87 .
Amts- und Anzeigeblatt für den Sezirk Calw.
82. Jahrgang
SrscheinungStage: Dienstag, Donnerstag, Samstag, Sonntag. JnsertionSpreiS 10 Pfg. pro Zeile für Stadt ank SezirkSorts; außer Bezirk IS Pfg.
Sonntag, de« 2. Juni 1907
«donnern entSpr. in b. Stadtpr. Bierteij. Mt. l.t0incl.rrügerl. Biertcllähri. VostbezugSpreiS ohne Bestellg. f. d. Ort«- u. Nachbar, ort-oerkehr I Mi., f. l». sonst. Beriehr Mi. 1.10, Bestellgeld 20 Psg»
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung.
Mannschaften aller Waffengattungen der Reserve, die zum Dienst in Südwestafrika bereit find, können sich bis einschl. 10. Juni ds. Js. Wochenvormittags 9 Uhr beim Unterzeichneten Bezirkskommando melden.
Bezirkskommando Calw.
Tagesneuigkeiten.
s Deckenpfronn 31. Mai. Der Monat Mainahm, von einigen unfreundlichen, rauhen Tagen abgesehen, für den Landwirt einen sehr günstigen Verlauf. Die Obstblüte kam im großen ganzen zur prächtigen Entfaltung. Aepfel und Birnen, besonders aber Zwetschgen haben schön angesetzt, und wenn auch die leidigen Schädlinge, insbesondere die Larve des Apfelblütenstechers, der „Kaiwurm", die Raupe des Frostnachtspanners und die Gespinnstmotte, ihr Zerstörungswerk trieben und treiben, so darf doch bei der über- reichen Blüte auf einen guten Herbst gehofft werden. Wintersaat und Klee sind ohne nennen», werten Schaden durch den langen, schneereichen Winter gekommen und stehen wie das Wiesen- gras dicht und voll da. Die Imker haben dank rechtzeitiger Fütterung im Herbst ihre Völker größtenteils in voller Stärke durch den Winter gebracht und sehen mit vergnügtem Gesichte auf die erste ausgiebige Tracht. Baumwart Fr. Süßer bekam zu seiner Freude schon letzten Sonntag einen starken Schwarm.
Malmsheim 31. Mai. Die Ausbeutung der zu beiden Seiten der Staatsbahn in der Nähe des hiesigen Orts sich ausdehnenden sehr mächtigen Kalksteinlager zu Bauzwecken, zur Beschotterung von Straßen und des Bahnkörpers
hat seit Jahren Werkmeister Wiehl aus Stuttgart übernommen. Zwei Lokomobilen setzen zwei Zerkleinerungsmaschinen in Bewegung, welche die von etwa 100 fleißigen Arbeitern, von hier, aus der Nachbarschaft und Italienern, gebrochenen Kalksteinmafsen bearbeiten. Neuerdings erstellt der sehr rührige Unternehmer ein Gebäude zur Fabrikation von Kunststeinen aus Feinschotter. Eine Förderung dieses Untnehmens und damit weiter Bevölkerungskreise wäre es, wenn die hiesige Haltestelle durch Erstellung eines Güterbahnhofs eine Erweiterung erfahren würde.
Stuttgart 31. Mai. Der König und die Königin haben sich heute nachmittag 3 Uhr mit Sonderzug zu mehrwöchigem Aufenthalt nach Bebenhausen begeben. In Begleitung der Majestäten befanden sich Oberhofmarschall Frh. von Wöllwarth, Kammerherr Frh. von Raßler, Flügeladjutant Oberstleutnant von Hofacker und die Hofdame von Süßkind-Schwendi.
Stuttgart 31. Mai. Die zweite Kammer hat heute Nachmittag die Beratung über den Etat der Zentralstelle für Gewerbe und Handel fortgesetzt und zwar bei Titel 1, dem dank der Flut von Anträgen bereits 3 Sitzungen gewidmet worden sind. Der Abg. Andre (Ztr.) vertrat folgenden Antrag: Die Regierung zu ersuchen, die Beamten der Gewerbeaufsicht zu Erledigung der wichtigeren und schwierigeren Geschäfte zu einem unmittelbar unter dem Ministerum stehenden Kollegium zu vereinigen, an dessen Beratungen und Beschlußfassungen Arbeitgeber einerseits, Arbeiter und Arbeiterinnen andererseits, in gleicher Zahl teilnehmen, zu deren Bestellung diesen Berufskreisen eine Mitwirkung zustehen soll. Der Abg. Schick (Ztr.) wandte sich gegen den an sich gut gemeinten sozialdemokratischen Antrag betr. die Ausdehnung der Sonntagsruhe, weil er ein Eingriff in berechtigte Interesse sein würde. Die Leute vom Lande seien genötigt, an Sonntagen ihre Bedürfnisse
in der Stadt zu decken. Der Ageordnete Hieb er (D. P.) begründete zur Frage des Submissionswesens einen Antrag, daß wenn von mehreren Handwerkern gleichwertige Angebote vorliegen, bei der Zuschlagserteilung diejenigen Bewerber vorzugsweise zu berücksichtigen sind, die berechtigt sind, den Meistertitel zu führen. Außerdem beantragte er die Verweisung sämtlicher diesbezüglicher Anträge an die volkswirtschaftliche Kommission. Minister v Pischek erklärte sich gegen jede Aende- rung der Organisation der Zentralstelle, die doch geändert werden müsse, wenn, wie er hoffe, die Arbeitskammern bald kommen und sprach sich auch sehr entschieden gegen eine von Häffner (D. P.) vorgeschlagene, progressive Umsatzsteuer für alle Großbetriebe aus, da diese durch die progressive Einkommensteuer genug belastet seien und bei weiterer Besteuerung unsere Großindustrie aus dem Lande getrieben würde. Schließlich betonte der Minister auch noch seine ablehnende Haltung gegenüber dem Antrag des Zentrums auf Schaffung eines selbständigen Kollegiums für die Gewerbeinspektion. Der Abg. Mayer-Ulm (Vp.) legte die Haltung seiner Partei zu den verschiedenen Anträgen dar und beantragte für den Fall der Annahme des Antrags Gröber, wonach das organisierte Handwerk zur Feststellung der Voranschläge und Bedingungen bei Vergebung der öffentlichen Arbeiten und Lieferungen zuzuztehen ist, die beigezogenen Personen von der Beteiligung an der Submission ausgeschlossen werden. Der Redner begründet ferner einen mit der Deutschen Partei gestellten Antrag auf Zuziehung einer ange- angemeffenen Zahl von Privatbeamten zu Mitgliedern des Beirats der Zentralstelle und auf Verstärkung der Lohnarbeiter. Der Abg. Körner (B. K.) erklärte sich für den Antrag des Zentrums betr. das Submissionswesen sowie den diesbezüglichen Antrag Hieber, desgleichen für die Anträge betr. das Wandergewerbe. Den Bestrebungen auf Aufhebung des Verbots des terminmäßigen Börsenhandels in Getreide bat er entgegenzutreten. Weiter wandte er sich gegen die Einwendungen, die gegen den Antrag Hiller betr. die Konsumvereine erhoben worden sind, indem er ihre Schädlichkeit und die der
Var MschermSdchrn von der Bretagne.
