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wünschte der neuen Mineralquelle einen guten Erfolg. Nunmehr begaben sich der König und die Königin mit den begleitenden Gästen nach dem Karlsbad zurück, wo ein Frühstück eingenommen wurde. Nachmittags wurde unser zweites Bataillon (Füsilier-Regiment Nr. 122) besichtigt. Auf dem Kasernenhof nahm das Königspaar den Parade« marsch ab. In leutseliger Weise wurde auch der Kriegerverein begrüßt. Anschließend wurden die drei Kirchen (Schloß-, Marien- und Stadtpsarr- kirche) besichtigt. Ueberall wohin das Königspaar kam, begrüßte es der herzliche Jubel der Bevölkerung und der herbeigeeilten Gäste. Die Schulen und die meisten Geschäfte hatten freien Tag. Freundlich nach allen Seiten dankend, fuhr das Königspaar um 3 Uhr 40 Min. nachmittags zum Bahnhof zurück, von wo aus die Abfahrt im bereit stehenden Sonderzug über Niederstetten zurück nach Stuttgart erfolgte.
Geislingen 17. Mai. Im Dienst wurde gestern Mittag der Lokomotivführer Sorg aus Lauchheim, der seit einigen Wochen hier wohnhaft ist, vom Tode ereilt. Er führte eine der seit kurzem eingeführten, breit gebauten, neuen großen Schiebmaschinen und sollte den um 11 Uhr 51 Min. von hier abgehenden Güterzug die Steige hinauf begleiten. Während der Fahrt beugte er sich aus seinem Stand (aus welchem Grund ist unbekannt) und wurde dabei an einer Kurve von einer entgegenkommenden Schiebmaschine, die mit einer zweiten von Am- stetten leer nach Geislingen zurückfuhr, erfaßt. (Nach anderer Meldung wollte er das Sandrohr Nachsehen.) Der Kopf wurde ihm zerdrückt, so daß der Tod auf der Stelle eintrat. Die Leiche wurde ins hiesige Bezirkskrankenhaus überführt. Der 33jährige Verunglückte war verwitwet, kinderlos und hatte eine Braut; die Hochzeit sollte demnächst stattfinden.
München 16. Mai. Dieser Tage wurde mitgeteilt, daß der Züricher Polizei ein guter Fang geglückt sei, indem sie einen angeblichen amerikanischen Finanzmann namens Charles Barn, stall aus Chicago verhaftete, der seiner Braut den Betrag von 65 000 ^ abgenommen hatte. Die Affäre hatte ihren Ausgangspunkt in München. Der Amerikaner war in einer hiesigen vornehmen Pension, in der viele Ausländer verkehren, ab- gestiegen und zwar mit wenig Gepäck. Er hatte behauptet, daß ihm sein Koffer bei einer Reise nach Italien abhanden gekommen sei; er schaffte sich hier alles neu an. In der Pension lernte er eine junge Dame kennen, die für ihn Interesse gewann, so daß die Beiden sich verlobten. Die Dame, eine Waise, wollte sich mit dem Bräutigam nach Frankfurt zu Verwandten begeben und ermächtigte ihn vorher, ihr Bankdepot im Betrag von 65 000 ^ zu erheben, bezw. übergab ihm diesen Betrag. Während einer gemeinsamen Mahlzeit in einem Restaurant sagte der Bräutigam, daß er sich nur auf einige Augenblicke entferne; er verschwand jedoch und ward nicht mehr gesehen. Nun kommt der noch interessantere Teil, nämlich die Art und Weise, wie man seiner Hab- Haft wurde. Der amerikanische Gentleman hatte nämlich eine später leicht erklärliche Abneigung gegen photographische Aufnahmen, und entzog sich auch den in der Pension knipsenden Amateuren geflissentlich. Die Kriminalpolizei hätte nun zur Ermittlung des flüchtigen Betrügers gerne eine Photographie gehabt, konnte aber keine auftreiben. Da kam die Inhaberin der Münchener Pension, bei der dieserhalb Schutzleute vorsprachen, auf einen Ausweg, der in der Kriminalgeschichte wohl kaum noch seinesgleichen gehabt haben dürfte. Die Dame erinnerte sich nämlich, im „Simplizifsimus" ein Bild von Thöny gesehen zu haben, mit der Figur eines Amerikaners, die dem Gesuchten überaus ähnlich sah. Dieses Spiel des Zufalls kam der Polizei zu Hilfe. Man begab sich in den Verlag des Blattes, aber — die Nummer war vergriffen. Da fand sich denn bei der Polizeibehörde selbst noch das amtliche Belegexemplar, die Figur des betreffenden Bildes wurde, nachdem die Pensionsinhaberin noch einmal die erstaunliche Aehnlichkeit bestätigt hatte, photographiert und als Steckbrief an die zuständigen Behörden versandt. Daraufhin gelang es denn auch, den Gentleman zu ermitteln und festzunehmen. Auf
seine Dingfestmachung war ein Preis von 3000 ^ ausgesetzt. Der Pensionsinhaberin dürfte wohl als der geistigen Urheberin des Steckbriefs ein Anteil an der Belohnung zukommen.
