88. Amts- und Änzeigeblatt für den Sezirk Calw. 82. Jahrgang

Erscheinunzstage: Dienrtaz, Donnerstag. Eams- lag. Sonntag. JnsertionSpreis 10 Psg. pro Zeile für Stadt nnb Bezirksorteaußer Bezirk 12 Pfg.

Dienstag, de« 4. J««i 1907

LLonnernenrSpr.ind. Stavrpr.Btertelj. Mk.l.ioinel.rrägerl. OirrteLjLhrl. PostLezugspreiS ohne vastella. f. d. OrtS- u. Nachbar, ^«verkehr 1 Mk.. f. d. sonst. Verkehr Äk. 1.10, Bestellgeld 20 Psg-

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung.

Mannschaften aller Waffengattungen der Reserve, die zum Dienst in Südwestafrika bereit find, können sich bis eiaschl 10. Juni ds. Js. Wochenvormittags 9 Uhr beim Unterzeichneten Bezirkskommando melden.

Bezirkskommando Calw.

Bekanntmachung betr. die Abhaltung des am 4. Juni in Horb fälligen Biehmarktes.

Der Zutrieb zu dem Viehmarkt am 4. Juni in Horb aus den im Umkreis von 12 km von den Seuchenorten Rohrdorf und Egenhausen Oberamts Nagolg gelegenen Gemeinden ist verboten worden.

Vergl. die oberamtl. Bekanntmachung vom 30. Mai ds. Js., Calwer Wochenblatt Nr. 86.

Calw, 1. Juni 1907.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

Tagesnenigkeite».

* Calw. Die Wirksamkeit der Zeltmission bildet seit einigen Wochen das Tagesgespräch in unserer Stadt und deren Umgebung. Während die einen nur mit Spott und Hohn auf die Zeltmission und ihre Redner Hinweisen oder sich ganz indifferent gegen die Bewegung stellen, erscheint den andern die Tätigkeit der Mission als ein Gott ganz besonders wohlgefälliges Werk. Im allgemeinen steht die städtische Bevölkerung dem Tun und Treiben der Zeltmisfion fern, denn sie sieht darin eine unnötige Sektiererei gewisser Kreise, die statt zu einer Sammlung und Stärkung des Protestantismus vielmehr zu einer Zersplitterung der evang. Kirche führen müsse und die nur dem geistigen Hochmut einiger religiöser Eiferer entsprungen sei. Die Landbevölkerung dagegen eilt haufenweise in die

Zeltmisston; sie scheint dem demagogischen, zum Teil fanatischen Treiben der Himmelsstürmer der Zelt­mission der schlichten Verkündigung des Wortes Gottes in der Landeskirche den Vorzug zu geben, geblendet durch äußere, Herz- und sinnbetörende Machenschaften und gefangen von den aufvringlichen Ausführungen der Zeltredner. In sehr scharfen Worten und mit beißender Satyre wendet sich Stadtschultheitz Conz imMerkur" gegen die hiesige Zeltmission und ihre Führer. Zur näheren Orientierung hauptsächlich für die Landbevölkerung lassen wir den Artikel im Wortlaut folgen mit Auslassung einiger Punkte, die bei der Vertrautheit unserer Leser mit den lokalen Verhältnissen kein weiteres, allgemeines Interesse bieten:

Die Zeltmission in Württemberg.

Eine neue Art religiöser Betätigung sucht seit Pfingsten in Württemberg, und zwar zunächst in Calw, Eingang: die Zeltmisfion. Da sie von Calw aus auch andere Städte, Cannstatt, Ludwigs­burg, Hetlbronn, aufsuchen will, und sich nicht bloß an die kirchlichen Kreise, sondern an die weite Oeffentlichkeit wendet, darf ihr gewiß auch in den Spalten eines weltlichen Blatts einige Aufmerksam­keit geschenkt werden.

