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Amts- und Kn;eigeblakk für den Zesirk Calw.
82 . Jahrgang.
lkrschetnungKtage: Dienstag, Donnerstag, Sams- raz, Sonntag. JnsertionSpretS 10 Bsg- pro Zeile für Etad t und vezirkSorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Dienstag, de« 25. Juni 1967.
VLonnemenrSpr. in d. Etadtpr. Diertelj. Mk. 1.10 tnel.rrägerl. BisrteljLhrl. PofrdrzuzspreiS shne Vrfteüg. f. d. Ort-- u. Nachbar, ortsoerlehr 1 DU., f. d. sonst. Bekehr DU. 1.10, Bestrllgelb 20 Pfg»
Amtliche Bekanntmachungen
Die Ortsbehörde«
werden in Betreff der Berufs- und Betriebszählung besonders darauf aufmerksam gemacht, daß hinsichtlich des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs jeder Gemeinde eine Land- und Forstwirtschafts- Karte für die Gemeinde in gleicher Weise wie für jeden privaten Betrieb auszufüllen ist. In dieser Karte ist der gesamte Besitz der Gemeinde an Grund und Boden unter Spalte ^ und ö aufzuführen und je nach seiner Benützungsart gesondert anzugeben. Unter Ziffer 1 des für jede Gemeinde doppelt auszufüllenden Gemeindebogens sind dagegen nur diejenigen Flächen an Aeckern, Wiesen, Weiden und Waldungen aufzunehmen, welche entweder als Gemeindenutzungen oder auf Grund bestehender Realgemeinde-Rechte von den Berechtigten genutzt werden.
Calw, 24. Juni 1907.
K. Oberamt.
Voelter.
Unterrichtskurs für Schneider in praktische« Arbeiten.
Es ist beabsichtigt, im Monat August d. I. einen dreiwöchigen Kurs abzuhalten, in welchem Schneidern, Zuschneidern und älteren Schneidergehilfen Gelegenheit gegeben wird, bewährte Arbeitsmethoden der Maßschneiderei kennen zu lernen.
In dem Kurs wird insbesondere folgender Lehrstoff behandelt werden:
1. Belehrung über Stoffeinteilung und korrekte Stellung der Stoffmuster in den Schnitteilen bei gestreifter und karrierter Ware, sowie über die notwendigen Reserven.
2. Aufzeichnen und Herausschneiden der Schnittteile und Einrichtung derselben mit Futter und sonstigem Zubehör.
3. Anfertigung von Anproben für Sacco, Rock- jaquet, Gehrock, Frack, Ueberzieher, Westen und Beinkleider und gründliche Belehrung über die ganze innere und äußere Bearbeitung sämtlicher Kleidungsstücke.
4. Vornahme der Anproben und Herbeiführung und Abänderung aller vorkommenden Sitz- fehler.
5. Richten der Anproben und Weiterbehandlung derselben bis zum fertigen Kleidungsstück.
6. Belehrung über geschmackvolle und stilgerechte
Stellung der Fassons, der Kanten und der Nähte. <
7. Belehrung über Idealisierung unregelmäßig gewachsener Figuren und die Anwendung von Hilfsmitteln zur Verdeckung unschöner Körperformen.
8. Belehrung über Harmonie der Farben bei zusammengestellten Anzügen aus verschiedenen Stoffen und über Zusammenstellung von Stoff Futter.
9. Fassonierübungen.
10. Belehrung über Qualifikation der Stoffe. Der Unterricht in dem Kurs ist unentgeltlich; es wird jedoch vorausgesetzt, daß jeder Teilnehmer auf eigene Rechnung Stoff und Zutaten zu einem Anzug für sich selbst zum Zweck der Verarbeitung im Kurs mitbringt. Minderbemittelten Teilnehmern kann auf Ansuchen Ersatz der Auslagen für zwei Eisenbahnfahrkarten IV. Klasse zur Reise vom Wohnort nach Stuttgart und zurück gereicht werden. Weiterhin kann auf Ansuchen solchen auswärtigen Kursteilnehmern, welche in besonders bedürftiger Lage sich befinden und hierüber einen Nachweis erbringen, ein Beitrag zu dem Mehraufwand für den Aufenthalt in Stuttgart gereicht werden.
