Freitag den 18. September 1936

Der Errzlöler

94. Jahrgang Nr.

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Zu Ehren des Tiermalers Prof. Anton Braith veranstaltet die Stadt Biberach aus Anlaß seines 10 0. Geburtstages am kom- menden Sonntag eine besondere Gedenkfeier. Im Rahmen einer Morgenfeier im großen Nathaus- saal findet durch Dr. Mahn- Tübingen ein Fest­vortrag:Braith als Künstler" statt.

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Der Motorradunfall in Sigmaringen hat nunmehr einen traurigen Ausgang genommen. Der Arbeitsmann Pius Eiseleist am Mittwoch­nachmittag seinen Verletzungen erlegen.

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Professor Dr. H. Krell er von der Rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen hat einen Nus an die Uni- versität Leipzig erhalten. Krellers Arbeitsgebiete find insbesondere die antike NechtSge- schichte und das Arbeitsrecht. Er ist Her­ausgeber der romanistischen Abteilung der Zeit­schrift der Savlgny-Stiftung.

Der nichtbeamtete außerordentliche Professor W. Merk ist beauftragt worden, die durch daS Ausscheiden des Professors von Köhler in der Rechts, und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen frei gewordene Profes­sur für öffentliches Recht vertretungsweise zu übernehmen.

Ist Betzingen bei Reutlingen vermißt man seit zehn Tagen ein junges Mädchen. Es war zu einem Ferienaufenthalt mit einer Bekannten zu­sammen nach Essen gesahren und hat seit 10 Tagen nichts mehr von sich hören lassen. Polizeiliche Nachforschungen führten bisher zu keinem Ergeb- nis.

Treffen der KraWagenkolsnne 19

Stuttgart, 17. September.

Es war ein voller Erfolg, als die An­gehörigen der ehemaligenKraft- wagenkolonne 19, die einst als die erste bei Ausbruch des Weltkrieges in den Augusttagen 1914 bei der Daimler-Motoren­gesellschaft in Untertürkheim aufgestellt, aus­gerüstet und an die Westfront auf Fahrt ge­schickt worden war, von ihrem einstigen Kolonnenführer zu einer Zusammenkunft in Stuttgart eingeladen wurden. Schon der Begrüßungsabend zeigte rege Beteiligung. Am Tage darauf sammelten sich sämtliche erschienenen Kriegskameraden zu einer ge­meinsamen Fahrt aus den Waldfried- hos. Vorbei an zahlreichen Einzelgräbern gefallener Krieger gelangte die Marsch­kolonne zum Krastfahrerehrenmal. Kamerad Acker, Stuttgart widmete den toten Kraftfahrern tief empfundene Worte und legte ernen Kranz nieder. An dem ge. meinschastlichen Mittagessen beteiligten sich auch zahlreiche Familienangehörige. In sei- ner mit feinem Humor gewürzten Festrede begrüßte der einstige Führer der Kolonne 19, Haupimann d. L. Gustav R a u - Tübingen, auch den Leiter der Deutschen Krastfahr- osfiziersvereinigung. Mit Stolz erfüllte es me Kameraden, aus seinem Munde anerken- nende Worte für die besonderen Leistungen in der Zeit der Standquartiere Mühlhausen und Colmar zu vernehmen. Kamerad Acker, beim Ausmarsch Zahlmeister der Kolonne erfreute durch einen Vortrag mit vielen Lichtbildern über das heutige Militärkraft, ahrwesen. Zur Ueberraschung brachte er an- Aließend noch zahlreiche Lichtbilder nach ufnahmen aus den Kriegsjahren.

Schaffung einer deulfchen Wohnnngskultur

Die Tischlermeister Deutschlands tagen in Stuttgart

Stuttgart, 17. September.

