W^-
LSM
UM
^S 96. Amts- und ÄnzeigeblaLt für den Se^irk Calw. 82. Jahrgang
VrscheinungStage: DtenStaz. Donnerstag, Sams- taz, Sonntag. Jnscrtionrprei» 10 Psg. pro Zelle sür Stadt and vezirklorte; außer Bezirk 1L Psg.
Dienstag, den 18. Juni 1907.
LLonnementlpr. in d, Stadt pr. Viertelt. Mk. 1.10 tncl.DrLgeri. PterteljLhrl. Voitdezugtprei« ohne Beftellg. s. d. Ort», u. Nachbar. ortSoerkehr 1 Mk.. f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld !X) Psg.
Tagesneuigkeiten.
Calw. Wie bereits mitgeteilt, hält Herr Rezitator und Dramaturg Hans Weber aus Stuttgart in Verbindung mit der Konzertsängerin Elisabeth Salzner vom königl. Konservatorium in Stuttgart im Saale des Badischen Hofs heute Abend einen Dichter, und Liederabend, dem das interessante Thema „Moderne deutsche Lyrik" zu Grunde gelegt ist. Herr Weber wird auf besonderen Wunsch auch unsere einheimische Dichterin Gertrud Inge, borgKlettmit einigen ihrer schönsten Dichtungen zu Worte kommen lassen. Alles Nähere stehe Inserat.
Calw. Dem Liberalen Verein ist es gelungen, den bekannten Schriftsteller Or. P. Rohrbach, der in den letzten Jahren als Reichs- kommifsär in Südwestafrika tätig war, auf nächsten Samstag für einen Vortrag über „Unsere Lehrjahre in Südwestafrika" zu gewinnen. Nähere Anzeige folgt.
Herrenberg 15. Juni. Auf den heutigen Schweinemarkt waren zugeführt: 260 St. Milchschweine; Erlös pro Paar 20—34 50 St.
Läuferschweine; Erlös pro Paar 40—83 Verkauf gut.
Stuttgart 15. Juni. Die zweite Kammer hat heute die Abstimmung über die mit dem Bahnhofumbau in Stuttgart zusammenhängenden Erweiterungsbauten zwischen Stuttgart— Ludwigsburg und Plochingen vorgenommen. Der Kommissionsantrag Ziff. 2-6 (viergleisiger Ausbau der Strecken nach Untertürkheim und Ludwigsburg und Umbau bezw. Erweiterung der Bahnhöfe Cannstatt, Untertürkheim und Kornwestheim) zuzustimmen, wurde angenommen. Dcr Antrag Schnaidt betr. Aufnahme deS Umbaus des Ludwigsburger Bahnhofs in das Gesetz wurde angenommen. Zu Ziff. 7 (UnkSufrige Neckarbahn) gelangte der Kommissionsantrag betr. eine Eisenbahn vom Güter- bahnhos Untertürkheim nach Wangen und die Her
stellung eines Güterbahnhofes Gaisburg zur Annahme. Der Antrag Kübel betr. Erbauung einer besonderen linksufrigen Bahn im Falle des vier- gleisigen Ausbaus der rechtsufrigen Neckarbahn wurde abgelehnt. Der Antrag Täuscher betr. Erstellung einer linksufrigen, den örtlichen Verkehrs- bedülfnissen dienenden Eisenbahn, zunächst bis Eßlingen in Verbindung mit dem viergleisigen Ausbau der Hauptbahn wurde angenommen. Der Kommissionsantrag betr. Erhebung über den vier- gleisizen Ausbau der Strecke Untertürkheim—Eßlingen—Plochingen, anstatt der linksufrigen Neckarbahn, wurde angenommen. Die Resolution betr. einen Beitrag Stuttgarts wurde angenommen, ebenso die Resolution auf Fortsetzung des Baues von Nebenbahnen und zwar diese mit 78 Stimmen bei einer Stimmenthaltung (v. Gauß). Der Antrag Hildenbrand betr. Nichtverwendung ausländischer Arbeiter wurde abgelehnt; angenommen wurde dagegen der Antrag Rembold auf Bevorzugung von Industrie, Handwerk, Kunstgewerbe, Technikern und Arbeitern des Reichsinlandes und Förderung der Benützung der öffentlichen Arbeitsnachweisstellen. Weiterhin wurde Art. 2 des Gesetzes, der als vierte Rate 