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eines Zentralbahnhofs in Alt-Stuttgart die Er­stellung eines Zentralbahnhofes in Cannstatt empfehle, zu Ende geführt. Die erste Frage wurde einstimmig bejaht, die zweite einstimmig verneint, die dritte mit 13 Stimmen und zwei Stimmenenthaltungen verneint. Alsdann wurde die Ziff. 7 des Art. 1 beraten, die eine zwei­gleisige Hauptbahn von dem Güterbahnhof Unter- türkheim nach Wangen und von da auf dem linken Neckarufer nach Plochingen und die Herstellung eines Güterbshnhofs Gaisburg fordert. Diese Ziffer wurde angenommen in der Form:eine Eisenbahn von dem Güterbahnhof Untertürkheim nach Wangen und die Herstellung eines Güter­bahnhofs Gaisburg." An der Strecke Wangen Plochingen wurde folgende Resolution ange­nommen :Die K. Regierung zu ersuchen, weitere Erhebungen nach der finanziellen betriebstech­nischen und volkswirtschaftlichen Seite über die Frage anzustellen, ob der viergleisige Ausbau der Hauptbahnstrecks UntertürkheimEßlingen- Plochingen nicht vorteilhafter erscheint, als der Bau einer zweigleisigen, linksuferigen Neckarbahn und das Ergebnis dieser Erhebungen den Stän­den vorzulegen." Die Abstimmung erfolgte mit 9 gegen 6 Stimmen.

Stuttgart 25. Mai. Im Alter von 60 Jahren ist heute früh der bayrische Gesandte, Staatsrat Freiherr von der Pfordts«, der im Laufe des gestrigen Nachmittags über leichtes Un­wohlsein klagte, unerwartet rasch gestorben. Frei- Herr von der Worden wurde im Jahre 1895 von Bern, wo er Ministerrefident war, auf den hiesigen bayrischen Gesandtenposten berufen. Er war ein Sohn des früheren bayrischen Ministers des Aeußern von der Pfordten.

Stuttgart 25. Mai. Die unter der Leitung des Gewerbegsrichtsvorsitzenden vr. Göbel geführten Verhandlungen zwischen den Ausständigen im Malergewerbe und den Arbeitgebern find gescheitert. Der Ausstand dauert somit weiter. Eine gestern abend abgehaltene Ver­sammlung der Gehilfen beschloß, die Streikunter­stützung zu erhöhen.

Stuttgart 25. Mai. Heute früh ist an der Baugrube Ecke Becher- und Sporerstraße ein Teil der Straßen eingerutscht, sodaß beide für den Verkehr gesperrt werden mußten.

Stuttgart 26. Mai. Ein Seiltänzer Haldsr, welcher in Verbindung mit einem Fräu­lein von einem Tübinger Doktor, dem er sich als Rechtsanwalt von Köln vorgestellt hatte, einen größeren Betrag zu erpressen versuchte, wurde auf telefonische Verfolgung von Tübingen her hier verhaftet.

Cannstatt 25. Mai. Einem hiesigen Metzgermeister wurden, während er sich bei einer Hochzeit befand, 300 aus seinem Laden ge­stohlen. Der Dieb, ein unlängst aus dem Ge­fängnis entlassener Sträfling, wurde gestern fest­genommen.

Vom Oberamt Gerabronn 25. Mai. Unsere Landwirte find zur Zeit mit dem Schälen der Rinde beschäftigt, es läßt die gute Witterung der letzten Tage auf eine gute Ware rechnen. Leider machen die künstlichen Gerbstoffe die Eichen­lohrinde immer entbehrlicher. Die hohen Häute­preise zwingen viele Gerber zum Uebergang zur Schnellgerbung um nicht mit Verlust zu schaffen. Die Preise für Glanzrinde sind die gleichen wie im Vorjahr.

Pforzheim 25. Mai. Die kommende Brotpreiserhöhung, eine Folge der steigenden Getreidepreise, wird bereits in den Zeitungen besprochen. Diese Brotpreisfrage droht hier zu einem neuen Streit zwischen dem Rabattspar, verein der hiesigen Ladeninhaber und dem mehrere tausend Mitglieder zählenden Konsumverein zu führen. Es heißt nämlich, daß die Bäckermeister mehr oder wenigerdringend eingeladen" werden sollen, dem Rabattsparverein beizutreten, andern, falls der Rabattsparverein in den Spezereigeschäften Brotniederlagen einrichten wolle. Ein solches Geschehnis würde zwar den dem Konsumverein entgegengesetzten Rabattsparverein äußerlich sehr kräftigen. Andererseits ist aber bereits eine Agitation rege, welche darauf hinweist, daß die Bäcker dann nicht nur um den unumgänglichen Satz, sondern auch um die bekannten 5 °/o de» Rabattsparvereins aufschlagen müßten. Die Bäckermeister sind in einer mißlichen Lage; doch dürften sie eher das Mißfallen des Rabattspar­vereins, als einen Brotflre-k bezw. einen lieber- gang der Kunden zum Konsumverein riskieren.

