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der sehr empfehlenswerten Fahnenfabrik von Böbel in Stuttgart zur vollsten Zufriedenheit geliefert wurde; die Uebergabe der Fahne und des Fahnenbandeliers wurde je durch eine Festdame mit einem poetischen Gruß begleitet, für das der Fahnenträger dankte, woraus das Fahnenlied: „Auf ihr Brüder hebt die Fahne" gesungen wurde. Nach diesem ergriff Hr. Bezirksobmann das Wort und sprach seine volle Anerkennung über die Gestaltung des heutigen Festes aus und bat, auch fernerhin das Wort zu beherzigen „Einigkeit macht stark". Weiter übermittelte er die Glückwünsche vom Präsidium des Württemb. Kriegerbundes. Hierauf wurde vom Gesangverein dar Bundeslied: „Brüder reicht die Hand zum Bunde" vorgetragen; mit diesem war der Festakt vollendet; jetzt trat die musikalische Unterhaltung zu Tage; auch den hiesigen Wirten für ihre gute Bewirtung sei auch jegliche Anerkennung gezollt; die Abschiedsstunden kamen nur zu früh wo die Vereine durch die Musik und von den Festdamen hinausbegleitet wurden. Möge jeder Festgast freudig auf die hiesige Fahnenweihe zurückschauen, denn sie verlief ohne jegliche Trübung. (Dem Wunsche „wörtlicher" Wiedergabe dieses Berichts haben wir gerne entsprochen. D. Red.)
Herrenberg 24. Mai. Ein in Bezug auf den Appetit nicht gerade bescheidene Diebesbande hauste in vorvergangener Nacht in Mötzingen. Aus der Metzgerei des Rößleswirts stahl die Bande einen halben Zentner Fleisch, 20 große Schinkenwürste, einige Schinken, 80—100 Leberund Pfefferwürste und andere, und in einem benachbarten Bauernhaus das zur Mahlzeit nötige Brot, eingemachte Früchte und Gemüse und Most. Als Diebe vermutet man eine Zigeunerbande, welcher in der Nähe gelagert hatte.
Neuenbürg 24. Mai. Ein Schuljunge aus Birkenfeld schoß im Uebermut mit einer kleinen Pistole gegen mehrere Mädchen, von denen ein Kjähriges in den Kopf getroffen wurde. Durch den Oberamtsarzt wurde die Kugel entfernt.
Stuttgart 24. Mai. Der Zentralvermittlungsstelle für Obßwertung sind bis zum 24. Mai nachstehende Berichte über die voraussichtliche Kirschenernte zugegangen: Freudental, (Bahnst. Besigheim): Die Ernte wird auf ca. 1500 Ztr. geschätzt und zwar Frühkirschen, Schecken, schwarze Herzkirschen und späte große Braunkirschen. Gemmrigheim (Bahnst.Kirchheima.N.):Ertrag ca. 100 Ztr. rote und schwarze Kirschen. Löch- gau (Bahnst. Besigheim): Voraussichtlicher Ertrag ca. 100 Ztr. rote Spätsorten, scheckige und schwarze Kirschen. Stetten i. R. (Bahnst. Endersbach): Kirschenernte ca. 5000 Ztr.
Stuttgart 24. Mai. In der Kakao- und Chokoladeniederlage von Hermann Jaiser, Kauf, mann, früher Königstraße 31, brach in vergangener Nacht Feuer aus, das kurz nach 2'/i Uhr von einem Wächter der Nachtwach, und Schließgesell, schaft entdeckt und durch den Feuermelder der
gegenüber am Hotel zum König von Württemberg angebracht ist. von ihm der Feuerwache ge- meldet wurde. Nach wenigen Minuten trafen die Löschmannschafen der Feuerwache II ein, die unter Leitung des Branddirektors Jakobi mit 3 Strahlrohren das Feuer, das in den leicht brennbaren Vorräten reiche Nahrung fand, etwa eine Stunde lang bekämpften. Besitzer des Hauses ist der Inhaber des Band- und Seidewarengeschäftes Karl Frank, Königsstraße 56. Die Räumlichkeiten waren erst seit ersten April durch Jaiser gemietet worden. Die Ursache des Brandes konnte noch nicht ermittelt werden. Der Schaden scheint bedeutend zu sein.
Heilbronn 24. Mai. (Bericht über den Heilbronner Ledermarkt vom 22. Mai.) Die Zufuhren zum Markte betrugen 30 000 kA. Der Geschäftsgang war in Folge des Preisrückgangs der rohen Ware etwas flau und dementsprechend wurden auch niedrigere Preise für die fertigen Leder geboten. Am meisten begehrt waren Sohlleder und deutsche Wildoberleder. Es wurden verkauft und amtlich vermögen: 1. Sohlleder 3272 kx, 2.Schmal-und Wildoberleder 16892 kx. 3. Zeugleder 392 kx, 4. Kalbleder 289 kss, zu- sammen 20 845 kx, mit einem Gesamtumsätze, einschließlich Schafleder, Rehfelle und rohe Ware von 98 000 Der nächste Ledermarkt findet am Mittwoch, den 28. August statt. Es kann vor dem Markte unentgeltlich Leder eingelagert werden.
