62 Amts- und Än^eigeblatt für den Sezjrk Calw. 82 . Zahrgrmq
Lrscheinungstage: Dienstag, Donnerstag, Samstag, Sonntag. JnsertionspreiS 10 Pfg. pro Zeile für Stadt und Bezirksorte; außer Bezirk 18 Pfg.
Samstag, Sen 2V. April 1907.
AÜonnementspr. in b. Stadt pr. -Nertelj. Mk. 1 .ioincl.rrägerl. Bierteljährl. Postbe-ug-preiS ohne Bestellg. f. d. OrtS- u. Nachbar, ort-verkehr l d. sonst. Verkehr Mk. 1.10. Bestellgeld 2V Pfg
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung
betr. die Maul- und Klauenseuche.
Die Seuche ist in dem Beobachtungsgebiet Böstngen-Egenhausen mit den Gemeinden Beihingen, Spielberg, Oberschwandorf und Walddorf auf die beiden erstgenannten Orte Bö fingen und Egenhaufen beschränk! geblieben, die Aussaat vollendet und eine Weiterverbreilung von Bösingen und Egenhausen aus kaum mehr zu befürchten. Es werden daher die mit Erlaß vom 9. März 1907 getroffenen Maßnahmen in folgender Weise abgeändert:
1 Die polizeiliche Beobachtung der Gemeinden Spielberg, Oberschwandorf und Beihingen wird aufgehoben;
2. über die Gemeinden Böfingen und Egenhausen wird je die Ortssperre verhängt, so daß für sie die gleichen Maßregeln wie seither (Verbot der Durchfuhr mit Wiederkäuern und Schweinen durch den Ort, der Ausfuhr und des gemeinschaftlichen Tränkens) gelten;
3. die Gemeinde Walddorf wird dem Beobachtungsgebiet Rohrdorf-Ebhausen-Nagold zugeteilt.
Es besteht also nunmehr folgender Rechts- zustaud:
a, Ueber die Gemeinden Böfingen und Egenhausen ist Ortssperre verhängt;
b, die Gemeinden Pfrondorf mit Emmingen, Mindersbach und Rotfelden stehen unter polizeilicher Beobachtung; ebenso
c, die Gemeinden Rohrdorf mit Nagold, Walddorf und Ebhausen.
Die Folgen dieser Maßnahmen sind die öfters bekannt gemachten.
Die Ortsbehörden wollen für ortsübliche Bekanntmachung alsbald Sorge tragen.
Nagold 16. April 1907.
K. Oberamt.
Ritter.
Die Ortspolizeibehörden
werden unter Bezugnahme auf den Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 23. März 1907 Nr. 4423 (Minist.-Amtsbl. 1907, Seite 149), betr. die Betriebe der Tabakindustrie, beauftragt, die auf den Arbeiterschutz in der Tabakindustrie sich beziehenden neuen Vorschriften den beteiligten Kreisen bekannt zu geben und auf deren Durchführung hinzuwirken.
Calw, 18. April 1907.
K. Oberamt.
Amtm. Rippmann.
Tagesueuigketteu.
Calw 19. April. Zu dem bedauerlichen Holzbronner Fall wird uns heute folgendes Nähere berichtet: Kronenwirt Mann hat seinen Bruder nicht, wie verbreitet worden war, erschlagen. Die Untersuchung hat ergeben, daß ihn keine Schuld an dem Tode seines Bruders trifft. Obwohl schon längere Zeit verfeindet gingen am Dienstag beide zusammen von Wildberg nach Hause. Im Walde soll nun der ältere und stärkere, Johr. Mann, seinen Bruder, den Kronenwtrt Mann angefallen haben. Sie kamen ins Handgemenge und dabei wurde dem Johs. Mann, der eine sog. Krampfader am Fuße hatte, die er auch immer verbunden halten mußte, ob durch einen Schlag oder Stoß, diese geöffnet, infolgedessen er verblutete. Weitere Verletzungen wurden an der Leiche nicht gefunden. Der Kronenwirt, der
von diesem Vorgang keine Ahnung hatte, denn das Blut lief in den Stiefel, ließ seinen „betrunkenen" Bruder liegen in dem Glauben, er werde schon Nachkommen und ging allein nach Hause. Bald darauf wurde die Leiche von Paffanten gefunden. Der Familie der Verstorbenen, der erst im 38. Lebensjahr steht, wendet sich allgemeine Teilnahme zu.
— Tie Baum er km eisterprüfung hat bestanden und die Bezeichnung „Bauwerkmeister" erlangt: Rentschler, Christian von Oberhaugstett OA. Calw.
Göppingen 18. April. Eine Benzinexplosion entstand gestern hier in der Hasenstraße bei Kupferschmied Böhringer. Ein Geselle und ein Lehrling waren mit der Reparatur eines leeren Benzinfasses beschäftigt. Plötzlich explodierte scheinbar ein kleiner Rest Benzin, wodurch der Geselle so schwer verletzt wurde, daß er ins städtische Krankenhaus verbracht werden mußte. Der Lehrling erlitt leichtere Verletzungen. Die Explosion war so stark, daß sämtliche Fenster der Werkstatt demoliert wurden.
Schnaitheim OA. Heidenheim 18. April. Dem Fabrikarbeiter Kaspar Seitz wurde der siebente Knabe geboren, der König hat die Patenstelle übernommen und das übliche Geschenk überreichen lassen.
