WWW»
MWlNW
»lWIllllll!
MWWW
WWUM
Dreßluft öder Das Wunder der Maschine
Bon ßelnrich Ler sch
„Mensch, nun friß den Hochofen nicht mit deinen Angen auf, komm ran und reibe die Löcher nach!" rief ein Kollege, der plötzlich neben mir stand, den ich aber nicht kommen hörte. „Hier gibt's jetzt zu tun!"
Ich folge ihm über eine Leiter auf das Brett, sah auf dem Träger einen kleinen Apparat liegen, an dem ein Schlauch nach unten hing. „Das ist eine Preßlnstbohr- maschine, du packst sie an den Griffen, da rechts die Messinghülfe ist das Anlaßvenlil. Drehst du links rum. läuft sie links, drehst du rechts rum, läuft sie rechts, drehst du über den kleinen Nocken, läuft sie den schnellen Gang, siehst du so . . .1" Er drehte eine Viertelwendung, die Spindel lief; die Zahl der Umdrehungen konnte höchstens einhundert in der Minute sein. Er senkte die Reibahle in das Lrägernietloch, sie fraß sich bis an den Schaft hinein ins Eisen, dann hob er sie mit einem Schwung heraus. „Brauchst gar nicht nachzupassen. das Loch ist jedesmal in Ordnung! "Alach weiter so!" Er sah zu. wie ich das nächste Loch ausrieb, war zufrieden und stieg wieder hinab. Nun hielt ich diese wunderbare Maschine in den Händen. Schwebend über dem Nietloch suchte die spitze Reibahle ihren Weg. fraß sich selbst durch, wenn nur die Spitze fassen konnte. Ich ließ sie langsam und schnell lausen. Leise zischend drang die Preßluft durch die nicht ganz dichten Schlauchverbindungen. Nachdem ich eine Viertelst.inde gebohrt hatte, hätte ich gerne gewußt, wie die Maschine funktionierte, ob sie durch Schaufelräder nach der Art der Turbine oder mit kleinen Kolben gleich einer Dampfmaschine ging. Unermeßlich stark war dieses winzige Ding, das nur einen kleinen Fuß groß war. aber soviel leistete, wie eine festmvntierte richtige >L>äulenbohrmaschine. die drei oder vier Zentner wog.
Das Nusreiben von Hand war die schlechteste, ekligste und mühseligste Arbeit, die den Lehrjungen aufgehalst wurde. Wieviel tausend Löcher hatte ich von Hand ansgeriebcn, wieviel hundertmal waren meine Zanger beim Abrutschen an die Trägerecken geschlagen. wieviel Fetzen Haut waren an Winkel und Kanten hängen geblieben. Von Hand murkste man fünf Minuten an einem Loch, mit dieser Maschine machte man fünf Löcher spielend in einer Minute.
Welch eine Erlösung war die Maschine!
Es juckte mich in allen Fingern. ich mußte nach den beiden Zlügelschrauben sehen, greisen. üe lösen die kleinen Schrauben, die die beiden Seitendeckel hielten. In einer Kunstpause legte ich die Maschine aus meine Knie, machte die Bleche los: statt der komplizierten Apparatur, die ich vermutete, sah ich in einen kleinen Zhlinder hinein, sah einen winzigen Kolben, seine Kurbeln, die die Achse drehten, an der das Nohrsutter mit der Reibahle befestigt war. Sauber blank, leicht ölseucht. drehten sich die Kurbeln.
Nun konnte ich'Weiterarbeiten, ich war befriedigt. Noch einmal ließ ich. ehe ich anfing, den Blick über die Werke, über den Rhein, die Städte, über die Landschaft gehen und bohrte weiter, bohrte, als müsse ich das Loch für die Weltachse durch den Erdkern bohren. Wenn die Kolben leise rumorten, der Bohrer durch das Eilen sraß, dann hörte ich nichts mehr von dem gewaltigen Brausen der Hochofen und dem Poltern der Schrägaufzüge, der Fahrt der Kräne, nichts mehr von deni Trubel der Walzenstraßen und dein Puffer der Maschinen. Ich bohrte.
Drei Tage war ich von Träger zu Träger gekrochen, die Maschine an den Leib gepreßt, hatte Loch um Loch ausgerieben, daß mir die Gelenke in den Ellenbogen und an den Händen glühten, als brenne der Rheumatismus darin. Ich war inzwischen schwindelfrei geworden, gewöhnte mich an das Laufen über die handbreiten Mächen, an das Stehen auf Trägern ohne Geländer und Anhalt.
Es war mir recht so. „Ich habe kein Geländer mehr!" sang ich vor mich hin, und es lvar mir eine Wohltat, auf mich selber angewiesen zu sein. Vater. Mutter, Brüder, Schwestern, die Werkstatt, das Geschäft, das kam mir vor, wie ein schweres Geländer, daH ich mit meinem Leib und meinem Geist zu stützen hatte, damit es nicht umfiel.
