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Alkohol L Co., größtes Geschäft iuDeutschland.
Unter diesem Titel fand ich in einer älteren Nummer „der Blätter zum Weitergeben" eine Reklame, die wichtig genug ist, um aus der Vergessenheit hervorgezogen und wenigstens teilweise zum allgemeinen Besten abgedruckt zu werden. Sie lautet im Auszug: „Einem verehrl. Publikum in Stadt und Land erlauben wir uns, unsere Firma in empfehlende Erinnerung zu bringen. Unser kolossaler Absatz zeugt am besten für die Vortrcfflichkeit unserer Waren. Es werden in Deutschland im Jahre getrunken 676 Millionen Liter Branntwein, 5'/- Milliarden Liter Bier, 320 Millionen Liter Wein. Für diese Getränke berechnen wir auf den Kopf nur lumpige 50 so doß wir von einer Familie, die aus 5 Personen besteht, durchschnittlich nur 250 ^ im Jahre, vom ganzen deutschen Volk nur 2'/- Milliarden (jetzt sind es sogar 3 Milliarden) uns zahlen lassen. — Wir scheuen keine Mühe und Kosten, um unsere Waren und die dazu nötigen Rohprodukte u. s. w. zu beschaffen. Wir stellen Bier und Branntwein nur aus guten Nahrungsmitteln her, aus vielen Millionen Doppelzentnern Gerste, Roggen, Kartoffeln und andrer zur Ernährung von Menschen und Vieh geeigneter Stoffe. — Wir sind die größten Arbeitgeber im Reich und schoren selbst Leben und Gesundheit unserer Leute nicht, um unsern Kunden einen guten Tropfen zu liefern. . . Aber diese Opfer sind aber unsre Getränke auch wert! Wie wunderbar ist ihre Wirkung! Mit Alkohol kann man Leichen konservieren und lebendige Menschen zerstören. Durch mäßige Gaben werden Ernste in Fröhliche, Stumme in Redner, Schwerfällige in gewandte Gesellschafter umgewandelt. Aber die großartigsten Erfolge zeigen sich erst, wenn größere Gaben angewandt werden. Man kann damit aus Weisen Narren machen, aus unbescholtenen Leuten Verbrecher, aus Menschen Tiere. Und in viel tausenden Fällen beweisen wir jedes Jahr, daß dies keine leere Reklame sondern lautere Wahrheit ist. Wir find es insbesondere, die den Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten Beschäftigung und damit ihr Brot geben. Ohne uns wäre die Hälfte der Landjäger und Polizisten arbeitslos; ohne uns würde mindestens die Hälfte der Gefängnisse und Zuchthäuser leer stehen, ebenso die Hälfte der Jrrenhäuier
und vieler anderer Anstalten. Wir verwandeln ferner durch fortgesetzte Gaben unserer Krastgetränke Wohlhabende in Arme, tüchtige Arbeiter in Invaliden, Fleißige in Vagabunden und Lumpen, Gesunde in Kranke, Junge in zitternde Greise. Wir verhindern eine Hebervölkerung des Reiches. Wenn sie nicht tränken, würden viel mehr Menschen die normale Lebensdauer von 70—80 Jahren erreichen. Es würden viel weniger Unfälle und Selbstmorde Vorkommen. ES würden Tausende von Kindern am Leben bleiben, die jetzt alljährlich sterben, weil sie Trinkerblut geerbt haben oder in elenden Trinkerwohnungen leben müssen. So stünde uns eine schreckliche Uebervölkerung bevor. Kein Wunder, daß wir ausgezeichnete Gönner in allen einflußreichen Kreisen haben. Das halbe Volk dient uns. Darum bringt uns euer Geld, opfert uns eure Zeit, eure Kraft, euren Charakter, euer Glück!" Soweit „Alkohol und Co., Hoflieferanten, Sr. Maj. des Königs Tod."