Vom südöstlichen Schwarzwald 13. April. Auch auf der Schwarzwaldhochebene zwischen Neckar- und Kinzigtal sind jetzt die Schnee- maffen verschwunden. Leider haben die Saatfelder, auf welchen der Schnee erst infolge des warmen Sonnenscheins schmolz, erheblichen Schaden gelitten; an solchen Stellen sind die Wintersaaten gänzlich vernichtet. Auf verschiedenen Markungen find einzelne Landwirte genötigt, bis zu 50°/° des angebauten Feldes neu zu bestellen.
Von der bayrischen Grenze 18.April. In Günzburg wurden auf dem neuen Friedhofteile und auf dem angrenzen Grundstück wieder eine große Anzahl römischer Funde gemacht. Hauptsächlich sind es Funde an Terra Sigilata, eine Münze, Bronzeschmuckstück, eiserne Waffen, teile und Bruchstücke von gläsernen Schmuckgegenständen. In einem Tongeschirrbruchstück befanden sich wasserhell kristalisterte Körner einer noch nicht chemisch bestimmten Substanz.
Breslau 17. April. Der in der Kaiser Wilhelmstraße aufgeführte Neubau des Gasthauses zur Stadt Schweidnitz ist heute morgen gegen 11 Uhr eingestürzt. Unter den Trümmern liegen viele Arbeiter verschüttet. Die Feuerwehr ist mit den Aufräumungsarbeiten beschäftigt.
Berlin 17. April. In der heutigen Sitzung der Budget-Kommission des Reichstages wurde die Beratung des Kolonial- Etats fortgesetzt. Hierbei wurden scharfe Angriffe gegen den Kolonialrat gerichtet, der als zwecklose Dekoration bezeichnet wurde. Kolonialdirektor Dernburg gab die schwierige Stellung des Kolonialrats zu. Indessen solle dieser lediglich für technische Zwecke fungieren. Im weiteren Verlauf der Debatte wurde vom Abgeordneten Semmler die Einrichtung einer Kolonial-Agentur
in Hamburg angeregt, wo Millionen für diesen Zweck bereit lägen. Sämtliche Redner sprachen sich für diesen Plan, für welchen auch Kolonialdirektor Dernburg seiner Sympathie Ausdruck gab. Weiterhin wurde das Kommando der Schutztruppe heftig angegriffen. Dernburg erklärte, saß die neu geschaffene Behörde keine Kommando, gemalt haben solle. Ebenso zerstreute er die ge- äußerten Befürchtungen, daß eine Kolonial-Armee in der Bildung begriffen sei. An der Spitze des Kommandos müsse ein Offizier mit längerer militärischer Erfahrung stehen. Indessen werde die Zivilbehörde die Bestimmung über die Truppen in den Händen behalten.
Berlin 17. April Ueber die Ermordung eines Deutschen wird dem „Lokal-Anz." aus Jaunde in Kamerun unter dem 13. März ge- schrieben: Herr Voß aus Viktoria, welcher den Bezirk Jaunde bereist, um Arbeiter für die Bimbia-Pflanzung bei Viktoria anzuwerben, wurde am 11. März abends von einem farbigen Träger oder Jäger am Wommjomo, Landschaft Eduma, 2 Tagereisen von Jaunde entfernt, ermordet. Ob ein Racheakt vorliegt oder ob es sich um einen Aufstand handelt, konnte noch nicht mit Sicherheit festgestellt werden.
London 17. April. Die „Daily Mail" erfährt aus angeblich bester Quelle, daß Italien auf der Haager Friedenkonferenz den Antrag stellen werde, daß an erster Stelle des Programms Rußland zu Worte kommen solle. Hierauf werde England den Vorschlag machen, die Abrüstungsfrage zu stellen. Sollte gegen diesen Vorschlag eine Einwendung seitens einer Großmacht gemacht werden, so würde man zur Abstimmung schreiten, ob die Abrüstungsfrage später zur Beratung gestellt werden solle. Sollte die Abstimmung für Vertagung ausfallen, so würde die Frage den Großmächten später nochmals unterbreitet werden.
New-Dork 18. April. Dem „Globe" wird aus Valparaiso gemeldet: Chile be- findet sich unter den Schrecken eines furchtbaren Erdbebens. Riesige Waldbrände seien durch Lavaströme entstanden, die von feuerspeienden Bergen flössen. Die entsetzten Einwohner befinden sich auf der Flucht. Man befürchtet den Verlust vieler Menschenleben. Die „Sun" meldet, daß nach ihr zugegangenen Drahtmeldungen aus der chilenischen Hauptstadt Valparaiso der Vulkan Puyehue in der Provinz Valdivia, 700 km südlich von Valparaiso sich in heftigem Ausbruch be- findet. Große Mengen Asche, Lava und kochendes Wasser werden ausgeworfen.
New-Dork 18. April. Nach den letzten aus Mexiko eingetroffenen Meldungen sind bei dem jüngsten Erdbeben 12 Städte und Ortschaften zerstört worden. Die Zahl der Opfer wird nunmehr auf über hundert angegeben. Die Meldungen über den Umfang der Katastrophe laufön infolge der Zerstörung der Telegraphen- und Eisenbahnlinien nur sehr spärlich ein. In Chilapa sind 14 Personen unter den Trümmern eine» Hauses tot hervorgeholt worden, 39 waren verletzt. In Tixla wurden gleichfalls 12 Tote geborgen. In Chilpancingo find 12 Personen getötet und 30 schwer verletzt worden.