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99. Amts- und Änzejgeblatt für den Bezirk Calw. 82. Jahrgang.
rrschetnunzStage: Dienstag, Donnerstag, SamS- »aa, Lonntag. JnsertionSprei» 10 Pfg. pro Zeile für Stadt und Bezirklorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Sonntag, de« 23. Jnni 1907.
AbonnementSpr. in d.Stadtpr. Viertelt. Mi. I.ioincl.LrLaerl. Vierteljührl. Postbezug Spreit ohne Bestellg. f. d. Ort»- u. Nachbar. ortSoeaehr 1 Mt., f. b. sonst. Bertehr Mt. 1 . 10 , Bestellgeld 30 Pfg»
Amtliche Bekanntmachungen.
Die Ortsbehörden
werden auf die Verfügung des Ministeriums deS Innern, betr. den Nadfahrvexkehr vom 29. April 1907, Reg.-Bl. S. MffThingew lesen und veranlaßt, rechtzeitig die nimgen Anordnungen zu treffen, auch die in Betracht kommenden Radfahrer auf die neuen gesetzlichen Bestimmungen, am besten wohl durch ortsübliche Bekanntmachung, hinzuweisen. Calw, 21. Juni 1907.
K. Oberamt. Voelter.
Die K. Ortsschulinspektorate
werden ersucht, die Lehrer-Wehrlisten bis zum 1. Juli d. I. einzusenden. Wo seit 1. Dez. 1906 keine Aenderung einzutragen war, ist die Einsendung nicht erforderlich.
Calw, 22. Juni 1907.
K. ev. Bezirksschulinspektorat. Schmid.
Tagesnenigkeiten.
8 Calw 22. Juni. Ueberall sind heute frohe Herzen und fleißige Hände dabei, der Stadt das Festkleid anzulegsn für das morgen in Verbindung mit dem Bezirkskrtegertag stattfindende 25. Jahresfest des Militärvereins. Der Verein blickt auf eine glückliche Zeit des Gedeihens zurück. Aus dem Kreis der 47 Männer, die im Jahr 1882 zur Pflege soldatischer Erinnerungen, kameradschaftlicher Hilfsbereitschaft und vaterländischen Geistes sich zusammengetan haben und von denen heute noch 5 (die Herren Karl Essig sen., Johs. Wurster, Gust. Kleindienst, O. Marquardt, Ulr. Kirchherr) dem Verein angehören, ist heute ein Verein von 178 Mitgliedern geworden. Der Verein hat sich durch treues Festhalten an seinen Grundsätzen nicht bloß innerhalb der Kriegerveretne des Bezirks, sondern auch unter den anderen Vereinen der Stadt und in der Schätzung der Bürgerschaft eine geachtete Stellung zu erwerben gewußt. Deshalb wird auch die Teilnahme an seinem morgen stattfindenden Fest in der Stadt eine allgemeine sein, wie auch von auswärts, aus dem Württembergischen und dem Badener Land, eine große Zahl von alten Soldaten herbeiströmen wird, um den festlichen Tag mit zu begehen. Der um 2 Uhr beginnende Festzug wird denn auch ein recht stattlicher werden; er wird den beim Kinderfest üblichen Weg einhalten. Wir wünschen den wackeren Kriegern einen schönen Verlauf des Festes, dem Verein eine fernere glückliche Entwicklung und rufen den auswärtigen Gästen ein herzliches „Willkommen" zu!