Der große Saal des Stadtgartens ver- mochte die Zahl der Meister vom Hobel bei weitem nicht zu fasten, die zu der am Don- nerstagmorgen von Reichsinnungsmerster Kaiser eröffneten, mehrtägigen Arbeits­tagung aus dem ganzen Reich und aus dem deutschsprachigen Ausland herbeigeeilt sind. Nachdem Reichsinnungsmeister Kaiser die Gäste, besonders herzlich die Berufskamera­den aus der Schweiz und aus Luxemburg, willkommen geheißen hatte, ergriff Landes- Handwerksmeister Bätzner das Wort zu aufrüttelnden und begeisternden Ausfüh­rungen überDie Stellung des Handwerks im Dritten Reich". Mit nicht mißzuver- stehender Deutlichkeit wandte er sich gegen die immer noch da und dort zu bemerkende Vergewaltigung und Verschandelung eines der schönsten Naturprodukte, des Holzes. Die Zukunft des deutschen Tischlerhand­werks sei nur dann gewährleistet, wenn es den durch den Nationalsozialismus gewie- senen Weg einschlägt, der dem deutschen We­sen und dem deutschen Geist entspricht. Den da und dort gehörten Einspruch gegen die Anwendung von Maschinen wies er schärf- stens zurück. Es sei irrtümlich, wenn man auf die Verwendung der Maschinen abhebe, denn das Handwerk sei trotz der Maschinen oder gerade deshalb in der Lage, schöpferisch-ge- staltende Arbeiten hervorzubringen. Seine ureigenste Aufgabe bestehe darin, individuell zu gestalten, und zwar so zu gestalten, wie es unserer deutschen Auffassung und unse­rem guten Geschmack entspreche. Anfang und Ende alles Handelns sei die Gesinnung.

Hierauf erstattete Dr. Simon vom Reichs­stand des Deutschen Handwerks, Berlin, einen umfassenden und überaus interessanten Bericht überArbeitsbeschaffung und Vergebungs­wesen". Die Arbeitsbeschaffung für das Tisch­lerhandwerk werde in erster Linie durch die Baukonjunktur, durch die öffentlichen Auf­träge und den Wiederaufbau der deutschen Wehrmacht gekennzeichnet. Daneben habe sich der Wohnungs- und Siedlungsbau in starkem Matze befruchtend ausgewirkt. Es erwachse hieraus eine bedeutende Kulturaufgabe und dem Tischlerhandwerk sei es Vorbehalten, das Seine zur Schaffung einer neuen deutschen Wohnungskultur beizutragen. Ein besonderes

Problem stelle auch die Preisgestaltung dar, da auf dem Gebiet der privater: Aufträge dau­ernd Preisrückgänge namentlich für das Hand­werk eingetreten seien, die Zahlungen häufig noch sehr schleppend eingingen.

Die Grundzüge des neugeschaffenen Güte­zeichens des Tischlerhandwerks stellte Reichsinnungsmeister Kaiser klar heraus. Die neue Meisterprüfungsordnung gebe die Gewähr dafür, daß in Zukunft nur noch solche Tischler den Weg zur Selbständig­keit gehen können, die wirklich den Beweis er­bringen, daß sie Meister ihres Handwerks seien. Das'auf Grund dieser Bedingungen geschaffene Gütezeichen unterlag wegen der beabsichtigten Gemeinschaftswerbung der Genehmigung des Werberats der deutschen Wirtschaft. Erzeugnisse nach diesen Gütebedingungen sollen in ihrer Formgebung einem gesunden Empfinden für Größenverhältnisse, Werkstoffverwendung und Zweckbedingungen entsprechen. Bei der Aus­

wahl der Tischlermeister, welche die Berechti­gung zur Führung des Gütezeichens erhalten, werde von diesen vor allem der Nachweis dafür verlangt, in der Lage zu sein, eigene Entwürfe für Möbel anzufertigen. Man müsse von jedem Gütezeichenträger wissen, ob er unsere kulturellen Bestrebungen verstehe und an der Gestaltung der deutschen Wohnkultur Mitarbeiten könne.

Unter größtem Beifall der Versammlung ab er sodann ein Telegramm an den eichshandwerksnn ister bekannt, in dem mit- geteilk wird, daß soeben geschaffene Güte­eichen bereits an ändert Meister des Tisch­erhandwerks verliehen worden sei. Damit sei der erste Schritt zur Förderung des Tifch- lerhandwerks durch die Leistungssteigerung getan worden. In dem Telegramm wird weiter ausgeführt, daß die anwesenden Tischlermeister bereit seien, den Gütegedan­ken als Vorkämpfer handwerklichen Lei­stungswillens vorwärts zu tragen.