Wiesbaden 17. Mai. Die Kaiserin ist heute Vormittag 9 Uhr 55 Min. in Begleitung der Prinzessin Viktoria Luise, der Prinzessin Alexandra nach Bonn abgereist zum Besuche des Prinzen August Wilhelm, des Bräutigams der Prinzessin Alexandra. Von Bonn wird die Kaiserin mit den Prinzessinnen heute Abend nach Berlin zurückkehren.
Berlin 17. Mai. Die Ernennung des stellvertretenden Kolonialdirektors Dernburg zum Staatssekretär des Reichskolonialamtes sowie die Ernennung des Unterstaatssekretärs und des Direktors wird für heute erwartet, nachdem der Bundesrat den Etat genehmigt haben wird.
Posen 17. Mai. Der Klempnermeister Pohl aus Birnbaum, der bei Ausführung der Klempnerarbeiten beim Eisenbahnwerkstättenbau in Schneidemühl infolge Unterbietens der Offertpreise sein Vermögen einbüßte, erhielt auf ein Gnadengesuch hin vom Kaiser 6000 Infolge dieses Falles ordnet nunmehr ein Ministerial- erlaß an, daß Offerten mit Preisen, zu denen nach Ansicht der Behörden Arbeiten unausführbar seien, bei Submissionen unberücksichtigt zu bleiben haben.
Vermischtes.
Stuttgarter Lebensversicherungsbank a. G. (Alte Stuttgarter). Der Zugang an neuen Versicherungen bezifferte sich im Jahre 1906, dem 52. Geschäftsjahr der Bank, auf 7676 Policen mit ^ 53,613.625 Versicherungssumme. Der Bestand vermehrte sich ins- gesamtum 4361 Versicherungen über ^ 33,838,492 Kapital und stieg somit auf 125 989 Policen mit ^ 780,653,206 Versicherungssumme. —- Die Gewinn- und Verlustrechnung weist aus, daß an Prämien ^ 30,3 Millionen gegen 28,9 Millionen im Vorjahr vereinnahmt wurden, und daß der Zinsertrag von ^ 9,7 Millionen auf ^ 10,4 Millionen gestiegen ist. Die Ausgaben für fällig gewordene Versicherungssummen und Rückkäufe beanspruchten ^ 14,0 Millionen, während die Prämienreserve um ^ 14,0 Millionen zu erhöhen war. Die Sterblichkeit, welche außergewöhnlich günstig verlief, erbrachte eine Ersparnis von ^ 3,9 Millionen —13,1 °/„ der Todesfallprämien; es starben 35,7°/» weniger Versicherte, als rechnungsmäßig zu erwarten war. — Der Jahresüberschuß ist mit ^ 10,392,315 der größte, den die Bank bisher erzielte. Der Ueberschuß der Altersversicherungen betrug 40,111. — Aus dem Ueberschuffe wurde die „Allgemeine Reserve" mit ^ 495,783 dotiert, die dadurch auf 6*/-Millionen ^ anwächst und als Garantiekapital von dem Bareinschuffe keiner einzigen Lebensversicherungs aktten gesellschaft in Deutsch, land erreicht wird. Dem Penstonsfonds der Beamten wurde der Betrag von ^ 50 000 über- wiesen. — Das ganze Vermögen der Bank, unter welchem sich allein Extrasicherheits- und Dividendenreserven in Höhe von ^ 52,260,020 befinden, stieg Ende 1906 auf ^ 277,949,880. Es war angelegt zu 86,5 °/o in Ersthypotheken, 6,5°/» in Darlehen auf eigene Policen, 2,1 in Wertpapieren, 2,4 °/o in Grundbesitz, Wechseln und Bankguthaben. Die restlichen 2,5 °/o bestehen in gestundeten Prämien.