Stuttgart 21. Juni. Die Finanzkommission der zweiten Kammer behandelte gestern die Spezialetats Kapitel 122, 122g. und 123 über den Ertrag der Münze, den Ertrag des Staatsanzeigers, verschiedene Einnahmen bei Staatshauptkasse unmittelbar und die Bodensee. dampfschiffahrt (Kap. 121.) Bei letzterem Etat wurde den vorgesehenen 6 weiteren Matrosen, stellen und 4 weiteren Stellen für Heizer I. Klasse zugestimmt. Vom Etat abweichende Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Sodann wurden zwei nachträglich eingekommene zum Eisenbahnetat gehörige Eingaben
behandelt. Es wurde hier auf Antrag des Berichterstatters Dr. v. Kiene beschlossen: 1. Die Bitte der Hilfsschaffner des Landes um Verbesserung ihrer Anstellungsverhältnisse der K. Regierung zur Erwägung mitzuteilen; 2. die Eingabe der Güterschaffner und Bremser, soweit sie sich auf eine Erhöhung der Gehaltsstufen bezieht, im Sinn einer Erhöhung des Endgehalts der K. Regierung zur Berücksichtigung mitzuteilen, bezüglich der beiden übrigen darin enthaltenen Wünsche betreffend Erhöhung der Vorrückungsstufen und Erreichung des Höchstgehalts als durch die Anträge der Finanzkommission zu Etatskapitel 118 Tit. 18 erledigt zu erklären.
Stuttgart 20, Juni. Das Haus Becherstraße Nr. 9 muß abgebrochen werden, da die Fundamente infolge des Neubaus des Breu- ninger'schen Geschäftshauses „Zum Großfürsten" gewichen sind. Die Lage war gestern nachmittag so bedrohlich, daß man den Einsturz des Hauses fürchtete; die Bewohner mußten sofort dar Haus verlassen. Heute wurde es ausgeräumt und mit dem Abbruch begonnen. Das Gebäude, dessen Balkenwerk ganz morsch ist, ist nur dadurch am Zusammenbrechen gehindert worden, weil die beiden Nebenhäuser, zwischen welche es fest ein- gekeilt ist, es gehalten haben. — Im Tier- garten von Theodor Widmann ist dieser Tage ein seltener und prächtiger Ara und eine große, am Teich freilaufende Schildkröte nebst vielen sonstigen Tieren eingetroffen. Eine Gefährtin zu dem braunen Bären „Stoffel" wird dieser Tage erwartet. Bis zum Kinderfest am 3. Juli werden noch mehrere Sendungen eintreffen. Dieses selbst sieht neben einem kostümierten Umzug auf kleinen Retttieren, in Wagen und zu Fuß mit anschließendem Reigen noch eine Reihe von Belustigungen vor. Zu einer Kinderfestschrift haben Kinderfreunde namhafte Beiträge geleistet.
Cannstatt 21. Juni. Heute abend gegen V-6 Uhr brannten an zwei räumlich von einander ziemlich getrennten Stellen die Schwellen und der Laufsteg der etwa 700 m langen Talüber- führung der Umgehungsbahn Cannstatt—Korn- westheim. ES handelt sich hier um die bekannte, große und weithin sichtbare Eisenbahnbrücke bei Münster, die in einer Höhe von etwa 30 m den Neckar und das breite Tal überbrückt. Das Feuer entstand wohl dadurch, daß glühende Kohlen, die dem Aschenkasten einer Lokomotive entfallen sind, die Holzteile an der Brücke in Brand setzten. An diesem schwierigen Brandobjekt bewährte sich das schulmäßige und sehr rasche Eingreifen der hiesigen Berufsfeuerwehr vorzüglich. Von der Talsole aus wurden die Feuerherde, die etwa 40 m auseinander lagen, auf einer 25 in hohen neuen Magirusleiter erfolgreich bekämpft, ehe bedeutender Schaden entstanden ist. Diese Leiter, die erst vor kurzem ganzneubeschafftwordenist,leistetevorzügliche Dienste. Sämtliche 3 Feuerwachen befinden sich gegenwärtig im Besitz einer solchen neuen Leiter. Trotz des in beträchtlicher Höhe gelegenen Brandobjekts erwies sich der Hydrantendruck als aus- reichend, sodaß eine später in Tätigkeit gesetzte Feuerspritze bald wieder abrücken konnte.