Hier war ich frei.
Selbst der Rauch und Qualm trieb unter mir her, er hing wie Nebel über den Werkhöfen und Schienenfeldern, hing in die Straßen hinein. Ich war einer der wenigen, die aus der Tiefe Hinaufstiegen und die reinere Luft atmen konnten. Es wäre mir gleich ge Melen, ob ich hier hätte anstreichen müssen oder
Rost adkratzen. Zur Nacht stieg ich hinunter ins Graue. Gut, dann mochte mein Geist im Traum in dem ungeheuren Raum schweben, der sich zwischen Himmel und Erde unermek- lich dehnte.
„Lerschll
Sirenen heulen und die Schlote qualmen. Motoren donnern herrlich durch die Lust. Maschinen surren und die Räder malmen. Das Heer der Arbeit zieht. Ein Wille ruft.
Ein Atem weht vom Meer bis zu den Almen Heiß und befehlend in die letzte Bucht.
Das schwere Korn wogt auf den hohen Halmen.
Die Frauen tragen stumm upd stolz die Frucht.
Der Lehrsunge stand auf der Leiter. „Soll zum Monteur kommen!"
Der Monteur saß auf einem Träger und hielt einen langen Preßlufthammer über die Arme, an die Brust gepreßt. „Wollen wir mal ran?" rref er mir entgegen, schraubte mit der Hand die Schlauchverbindung fest und ließ mii einer kaum sichtbaren Danmenbewegung den Hammer auf einen Schraubenkopf rasseln: ein Junge kam mit der Niete, flutsch, sauste der lange Pinn ins Loch, der Nieter kippte von der Seite den Hammerdöpper senkrecht auf die glühende Spitze, leise und langsam trommelte der Hammer an, wie ein Wirbel von ferne, der rasend schnell näher kam. Die Spitze wurde breit, die Niete quetschte sich ans die Platte, grell nnc hell trällerten die Schläge schnell und schneller. Die rechte Faust des Nieters lag
unterm Schultergelenk, pressend, mit dem ganzen Leib den Hammer niederdrückend, zitterte der Kopf, der Rücken. Schon war die Niete kalt, mit einem Ruck setzte der Schlag ab, stand der Hammer.
„Da!" — Der Monteur hielt den Hammer schräg hin, kroch einen Rutsch weiter, stand auf und ich kniete schon auf seinem Sitz.
Der Hammergriff war warm von seiner Hand, am Ventil kühlte die zischende Ritze, die Luft fauchte mich an wie eine wilde Katze.
Ein Marsch dröhnt aus, unendliche Kolonnen. Ein Volk marschiert, das sich sein Schicksal sucht.
O. wie ein Glanz von nie gekannten Sonnen
Ans untre Zahnen stürzt! Die dunkle Wucht des einen Willens — Sehnsucht. Leid und Tat-
Glüht sie zusammen — unv sie schöpft den Staat.
Der glühende Pinn erschien, ich kippte den Hammer, stülpte die Pfanne des hohlen Döp pers über die Niete, der Daumen suchte den Ventildrücker niederzupressen, da fuhr schon eine Ladung Schläge aus dem Schaft, der Hammer hoppelte wie ein trampelndes Pferdebein. Instinktiv ließ ich den Finger vom Ventil, der Schlag stand. Nun brauste er wie ein Motor los, mir war, als zerplatze mein Bewußtsein und mein Kopf, ich wußte nicht, ob ich saß, stand oder hing, ich lag auf dem Hammergriff, als wäre er der Verschluß der Hölle, darunter tausend Atmosphären Glutdruck mir ins Gesicht wollten.
„Mensch, ist lange frisch!" sagte der Nieter. „Aller Anfang ist leicht!" Die zweite Niete kam, nun wußte ich schon, mit wieviel Druck ich den Daumen aufsetzen mußte, nun tram
pelte das besessene Tier nichi mehr jo toll, ich hatte es in meiner Gewalt; jetzt lief der trommelnde Donnerkeil schon nicht mehr wie er wollte, sondern wie er sollte; bei der vierten und fünften Niete merkte ich erst, daß ich mich etwas weniger wild benehmen konnte, so hart brauchte ich nicht die Faust unter die Schulter zu pressen; bei der sechsten Niete war ich schon zu leichtsinnig und ließ die Döpperpsanne abgleiten, ein Halbkreis rundete im Blech neben dem Nietkreis, eine Schmach für den Nieter. Ich schämte mich die ganze nächste Niere -lang. Bei der zehnten mutzte ich den Hammer hinlegen, eine Schraube zu lösen. Der Nieter äugte in die Richtung der Nietköpfe, schüttelte den Kopf und sagte: „Zwei müssen raus!" -
Ich blickte während des Schraubens eben- falls hin, tippte auf den sechsten, der bedenklich aus dem Glied stand, sah mit gleichem Blick, daß der siebte zu kurz an den Nebenmann gekommen war.
