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Kammer der Abgeordneten.

Au» dem Bericht über die Verhandlungen der Zweiten Kammer am 6. Juni bringen wir nachstehend die Ausführungen unseres Ab­geordneten Verw.-Aktr. Staudenmeyer zu Kap. 40, Straßenbau, bei Titel 5, zum Abdruck:

Meine Herrn, in einer Zuschrift an mich beklagen sich eine Anzahl Fuhrwerks- und Stein- bruchbefitzer von Althengstett OA. Calw darüber, daß sie seit vorigem Jahre fast keine Steine mehr auf die Staatsstraßen liefern dürfen, weil das Schottermaterial neuerdings zum größten Teile aus dem badischen Schwarzwald herbeigeführt werde. Länger als 50 Jahre schon lieferten 16 Fuhrleute mit 24 Hilfsfuhrleuten das Schotter­material auf einen großen Teil der Staatsstraßen deS Bezirks Calw und der umliegenden Bezirke, und sie haben sich infolgedessen nicht nur mit dem notwendigen Pferdematerial, sondern auch mit den erforderlichen Wagen und den zugehörigen Requisiten eingerichtet, und sie hätten neben dem entgehenden Arbeitsverdienst auch einen wesent­lichen Verlust an ihrem lebenden und toten In­ventar, wenn ihnen die Lieferung der Steine dauernd entzogen bliebe. Sie erwähnen dabei, daß das Kalksteinmaterial von Althengstelt von ganz vorzüglicher Qualität sei und daß die Etsen- bahnverwaltung zu ihrem Bahnschotter so viel Material von Althengstett beziehe, als die ca. 20 daselbst wohnenden Steinklopfer überhaupt täglich zerkleinern können. Wenn die Fuhrleute auch zugeben, daß der von Baden bezogene Schotter (Porphyr) härter ist als der Althengstetter Kalk­stein, so sagen sie andererseits, daß jenes Material auch wesentlich teurer sei, daß die Pferde auf den harten Porphyrstraben sehr bald auf den Füßen zugrunde gehen, und daß deshalb die Fuhrleute auf diesen Porphyrstraßen nicht gerne fahren. Sie bitten die K. Straßenbanverwaltung recht dringend, auf ihre von der fraglichen Stein­lieferung völlig abhängenden Verhältnisse jede mit den Interessen der Straßenbauverwaltung vereinbare billige Rücksicht zu nehmen, und ich möchte diese ihre Bitte wärmstens unterstützen.

Zu Kap. 40, Straßenbau, Titel 7a, Wegbauten für die Aufhebung der Flö­ßerei auf der Enz und Nagold:

Meine Herrn, die Klagen der Werkbesitzer an der Enz und Nagold über den Schaden, der ihnen durch die Ausübung der Flößerei verursacht wird, sind alt, aber sie sind auch voll und ganz berechtigt. Dies springt ohne weiteres in die Augen, wenn man sich den Hergang bei der Flößerei, wie sie zur Zeit noch auf der Nagold betrieben wird, vergegenwärtigt.

Jedes Floß erfordert vermöge seiner außer­ordentlichen Schwere zu seiner Fortbewegung mehr Wasser, als der Fluß normal besitzt; es muß deshalb das Wasser bei und noch weit ober­halb der Abfahrtstelle des Floßes 58 Stunden lang mittels Stauvorrichtungen cmgesammelt werden. Hierdurch wird das Wasser den fluß­abwärtsliegenden Werkbesitzern auf längere Zeit entzogen, die infolgedessen gar nicht oder doch nur in beschränktem Umfange arbeiten lassen können, wenn sie nicht Vorsorge getroffen haben, die ihnen entgehende Wasserkraft durch Dampfkraft zu er­setzen. Kommt endlich das Floß an, dann bringt es eine solche Wassermasse mit, daß ein großer Teil desselben unnütz über das Wehr abläuft. Der Rest des Wassers passiert beim Ziehen der Floßfalle, weil das mit der sogen. Oblast Diehlen, Brettern usw. meist sehr schwer be­ladene Floß zu seinem Fortkommen auch noch des sogen. Nachwassers bedarf, so gründlich den Bereich des Wasserwerks, daß beim Niederlaffen der Floß­falle die Stauwage fast leer gelaufen ist; und da derselben jetzt nur noch eine ganz geringe Wasier- menge zuläuft, weil jeder Werkbesitzer nach dem Passieren eines Floßes das Wasser für seinen eigenen Bedarf wieder staut, so bleibt oft nichts anderes übrig, als das Werk ein paar Stunden still stehen zu lassen. Daß dies ein großer Schaden nicht nur für die Werkbesitzer, sondern namentlich auch für die zumeist mit Akkord- und Stückarbeit beschäftigten Werkarbeiter ist, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung.