lieber dieAufgaben der beruflichen Schu­len in der Ausbildung des handwerklichen Nachwuchses" sprach hierauf Professor Hae­ring vom Neichserziehungsministerium. Im Vordergrund müsse immer der Gedanke stehen, daß die beste Gesetzgebung nichts- nütze, wenn das Handwerk der national­sozialistischen Forderung nach Leistung und Haltung nicht entspreche. Praktische Lehre und Berufsschulung gehörten aus das engste zusammen. Praxis und Theorie müßten Hand in Hand arbeiten. Was die Auslese des Nachwuchses anbelangt, so sollen grund­sätzlich nur solche jungen Leute auserwählt werden, die sowohl nach der charakterlichen als auch nach der handwerklichen Seite hin den gestellten Forderungen genügten. Bei dieser Neubewertung der Arbeit spiele auch das berufliche Bildungswesen eine ganz andere Rolle als früher. Es müsse den so­genannten höheren Schulen als wirklich gleichberechtigt an die Seite treten. Wenn eine Zusammenarbeit zwischen Partei, Mei­ster und Schule gewährleistet sei, dann sei auch die Zukunft des Handwerkerstandes ge­sichert. Zum Schluß seiner Ausführungen beschäftigte sich Professor Haering noch mit der Berufsausbildung der Fachlehrerschaft, mit der Forderung nach besseren Schul­räumlichkeiten und beendete seinen Vortrag mit dem Appell an die Oeffentlichkeit: Ehret eure deutschen Meister!"

Die umfangreiche Arbeitstagung, auf deren Tagesordnung allein für den Donnerstag nicht weniger als 14 Vorträge vorgesehen waren, wurde am Donnerstagnachmittag mit weiteren Referaten fortgesetzt. Ueber dieMeister- ' chule im Dienste der Führeraus- ese im Handwerk" sprach eingehend

wesenden Tischlermeister.Gemeins, kaufsstellendesTis

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Oberregierungsrat Dr.-Jna. Borst von der Ministerialabteilung für die Fachschulen in Stuttgart. Neben den Berufsschulen für die

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Lehrlinge und den Fachschulen für die Gesellen

habe das Handwerk Meisterschulen geschaffen, um auch den Meistern zur Erweiterung und Vertiefung ihres handwerklichen Könnens Ge- legenbeit zu geben. Sehr aufschlußreich war auch der Lichtbildervortrag überNeuzeit- liche Leime" von Gewerbeschulrat Dipl.- Jng. B l i ck l e - Stuttgart. Er beanspruchte vorwiegend das sachliche Interesse der an-

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licheVerkaufsstellendesTischler- Handwerks" war das Thema, das Bezirks­innungsmeister Böhler-München eingehend erläuterte. Er verwies dabei auf die Müw chener Meisterwerkstätten, der heute rund 100 Handwerksmeister verschiedener Berufe an- qehören und deren Ziel es ist, den deutschen Volksgenossen gute Handwerksarbeit zu ver­mitteln.' Obermeister Schlüter- Düsseldorf verstand es, hierauf die Grundsätze von der Werbung des Tisch! ers m seinem BerichtVom Hin: fzurStra-

ßenfront" zu um Die Frage der Nach w u ch s erzie h u .. g" im Tischler­handwerk behandelte Bezirksinnungsmeister H u ß n e r - Altona. Als wesentlich stellte er eine besondere Aufklärung in der Schule und bei der Berufsberatung sowie eine eingehende Belehrung über die Eigenart des Tischlerberufs heraus.