Berlin 25. Mai. Das Interesse des Publikums machte sich bei der heutigen Verhand- lung im Pöplau-Prozeß in höherem Grade bemerkbar. Kurz nach 9 Uhr eröffnete der Vorsitzende die Versammlung. Unter den in den Saal tretenden Zeugen bemerkte man die Reichstagsabgeordneten Arendt, Bebel und Erz­berger. Hierauf begann der Aufruf der einzelnen Zeugen. Von den vom Angeklagten geladenen Zeugen sind außer den Abgeordneten Arendt» Bebel und Erzberger nur der Geheime Hofrat Krüger anwesend. Vom Reichskanzler Fürsten Bülow ist folgendes Schreiben eingegangen: In der Strafsache gegen Pöplau hat der Angeklagte mich als Zeuge geladen. Da ich nicht weiß, auf welche Tatsachen ich meine Zeugenaussage abge- ben soll ist es auch nicht möglich gewesen, die erforderliche allerhöchste Genehmigung zu erwir­ken. Ich werde deshalb der Ladung keine Folge leisten. Der Angeklagte Pöplau bemerkt, daß er rechtzeitig durch eine Immediateingabe an den Kaiser die für die Vernehmung des Reichskanz. lers erforderliche Genehmigung erbeten habe. Die Ladung an den Erbprinzen Hohenlohe- Langenburg konnte nicht zugestellt werden, da dieser sich zur Zeit in Nizza aufhält. Dem Ver- leidiger Rechtsanwalt Bertram ist vom Zeugen Schneider aus Eberswalde ein Schreiben zuge-

Vorträgen zu unterhalten und belehren. Wir raten daher jedermann die Sammlung in den nächsten Tagen zu besuchen. Sehr empfehlen würde sich der gemeinsame Besuch in einzelnen Vereinen und Schulklassen. Für letztere ließe sich damit einer der neu vorgeschriebenen Lern­spaziergänge verbinden. Um hiebei jedoch das Zusammentreffen mehrerer Klaffen zu verhindern, dürfte es ratsam sein» den Besuch vorher anzu- melden. (3")

Calw 26. Mai. Durch einen eigenar- Ligen Unfall erlitt in Oberhaugstett ein Dienst- knecht eine schwere körperliche Beschädigung. Der Verunglückte sollte einem störrischen Ochsen beim Beschlagen den Fuß aufheben; der Ochse drückte den Pfosten des Vordaches der Schmiede um, das Dach fiel herunter und begrub den Knecht unter seinen Trümmern. Er liegt jetzt schwer verletzt im Krankenhaus.

Gr unbach. Anläßlich des am Sonntag den 2. Juni hier stattfindenden 4. Nagoldgau­sängerfestes wird es vielleicht manchen Be­sucher desselben interessieren zu hören, daß unser Dorf zum Unterschied von Grunbach im Remstal die nähere Bezeichnungbei den 7 Eichen" führt. Auf der südlich vom Dorfe gelegenen, eine groß­artige Fernsicht in das württembergische und ba­dische Unterland, das Rheintal, die Vogesen und den Odenwald, bietende Höhe standen nämlich vor Zeiten 7 mächtige Eichen, von welchen aber heute nur noch eine ihr Dasein sristet, ein ernster Zeuge vergangener Zeiten. Aus einem dieser gefallenen Baumriesen erstellte der verstorbene Adlerwirt Burkhardt einen Tanzboden, auf welchem an Sonntag Nachmittagen die ledige Jugend der Nachbarschaft dem Tanzvergnügen huldigte. Eine halbe Stunde von Grunbach entfernt, erhebt sich derPforzheimer Aussichtsturm", von welchem aus sich dem Auge des Besuchers ebenfalls ein großartiges Panorama entrollt. Grunbach selber, nach dem großen Brande im Mai 1871, welchem über 40 Gebäude zum Opfer fielen, zur Hälfte neuerbaut, gehört zu den freundlichsten Ortschaften des Nagoldgebiets. Ein Besuch unseres Sänger­festes, dessen Programm sich hauptsächlich irr und um die neuerbaute Turnhalle abwickelt, sei daher allen Freunden des Gesangs und der Natur aufs Wärmste empfohlen. 6i.

Herrenberg 25. Mai. Auf dem heutigen Schweinemarkt waren zugeführt: 50 Stück Läuferfchweine; Erlös per Paar 4290 240 Stück Milchschweine; Erlös per Paar 20 bis 34 Verkaus gut.