Zur Teilnahme an dem Kurs werden nur solche Schneider und ältere Schneidergehilfen zugelassen, welche das Zuschneiden schon erlernt haben und einige Uebung in demselben besitzen. Anmeldungen zur Teilnahme an dem Kurs wollen durch Vermittlung der Ortsbehörde oder des Vorstandes einer örtlichen gewerblichen Vereinigung bis spätestens 15. Juli 1907 eingereicht werden. In den Anmeldungen ist anzugeben, ob der Angemeldete Stoff und Zutaten zu einem Anzug für sich selbst mitbringen wird und ob er das Zuschneiden schon erlernt hat; im übrigen sollen aus den Anmeldungen Namen, Beruf, Berufsstellung (ob selbstständig oder Geselle), Alter und Wohnort ersichtlich sein.
Die Ortsbehörden und die Vorstände der gewerblichen Vereinigungen werden ersucht, die Anmeldungen der Zentralstelle für Gewerbe und Handel vorzulegen und bei der Vorlage sich darüber zu äußern, ob die Angcmeldeten nach ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten in der Lage sind, mit Erfolg an dem Kurs sich zu beteiligen. Wird von einem Angemeldeten eine Unterstützung erbeten, so wolle die Aeußerung auch auf die Vermögens-, Einkommensund Familienverhältnisse des Gesuchsstellers ausgedehnt werden.
Stuttgart, den 8. Juni 1907.
Mosthaf.
Tagesnenigkeiten.
* Calw 23. Juni. An der Hand von Lichtbildern sprach vr. Rohrbach, bisheriger Reichskommissär in Südwestafrika, gestern abend in der Brauerei Dreiß über das interessante Thema: „Unsere Lehrjahre in Südwest, afrika". Der Referent gab in seinem Vortrag nur Selbsterlebtes und Selbstgesehenes, so daß die Ausführungen in ihrer Schlichtheit und frei von übertriebenem Prunkwort von selbst wirkungsvoll waren. Der Redner kam in seinem freien Vortrag und bei der Besprechung der Lichtbilder zu folgenden Ansichten über die Kolonisation in Südwestafrika. Der Wert einer Kolonie sei früher nur nach dem Erzeugnis an Kaffee, Gewürz und edlen Metallen taxiert worden, seit Jahrzehnten aber habe man diesen Begriff erweitert und es sei der eigentliche Wert einer Kolonie darin zu suchen, daß diese die Rohstoffe für unsere einheimische Industrie liefern und sodann ein Absatzgebiet für die verarbeiteten Rohprodukte abgeben könne. Von diesem Gesichtspunkt aus ergebe sich die Frage: Inwiefern find unsere Kolonieen dazu geeignet? Man unterscheide gewöhnlich 2 Arten von Kolonieen. Einerseits können die überschüssigen Arbeitskräfte eines Landes in andere Länder auswandern und dort die einheimische Bevölkerung ganz austreiben und vernichten oder werde die Bevölkerung gezwungen sich zu Lohndienern der weißen Nationen herzugeben, beim Kolonisieren behaupte aber der Stärkere und Tüchtigere das Recht. Zu den Kolonieen, in der das deutsche Wesen sich erhalten könne» gehöre Südwestafrika. Dieses Gebiet sei ein Weideland mit wenig Ackerbau und einem gewissen Reichtum an Erzen, namentlich reich an Kupfer, vielleicht auch an Diamanten. Wenn das Land voll entwickelt sei, so könne es 5000 Farmen und etwa 3mal soviel Weiße aufnehmen als der Oranjefreistaat. Das Ziel Deutschland» müsse sein, Südwestafrika auf eine solche Höhe zu bringen wie die Engländer dies mit ihren Kolonieen fertig gebracht haben, denn in den tropischen Kolonieen,
