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Amtsblatt für
clas Oberamt Veuenbürg
Nr. 242
Mittwoch den IS. Oktober 1938
93. Jahrgang
Sperre -er Verbmdungswege
zwischen Italien und Afrika? — Blockade unvermeidlich? — Die Wirt- fchaftsfanbtioue« — Keine Unterbrechung des Sühneverfahrens
Lord Ceeil erklärte in einer Rede in Peterssield. es sei di« Pflicht des Völkerbundes, jedes Mittel zu gebrauchen, das notwendig sei, um dem Krieg ein Ende zu machen. Das beste Mittel sei die Unterbrechung derVerbindungs- wegezwischenJtalienundAfrika.
Diese Aeußerung ist bezeichnend für die Beurteilung der Genfer Sanktionsbeschlüsfe in der breiten englischen Öffentlichkeit. Man ist im allgemeinen zufrieden mit den bisherigen Beschlüßen der Sanktionskonferenz. Nur die Lord - Nothermere - Blätter und die Beaverbrooks setzen ihren Widerstand gegen die Negierungspolitik fort.
-i-
Ter Wahlkampf der Konservativen Partei Englands für die im November stattfindenden Parlamentswahlen wurde am Montag abend mit einer großen Kundgebung in Glasgow eröffnet, auf der Schatzkanzler Neville Chamberlain die Ausschreibung der Wählen begründete: Die Negierung ersuche das englische Volk um die Erneuerung der Vollmachten für ein neues Wehrprogramm, energische Behandlung der Frage der notleidenden Jndustrie- bezirke, Unterrichtsreform usw.
Ausführlich behandelte der Schatzkanzlcr die ostasrikanische Krise, „Mussolinis Irrtum" und die Bedeutung des von der britischen Negierung in Genf geführten Kampfes. Man stehe, um jenen zu erwidern, die sür den Aufschub der Wahlen bis zur Beendigung der Krise eintreten, nichtamEnde, sondern am Anfang einer vielleicht sehr langen Periode von Schwierigkeiten, Zweifeln und Sorgen, in deren Verlaus es wiederholt Krisen sehr schwerer Art geben mag. England suche dem Kriege Einhalt zu tun, der bereits im Gange sei und wenn dies auch nur teilweise gelinge, werde es wahrscheinlich die Rettung vieler Tausende von Menschenleben bedeuten. Wir stehen vor der Wahl, entweder in Genf eine letzte Anstrengung für den Frieden und Sicherheit z» unternehmen, oder durch eine feige Kapitulation ein von uns gegebenes Versprechen zu brechen.
Dir Liste der für Italien kriegswichtigen Rohstoffe
Der Ausschuß der Sanktionskonferenz für wirtschaftliche BWnahmen beriet am Dienstag eine v'on der französischen Abordnung ausgearbeitete Liste der sür Italien kriegswichtigen Rohstoffe, unter denen an erster Stelle stehen: Eisenerze, Mangan, Chrom. Tungstein. Molybdän, Palladium, Zinn, Wolfram. Cadmium und alle Eisenamal- gamaie.
Die zweite Gruppe der Liste bilden Erzeugnisse, die entweder von Italien, wenn auch nicht in der erforderlichen Menge, oder von Nichtmitgliedern des Völkerbundes erzeugt werden, dabei aber nach Auffassung des Völkerbundes eine gewisse Kontrollmöglichkcit lassen. Es handelt sich um Aluminium, Stahl, Nickel und Zink
Zn der dritten, nicht besonders gekennzeichneten Gruppe gehören Kautschuk, Salpetersäure und Nitrate.
Es wurde in der Sitzung des Ausschusses am Dienstag auch vorgcschlagen, die Versorgung Italiens mit Verkehrsmitteln, wie z. B. Schiffen, Kraftwagen, Fctdcisenbahncn, Zug- und Tragtieren sowie mit Werkzeugmaschinen zu unterbinden Eine Beschlußfassung war aber wegen des Widerspruchs einiger Staaten z, B. der Schweiz, nicht möglich, die geltend machten, daß es sich hierbei z. T. um Fcrtig- fabrikate handele. Eine besondere Stellung nehmen die für die KriegSführung wichtigsten Rohstoffe wie Erdöl, Kohle und Kupfer ein. Hierüber wurde am Dienstag nicht gesprochen. Es verlautet aber, daß eine Liste, die diese und andere Rohstoffe umfaßt, demnächst den Mitgliedern des Völkerbundes zur Stellungnahme unterbreitet werden soll.
Der Ausschuß wird sich Mittwoch vormittag mit den Vorschlägen für die Nichtabnahme italienischer Waren beschäftigen.