18 Mill. bestimmt für Grunderwerbungen und den Beginn der Bauten bei Stuttgart und Cannstatt, sowie für die Teilstrecke Unteitürkheim-Wangen und den Güterbahnbof Gaisburg, genehmigt und schließlich in der Schlußastimmung das Gesetz nach den gefaßten Beschlüssen mit sämtlichen 77 abgegebenen Stimmen angenommen. Bei der folgenden Beratung von Wahlanfechtungen erstattete Or. v. Kiene (Ztr.) einen Bericht über die auf den Artikel des evangelischen Pfarrers Epple in Laichingen sich stützende Anfechtung der Wahl des Abgeordneten für den Oberamtsbezirk Münstngen, vr. Rübling (B. K.). Pfarrer Epple hat sich auf eine Anfrage dahin ausgesprochen, daß in der Wahl eines Vertreters des Bundes dcr Landwirte eine Gefahr für die evangelische Kirche nicht bestehe, auch wenn derselbe vom Zentrum unterstützt würde. Der Berichterstatter gelangte nach Darlegung der rechtlichen Verhältnisse zu dem Schluß, daß in dem Verhalten des Geistlichen eine für die Legitimation des Gewählten rechtlich erhebliche Tatsache und ein wirksamer Anfechtungsgrund auf Grund der gesetzlichen
Vorschriften und der üblichen Praxis nicht zu erblicken sei. Haußmann-Balingen (Vp.) versprach zwar, sich aus Rücksicht auf den heutigen Beschluß des Seniorenkonvents, die Debatte möglichst einzuschränken sich kurz zu fassen, suchte aber unter Ausfällen gegen die Beieittgung katholischer Pfarrer an den Wahlen nachzuwe.sen, daß die Handlung EppleS eine unerlaubte Wahlbeeinflussung sei, und daß die Beteiligung der Pfarrer an der Wahlagitation die Gewissen verwirre. Ihm traten Or. v. Kiene und Or. Wolfs entgegen, der die merkwürdige „Logik" einem Pfarrer sei erlaubt, für Dinge, die ihn nichts angehen, einzutreten, (wie Pfarrer Umfried in Stuttgart bei der Wahl des Abg. v. Gauß), aber verboten, die Interessen seiner Kirche zu wahren und sich gegen die Simultanschule auszusprechen, als Haußmannslogik bezeichnet^ Haußmann ergriff noch zweimal das Wort und veranlaßte auch den Abg. Gröber zu einigen Ausführungen, von dem ihm entgegengehalten wurde, daß er (Haußmann) die Pfarrer zu Bürgern 2. Klasse Herabdrücke. Gröber betonte unter dem Beifall eines großen Teils des Hauses, daß diese Haltung Haußmanns weder freiheitlich, noch demok atisch, noch logisch sei. Schließlich wurde die Wahl des Abg. Rübling für giltig erklärt; auch Mitglieder der Volkspartei stimmten für die Giltigkeitserklärung. Die Wahl des Abg. v. Gauß wurde gleichfalls für giltig erklärt. Zum Schluß beriet das Haus noch die Novelle zum Polizeigesetz betr. das Ziehkinderwcsen. Dje Redner sämtlicher Parteien machten verschiedene Bedenken geltend, namentlich gegen die in der Novelle vorgeschlagene Aufsicht durch die Ortspolizeibehörde, die dazu nicht geeignet sei. Die Beratung endigte mit der Verweisung an die Justizgesetzgebungskommission. Dienstag nachmittag Fortsetzung der Etaisberatung.
Stuttgart 16. Juni. Der 12. Verbandstag des Württemb. Handwerker- Landes-Verbands fand heute in Nürtingen statt. Als Vertreter der Kgl. Staatsregierung war der Präsident der Kgl. Zentralstelle für Handel und Gewerbe von Mosthaf erschienen. Weiter bemerkte man in der Versammlung Vertreter der Handwerkskammer des Landes. Verbandsvorsitzender Malermeister Haug-Stuttgart begrüßte
Var Nschermädchen von der Bretagne.