wie in Ostafrika und Kamerun, können die Weißen sich nur wenige Jahre aufhalten, als Rasse können sie dort nicht leben, dazu eigne sich nur Südwestafrika. Zur Erschließung dieser unserer besten Kolonie seien aber Eisenbahnen notwendig, denn die Küstengebiete seien schlecht und nur das Hochland eigne sich zu Farmen; ebenso notwendig sei ein guter Beamtenstand, der wirtschaftlich gebildet sei und nicht bloß juristische Schulung habe. Das Land sei an der Küste fast wertlos, je weiter man aber in das Innere vordringe, desto besser werde der Boden. Als Weideland eignen sich 50 Millionen Hektar, ein Gebiet so groß wie Deutschland, zu einer Farm seien 10000 Hektar notwendig. Der Farmer fange gewöhnlich mit einem Viehstand von 40—50 Kühen und etwa 100 Schafen an; 1 Kuh koste ca. 200 ein Schaf 20—25 Vom Weideland müsse stets als Reserve für schleckte Jahrgänge aufbewahrt bleiben, damit bei Wassermangel nicht der Viehstand zu Schleuderpreisen abgesetzt werden müsse. Der Farmer habe erst vom 4. Jahre an Einkommen, nach 12—15 Jahren sei die Farm so entwickelt, daß der Farmer sehr gute Einkünfte beziehe. Sein Jahreseinkommen steigere sich auf 20—30000 wovon allerdings noch Betriebskosten abgehen, immerhin bleibe soviel übrig, um den Farmer zu einem wohlhabenden Mann zu machen. Eine solch wirtschaftliche Zukunft sei für Südwestafrika anzustreben, die Bewohner seien von einem ganz anderen demokratischen Selbstgefühl erfüllt als die in Deutschland; dort sei jeder ein freier Mann und es denke keiner mehr daran, in die alte Heimat zurückzukehren. Notwendig sei aber wenigstens ein Kapital von 20 000 ^; dies gelte sowohl für den Farmer als auch für den Kaufmann. Es stehe fest, daß die Landschaft nicht eine Wüste, sondern ein Weideland sei; nach dem Krieg habe der Wirtschaftsbetrieb wieder voll eingesetzt und man dürfe fest und bestimmt auf die Zukunft rechnen, Südwestafrik» wexde die blühendste und reichste Kolonie von Deutschland werden. Reicher Beifall lohnte die sehr eindrucksvollen Ausführungen des Redners, der in höchst interessanter Art die Bodenbeschaffenheit und die Bewohner des Landes von der Kapstadt bis zum Zambesi schilderte und dadurch den Zuhörern einen sicheren Einblick in die Verhältnisse der Kolonie ermöglichte. Mehrere Anfragen über die Frauenfrage und über das Jagdwesen wurden vom Referenten eingehend beantwortet. Oberreallehrer vr. Müller, der die Versammlung begrüßte und seiner Freude über den zahlreichen Besuch Ausdruck gab, sprach zum Schluß dem Redner den wohlverdienten Dank für den gediegenen Vortrag aus. Die Anregung zum Vortrag ging vom liberalen Verein aus.
* Calw 24. Juni. Ein schönes Doppelfest wurde gestern in hiesiger Stadt gefeiert: der Bezirkskrtegertag verbunden mit der Feier des 25jährigen Bestehens des Milttär- vereins Calw. Ein Gang durch die Straßen der Stadt am Samstag nachmittag ließ erkennen, daß ein Fest gefeiert werde, das bei der Ein- wohnerschaft hochwillkommen sein müsse, überall sah man fleißige Hände sich regen, um den Häusern festlichen Schmuck zu verleihen und um den zu erwartenden Fremden einen schönen Empfang zu bereiten. In edlem Wetteifer taten sich die