Ter Leiter einer ca. 80 Arbeiter beschäftigenden Fabrik an der Nagold, die neben Wasserkraft auch noch mit Tampskraft arbeitet, hat sich im letzten Herbst, der unfern Flüssen wie gewöhnlich sehr niedrigen Wasserstand brachte, täglich genaue Aufzeichnungen über den Kohlenverbrauch und über die Tourenzahl der Hauptachse der Fabrik­dampfmaschine gemacht, und er berechnet den der Fabrik durch die Flößerei entstehenden Schaden

auf ca. 82 pro Floß, was bet 8 Flößen bezw. Wässerungen, die in die Zeit der Erhebung vom 24. September bis 5. November v. I. sielen, bei diesem Werk allein ca. 650 ausmacht. Der Herr Präsident wird gestatten, daß ich einige Sätze aus einer Zuschrift dieses Werks an die Handelskammer Calw hier verlese:In den Monaten April bis August 1906 hatten wir wegen außergewöhnlich hohem Wasserstand der Nagold durch Ausübung der Flößerei nicht zu leiden. Der Wasserstand sank an gewöhnlichen Wochen­tagen selten unter 3 cbm per Sekunde und hielt sich sogar monatelang auf über 4 cbm.

Nach der Floßsperre vom September an war ein rasches Fallen des Wasserstandes zu konstatieren und der Oktober brachte den abnormal kleinen Wasserstand von 11*/- cbm. Es ist nur zu verwundern, daß bet so geringem Wasser­stand die Flößerei überhaupt noch ausgeübt wird; wie die Flößer hierbei zu Werk gehen, das zeigt ein Blick auf die mitfolgende Aufstellung:

45 Tage lang wird das Wasser am oberen Teil der Nagold gespannt, so daß wir

1. vor jedem Floß den empfindlichsten Wassermangel haben und einen Tourenverlust gleich Arbeitsverlust von 510"/» bis zum Ein­treffen des Floßes 45 Tage lang erleiden; der Floß selbst bringt einige Stunden lang einen solchen Wasserschwall mit, daß unsere Turbinen nicht die Hälfte davon verschlucken können;

2. nach Passieren des Floßes tritt für Mindestens den folgenden Tag wieder vollständige Ebbe ein, welches sich noch verschärft, wenn gleich wieder für die nächste Fahrt das Wasser oben gespannt wird:

3. bei der Abfahrt des Floßes holen die Flößer wiederum Wasser aus unseren beiden Stauwagen. Es soll anerkannt werden, das dieses letztere Geschäft oft an Sonntagen vorgenommen wird, wodurch wir dann keinen Schaden extra erleiden; wird jedoch an Werktagen weggefahren, so haben wir an dem betreffenden Tag ungefähr 56 Stunden, d. i. den ganzen betreffenden Vor­mittag, wieder so gut wie kein Wasser und er­leiden nochmals einen entsprechenden Arbeitsverlust.

Wir veranschlagen die Verluste, welche bei kleinem Wasserstand durch jedes einzelne Floß für uns entstehen, wie folgt:

Kohlenmehrverbrauch infolge Stauens oberhalb, 5 Tage ä 8 Ztr. ä 1.30 ^ 52. ;

dasselbe nach Passieren des Floßes, 1 Tag k 8 Ztr. ä 1.30: 10.40;

Arbeitsverlust durch verminderte Touren­zahl, verdorbene Ware und Erhöhung der Un­kosten infolge Produktionsausfall, Minimum ^ 20. pro Floß, zusammen ca. 82 gauz abgesehen davon, daß sämtliche Akkordarbeiter, ca. 80 Personen, einen Lohnausfall erleiden."

Bemerkt wird dabei, daß die Daten den laufend geführten Betriebsbüchern entnommen und die Aufnahmen der täglichen Tourenzahlen vermittelst eines Tachometers mit kombiniertem Tourenzähler an der Dampfmaschine erfolgt seien.

Meine Herrn, angesichts dieser Tatsachen darf es wahrlich nicht wundernehmen, wenn die sämtlichen Werkbesitzer an der Nagold die baldigste Aufhebung der Flößerei förmlich herbeisehnen, zumal auch bei einzelnen Industriezweigen die Qualität der erzeugten Waren durch die unregel­mäßige Triebkraft notleidet und damit natürlich auch die Konkurrenzfähigkeit des betreffenden Fabrikanten.

Aber nicht nur der Industrie, auch der Landwirtschaft wird durch Uferabbrüche infolge der Flößerei, durch die sogen. Floßpfade längs der Ufer und durch Versandung der Wiesen­wässerungsgräben erheblicher Schaden zugefügt, was ja auch in der die Verhältnisse ganz richtig schildernden Denkschrift der Regierung des näheren dargelegt ist.

Zu erwähnen wäre in dieser Denkschrift nach meiner Meinung nur noch gewesen, einmal, daß in neuerer Zeit an der Enz und Nagold verschiedene größere Elektrizitätswerke angelegt wurden, andere in der Bildung begriffen sind, Werke, die ganz besondere Förderung verdienen, da sie dazu bestimmt sind, eine größere Anzahl von Gemeinden mit Licht und Kraft zu ver­sorgen; und weiterhin, daß der Industrie unseres Landes jedwede'Benachteiligung schon um des­willen erspart werden müsse, weil sie in dem heißen Konkurrenzkampf mit den gleichen Industrie­zweigen anderer Länder der teureren Kohlen und der teureren Rohprodukte wegen ohnehin schon schlechter gestellt ist als diese.