Von B. W. Howard.
(Fortsetzung.)
Thymert schien jetzt dem Klange ihrer jungen Stimme, die ihn immer an dar muntere Plätschern eines kristallklaren Waldbachs erinnerte, ein willigeres Ohr zu leihen. Er wandte sich nach Hamor um, zog den Hut und sagte: ,?uräon, monsieur, ich war ganz mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt."
„Er möchte, daß Sie ihm Modell ständen," erklärte Guenn ungeduldig, jeder Augenblick des Zögerns schien ihr verlorene Zeit.
„Es würde mir zur größten Ehre gereichen, wollten Sie mir gestatten, Sie zu malen, inoiisisiir 1s eure," begann Hamor sehr höflich, dann setzte er hinzu, während ihm die Begeisterung aus den Augen leuchtete: „Ich habe aus diese Gelegenheit gehofft und gewartet, seitdem ich Sie in jener Nacht zum erstenmal zu Gesicht bekam."
„Nun, was sagen Sie?" drängte Guenn hastig.
„Ich glaube, ich bin nicht die geeignete Persönlichkeit dazu," erwiderte der Priester langsam, während sein Blick stolz an seiner alten, abgetragenen Soutane herabglitt; im stillen überlegte er, ob er wohl auch dasjenige besitze, war die Künstler damals an seinem Frühstückstisch „Linien" genannt hatten. Er fühlte ein wahres Entsetzen vor diesem liebenswürdigen, tadellosen jungen Mann, dem er eigentlich nichts Stichhaltiges vorwerfen konnte. Noch vor wenig Augenblicken war er sich deutlich bewußt gewesen, daß er den Fremden hasse; der wilde Gedanke, ihn mitsamt seiner Künstlerhabe die Felsen hinabzustürzen, hatte sich seiner bemächtigt. „Vater, vergieb
mir, wenn ich Mordgedanken in der Seele barg!" hatte er vorhin auf dem kleinen Friedhof gebetet. Sich auf der Leinwand dieses Mannes für ewig festgebannt zu wissen, überstieg seine Kräfte. Hundertmal lieber wirklich im Käfig schmachten, niemals mehr frei umherschweifen, niemals mehr fühlen wie das warme Sonnenlicht auf der Wange glüht und die Haare im Seewind flattern. . . .
„Sie glauben gar nicht, was für einen interessanten Studienkopf Sie für mich abgeben würden," fuhr Hamor dringender fort.
Der Priester starrte ihn ohne die geringste Teilnahme verständnislos an, dann erwiderte er eisig: „Es wäre mir wirklich nicht angenehm, — ich hätte auch nicht die nötige Geduld dazu."
„O!" rief Guenn entrüstet aus. Beide Männer blickten nach ihr um, sie hatte ihre Stellung verlassen und schaute nun mit gerunzelter Stirn nach dem Pfarrer.
„Wie unfreundlich von Ihnen, Llonsienr 1s curv," brach sie heftig los. „Es ist eine solche Kleinigkeit. Ihnen macht'r keine Mühe und Monsieur Hamor wünscht es so sehnlich. Es sieht Ihnen wahrlich nicht ähnlich, eine so geringfügige Bitte abzuschlagen."
Thymert schaute sie sprachlos an. Unter seinem traurigen Blick legte sich ihre Erregung.
wonsiom- Io eurö," bat sie schmeichelnd, „Sie tun es doch gewiß, wenn ich Sie darum bitte. Monsieur wäre so glücklich darüber, ihm liegt nur an uns beiden etwas. Er malt Ihnen ja das schöne Bild für die Kapelle, warum sollten Sie ihm da nicht auch einen Gefallen tun? Er hat mich, warum sollte er Sie nicht auch haben? Er will nur uns beide! Gewiß, Sie können nicht nein sagen."
„Guenn, Guenn!" w.hrte Hamor ihrem Eifer lächelnd ab.