Großen Beifall fanden auch die Ausfüh rungen des stellvertr. Neichsinnungsmeisters Pietsch-Berlin überDie Meister. Prüfung als Gradmesser hand­werklicher Lei st ung". Er gab dabei diefachlichen Vorschriften für die Meister­prüfung im Tischlerhandwerk" bekannt, die nunmehr fertiggestellt worden sind. Die Prüfung erstreckt sich nicht allein auf die Anfertigung des Meisterstückes, es sind viel­mehr gleichzeitig auch alle damit zusammen­hängenden schriftlichen Arbeiten (Entwurf, Vorberechnung, Werkstattzeichnung usw.) zu erledigen. Weiter sprach Direktor Lind- ner-Dresden über dieGenossen­schaftliche Rohstoffversorgung im T i s ch l e r h a n d w e r k", die von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Aufgabe der Führung des Tischlerhandwerks werde es sein, die'in dieser Hinsicht austretenden Schwierigkeiten zu überwinden. Es werde in Zukunft ebenfalls gezwungen sein, feinen Rohstoff- und Materialbedarf so einzustellen, daß es sich fast nur aus einheimische Hölzer beschränkt. Endlich sprach noch der Leiter der Holzhandwerke imDeutschen Handwerk" der DAF., Pg. Grau, überHandwerk und Arbeitsfront". Nach dreijähriger Arbeit sei man in Deutschland wieder zu ordentlichen, vom Treuhänder der Arbeit festgelegten Tarifordnungen gekommen. Durch sie sei heute überall ein festes Entlohnungs­verhältnis geschaffen worden, das einen Durchschnittshöchstlohn von 83 Rpf. und einen Mindestlohn von 64 Rpf. aufweist, was gegenüber 1932 eine Steigerung um 18 Prozent bedeutet. Den überreichen Ar­beitstag beschloß die Versammlung der FachuntergrupeStuhltischler", die unter Leitung von Neichsobmann Ober- meister F r ö s ch e r - Steinheim a. M. an­schließend an die Haupttagung stattfand.

Sorlawemokrsl gegenVVeltrevolution"?

Der dänische Ministerpräsident Stau- ning (Sozialdemokrat) bat am Vorabend der Landstingwahlen in einer Rundfunkrede erklärt:Tie sozialdemokratische Partei Dänemarks führt schon seit 20 Jahren einen unversöhnlichen Kampf gegen die kommu- nistische Bewegung und den phantastischen Plan einer Weltrevolution (?!?). Wir neh­men von den kommuniftschen Methoden Av- stand und haben nicht das geringste Ver­trauen zu der lammfrommen Maske, die man auf Befehl des Hauptkontors in Mos­kau aufsetzt. Wir sind von vornherein gegen jede Heuchelei."

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Urheber-Rechkschuh: Drei Luellen-Verlas, Nönlgibrüik (Dez. Dresden)

.Haben Mütter wirklich so scharfe Augen?' denkt Lisel und hat nach dem Essen schnell den Waschtrog auf den Herd gesetzt und sich an die Arbeit gemacht. Frau Ullrich aber hat sich ihr Nähzeug vorgenommen, mit einem kleinen müden Seufzer. Sie ist eine Frau in den Fünfzigern, aber sie sieht aus wie eine Sechzigjährige. Wunderschön nähen und sticken kann sie, und daß sie es schon lange tut, davon zeugt der krumme Rücken, die eingefallene Brust, die zittrig­nervöse Bewegung der Hände. Es wäre auch schlimm, wenn sie nicht so fleißig wäre, denn der Verkauf der Spitzen und Nähereien, die sie für ein Geschäft in der Kreisstadt anfertigt, ist der einzige Verdienst, von dem sie und die Lisel leben. Der Mann, ein tüchtiger Vorarbeiter auf dem Gut, das jetzt dem Bauer Puhlmann gehört, ist vor acht Jahren auf dem Felde vom Blitz erschlagen worden. Und es war immerhin noch gut, daß er sich vorher das kleine Häuschen hatte kaufen können, das am äußersten Ende des Dorfes stand. Wirklich, groß war's nicht. Ein Flur, eine Stube, eine lehmgedielte Küche, das war die ganze Herrlichkeit. Und dennoch war alles licht, hell und mollig in diesem Spätzlehaus.

Schneeweiße Gardinen hängen vor den Fenstern, der alte Hausrat ist piksauber, denn da wischt Mutter Ullrich jeden Tag jedes Stäubchen ab, und in dem Gärtchen hinter dem Haus herrscht eine Ordnung in den Beeten und den Blumenrabatten, daß man seine Freude daran haben kann.

Das ist also dasSpätzlehaus".

Wie aber das Lisel, dieses schlanke, zierliche Ding mit dem Königin-Luise-Gesicht, hierhergekommen ist, darob ver­wundert sich Mutter Ullrich im stillen heute noch. Es ist gerat»' wie ein Wunder. Aber manchmal schafft halt der Herrgott solche Überraschungen.