Wenn so Industrie und Landwirtschaft die baldige Aufhebung der Flößerei auf der Enz und Nagold dringend wünschen müssen, so ver­kenne ich keineswegs, daß an solche erst dann herangetretcn werden kann, wenn durch den Aus­

bau der Straßen und Wege von den verschiedenen Schwarzwaldtälern zu den Höhen Vorsorge dafür getroffen ist, daß das anfallende Holz auf leichte, bequeme Weise zu den Sägwerken und an die nächste Eisenbahnstation gebracht werden kann, weil sonst die Waldbesitzer und zwar der Staat, die Gemeinde und Private infolge Sinkens der Holzpreise empfindliche Schädigung erleiden würden.

Es handelt sich also darum, die noch fehlenden Straßen möglichst bald zu bauen, und dieser Erkenntnis ist auch die vorliegende Exigenz von je 65000 jährlich zu verdanken.

Da meines Wissens nur noch im oberen Enz- und Nagoldtal sowie am Zinsbach Langholz eingebunden wird, so wird in erster Linie der Ausbau des Forststräßchens im kleinen Enztal bis Calmbach zu einer Hauptstraße, der Bau einer neuen Straße von Berneck über Hornberg und Aichhalden ins obere kleine Enztal die ja teilweise schon beschlossen ist und der Bau einer solchen von Altensteig das ZinSbachtal hinauf in Frage kommen. Sehr erwägens­wert erscheint mir auch der Bau einer Eisen­bahn von Wildbad durch das kleine und große Enztal nach KlosterreichenbachFreudenstadt oder Altensteig, wodurch den großen Sägewerken im Enz- und Nagoldtal der Holzreichtum des Hinteren Calwer, Nagoü^^ und Freudenstädter Waldes auf direktestem'Akk billigstem Wege zugeführt und derselbe so im Inland verarbeitet werden könnte, während zur Zeit sämtliches auf der Nagold verflößte Holz ins Ausland kommt, wo­durch unserem Lande der Arbeitsverdienst entzogen wird und der streubedürftigen Landwirtschaft das beim Verarbeiten des Holzes anfallende Säge­mehl verloren geht.

Auch der Umbau des unglückseligen Alten­steiger Schmalspurbähnchens zu einer Vollbahn wird früher oder später in Angriff ge­nommen werden müssen, denn es ist doch im höchsten Grade bedauerlich, wenn auf einer Bahn, die in das Herz des Schwarzwalds hineingeht, nur Klotzholz und nicht auch das gewöhnliche Langholz befördert werden kann. Diese Zustände des näheren zu schildern, will ich aber meinem Herrn Kollegen von Nagold überlassen. (Heiterkeit.)

Daß nach alledem die Aufhebung der Flößerei nicht von heute auf morgen erfolgen kann, ist klar; ich hätte aber mit den Industriellen des Enz- und Nagoldtales doch gewünscht, daß die noch nötigen Wegebauarbeiten rascher durchgeführt würden, als die Regierung dies zu beabsichtigen scheint. Viel­leicht ist es der Regierung möglich, in den nächsten Etat höhere Summen einzustcllln, als dies im vorliegenden geschehen ist, damit die Flößerei nicht erst im Jahre 1915, sondern schon im Jahre 1912 aufgehoben werden kann, wie dies der Herr Staats­minister des Innern den Interessenten früher in Aussicht gestellt haben soll.

Eines aber ist heute schon möglich, und das ist die noch weitere Einschränkung der sogen. Floßtage auf der Nagold von der Alten­steiger Wasserstube an abwärts. Durch die Ministerialverfügung vom 4. Mai 1899 ist in dankenswertester Weise bestimmt worden, daß von der Altensteiger Wafferstube bis Calw nur noch am Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag, von Calw abwärts nur noch am Mittwoch, Freitag und Sonntag geflößt werden darf. Da nur noch eine Altensteiger Firma Langholz auf der Nagold flößt und im letzten Jahre, wenn ich recht unter­richtet bin, nur noch 24 Flöße zu Tal geführt hat, so ließen sich die seitherigen Floßtage ohne Schaden für diese Firma, aber zur Freude der Werkbesitzer sicher noch um einen weiteren Tag und zwar natürlich um einen Werktag ver­mindern und das ist es insbesondere, um was ich den Herrn Staatsminister zunächst dringend bitten möchte. Die hohe Kammer aber bitte ich, der vorliegenden Exigenz ihre Zustimmung zu erteilen.

Standesamt Calw.

Geborene.

19. Juni. Helene Luise, T. d. Friedrich Schaible, Bäckermeisters hier.

19. Georg, S. d. Eugen Ludwig Kolb,

Malers hier.

Gestorbene.

17. Juni. Johann David Stepper, Bauer, Witwer von Oberhaugstett, 79 Jahre alt.

Reklameteil.

teilt gerne und unent­geltlich Herr Chri­stian Bühner jr. in Sigmarswangen (Württ.) mit, wie er auf einfache Weise von seinem langen und qualvollen Magenleiden befreit wurde.

Magenleidende«