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Amts- und ÄnzeigeblaLI für den Se^irk Calw.
82. Jahrgang.
LrscheinungStage: Dienstag, Donnerstag, SamS- laa, Sonntag. JnsertionSpreiS 10 Pfg. pro Zeile für Stad t rnb Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Donnerstag, de« 18. April 1907.
«bonnenientspr. inb. Stadt pr. Biertelj. Mk. 1.10 incl.DrLgerl. vierteljlihrl. Postbezugspreis ohne vestellg. f. d. Orts- u. Nachbar, ortsocrkehr I Mk., f. d. sonst. Verkehr Mk. I.iv, Bestellgeld 20 Pfg.
Amtliche Bekairtttmachnngerr.
Den Ortsbehörden
wird das württemb. Polizeistrafrecht von Schicker, welches in IV. Auflage zum Preis von 12 50 A
erschienen ist, zur Anschaffung empfohlen.
Calw, 15. April 1907.
K. Oberamt.
Vo elter.
Bekanntmachung,
betr. die Maul- und Klauenseuche.
In Rohrdorf OberamtS Nagold ist die Seuche ausgebrochen. Die Gemeinden Rohrdorf, Nagold und Ebhausen sind vom K. Oberamt Nagold unter polizeiliche Beobachtung gestellt worden.
Calw, 16. April 1907.
K. Oberamt.
Amtm. Rippmann.
Tagesueuigkeiteu.
** Calw. Die Ausstellung der Frauenarbeitsschule erfreute sich eines sehr starken Besuchs von der hiesigen Damenwelt. Sie bot so viel Schönes, daß jedermann dieselbe hochbefriedigt verließ. Vom prächtigen Hochzeitskleid bis zum schöngefiickten Hemd, vom Straminstreifen bis zur kunstvollen Hand- und Maschinenstickerei, alles zeugte von pünktlicher und sauberer Arbeit und großem Fleiß. In Leib- und Bettwäsche waren mitunter wahre Prunkstücke ausgestellt, daneben fehlte aber auch das Einfache, Praktische nicht. In Stickerei auf Teppichen und Taschentüchern kam der Jugendstil vor allem zur Geltung; auch schöne, kunstvolle Aplikations- und Durch, bruchsarbeiten waren zu sehen, die alle von gutem Geschmack und großer Ausdauer in der Anfertigung zeugen. Besonders interessant war die Ausstellung der Freihandzeichnungen; es zeigt sich hier ein vollständiger Umschwung gegen früher. Nicht mehr steife Nachahmungen gedruckter Vorlagen sondern lebendige Natur ist's, was man jetzt sieht. Ein Blatt, eine Blüte, ein Zweig, eine ganze Pflanze nach der Natur gezeichnet und gemalt, erfreut den Zeichner und den Beschauer gewiß mehr als die früheren Vorlagezeichnungen, und das um so mehr» als man diese Zeichnungen auch praktisch zu den Arbeiten verwerten kann, wie das die Ausstellung so schön zeigte. Aus allem ersieht man, daß die Calwer Frauenarbeitsschule auf der Höhe der Zeit steht und daß die Leitung derselben in bewährten Händen liegt.
Calw 17. April. Von Holzbronn wird heute früh gemeldet, daß der dortige Kronen, wirt Mann seinen Bruder im Streit erschlagen habe. Zwischen Kronenwirt Mann und seinem Bruder bestanden schon längere Zeit Zwistigkeiten. Gestern Nachmittag sollen beide von Wildberg kommend im Walde zwischen Wildberg und Gültlingen in heftigen Streit geraten sein, wobei Kronenwirt Mann seinem Bruder einen Schlag mit dem Stock versetzt habe. Der Getroffene soll noch etwa 50 Meter wett ge- gangen und dann niedergestürzt sein. Da derselbe betrunken gewesen, ließ ihn der Täter liegen. Später wurde er tot aufgefunden. Der Ge- tötete, Johann Georg Mann ist verheiratet und Vater von 6 Kindern. Die Untersuchung des Falls ist bereits eingeleitet.
Calw 17. April. Nächsten Sonntag findet ein Ausflug des Stuttgarter Volkstrachtenvereins nach Altburg und Teinach statt. Ankunft in Calw 7 Uhr 34 vorm., hierauf Gang nach Altburg, Aufenthalt daselbst bis 10'/- Uhr, im „Hirsch", sodann Fortsetzung des Wegs über Speßhardt und Zavelstein nach Teinach, 12 V« Uhr Mittagessen im Badhotel, Abgang von Teinach 4 Uhr 30 Min. Die Freunde der Sache werden zur Teilnahme eingeladen.
Sindelfingen 16. April. Unsere Bestrebungen zur Anziehung von Fremden sollen eine gewaltige Förderung erfahren durch die Er- bauung eines Kurhauses im Sindelfinger Stadt- wald. Das Gebäude wird an der Staatsstraße zwischen Böblingen und Vaihingen einen Platz finden.