Stuttgart 25. Mai. In der gestrigen Nachmittagsfitzung der Finanzkommission wurde zunächst die Beratung der drei Fragen nämlich 1. des Bedürfnisses einer Aenderung der Stuttgarter Bahnhosverhältniffe. 2. der Frage, ob eine wirksame Entlastung des Bahnhofs Stutt­gart durch Umgehungsbahnen geschaffen werden könne. 3. der Frage, ob sich nicht an Stelle

ihr j bester Tärzcr gewesen, m,d sie hatte ihn jetzt seit Wochen aufs grausamste übersehen.

Für ein Plouver.ecer Torfmädchen war es keine leichte Sache sich ein neues Gewand zu verschaffen, da die Eltern jeden Pfennig des regel­mäßigen Verdienstes beanspruchten. Nur hie und da gab cs einen extra Franken für Botengänge und andere kleine Nebendienste, der sie auf kurze Zeit reich machte.

Hamor und Staunton hotten schon mehr als einmal mit Rührung und Verwunderung beobachtet, wie Euenn und Jeanne, für ihre paar über­schüssigen Sour von einem Gärtner Herbstblumen erstanden, mit denen sie spielten und sich vergnügten, als hätten sie ein Anrecht nicht nur auf die Notdurst, sondern auch auf den Schmuck des Lebens.Man sollte es wirklich kaum glauben," sagte Hamor entzück, als er von seinem Fenster aus die beiden Mädchen mit ihren Blumenschätzen im Hofe sitzen sah,wer so etwas in einer Beschreibung der Bretagne zu lesen bekäme, würde es jedenfalls für erfunden halten".

Die armen Dinger, ihnen scheint's ganz natürlich!" bemerkte Staunton gutmütig.

Guenn hatte offenbar keine Sparpfennige zur Verfügung und keinen Anspruch auf ihren Verdienst. Sie mußte auf andere Mittel sinnen, sich das erforderliche Geld zu verschaffen, wollte sie ihre Pläne für das Neviner Gnadenfest zur Ausführung bringen. Es war ja nicht nur das neue Kleid, das sie ersehnte einmal angeregt, verflieg sich ihr Ergeiz noch weiter bis zu einem Kopfputz mit breiten, schönen Spitzen die Monsieur sicher gefallen würden und zu einem neuen Brusttuch. Und noch eins war der Gegenstand ihres heißen Verlangens ein Etwas dessen Besitz den schroffen Gegensatz aufheben mußte, der zwischen ihrem Leben und dem ihrer

Abgotts bestand, und den sie trotz aller Glückseligkeit mit jedem Tag klarer zu sehen begann, es war ein Stückchen weiße wohlriechende Seife.

Seife, d. h. was der bretagnische Bauer gewöhnlich unter diesem Begriff versteht, war ihr natürlich nichts Unbekanntes. Das war aber eine dicke, schmierige Flüssigkeit, die in Zinnbüchsen aufbewahrt und fast ausschließ­lich zum Reinigen der Wäsche, selten nur für die Hände verwandt wurde. Das feine, süß duftende Stück Seife, das sie Hamor und die andem Maler benutzen sah, ehe sie hinab zum Frühstück gingen, hatte sie zuerst, wie alles fremdartige, nur mißtrauisch betrachtet, jetzt aber gewann es in ihren Augen die größte Wichtigkeit. Sie fing an, sich ihrer braunen Hände zu schämen. Der Unterschied zwischen ihren und Hamors Händen, den zu bemerken sie täglich Gelegenheit hatte, konnte doch nur von dem kleinen, weißen Seifenstück herrühren! Es würde ihn gewiß freuen, wenn ihre Hände so glatt und weiß wären, wie die seinen. Wie viel hübscher würde es sich auch auf dem Bilde machen. Es kam ja nur auf einen Versuch an. War hätte sie nicht alles getan, um ihm zu gefallen! Seife mußte sie unbedingt haben; auch nach dem Besitz eines Spiegels ging ihr Trachten. Nun. Gott sei Dank, noch fehlte es einem klugen Mädchen nicht an Mitteln und Wegen, auch ging die Post wöchentlich dreimal wöchentlich nach Quimper, und der alte Andre, der Postkutscher, gehörte zu Guenns besonderm Freunden.

Eines Morgen schlich sie sich schon vor sechs Uhr nach dem Posthof, wo der Quimperer Bote, bereits fix und fertig, im Begriff stand, sich auf den hohen Bock zu schwingen, um unter lautem und Hott, zuerst vor die beiden Gasthäuser und dann zum Dorf hinauszufahren. Der gut­mütige Postbote dachte bei sich, es sei das dämmrige Morgenlicht, das sie so blaß erscheinen ließe.

(Fortsetzung folgt.)