92. Nmts-

und AnzeigeblaLI für den Bezirk Calw. 82 . Jahrgang.

SrfcheinungStage: Dienstag, Donnerstag, Sams­tag, Sonntag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt und Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.

Dienstag, den 11. Juni 19Ü7.

Lbonnementspr.tnd.Stabtpr.Biertelj.Mk.l.lOtnel.rrLgerl. Biertcljährl. Postbezug-Preis ohne Bestellg. f. d. Orts- u. Nachbar. Ortsverkehr 1 Mi., k. d. sonst, -gerkehr Dik. I.io, Bestellgeld 20 Pfg-

Tagesrremgkeiten.

Calw 31. Mai. (Handelskammer Calw.) Die Handelskammer tagte heute unter Vorsitz des Herrn Kommerzienrats Zöppritz-Stuttgart in Altensteig, wohin sie der Wunsch geführt hatte, ihre im oberen Nagoldtal ansässigen Mitglieder zu besuchen und zugleich die Flößereiverhältnisse an der Nagold und dem Zinsbach in Augenschein zu nehmen. Aus den Verhandlungen ist hervorzu­heben, die Zustimmung zu einer Eingabe der Stuttgarter Kammer an die K. Generaldirektion der Posten und Telegrafen um Beschleunigung der Postpaketbeförderung zwischen Norddeutsch­land und Württemberg. Der Abschluß eines Rechtshilfevertrages zwischen dem Deutschen Reich und der französischen Republik wurde empfohlen. In einer Aeußerung über neue Vorschriften für die Lagerung mineralischer Oele sprach sich die Kammer in mehreren Richtungen für möglichste Uebersichtlichkeit und Einheitlichkeit der Vorschriften, sowie für Einbeziehung auch der von Privaten (Automobilbesitzerr: rc.) in größerer Menge gelagerten Oele (Benzin) in die Vorschriften aus. Einem Antrag des Bezirksvereins K ö n i g r e i ch W ü r t te m b e r g im deutschen Fleischer, verein auf ein Verbot der gleichzeitigen Benützung der Verkaufs- und Aufbewahrungsräume für Fleisch und Fleischwaren bei den Fleischwarenhandlungen zu anderen Zwecken zeigte sich die Kammer nicht geneigt, da sie in dem Antrag einen Versuch der Monopolisierung des Fleischwarenverkaufs durch die Metzger erblickte, welchem bei der heutigen Fleischpreisgestaltung durch die Metzger nicht Vorschub zu leisten sei. Außerdem haben sich die Vorschriften der Min -Verf. vom Jahr 1903 betr. den Verkehr mit Schlachtvieh und Fleisch für die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Verkaufsräumen der Fleischwarenhandlungen

völlig genügend erwiesen. Mit dem Entwurf eines Reichsapothekengesetzes, welcher, von einigen wenigen Punkten abgesehen, das in Württemberg geltende Recht der unveräußerlichen und unvererblichen Personalkonzesfion übernimmt, erklärte sich die Kammer im Prinzip einverstanden. Da der Entwurf selbst ausdrücklich auf eine Regelung der Realkonzefsionsverhältniffe von Reichs wegen verzichtet und diese den Einzelstaaten über­läßt, hat die Kammer bevor ihr hieraus bezügliche Vorschläge der Württ. Negierung vorliegen, keinen Anlaß, sich zu diesem Kardinalpunkt der Reform des Apothekenwesens zu äußern. Außerhalb der Tagesordnung beschloß die Kammer nach viel- fachen an ihre Mitglieder gebrachten Wünschen und Beschwerden sich an die K. Generaldirektion der Staatseisenbahnen mit der Bitte um Wieder- ausgabe von Rückfahrkarten und sonstigen Fahrkartenvereinfachungen zum vollen Preis zu wenden, um dem seit Aufhebung dieser Fahrschein­arten entstandenen Gedränge an den Schaltern und der doppelten Inanspruchnahme des Schalterper­sonals, welche sicher zu vermehrten Kosten führen muß, vorzubeugen.

-r. Calw 9. Juni.. Die vom Jung, liberalen Verein auf gestern Samstag abend in den Gasthof z. Bad. Hof einberufene öffentliche Versammlung war von Mitgliedern aller bürgerlich-liberalen Parteien gut besucht. Auch die beiden hiesigen Abgeordneten, Verw.-Akt. Staudenmeyer und Fabrikant H. Wagner, waren anwesend. Nachdem der Vorsitzende, Rechtslehrer Fischer, die Versammlung begrüßt hatte, er- griff der Referent, Rechtsanwalt Wölz von Stuttgart, das Wort zu einem Vortrag über das Thema: Die nationale Bedeutung der liberalen Vereinigung. Zunächst verbreitete sich der Redner über die Notwendigkeit derselben, zu der die Verhältnisse im Innern des Reiches