Welzheim 22. Mai. Mit dem Eisenbahnbau wird es nun ernst. Das 1. Los von Schorndorf bis Miedelsbach ist vergeben und die Arbeiten in Angriff genommen. Das 2. Los bis Rudersberg ist ebenfalls zur Vergebung ausgeschrieben. — Die kalte Witterung vorige Woche hat bei uns keinen Schaden gebracht. Die Obstblüte verspricht etwa eine Drittelernte. Die Winterfruchtfelder haben durch die lange Schneedecke (Dezember bis Mai) ziemlich stark gelitten, so daß vielfach umgepflügt und Gerste usw. nach« gesät werden mußte. Die Früjahrssaat entwickelt sich gut. — Trotz der ungünstigen Witterung hatten wir über Pfingsten einen starken Fremden- verkehr.
Ulm 24. Mai. Der Magistrat von Neu- Ulm will dann, wenn die Neu-Mmer Metzger sich nicht Herbeilaffen, die Fleischverkaufspreise mit den Einkaufspreisen bester in Einklang zu bringen, in Erwägungen über die Errichtung einer städtischen Verkaufsstelle für Fleisch eintreten, in welcher auswärtige Viehzüchter, und Händler Fleisch aushauen können.
Berlin 24. Mai. Zu den Massen- verhaftungen russischer Studenten berichtet das „Berl. Tagebl.": Die 5 Leiter der Lesehalle find am heutigen Tage als lästige Ausländer ausgewiesen worden. Zwei andere Studenten, die beschuldigt werden, gemeinsam mit den vor einigen Tagen verhafteten Anarchisten Karfunkel- stein und Weiß, sich eines Vergehens gegen 8 128
R.-Str.-G.-B- (Geheimbündelei) schuldig gemacht zu haben, wurden der Staatsanwaltschaft zugeführt und sind in Untersuchungshaft genommen worden. Ein anderer Student der sich mit einem falschen Paß in Berlin aufhält, wird sich ebenfalls vor Gericht zu verantworten haben.
Wien 24 Mai. Der hervorstechende Zug der Wahlen ist auch diesmal der Erfolg der Sozialdemokraten. Sie haben bis jetzt 19 Sitze errungen und dürften noch 5 oder 6 bekommen, so daß sie mit einer Mandatszahl von über 80 die stärkste Partei im Abgeordnetenhause sein werden. Die Alldeutschen sind nur da durch- gedrungen, wo sie von antisemitischer Seite unterstützt wurden. So ist auch Hermann Wolfs gegen den Fortschrittler Eppinger gewählt worden. Die Jungtschechen haben die bei den Hauptwahlen erlittene Schlappe zum großen Teil wett gemacht und in der: meisten Bezirken, wo sie zur Wahl standen, gesiegt. Den Christlich-Sozialen haben die Stichwahlen nur 5 Mandate gebracht. In Wien haben sie 4 verloren, 2 an die Sozialdemokraten und 2 an die Freisinnigen. Die Herrsnhausmitglieder, die für das Abgeordnetenhaus kandidiert haben, find sämtlich unterlegen. Nur Herr von Bilinski ist gewählt worden. Die Klerikalen haben sich in Stärke von 19 Mann den Christlich-Sozialen angeschlossen. Somit ist eine Zentrumspartei als Gegengewicht gegen die Sozialdemokratie gebildet.
Paris 24. Mai. New-Dork Herald berichtet aus Teheran, daß Salar-El Dowleh, Bruder des Schahs, der unlängst einen Auf- ruf veranstaltete und einige Ortschaften geplündert hatte, nunmehr mit 15 000 Anhängern vorrückt. Diese Meldung hat in der Hauptstadt große Auf- regung hervorgerufen und Truppen find irr aller Eile aufgeboten worden, um gegen den Aufrührer vorzugehen. Der Bruder des Schahs hat Soldaten nach der Stadt Hamadan gesandt mit dem dem Befehl, Proviant für seine Truppen bereit zu halten. Hamadan ist die Hauptstadt der Provinz gleichen Namens und hat eine Bevölkerung von ca. 30000.
20. Mai.
20 .
24. Mai.
Standesamt Calw.
Getraute.
Georg Friedrich Beck, Fuhrmann hier und Rosa Rümmele von Bitdechingen OA. Horb.
Paul Hermann Gehring, Lokomotivheizer hier und Marie Mathilde Beck hier.
Gestorbene.