Das Lisel nimmt den Waschtrog vom Feuer und trägt ihn auf den Hof. Nero schaut zu, wie unter ihren flinken, reibenden Händen der Seifenschaum fliegt. Sonst singt das Lisel bei solcher Arbeit, aber heute wkll's ihr nicht so recht damit gelingen. Heute gehen so ganz andere Gedanken durch ihren Kopf, ganz neue Gedanken, die sie nie zuvor gehabt, und manchmal fliegt eine rote Blutwelle über ihr Gesicht, und sie hält inne und sieht in die Weite, lauschend, mit großen Augen, als höre sie irgendwo eine Melodie. Und es ist doch nur das feine Klingen und Singen in ihrem eigenen Blut, daß so heiß durch ihr Herz pocht.

Der Abend dämmert herauf.

Peter sitzt im Dorfkrug vor einem Glas Bier. Er hat immer wieder seine Barschaft überzählt, aber es wird nicht mehr. Es ist alles wie abgezählt, und es langt gerade so weit, daß er noch bis morgen hierbleiben kann, spätestens am Abend abfahren muß. Gar kein Gedanke daran, noch einen Tag länger, geschweige denn zwei, Urlaub zu nehmen. Es ist ein Jammer.

Na, denn nicht!" murmelte er schließlich mißvergnügt. Herr Wirt, noch eine von diesen netten Mollen!"

Das wenigstens kann er noch bezahlen.

Eigentlich verrückt, sich so Hals über Kopf in ein kleines Mädel zu verlieben. Er schüttelt erstaunt über sich selber den Kopf. Jedenfalls: Es scheint wirklich so etwas zu geben! Und nicht nur in netten Romanen. Komische Sache!

Als es dunkler ist, macht er sich auf den Weg. Wo­hin? Natürlich zum Spätzlehaus. Zweimal am Tage ist er schon dort vorbeigegangen und hat am Fenster den grau­haarigen Kops einer alten Frau gesehen. Das muß wohl Lisels Mutter gewesen fein.

Ob Lisel am Zaun stehen wird, oder ob er einfach nach ihr fragt?Komm nur vorbei", hat sie gesagt, als sie sich mittags trennten,in unserm Nest findet man sich schon."

Schön, also wird er Vorbeigehen. Er holt vorher die Laute vom Heuboden herunter, die er immer auf Wander­schaft mitnimmt, und tigert los.

Nun ist es schon ganz dunkel.

Im Dorf ist kein Mensch mehr zu sehen. Hinter den Zäunen flüstert es hier und da. Manchmal schlägt ein Hund auf einem Hof an.

Na, da werde ich am Ende noch zu spät kommen, und die Lisel liegt schon in der Falle", brummt Peter vor sich hin.Die Leute gehen ja hier mit den Hühnern zu Bett."

Er beschleunigt den Schritt und steht bald darauf vor dem Spätzlehaus. Natürlich ist alles dunkel hinter den Fenstern. Peter streicht wie eine Katze am Zaun entlang. Ein paarmal hin und her. Nichts zu sehen und zu hören.

Er geht um den Zaun herum, denn einen Nachbar gibt es nicht. Das kleine Anwesen erstreckt sich von der Chaussee aus ein Stück ins Wiesengelände hinein. Dort liegt auch das Gärtchen. Eine Haselnußhecke bildet hier den Zaun.

.Vielleicht, daß sie hier wo sitzt?' denkt Peter. .Leicht gesagt: Man wird sich schon finden! Man müßte einfach rüber fertig!' Er hat wirklich nicht übel Lust dazu, aber der Gedanke an den kriegerischen Nero hält ihn fürs erste zurück.

So ruft er denn leise, gedämpft:Lisel Lisel!"

Nichts.

Hm

Er lehnt sich an einen Pappelstumpf, über den er bei­nahe gestolpert wäre. Was nun? Das Lisel kann ihn doch nicht zum Narren gehalten haben? Ach Unsinn!

Man braucht doch nur an dieses junge, fromme Gesicht zu denken, an diesen Kuß, den sie vielleicht zum erstenmal in ihrem Leben verschenkt hat, um zu wissen: Die hält keinen zum besten. Peter lächelt vor sich hin. Ach was, er wird sie schon wecken, wenn sie wirklich schon zu Bett gegangen sein sollte. Er hängt sich die Laute bequemer zurecht, streicht ein bißchen über die Saiten, denkt eine kurze Weile nach, was er wohl spielen könnte, und da fällt ihm auch schon ein kleines Lied ein, das ihm sehr gut in diese Stunde h.inein- zupassen scheint.

(Fortsetzung folgt.»