Das liest sich wie ein Scherz, aber es ist bitterer Ernst, ein Ernst, den allerdings ein großer Teil unseres Volkes noch uichl emsieht. Doch mehrt sich die Zahl der Kämpfer, die den Schaden des Alkohols erkennen und mit allerlei Mitteln gegen den Mißbrauch, und die falsche Schätzung der geistigen Getränke zu Felde ziehen. Insbesondere sind es eine große Reihe von Aerzten, die den Aberglauben zerstören helfen, daß die geistigen Getränke zur guten Ernährung und zur Erhaltung der Kraft notwendig seien. Was man erreichen kann, zeigen einige Länder im Norden Europas; Schweden galt früher als das trunksüchtigste Land unseres Weltteils. Der energischen Gesetzgebung und der Mithilfe einsichtiger Bürger des Landes ist es gelungen, das Uebel in erstaunlichem Maße einzuschränken. Im Jahre 1829 kamen dort auf den Kopf 23 Liter reinen Alkohols, im Jahre 1896 nur noch 3,6 Liter. Bei uns in Deutschland ist es vor allem der „deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke", der durch aufklärende Schriften u. a. zur richtigen Schätzung des Alkohols helfen will. Jeder Freund der Mäßigkeit kann Mitglied desselben werden und ! hat als solches einen Jahresbeitrag von 2 ^ zu ! bezahlen. Man erhält dafür monatlich die „Mäßig- s keitsblätter" und „die Blätter zum Weitergebeu". ! Auch bloßer „Anhänger" kann man sein mit einem i
Beitrag von 50 A und bekommt daun nur „die Blätter zum Weitergeben". Vertreter im Bezirk ist Herr Pfarrer Andler in Gechingen, in der Stadt Calw Herr Kirchenpfleger Schnürte. Einen wichtigen Teil des Kampfes hat das „blaue Kreuz" übernommen. Dieser Verein will vor allem ein Retterverein sein und Leuten, die von dem Laster des Trinkens gefangen sind, aushelfen. Und da erfahrungsgemäß nur durch vollständige Enthaltsamkeit Erfolge erzielt werden, verpflichtet er seine Mitglieder zur völligen Enthaltsamkeit vor den geistigen Getränken. Andere Vereinigungen, der „Alkoholgegnerbund" und der „Gut:einplerorden" kämpfen wieder mit ihren besonderen Waffen gegen das Erb- laster der Deutschen. Auch die Schule und Regierungsbehörden suchen in neuerer Zeit auf verschiedenem Wege, insbesondere durch Belehrung der Trinkseuche entgegcnzutreten. So sollen auch in unserem Bezirk in nächster Zeit in den Bezirksorten eine Anzahl Blätter zur Aufklärung verteilt werden, die wir der allgemeinen Beachtung empfehlen. (4.
Gottesdienste.
Sonntag ckndilst«, 21. April. Vom Turm: 361. Der Kiicherchor singt . Iftu, wahres Biot des Lebens rc. Predigtlied: 128 Jesu frommer Menschenherden rc. 91'« Uhr: Beichte in der Sakristei. 91's Uhr: Vormitt.-Predigt, Dekan Roos. Abendmahl. 2 Udr: Nachmitt.-Predigt Stadtpfarrer Schmid. Aiknotag, 23. April. 8 Ubr vormitt.: Schulgottesdienst, Ctadtpfarrer Schmid.
psnnerstag, 25. April. 8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereinshrus Dekan Roos.
«eklameteil.
öefner slps nEilÄg esellsclizU
Amtliche und privatsnzeigen.
tt. Staatsanwaltschaft Stuttgart.
Fahndungsausfchreiven.
In der Nacht vom 12. auf 13. April 1907, etwa um 10 Uhr, wurde von 3 Zigeunern in Deufringen OA. Böblingen in der Scheune des Müllers Wilhelm Winter zur oberen Mühle ein Einbruchsdiebstahl verübt; die sämtlichen gestohlenen Gegenstände wurden von den fliehenden Zigeunern weggeworfen und befinden sich im Besitz des Bestohlenen. Auf der Flucht feuerte einer der Zigeuner einen Schuß — vermutlich aus einem Revolver — gegen die sie verfolgenden Kr echte Friedrich Schwarz und Ludwig Maier ab, ohne jedoch dieselben zu treffen.
Die 3 Zigeuner sind annähernd gleich groß (mittelgroß) und schmächtig.