— (Der Schuhmacher Voigt), alias „Hauptmann von Köpenick", der zurzeit seine Strafe im Gefängnis zu Tegel verbüßt, führt sich dorten, wie man von wohlunterrichteter Seite mitteilt, in jeder Beziehung vortrefflich und stellt man ihm von Seiten der Anstaltsbeamten das Zeugnis eines sehr bescheidenen, willigen und fleißiger! Arbeiters aus. Er wird in seinem Handwerk als Schuhmacher beschäftigt und leistet als solcher Tüchtiges. Sein Ge- sundheitszustand ist schwankend. Die für Voigt von verschiedenen Seiten angelegten Fonds, durch welche seine Zukunft einigermaßen gesichert werden soll, belaufen sich auf eine ziemlich hohe Summe. Auch ist ihm bereits eine den Verhältnissen entsprechende Wohnungseinrichtung nebst Werkstätte
beschafft die ihm bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis ein anständiges Heim sichert, in dem er selbständig in seinem Beruf arbeiten kann.
Amerikanische Reklame. In den „Lec- tures pour Tous" werden eine Anzahl Reklamescherze erzählt, die in den letzten Monaten im neuen Erdteil ihre Wirkungskraft erprobten. Eigenartig war sicher die Methode des Mr. Ruffel, Direktors des Imperial-Theaters in St. Louis; an allen Straßenecken, in jeder Kneipe konnte man eines schönen Morgens lesen, daß Herr Ruffel dringend 500 lebende Katzen haben müsse und für jedes Tier ein Freibillet geben wolle. Alles, was in St. Louis Beine hatte, Straßenjungen, Ausläufer, Dienstleute und Kutscher begannen sofort eine wilde Hetzjagd auf Katzen. Wo sich so ein ahnungsloses Tier blicken ließ, entstand ein Wettstreit, alle Katzen, graue und weiße, gefleckte und gestreifte, wurden verfolgt. Zur Mittagszeit hatte Herr Ruffel seine 500 Katzen. Nun wurde jedem Tier ein prächtiges Band um den Schwanz gelegt, auf dem in den schönsten Leitern zu lesen war: „Von Montag ab!! Sensationelles Stück!! Die Katzenklaue!!" Dann ließ man die Tiere los und die improvisierten lebendigen Theaterzettel überschwemmten ganz St. Louis und vollführten mit ihrem ungewohnten Schwanzschmuck einen Heidenlärm. Aber von diesem Tage an riß man sich um einen Platz im Imperial- Theater. Natürlich hat sich die Phantasie der Reklamekünstler auch der Schaufenster bemächtigt; man begnügt sich nicht mehr, die Ware einfach zu zeigen, in größter Anschaulichkeit müssen ihre Haltbarkeit und alle ihre Vorzüge vor Augen geführt werden. Ein Regenmantelsabrikant hat sein Schaufenster förmlich in ein Brausebad umgewandelt. Eine junge Dame in sehr reichem Gesellschaftsanzug zieht einen wasserdichten Mantel an, die Schleusen werden geöffnet und 10 Minuten lang rauscht das Wasser über sie hin. Dann schlägt sie den Märtel zurück und jedermann kann sich überzeugen, daß sie nicht naß geworden ist. Alles kauft nun diese Prachtmäntel. In einem Schaufenster in Boston gewahrt man ein junges Mädchen nachlässig in einem Divan ruhend. Sie liest einen Roman und kümmert sich nur um ihre Lektüre. Ihr wundervolles braunes Haar ist ge- löst und fällt frei nieder. Das ganze Schauspiel soll die glänzenden Eigenschaften von Smithsons unvergleichlichem Haarwasser veranschaulichen, das „jedermann für nur einen Dollar erhalten kann." In Newyork sah man vor wenigen Wochen eine junge Dame an einem Rettungsseil vom siebzehnten Stockwerk eines Wolkenkratzers herabklettern. Sie tat das nicht aus Freude am Klettern oder aus gymnastischer Leidenschaft. Ein Rettungsseilfabrikant hatte dies Verfahren gewählt um sein neues Seil populär zu machen.
Standesamt Calw.
Geborene.
9. Mai. Karl Wilhelm, S. d. Friedrich Münz, Güterschaffners hier.
13. „ Elsa, T. d. Susanne Schaal, ledigen
Fabrikarbeiterin von Dußlingen. Getraute.
11. Mai. Gottlieb Friedrich Köhler, Stricker, Wit
wer hier mit Christiane Agate Wochele, ledig von hier.
Gestorbene.
12. Mai. Klara Anna, T. d. Wilhelm Johannes
Barth, Stellwerkschlossers hier, 6 Wochen alt.
15 . „ Maria Agnes, T. d. Wilhelm Johannes
Barth, Stellwerkschlossers hier, 6 Wochen alt.
Rerlsmeteik.
2u traben bei Hermann Haussier, Lonciitorei.