Elsa, T. d. Fabrikarbeiterin Susanne Schaal hier, 10 Tage alt.
Reklameteil.
teilt gerne und unentgeltlich Herr Chri- Man Bühner jr. in Sigmarswangen (Württ.) mit, wie er auf einfache Weise von seinem langen und qualvollen Magenleiden befreit wurde.
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liebreizender zu werden. Eine Flut neuer Gedanken, das innere Glück, das ihr Hamors ständige Gegenwart bereitete, das stolze, beseligende Gefühl, daß er ihrer bedurfte, ihr eifriges Streben, allen seinen Wünschen gerecht zu werden — durchgeistigte ihr ganzes Wesen wie nie zuvor. Keine glückliche Braut, selig im Bewußtsein von ihm, dem Herrlichsten von allen, auserkoren zu sein, konnte sich sicherer wonnetrunkener fühlen, als Guenn in diesen schönen Tagen. Kein tapferer junger bretagnischer Edelmann, der an der Spitze der Estouavs zwischen den mächtigen Granitmauern seiner eigenen blühenden Besitztümer gegen die Republikaner marschierte, hatte je von reinerer Hingabe für seine heilige Sache geglüht, als dieses feurige, treue Herz für das, was es als seinen hohen Beruf empfand. Sie gab ihr Herz dem neuen Gefühle hin, wie sich die Rose dem warmen Strahl der Sommersonne erschließt, alle weiblichen Triebe in ihr erwachten, die kleinen Rauheiten und Schroffheiten ihres Wesens verschwanden und nur selten noch zeigte sich der alte trotzige Zug um ihre jungen Lippen. Dabei verlor sie nichts von ihrer Eigenart, die sie so vorteilhaft vor den andern Mädchen auszeichnete — fie bewahrte ihren Abscheu vor jeder Falschest und Hinterlist, ihre Gerechtigkeitsliebe, die sie trieb, sich der Schwachen und Wehrlosen anzunehmen und die Abwesenden zu verteidigen — Züge, die man in jedem Rang und Stand so selten bei dem weiblichen Geschlecht antrifft und die doch wahrlich für die höhere Bildung des Weibes wichtiger find als Keramik und Sanskrit. —
Guenn hatte ihr Lebenlang etwas zu schützen und zu pflegen gehabt, ein Vögelchen, das aus dem Nest gefallen war, ein krankes oder gequältes Tier, das sie in der zerlumpten Schürze nach Hause trug. Seit ihrem sechsten Jahr hatte man sie in Plouvenec so gesehen, und das zornige kleine rosige Ding wußte dabei tapfer die geballte Faust gegen die sie verfolgenden
bösen Buben zu brauchen. Später sorgte fie wie ein ängstliches Mütterchen für Nannic, der noch jetzt, obgleich er so klug geworden, seiner Lahmheit halber ihre Pflege nicht entbehren konnte. Auch Jeanne stand unter ihrer Obhut; sie selbst plagte sie zwar zu Zeiten aufs unverantwortlichste, aber wehe demjenigen, der es außer ihr gewagt haben würde, Jeanne zu nahe zu treten! Kurzum, Guenn liebte „ihre Leute," und beschützte alle, die ihrer Hilfe bedurften.
Und nun widmete sie ihre liebende Fürsorge, diesen mächtigsten aller Triebe, Hamors Bilde, Hamors Interessen, und vor allem Hamor selbst. Sie brachte sein Atelier in Ordnung, stellte Blumen in seine Vase, wusch seine Pinsel und als sie ihn eines Tages schlafend fand, legte sie sorglich einen Shawl über seine Knie, wofür sie nur ein rauhes: „Nimm die Decke weg, ich lasse mich nicht verhätscheln!" als Dank erhielt. Solche Kleinigkeiten konnten sie jetzt nicht mehr berühren. Selbst wenn Monsieur Hamor Jeanne auf die Wange klopfte, fühlte fie keine Eifersucht mehr. Jeanne war ja ein Kind und stand nicht in so ernstem Bündnis mit Monsieur wie sie selbst. Sogar Staunton entging die Veränderung im Aeußern und Innern des Mädchens nicht, obgleich er gerade in eine neue, große Strand, landschaft vertieft und züdem sterblich verliebt war in eine junge Dänin drüben in Nevin. Trotz eigener Arbeit, Hoffnung und Liebeslust ließ er eines Tages, als Guenn freundlich grüßend an ihm vorüberschritt, die Be- merkung fallen: „Das hübsche Kind wird ja alle Tage größer und schöner!"
Unterdessen hatte sich in Guenns Kopf eine andere Idee festgesetzt; ihr kam plötzlich die unbestimmte Empfindung, als fehlten ihr verschiedene äußere Zutaten um Hamors ganzen Beifall zu erringen.
(Fortsetzung folgt.)