Woher stammt die Zeltmission, welche Ziele verfolgt sie, und mit welchen Mitteln sucht sie die­selben zu erreichen? Diese Fragen wollen wir'uns von den Vertretern der Zeltmission selbst beant­worten lassen aus ihren Reden und Schriften: Hie- nach will die Zeltmisfion nicht etwa eine Nachbildung amerikanischer oder englischer Vorbilder (Heilsarmee) sein, sondern den Gedanken, Christentum in einem Zelt und von einem Zelt aus zu betreiben, nehmen die Gründer, vornehmlich derEvangelist" Jakob Vetter, als einen originalen für sich in Anspruch. Die Anfänge wurden in Westfalen gemacht. Die Deutsche Zeltmisfion" verfügte bisher über 4 Zelte, die im Osten und Westen Deutschlands und in der Schweiz tätig find; jetzt wendet man sich nach dem unbekehrten Süddeutschland". Als Ziel schwebt der Zeltmisfion vor:daß Sünder gerettet und daß die Kinder Gottes gefördert werden".Man will einen guten Einfluß auf das ganze Volksleben, so­

wohl in sozialer als auch in moralischer Hinsicht ausüben, die gläubige Christenheit aller Kirchen beleben und erwärmen". Dies soll erreicht werden durch große Zeltversammlungen für Männer, Frauen, Jünglinge, Jungfrauen, Erweckte und Neubekehrte mit Eoangelisattonsvorträgen, Gebet, Gesang, Po­saunenmusik. In sogenannten Nachversammlungen wird auf dieErweckten", die sich melden, noch besonders und einzeln seelsorgerisch eingewirkt. Besonderen Wert scheint die Zeltmisfion auf die Versicherung zu legen, daß sie nicht das Ziel ver­folge, eigene Gemeinschaften zu gründen; daß sie vielmehr für die bestehenden Gemeinden, Gemein­schaften und Vereine arbeiten und ihnen die von ihr Bekehrten zuführen wolle, und daß sie eine besondersmoderne Wortverkündiguug" habe.

Wie sieht es nun in Wirklichkeit mit dieser Originalität, diesen Absichten und Mitteln aus? Soviel man in Calw beobachten konnte, ist zunächst die Originalität der Zeltmisston eine sehr zweifelhafte. Die Einrichtung ihrer Versammlungen für Männer, Frauen:c weist auf die katholischen Missionen" und dieEvangelisationen" eines Schrenk hin. Wer aber Versammlungen der Zelt­mission betgewohnt har, wird einen ReligionSbetrieb" vorfinden, der einem deutschen Stifter wenig Ehre macht, der den deutschen, auf eine Vertiefung und Verinnerlichung des religiösen Gefühls gerichteten Volkscharakter durchaus verleugnet, die Grundlagen und Aeußerungen des christlichen Lebens in unprote- ftantischer Weise verflacht und das Hauptgewicht auf eine in äußerlich wahrnehmbaren Effekten bestehendeBekehrung" legt: ein Betrieb, der aufs Haar der Heilsarmee entlehnt ist. Für ihre Absichten auf die Errettung der Sünder und Förderung der Gotteskinder wollen und können wir der Zeltmisston die bona kickeg nicht absprechen. Weniger Glauben verdient sie aber mit ihrer Ver­sicherung, daß sie keine neue Gemeinschaft zu gründen beabsichtige, sondern nurdie von ihr Er­weckten den alten Denominationen und ihren Seel­sorgern zuführen" wolle. Denn sie würde damit an ihren Erweckten schändlich handeln. Nach einer vielverbreiteten Predigt des Gründers Jakob Vetter

Var zischermäbchen von der Bretagne.

Von B W. Howard.

(Fortsetzung.)

Diesmal ist's Glück," krächzte Nannic geheimnisvoll.