„Dat kost' en Liter extra!" drohte der Monteur. „Wenn..."
Ich war mit der Hand in die Tasche gefahren und hatte eine blanke Mark herausgeholt. Ich klatschte sie auf den-Träger und sagte: „Bier oder Schnaps ran, das muß begossen werden!"
Wie der Stockhalter die Winde vorgesetzl, der Wärmjunge die Mark genommen, wie der Obermonteur gekommen, das hatte ich alles nicht mehr gesehen. Als die erste Niete die glühende Spitze zeigte, war ich wie hypnotisiert, im Bann der Maschine, waren meine Sinne, mein Leib nicht mehr vorhanden; das Geratter des Hammers füllte mich an, ich war von den Schlägen Voll wie von Elektrizität.
Da war kein Träger unter mir, ich sah nichts, hörte nichts, spürte nichts von der Welt; ich war verwandelt, ich war nicht mehr der kleine Arbeitsuchende, nicht der Junge mit dem schlechten Gewissen. Ich war kein Sünder, der in der Beichte gesenkten Hauptes in tiefer Zerknirschung die Wurmsohnmacht des Willens fühlen mußte und die übermenschliche Gewalt des Bösen. In rasenden Bildern sah ich die Menschen vorübergleiten, die mich gequält mit Liebe oder Haß — mir war, als würden sie alle zu Nieten, die ich jetzt in die Löcher der Träger schlug und sie für Hunderte von Jahren festkeilte, daß sie nicht loskonnten, bis die ganze Konstruktion zu Schrott geschlagen und eingeschmolzen wurde. Nur Gott und ich waren noch auf der Welt, ich sah den Allmächtigen, der früher ein milder Greis gewesen, nun,'ein bärtiger Ingenieur, ernst und doch überlegend lächelnd, mir diesen Hammer aus dem Weltall , hinunterreichend: da packte mich eine wilde , Lust, ich griff den Hammer so, daß die Hand des Gottes-Ingenieurs, mit um den Schaft gepackt, mit hinunter in die Brücke mußte, ich schauderte vor meiner eigenen Kraft, aber es gesch-.y: wie der Geist in der Flasche, saß der Welt-Gott in dem Nietloch, ein Pinn kam heraufgesaust, ich kippte den Döpper darüber und nun nietete ich Gott in die Brücke hinein.
„Nun fängst du an zu murksen!" sagte der Monteur, „du sitzst zu kurz dran, nicht so übereifrig, wir müssen die Stellage umbauen, sonst ! kippst du mir noch hintenüber vom Träger!"
Ich legte den Hammer hin, trug ihn gleich ^ auf die Werkzeugkiste, nahm mit einer Nietzange Sen Döpper und kühlte ihn im Wassereimer. der bei der Feldschmiede stand, ab.
„Das gehl wic's Katzenmachen!" rief der Monteur und sah mich grinsend an:
„Sieben auf einen Schlag!"
(Aus: Heinrich Lersch, Hammerschläge. Ver- > lag Adolf Sponholtz, Hannover.)
Der 1. Mai
Das Siegeszeichen des neu erwachenden Lebens, das lebendige Grün, wird herein- getragen zu den Menschen, lleberall in Stadt und Land erstehen die Maibäume. und ihre grünen Wipfel wollen Leben und Gelnnd- heil bringen. So sind am Maibaum auch die Sinnbilder aller Berufs- und Leben?- schlchten. des Bauers und Handwerkers auch vielfach der Schule und Kirche an gebracht, daß es gewissermaßen aus si« herabtaue. Und um den Maibaum samineb sich das ganze werktätige Volk und seien seinen Tag der Arbeit. Die Arbeit ist ernst und vielfach hart und schwer. Sie ist aber . auch ein Segen kür den. der sie tun kann > und darf. Und sie ist das Höchste, das den Menschen ehrt. An diesem Tag dart den Kops hochtragen wer >m Namen der Nation , Arbeit leistet, aus dem Acker und m der > Werkstatt, in der Schreibstube und in der ; Fabrik, in der Schule und in der stillen Klause des Gelehrten und Forschers, sie alle eint heule ein elementares Gefühl der VolkS- znsaw'nengehörigkeit und Volksverbuiiden. heit, und aus den hohen Feierstunden des I. Mai mögen uns wachsen die tragenden Säulen fürs Reich..
Liü R«t«. Schiffswerft - -.Kl!MMWWL!»Lir! Ä.>t 'L! L.ch! ,.
/ Von Gerhard Schumann
Kunst und Leben.
tAus« Gerhard Schumann, Tte Lieder vom Reich. Verlag Alber« Lanaen-Geora Miiller. Miinchen.i