91. Amts- und ÄnzeigeblaLt für den Se;Lrk Calw. 82. Jahrgang.
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Sonntag, den S. Juni 1907.
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Tagesnenigkeiten.
Calw 4. Juni. (RathausberichtfürMai 4907.) Die bürgerlichen Kollegien haben angesichts der schlechten Vermögenslage des Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs und bei der allgemeinen Beliebtheit, welche sich die Einrichtung unter der hiesigen Einwohnerschaft. selbst erworben hat, beschlossen, die sonntäglichen Konzerte im Georgenäum auf die Stadtkasse zu übernehmen. Bedauerlicherweise ist die Stadtkapelle durch häufige auswärtige Aufträge verhindert, regelmäßig jeden Sonntag zu spielen. Am Sonntag, den 9. ds. Mts. wird das erste Konzert stattfinden. — Die Badeanstalt wurde am 1. Juni eröffnet. Als Badfrau wurde Frau Jakob Hennefahrt auf dem „Krappen" aufgestellt. — Am 3. Juni fand zwischen den Vertretern der K. Ministerialabteilung für den Straßen- und Wasserbau, den Herrn Oberbaurat v. Leibbrand, Reg.-Nat Ott, stellvertr. Straßenbauinspektor Wegmann und den bürgerlichen Kollegien in Anwesenheit des Herrn Reg-Rats Völter Verhandlungen über den Plan und die Kostenvsrteilung für dis Verbesserung der Stuttgarter Straße statt. Die Pläne wurden auf dem Rathaus und im Gelände des Näheren erläutert. Die Verbesserung der Straße beginnt beim Oet- tinger'schen Hof und endet bei der Städt. Bodenwage in der Bahnhofstraße. Zwischen den Anfangs- und Endpunkten der Verbesserung ist die neue. Straße 2186 m, die alte 1250 m lang. Den Höhenunterschied von 93,6 m (424,6—331 w über N. N) überwindet die neue Straße mit Gefällen von 5; 4,4; und 6°/»; der Uebergang in die Bahnhofstraßs unter den Eisenbahnviadukten muß auf eine Länge von 30—35 m mit 8,5°/» gewonnen werden. Die mit einem Halbmesser von 20 in vorgesehenen, beiden Kehren liegen in
einem Gefäll von nur 3°/». Die alte Straße wies Gefälle von 5,2—12,4°/» auf. Die neue Straße erhält außerhalb Etters durchweg eine Kronenbreite von 7m, wovon 5 m auf die chauffierte Fahrbahn, 1,5 m auf den erhöhten Gehweg und 0,5 m auf das Bankett entfallen. In den Wendeplatten ist die Fahrbahn bis auf 9 w erbreitert. Von der zweiten Wendeplatte beim Eisenhard'schen Haus ab benützt die neue Straße den Talweg des Ziegelbachs, in dem derselbe mittelst Kanals überdeckt wird, und zwar wird dieser Kanal zur neuen Straße so gelegt, daß er einem Anbauen der Straße keine Hindernisse bietet. Innerhalb Eiters wird der seither offene, zwischen einer senkrechten Ufermauer und dem Widerlager der Eisenbahnviadukte gefaßte Ziegelbach mittelst Betoneisenplatten überdeckt und als erhöhter Fußweg von 2,5 m Breite ausgenützt. Das Gebäude Nr. 421 der Frau Pflüger Witwe an der Einmündungrstelle der neuen Straße muß der Straßenverbesserung geopfert und abgetragen werden. Die Ettergrenze befindet sich unmittelbar oberhalb des Pflüger'schen Hauser.
Die Kostenvoranschläge sehen vor außerhalb Etters für Grunderwerb und Bauarbeiten für die Straße 127 000 für die Kanalisierung des Ziegelbach« 68 000 zusammen 195 000 welche den Staat treffen; innerhalb Etters belaufen sich Grunderwerü und Bauarbeiten für die Straße auf 22 400 bez. 5 500 die Kanalisierung des Ziegelbachs auf 11 400 zusammen 39 300 welche zunächst Sache der Stadt sind.
Die Kollegien erklärten sich mit den Plänen einverstanden, baten aber dringend um möglichste baldige Inangriffnahme der Verbesserung, auch der Straße oberhalb des Eisenbahndurchlafse» gegen Althengstett. Die Bauherrschaft über die Ziegelbachkanalisierung außerhalb Etters, welche ur-
sprüngl. der Stadt obliegt, übernimmt bei der engen Verbindung des Straßen- und Kanalbaues auf Ansuchen der Gemeinde der Staat, ebenso die Bauaufsicht innerhalb Etters. Zu den Kosten der Ziegelbachkanalisation außerhalb Etters wird die Stadt dem Staat einen Beitrag in Höhe der Hälfte der Kosten (34 000 ^) leisten, wogegen der Stadt Staatsbeiträge von 25°/» der Kosten der Etterstraßsnverbesserung (5500 und des hiezu nötigen Grund- und Gebäudeerwerb?, und von 50°/» der Kosten der Kanalisation in Aus. sicht gestellt wurden. Die Unterhaltung des Kanals außerhalb Etters wird Sache des Staats; die Reinhaltung liegt der Stadt ob, wogegen ihr das Recht der Einleitung von Ab- und Tagwasser aus den angrenzenden Stadtteilen zusteht.