Am Freitag, den 12. April 1907, nachmittags, lagerte im Wald zwischen Deufringen—Dachtel und Gechingen eine Zigeunerbande, von welcher folgende Frauenspersonen:
1) Eine etwa 50 Jahre alte, mittelgroße, ziemlich korpulente Zigeunerin, mit vollem Gesicht und dicker Nase, welche mit schwarzer Jacke und braunem, gestreiften Rock bekleidet war;
2) Eine etwas ältere, aber kleinere Zigeunerin, mit magerem Gesicht, bekleidet mit schwarzer Jacke und schwarzem Rock;
3) Eine etwa 30 Jahre alte, große, magere Zigeunerin, diese habe gesagt, sie sei seit ein paar Tagen Wöchnerin;
4) Eine etwa 24 Jahre alte, nicht näher zu beschreibende Zigeunerin in der Gechinger Mühle Lebensmittel holten. Es ist anzunehmen, daß dieselben Begleiterinnen jener 3 Zigeuner waren.
Am 13. April 1907 morgens früh soll eine Zigeunerbande an Gechingen vorbei, dem Walde gegen Ostelsheim—Calw zu gezogen sein.
Um sachdienliche Mitteilungen zu I. Nr. 2928 wird ersucht.
Den 16. April 1907.
Assessor.
Aichhalden—Oberweiler.
Das in Nr. 57 und 58 ds. Bl. beschriebene Anwesen des verstarb. Friedrich Traub, Bauers in Oberweiler, bestehend in
Wohv- und Oekonomiegebäuden,
'/.«»Teil an der Aichelberger Sägmühle,
7 km 96 3 81 qm Acker und Dungwiese,
1 „ 42 „ 38 „ Wässerungswiese,
10 „ 11 „ 75 „ Nadelwald,
kommt am
Mittwoch, den 24. April ds. Js., nachmittags 1 Uhr,
auf dem Rathaus in Aichhalden zum dritten- und bei annehmbarem Angebot zum letztenmal zum öffentlichen Verkauf, wozu Liebhaber eingeladen werden mit dem Anfügen, daß auswärtige unbekannte Steigerer sich durch obrigkeitliche Zahlungsfähigkeits-Zeugnisse auszuweisen haben.
Ratsschreiber Großmann.
Stadt Calw.
Vergebung vou Banarbeiten.
Nachstehende Bauarbeiten sollen in Akkord vergeben werden:
I. Die bei baulichen Veränderungen im Rathaus erfordert. Zimmer-, Gipser- und Schreinerarbeit.mit zus. 375
II. Die bei einem Küche- und Abortanbau am Kranken- bezw.
Armenhaus vorkommenden Maurer-, Zimmer-, Gipser-,
Anstrich-, Schreiner-, Glaser-, Schlosser-, Flaschner- und Asphaltarbeiten nebst Walzeisenlieferung . . . mit- zus. 2390
III. Die bei Reparatur der Stützmauer, sowie Staffel- und
Dohlenanlage beim Georgenäum notwendige Maurerarbeit . mir zus. 290
Pläne, Voranschlag und Bedingungen liegen beim Sradtbauamt zur Einsicht auf, woselbst auch diesbezügliche Angebote (je für obige Arbeite« getrennt) in Prozenten ausgedrückt, bis längstens Mittwoch, den 24. April 1907, abends 6 Uhr, einzureichen sind.
Den 18. April 1907.
LLa-Lbauamt.
Hohnecker.
Weilderstadt.
Stamm- M Kreilllholz-Derkaiif.
Am Dienstag, den 23. April 1907, vormittags 9 Uhr, kommen aus den Stadtwaldungen auf hiesiger Markung zum Verkauf aus dem Stadtwald Steckental:
10 Stück Eichen I. u. II. Kl. mit 13,83 Fm.,
21 „ „ UI. Kl. „ 17,90 „
38 „ „ IV. „ „ 19,25 „
43 „ „ Birken, Buchen und Eschen mit 7,21 Fm.,
aus dem Stadtwald Honig: Nadelholz meist Forchen:
1 Los 15 Stück IV. und V. Kl. mit 3,92 Fm.,
1 Los 15 „ IV. und V. „ „ 3,84 „
1 Los 15 „ IV. und V. „ „ 4,28 .
Zusammenkunft beim Bahnwarthaus am Steckental.
Den 16. April 1907.
Stadtschultheißenamt.
Beyerle.
LrlSMverslii leMsetz.
Monatsversammluug am Sonntag, den 21. April, nachmittags 4 Uhr, im Hotel zum Hirsch.
Der Ausschuß.
Ooväitor,
i8t unter Rufnummer 88 un äus "felet'onnetn un^esetüossen.