sowie in seiner Weltstellung drängen. Das liberale Bürgertum muß wieder eine Macht werden, darum müssen solche, die lange grollend zur Seite standen, zu positiver Mitarbeit herbei- gezogen werden. Die Väter der heutigen, bis jetzt getrennten Liberalen, haben in den 48er Jahren Schulter an Schulter gekämpft, und auch unsere katholischen Mitbürger haben sich in jener Zeit im Kampf um die Freiheit und Einigkeit Deutschlands ihnen an die Seite gestellt. Das ist durch die Bildung eines politischen Zentrums anders geworden. Dieses konnte eine führende Stellung gewinnen weil der Liberalismus, der noch den Ausbau des Reiches schaffen konnte, in der Folge der Jahre zusammengebrochen ist. Ein Hauptgrund dieses Zusammenbruchs ist der, daß unsere Linksliberalen sich nur schwer an ein Zusammengehen mit Preußen gewöhnen konnten. Der dadurch geschaffene Gegensatz wirkte herein bis in die Gegenwart. Nun aber hat sich die Demokratie mit dem Reich versöhnt; sie will ihm die Mittel zur Erhaltung seiner Machtstellung gewähren und die Kolonialpolitik unterstützen. Angesichts des Zusammengehens eines feudalen Junkerrums mit dem Zentrum ist es notwendig, daß das liberale Bürgertum der Träger einer nationalen Politik werde. Wenn so ein Zu- sammenschluß der Liberalen notwendig ist, so muß betont werden, daß die grundsätzliche Stellung in wirtschaftlichen Fragen nicht ein Trennungsgrund sein kann, denn hier spricht nicht das Prinzip sondern die Notwendigkeit das entscheidende Wort; auch die prinzipielle Stellung zur Verfassung kann nicht mehr trennen. Liberal ist derjenige, der nicht andern seine Anschauungsweise auf­drängen will, der auch für andere Sachlage Ver- ständnis hat, der sich nicht durch die Autorität irgend einer Art leiten läßt. Der Liberale geht davon aus, daß das bürgerliche Leben nicht nach

Var KschenMchen von der Bretagne.

Von B. W. Howard.

(Fortsetzung.)

So schnell sie konnte eilte sie über den Dorfplatz, bis zu der großen Glastür, hinter welcher das gelbe Licht so verlockend schimmerte; dort traf sie Nannic, der auf der Schwelle zusammengekauert saß. Beim Herannahen seiner Schwester öffnete er die Augen. Sie nickte bedeutungsvoll und fragte, einen ängstlichen Blick auf die Tür werfend:Kannst du jetzt mit mir gehen?"

Ich soll auf ihn warten. Er fürchtet sich vor mir, weil er glaubt, ich habe etwas gehört. Er fürchtet, ich möchte ihn anzeigen. Als ob ich je etwas anzeigte I Darum hat er mich den ganzen Tag über nicht von der Seite gelassen. Als ob ick ihm etwas anhaben könnte! So ein armer kleiner Krüppel wie ich!^ In Nannics schlauer Miene lag eine Weit von bitterm Hohn und Triumph.

Nun denn, so werde ich gehen, ich wollte, du könntest mitkommen!" In aufwallender Zärtlichkeit setzte sie hinzu:Du bist stets ein lieber, gut er Junge gewesen, Nannic, der beste Bruder, den jemals eine Schwester gehabt hat, aber was du heute für mich getan ich ich" verlegen zupfte sie an ihrer Schürze, ihr bleiches, übermüdetes Gesicht begann sich zu röten; die kecke Guenn stammelte, zitterte und fand keine Worte.

Geh du nur heim," murmelte Nannic mit halbgeschlossenen Augen. Ihr Mädchen seid törichte Dinger, eine wie die andere."

Guenn vermied es quer über den geräuschvollen Platz zu gehen, und schlich sich im Dunkeln am Ufer so eilig als möglich davon. Die Fenster eines oberen Zimmers im Grand Hotel, wo die drei Maler mit einem Freunde Whist zu spielen pflegten, waren erleuchtet, sie stand einen Augenblick still und blickte hinauf. Sie hatte sie auch heute Abend zu

früher Stunde hineingehen sehen und als jetzt ein dunkler Schatten hinter dem Vorhang sichtbar wurde, hoffte sie, es sei Hamor, und machte sich durch diesen Gedanken beglückt ans den Heimweg.

Alle ihre Sinne waren geschärft und erregt wie nie zuvor. Ihr war als höre sie Gras und Kräuter wachsen und die Bäume sich strecken und dehnen. Nebelhafte Gestalten schienen vor und neben ihr aus dem Boden zu steigen. Mechanisch bekreuzte sie sich und setzte ihren Weg un­verzagt und unbehindert fort. So fest sie an das Vorhandensein einer übernatürlichen Welt glaubte, so wenig fürchtete sie dabei für ihre eigene Person.Ich störe sie nie in ihrer Ruhe. Warum sollten sie mir übel wollen?" dachte sie bet sich, erreichte bald ihr dunkles Haus, und schlüpfte in's Bett. Ihr Gehirn brannte, ihr Körper schien nirgends einen Stütz­punkt finden zu können. Ihr war als ob das Bett, das Zimmer, ja die ganze Hütte in bodenlose Abgründe versinken wolle.Er sagte mir noch, ich müsse essen. Vielleicht sehe ich dann morgen hübscher aus." Mühsam erhob sie sich, trank etwas Milch und ein paar Bissen Brot.

Als ihr Vater und Nannic heimkehrten, sah Rodellec sie anscheinend im tiefsten Schlafe liegen, sie zuckte nicht einmal mit den Wimpern, als er argwöhnisch das Licht der Kerze auf sie fallen ließ. Sobald er aber fort war, öffnete sie die Augen wieder und starrte noch stundenlang in's Dunkle; es war immer dasselbe Bild, das sich vor ihren geistigen Blicken entrollte: Die Menge zu Nevin um sie her, und Hamors Gesicht, unter allen das einzige, das sich von ihr abwandte.Wenn er mich nur noch einmal anschauen wollte, dann könnte ich gewiß einschlafen, und ich muß schlafen, denn ich soll morgen hübsch aussehen. Warum kann ich aber auch nicht zur Ruhe kommen, da ich doch weiß, daß die herrlichen Bilder gerettet find? Er liebt sie so von ganzem Herzen und arbeitet so fleißig daran." Hier hielt sie sich krampfhaft an der alten eichenen Bettlade fest, um sich vor dem Fallen, dem Versinken zu bewahren.