Nachdem hiedurch die rechtlichen Grundlagen für den Straßenbau geschaffen sind, ist zu wünschen, daß auch die finanziellen baldigst beschafft werden, und mit der Beseitigung des in der alten Straße liegenden schweren Verkehrshindernisses der Stadt gleichzeitig ein weites, schönes Baugelände sich erschließe. —
Bei dem am 4. Juni stattgehabten Stamm- holzverkauf standen 815,04 Fm. im Taxpreis von 15 237 ^ aus den Abteilungen Rudersberg, Wurflbrunnen, Kuckucksfelsen, Hühneräcker, Reisig, Alzenberg, zum Verkauf. Gelöst wurden 115, 118 und 120°/». Die Käufer waren die herkömmlichen Firmen aus dem Nagoldtal und aus Pforzheim. —
In der Sitzung des Gemeinderats vom 6. Juni wurden die Coakspreise der Gaswerks mit der Erhöhung der Kostenpreise in Einklang gebracht. (S. Bekanntmachung der Garwerksverwaltung.) —
Als Badezeit für Mädchen im Städt. Flußbad ist für Dienstag und Donnerstag die Zeit von 2—5 Uhr nachmittags, an den übrigen Wochentagen die Zeit von 2—4 Uhr
Var NschemSdchen von der Bretagne.
Von B. W. Howard.
(Fortsetzung.)
Am Abend ging es in Plouvencc lauter und lebhafter zu wie gewöhnlich; alles war überfüllt durch die Besucher des Neviner Gnadenfestes, von denen es viele vorzogen, erst am nächsten Morgen nach ihren Dörfern und Bauern. Höfen heimzukehren und die Nacht noch lustig in Plouvenec zu verbringen. Auf dem Dorfplatz drängte sich eine wogende, lärmende Menge — im seltsamen Gegensatz zu der dunklen, unbeweglichen Masse der Festung mit ihren ragenden Zinnen auf der kleinen Insel. Von der See her strich eine scharfe Brise und kühlte die heißen Stirnen und klopfenden Schläfen, die sich der frischen Nachtluft aussetzten. Most und Grog floß in Strömen, und die kleine, gelbe Flamme hinter der Glastür der Schenke zog unzählige Opfer in ihren unheilvollen Bannkreis.
Der Polizeichef hatte heute zwei Schutzleute mehr als gewöhnlich auf Posten gestellt, und sein eigenes, mildes Antlitz ließ sich allerwärts sehen. Diese Form beobachtete er mit der größten Gewissenhaftigkeit. Daß es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, seine bretagnischen Landsleute nach einem Gnadenfest wirklich im Zaum zu halten, sah er als guter Bretagner vollkommen ein. Er war nicht wenig erstaunt, als kurz nach 9 Uhr Guenn Rodellec auf ihn zukam und ihn ohne weiteres hastig mit sich aus der Seh- und Hörweite der Menge in den Schatten zog.
„Ich warte schon eine ganze Stunde, Monsieur," sagte sie atemlos, „ich muß Sie sprechen, und darf mich dabei nicht sehen lassen."
„Nun, was giebt es denn, Guenn?"
„Ich weiß, daß etwas im Werk ist; Sie müssen es verhindern, dürfen aber weder nach den Tätern forschen, noch sie festnehmen."
„Da ist ja aber gesetzwidrig!"
„Einerlei — so und nicht anders müssen Sie handeln," erwiderte sie kurz, „Sie dürfen nicht mehr und nicht weniger tun."
„Aber so erkläre mir nur, wovon die Rede ist!"
„Ich werde Ihnen nichts erklären, bis ich Ihr Versprechen habe." Sie stemmte die Hände auf die Hüften und sah ihn trotzig an.
Er zögerte noch. „Ist es wirklich etwas Schlimmes?"
„Ja, etwas sehr Gottloses."
„Vielleicht komme ich auch ohne Dich dahinter."
„Unmöglich! Ich kenne mich besser im Dorfe aus wie Sie."
„Und warum kannst du mir's nicht gleich sagen?"
Sie zuckte die Achseln, dann faßte sie dringender seinen Arm. „Vertrauen Sie mir, Monsieur, ich weiß, was ich rede. Geben Sie mir Ihr Wort, und ich sage Ihnen alles."
„Aber ich würde mich ja zum Mitschuldigen des Verbrechens machen!" meinte der junge Mann unschlüssig.
„Ach was! Die Leute sind genau so schlecht, ob sie die Tat vollbringen oder nicht. Wenn sie die Absicht haben eine Schändlichkeit zu begehen, so ist das gerade so gut als hätten sie's schon getan. Jene Männer werden Sie nicht bessern, aber Sie können doch das Unheil von andern abwenden. Wollen Sie oder wollen Sie nicht? Wenn Sie nicht einwilligen, wende ich mich an jemand anders?"
Er begann zu ahnen, wer wohl einer der Uebeltäter sein mochte. „Könntest Du die ganze Sache nicht selbst verhindern?" fragte er vorsichtig.
„Doch ja — ich könnte es schon" — erwiderte sie düster; „aber das nächste Mal, wenn wieder ein Unheil im Werke wäre, möchte es schlimm ablaufen."
Sie tat ihm sehr leid. Ihre Stimme klang so traurig und gedrückt; und den Tag über, beim Feste hatte sie so schön und glücklich aurgesehen,