Paris 21. Juni. In der heutigen Kammersitzung berichtete Clömenceau, welcher sehr bleich und anscheinend heftig angegriffen aussah,
über den Verlauf der tragischen Ereignisse, welche sich seit vorgestern in den südlichen Departements zugetragen haben. Er versuchte die Haltung der Truppen zu rechtfertigen, welche erst Gebrauch von ihrer Waffe gemacht hätten, als sie dazu durch das Vorgehen der Bevölkerung gezwungen worden seien. Die Bevölkerung, sagte Clömenceau, hat sich empörender Brutalitäten schuldig gemacht. Es gab Tote und Verwundete aber auch auf Seiten der Soldaten. Die Regierung ist entschlossen, vor Niemanden zu kapitulieren. Sie hat das Recht und die Pflicht, die Ordnung aufrecht zu erhalten und dem Gesetz Achtung zu verschaffen. (Beifall und Protestrufe.) Der Abgeordnete Aldi protestierte alsdann gegen die Ausführungen Clemenceaus und erklärte, daß die von der Regierung getroffenen Maßregeln durch nichts gerechtfertigt seien. Man habe Soldaten gegen Leute geschickt, die ruhig manifestierten.
Paris 21. Juni. Zu den Winzerunruhen wird gemeldet: Ein Kürassier ist gestern früh im Hospital gestorben. Ein Kürassierwachtmeister wurde tötlich, ein Jnfanteriehauptmann ernstlich verletzt» ferner etwa 15 Gendarmen und noch mehr Soldaten. Wie es heißt, hätten auf die Aufforderung der Unterpräfekten die Offiziere das Scharfschießen hinausgeschoben, weil sie am Gehorsam der Soldaten zweifelten. Dagegen schossen die Gendarmen sofort und rücksichtslos, weshalb auch gegen sie und die Kürassiere die größte Erbitterung herrscht. Ueber Narbonne ist der Belagerungszustand verhängt worden.
Paris 21. Juni. Ein aus Beziers eingetroffenes Telegramm berichtet, daß ca. 600 Soldaten des 17. Linien-Regiments, welche nach Adge geschickt wurden, desertiert sind. Jeder derselben trägt 200 Patronen bei sich. Sie haben sich mit dem Bajonnett einen Weg gebahnt und sind in Beziers ohne Führung um 10 Uhr morgens mit klingendem Spiel angekommen. Sie haben ihr Lager auf einem Boulevard aufgeschlagen und sind entschlossen, von ihrer Waffe Gebrauch zu machen, falls man sie zwingen würde, gegen ihre Väter und Brüder zu marschieren. Die Bevölkerung von Beziers versieht die Soldaten mit Lebensmitteln.
Neapel 21. Juni. Ein Automobil mit 5 Insassen stieß auf der Fahrt von Caserta nach Neapel bei Cajanello gegen einen Felsen und wurde zertrümmert. Die Insassen des Automobils wurden getötet.
Neapel 21. Juni. Die Namen der 5 Opfer des gestrigen Automobilunglücks auf der Straße nach Cassino sind jetzt bekannt. Getötet wurden folgende Personen: der Eigentümer des Automobils, Marchese Luigi Cavalor, Fürst von Pesara, die Marchese Terini» der Herzog von Capece Galeoto und die Marchese Motoli Nunziante. Der Name des verunglückten Chauffeurs ist bisher noch nicht festgestellt. Die Leichen sind alle schrecklich verstümmelt. Die Ursache der Katastrophe soll nicht in dem Anprall des Automobils gegen den Felsen zu suchen sein, sondern in einer Explosion des Benzinbehälters. Pesara war ein zwar leidenschaftlicher aber vorsichtiger Automobilist, der dem italienischen Automobilklub als Vizepräsident angehörte. Das traurige Vorkommnis trifft die ganze italienische Aristokratie.