Von B W. Howard.
(Fortsetzung.)
„Wer bist du denn, Kind? Ich habe dich noch nie in Nevin gesehen."
Ehemals, in den Tagen ihrer FreiheU würde Guenn mit einem kecken: „Ich bin Guenn Rodellec; wer find denn Sie?" geantwortet haben. Jetzt aber entgegnete sie mit einem halb verschämten, halb freudigen Blick auf Hamor, zugleich mit dem Finger nach ihm weisend: „Sein Modell!" Ihr ganzer Stolz, in seinem Triumphzug folgen zu dürfen, selbst als namenlose Sklavin, lag in diesen zwei Worten.
„Was für ein ungewöhnlich schönes Mädchen!" murmelte die Malerin auf Englisch.
„Aber, willst du mir nicht etwas geben, das ich zur Erinnerung an dich aufbewahren kann?" wandte sich die junge Dame Guenn wieder zu. Sie war entzückt von der Freimütigkeit und Schönheit des Mädchens und bewunderte die warmherzige Regung, die das Dorfktnd veranlaßt hatte, ihr Glück mit einem weniger bevorzugten Wesen zu teilen. „Vielleicht gibst du mir eine jener hübschen Nadeln? —"
„Sehr gern, Mademoiselle," und Guenn begann sich der bezeichneten Trophäe zu entledigen. Sie war geschmückt gleich einem mit Orden be- hangenen Feldmarschall, der zum Hofball geht, ihr Halstuch bedeckten ganze Reihen Vorstecknadeln mit buntfarbigen Wachsköpfen und Gehängen von Gold- und Silberkettchen, alles Zeichen der Verehrung, die ihr mindestens die Hälfte der Matrosen und jungen Landleute dargebracht hatten.
„Warum hast du diese Farbe gewählt?" fragte die Künstlerin und befestigte das hellblaue Schmuckstück an ihrem Kleide.
„Es ist die hübscheste Nadel und sie hat die Farbe von Mademoiselles Augen," erwiderte Guenn, ohne die geringste Absicht schmeicheln zu wollen.
Ein Murmeln des Beifalls ließ sich in englischer Sprache unter den umstehenden Künstlern vernehmen.
„Sie macht Ihnen Ehre, Hamor," sagte ein Neviner Studienfreund.
„Wer hätte solche Antwort von einem Plouvenecer Fischermädchen erwartet," meinte ein anderer.
„Ich muß gestehen," erklärte Hamor lachend, „ich erkenne sie selbst kaum wieder mit diesen neuen, höflichen Umgangsformen. Sie muß bei erstaunlich guter Laune sein I Guenn ist das hübscheste Mädchen, das ich je gesehen habe, und mir bei der Arbeit nützlich; was aber ihre Liebenswürdigkeit anbelangt, so läßt sich davon nicht viel Rühmens machen. Glücklicherweise ist dies ja zu meinem Zweck nicht unbedingt nötig."
Guenn, die seine liebe Stimme ihren Namen aussprechen hörte, sah mit dankbarem Lächeln zu ihm auf.
„O, Monsieur Hamor," rief die junge Dame vorwurfsvoll, „wie können Sie so etwas sagen I Sie ist das entzückendste, kleine Ding von der Welt, ich bin überzeugt, daß sie auch ein sanftes, freundliches Gemüt besitzt. — Dein Name ist also Guenn?" wandte sie sich abermals an das Mädchen, lediglich um das Gespräch mit ihr zu verlängern.
„Ja, ich bin Guenn," sagte sie, im stillen überlegend, ob da« einfache graue Kleid mit dem Leinenkragen Hamor wohl gefallen könne; auch hätte sie die Hände der Dame für ihr Leben gem ohne Handschuhe gesehen.
„Aber, Du weißt nicht, wer ich bin?"
„O doch, Sie find Monsieur Stauntons Schatz."
Die Fremde errötete in tiefster Verlegenheit. Sie und Staunton befanden sich noch in jenem schwankenden, doch seligen Zustand der Unze- wißheit, sie war daher auf solche unverhohlene Deutlichkeit nicht vorbereitet.