Leichtfüßig sprang Guenn zu Alain zurück, sie kam gerade zum Anfang. Glück, Glück!" riefen die Sackpfeisen,Glück," tönte es in ihrem seligen Herzen nach, undGlück", klang es ihr jedesmal, wenn Alain tapfer aufstampfte, um den Takt zu bezeichnen. Sie sah Hamors und Nannics Gesicht, ihr eigenes ward bleich vor innerer Aufregung, wie sie jetzt die ersten leichten, abgemessenen Schritte tat, den kostbaren Atem sparend. Unermüdlich klang die eintönige Pfeife, und im Kreise drehte sich die Schar der Tänzer, nach einer halben Stunde schon um ein beträchtlicher vermindert. Al» Guenn dies bemerkte, schlug sie alle Vorsicht in den Wind. ,^.1Iou8," rief sie und tanzte wie nie zuvorschneller, schneller", rief sie den keuchenden Musikanten zu, dann winkte sie ihnen lachend, von ihrem Podium herabzusteigen. Sich wundernd, wo das hinaus wolle, aber immer weiterspielend, gehorchten sie langsam. Jedes Auge war auf Guenn gerichtet, eine förmliche Anziehungskraft schien von ihr ausgehen. In ihrem strahlenden Gesicht, ihren elastischen Bewegungen, war auch nicht die Spur einer Ermüdung warzunehmen. Hinreißend in ihrer Lieblichkeit, mit wahrer Herrschermiene führte sie den Reigen. Plötzlich jedoch tat sie einen schnellen, unerwarteten Sprung hinaus aus dem Tanzsaal ins Freie, in die frische Luft und den Hellen Sonnenschein, die sie in diesem entscheideden Moment mit unwiderstehlicher Gewalt zu locken schienen. Der Kirche zu, wo am Morgen die Ablaßfeierltchkeiten mit einer glänzenden Prozession begonnen hatten, führte wie ein zweiter Rattenfänger von

Hameln dies jugendlich reizende Mädchenbild die erschöpfte Schar, arglistig noch einen Hügel aussuchend, an dem die letzten noch übrigen Kräfte erlahmen mußten. Guenn hatte richtig berechnet: Ein Paar nach dem andern entzog sich atemlos dem tollen Reigen, zuletzt vermochten auch die Sackpfeifer den an sie gestellten Auforderungen nicht mehr zu genügen. Auch Main, ob aus Atemnot oder aus Artigkeit, hatte aufgehört zu tanzen, so stand Guenn allein, stolz und siegreich der staunenden Menge gegenüber.

Sie breitete beide Arme aus und warf sie dann zurück, als wolle sie der ganzen Versammlung die Siegerin in höchsteigener Person vorsühren. Langsam ließ sie die Arme wieder sinken, und stand mit geöffneten Lippen da, heftig atmend, anscheinend aber mehr vor Aufregung als vor Ermüdung. Dies war der Höhepunkt ihres Triumphs! Ihre ganze kleine Welt war Zeuge ihres Sieges gewesen, nun konnte sie die ehrlich erworbenen Lorbeeren Hamor zu Füßen legen, so ärmlich sie waren, sie ahnte nicht, daß es bessere geben könne. Vor innerer Erregung zitternd, schmachtete ihr ganzes heißer Herz nach ihm. Ihre schönen Augen suchten mit leidenschaftlichem und doch kindlichem Flehen die seinen.Schenk' mir auch dein Lächeln, o Du mein Meister, damit es meiner Freude die Krone aufsetze!"

Hamor hatte ihr lange aufmerksam und mit sichtlichem Vergnügen zugeschaut, war aber in diesem Augenblick durch lebhafte Erörterungen über eine Frage der Moral gefesselt und von ihr abgeleitet worden. Die junge Dänin hatte sich bedauernd darüber geäußert, daß die kleine Helene, durch das Modellsitzen in so früher Jugeikd, systematisch zur Eitelkeit und Selbst. Überhebung erzogen werde. Hamor behauptete dagegen, daß selbst, wenn die Kleine allzu eingebildet würde, dies immer noch besser für sie sei, als ohne ein Bewußtsein ihrer Schönheit aufzuwachsen, und in den Fischpack. Häusern bei harter Arteit gemein und häßlich zu werden.

Guenn sah, daß er nicht auf sie blickte sein Gesicht allein war von ihr abgewandt in diesem wichtigen Moment das einzige in der