Stuttgart 15. April. An Speisevergiftung find im I. Bataillon des Gren.- Reg. Königin Olga ca. 150 Mann erkrankt. Nachdem am Freitag Mittag zum Mittagessen Leberknödel mit Kartoffelsalat gereicht worden waren, fühlten sich gegen Abend und im Lauf des Samstags in lÄen 4 Kompagnien viele Soldaten krank. Es mußte sofort auf eine Speisevergiftung geschloffen werden, weil von den andern Bataillonen der Rothebühlkaserne, die von ihren eigenen Küchen gespeist werden, keine ähnliche Erkrankung gemeldet wurde. Der Grad der Krankheit steigerte sich bei den einzel- nen von einer allgemeinen Magenverstimmung mit Kopfweh, Durchfall, Appetitlosigkeit zu heftigem Fieber mit krampfhafttgen Anfällen, so daß diese ins Lazerett verbracht werden mußten. Die meisten melden sich nur „revierkrank". Eine Reihe von Notrevierkrankenstuben mußten singe- richtet werden, um die Erkrankten alle aufzunehmen und unter Beobachtung zu stellen. Ob die Vergiftung durch eine verdorbene Leber verursacht wurde, oder ob im Salat, angeblich von „aurzewachsenen" Kartoffeln, die Ursache der Vergiftung liegt, wird die alsbald eingeleitete Untersuchung wohl ergeben. Eine unmittelbare Lebensgefahr besteht noch bei keinem der Erkrankten. Die meisten werden sich in wenigen Tagen wieder vollständig erholt haben.
Stuttgart 16. April. Die württem- bergischen Staatseisenbahnen vereinnahmten im Monat März d. I. 5447000 98863 ^
mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. In der Zeit vom 1. April 1906 bis 31. März 1907 betrugen die Einnahmen 66 786000 gegen 63125718 ^ in der vorhergegangenen Rechnungsperiode, demnach 3 660 282 ^ mehr.
Reutlingen 16. April. Auf der Haltestelle Ulrich Gminder ist durch den Gönninger Lokalzug der Arbeiter Raisch von Lustnau getötet worden. Der Verunglückte soll unter die Räder gefallen und zu Tod gedrückt worden sein.
Reutlingen 16. April. In einer gut besuchten Versammlung von Jntereffentsn der Landes-Karten wurde der Beschluß gefaßt, sich mit den Kollegen von Mm solidarisch zu erklären und eine Petition um Beibehaltung der Landeskarten an den Landtag einzureichen. Es soll in nächster Zeit eine öffentliche Versammlung stattfinden, um noch weitere Kreise dafür zu interessieren.
Ebingen 15. April. Bei der jüngsten Musterung stellte sich hier ein Rekrut vor, der 64 Pfund wog und 1,33 m groß war. Von Beruf ist er Schneidergeselle. Die Ersatzbehörde hat ihn wohlwollend — zurückgestellt.
Ulm 15. April. Die Gefälle an Häuten und Fellen in den Städten Ulm, Biberach, Ravensburg und Augsburg, bestehend aus 3174 Stück Großviehhäuten und 4910 Kalbfellen, wurden heute hier versteigert. Die Preise hatten rückgängige Tendenz. Sie bewegten sich bei Ochsenhäuten zwischen 52—55 V» bei Farrenhäuten zwischen
44 und 58 bei Kuhhäuten zwischen 54'/» und 55'/- bei Kalbelhäuten 59'/- bei Kalbfellen zwischen 109 und 114'/- per Pfd.
Vom Vorbach- und Taubertal 16. April. Der lange, ungesunde Winter und das an Wetterbildung so vielseitige Frühjahr haben einen unliebsamen Gast in unsere Gegend gebracht. Die Influenza tritt epidemisch auf, fast kein Haus bleibt verschont. In vielen Fällen liegen ganze Familien darnieder. Dabei hat die Influenza in diesem Jahr oft recht bösartige Nebenerscheinungen und Folgenkrankheiten.
— Auf der Erdbebenstation in Hamburg wurde am 14. ein geringes Erdbeben, Beginn 7 Uhr 5 Min. 8 Sek. abends, Maximum 7 Uhr 20 Min. 17 Sek. morgens; Ende 11 Uhr 30 Min.; Maximum 7 Uhr 54 Min; stärkster Ausschlag 8 Uhr 5 Mn. Man vermutete, daß der Herd des Erdbebens in Mittelamerika zu suchen sei. — Heute liegt nun eine Meldung aus Mexiko vor, wonach die Ortschaften Chilpancingo und Chllapa am 14. April durch ein Erdbeben zerstört worden sind. Soweit bekannt, find 11 Personen umgekommen und 27 verletzt.
Berlin 15. April. Ueber eine furchtbare Hungersnot in Deutsch-Ostafrika hat neulich die „Köln. Volkrztg." auf Grund de« Briefes eines Missionars berichtet. Es hieß, daß die Bevölkerung in den betreffenden Bezirken nur noch von Gräsern, bitteren Wurzeln, den Blüten einer Pflanze, Raupennestern und kleinem Getier lebe. Die Kindersterblichkeit sei sehr groß; die Leute seien völlig abgemagert, ganze Dörfer am Nyassa wandern aus. Amtlich wird nun folgendes mitgeteilt: Besonders leiden die Ortschaften Unganie, Songea und Mahenge, wo im Vorjahre der Aufstand am heftigsten war und die Eingeborenen die Felder nicht bestellt hatten. Der Gouverneur hat den Nahrungsmangel vorausgesehen und vor geraumer Zeit Vorkehrungen getroffen, so daß Mahenge von den Stationen Jringa, und Morogro aus mit Lebensmitteln versehen werden kann. Ferner ordnete der Gouverneur an, daß die in den Küsten- ländern beschäftigten sog. Strafarbeiter unter Abkürzung der Strafzeit mit Lasten an Lebensmitteln reich versehen in die Heimat zurückgeschickt werden sollen. Songea kann nur auf dem Weg von Nyaffasee, nötigenfalls auch aus Mozambique und dem deutschen Bezirk Langenburg au» versorgt werden. Der Gouverneur hat bereits den gesamten verfügbaren Notbestandsfonds benützt, um die Not an den meistbetroffenen Plätzen durch Heranziehung von Nahrungsmitteln aus Orten am Nyaffasee zu mildern. Bei dem Mangel an