente macht. Es sind dunkelrote, groß- flüchtige Exemplare (sogenannte Ananas), die uns gar appetitlich anlachen wirklich etwas Seltenes, das auf einem Redaktionstisch anzu­treffen ist. Die vier größten Früchte hiervon haben wir gewissenhaft auf der Briefwage ge­wogen, sie haben zusammen ein Gewicht von 125 Gramm. Wer schlägt diesen Rekord? Nur frisch heran ihr Gartenbesitzer, mit euren groß- flüchtigen Erdbeeren I Seid überzeugt, daß eure liebwerte Einsendungen nicht in den Papierkorb wandern, wie die höchst pikanten Vorkommnisse in und außer dem Hause I" DieAllgemeine Zeitung" (München), der diese Notiz entstammt, fügt hinzu: der Redaktion desGünz- und Mindel- boten" wird bekannt sein, daß Spanferkel noch schwerer wiegen als Erdbeeren. Es eröffnen sich also die angenehmsten Aussichten.

Gottesdienste.

5. Sonntag n«ch Hrinit-, 30. Juni. Vom Turm: 272. Vrediqtlied- 414, O Gottes Sohnrc. Kirchenchor: Ich bete an die Macht der Liebe rc. °/»9 Uhr; Beichte in der Sakristei. 9 Uhr: Vorm-Predigt, Dekan Roos. Abendmahl. 1 Uhr: Christenlehre für die Söhne. 2 Uhr: Nachmitt.-Predigt, Stadt­pfarrer Schmid.

donnerst««, 4. Juli. 8 Uhr abends: Bibclstunde im Vereinshaus, Stadtpfarrer Schmid.