Keine Unterbrechung des Sühneverfahrens
Die Auffassungen über Weg und Ziel der Sanktionskonferenz sind geteilt und überdies in stetiger Entwicklung begriffen. Von französischer Seite wurde anfangs erheblich gebremst, allmählich aber haben die Franzosen die Pläne von besonders eifrigen Vorkämpfern einer raschen und wirksamen Aktion übernommen. Diese Aenderung der französischen Haltung beruht darauf, daß die Franzosen im Falle eines ungenügenden Ergebnisses der wirtschaftlichen und finanziellen Sühnemaßnahmen ein baldiges Uebergehen Englands zur Blockade befürchten. Jedenfalls möchten sie den Engländern diesen Schritt nicht erleichtern. An einen Erfolg diplomatischer Verhandlungen zwischen England, Frankreich und Italien glaubt hier im Augenblick niemand.
Zu der amerikanischen Meldung, daß Ladal mit Rücksicht auf diese Verhandlungen eine zehntägige Unterbrechung des Sühneverfahrens verlangt habe, Wird hier in englischen, ebenso wie in französischen Kreisen mit aller Bestimmtheit erklärt, daß von einem derartigen französischen Wunsch nichts bekannt sei.
Die Pläne Litwinows erregen in neutralen Kreisen besonderes Interesse. Man ist überzeugt, daß es ihm weniger auf eine wirksame Aktion gegen Italien als darauf ankommt, dem Sanktionsverfahren allmählich und immer deutlicher eine Spitze gegen Oesterreich und Ungarn und schließlich auch gegen Deutschland zu geben.
Eden möchte zwar im gegenwärtigen Stadium alle Verwicklungen vermeiden, doch ist gerade auf seine Anregung am Montag ein Juristenausschuß eingesetzt worden, cher sich, wie man hört, nicht nur mit dem ihm offiziell überwiesenen Thema der verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten, die in einzelnen Ländern der Durchführung der Sühnemaßnahmen entgegenstehen, beschäftigen soll, sondern schon demnächst mit der Haltung Oesterreichs und Ungarns unter dem Gesichtspunkt ihrer Vereinbarkeit mit der Vülkerbundssatznng.
Rom zu den Gerüchten über Vermittlungsversuche
Rom, tö. Okt. Gegenüber den viel erörterten Gerüchten über diplomatische Bemühungen Lavals im Sinne einer Ueüerbrück- ung des Gegensatzes zwischen Rom u. London
wird in italienischen zuständigen Kreisen sehr große Zurückhaltung geübt. Man will vor allem Rücksprachen der betreffenden Botschafter in Paris und Rom mit den zuständigen Regierungsstellen keinesfalls große Bedeutung beimessen und betont, daß das Gespräch Laval- Cerruti vom Montag keinesfalls die Erörterung eines neuen Planes zum Gegenstand hatte, ebenso sei ein Besuch Chambruns bei Suvich am Dienstag nicht als irgendwie außergewöhnlich zu bezeichnen, da der französische Botschafter den Staatssekretär des Aeußern regelmäßig etwa dreimal wöchentlich zu sehen pflege.
Allerdings erkläre man im Anschluß an die Pariser Gerüchte über Bestrebungen zur Wiederaufnahme diplomatischer Verhandlungen mit besonderer Betonung, daß Mussolini immer zu Verhandlungen bereit gewesen sei.
Im gegenwärtigen Augenblick jedoch müsse man die Aussichten auf einen Erfolg angesichts der Tatsache sehr gering einschätzen, daß England sich auf das Entschiedenste jedem Vermittlungsverfahren außerhalb des Völkerbundes entgegenstelle. Nach hiesiger Auffassung könne Italien jedoch nicht irgendwie durch einen Druck der Völkerbundsprozedur zum Nachgeben gezwungen werden. Italien habe vor allein von sich aus gar keine Veranlassung, irgendwie Verhandlungen anzukurbeln oder etwa selbst Vorschläge zu unterbreiten. Seine Stellung in Afrika sei ausgezeichnet; das Reich des Negus falle immer mehr zusammen. Der Vormarsch der italienischen Truppen sei weniger eine militärische Tat als eine Tat der Befreiung. Der bisherige Verlauf des italienischen Vorgehens rechtfertige bereits völlig das italienische Verhalten. „Einschüchterungs- Methoden des Völkerbundes" könnten also Italien nicht von seinem einmal eingeschlagenen und richtig befundenen Weg abbringen.
Italien habe die Bemühungen Lavals, zu vermitteln, stets zu würdigen gewußt und werde daher auch, falls irgendwelche Vorschläge gnmacht werden, sie aufmerksam prüfen.
„Popolo d'Italia"
warnt vor dem Bolschewismus
Der halbamtliche „Popolo d'Jtalia' warnt in meinem Leitaufsatz vor der sowjet- russischen Politik, die sich mit England in eine Reihe stellen wolle, aber nur. uin gegen das Gemeinschaftsgefühl des Westens zu zielen. Der Bolschewismus suche die Grundlagen der Ordnung, Zusammenarbeit und des Friedens in Europa zu stören. Tie bolschewistische Ostfront stelle sich der Front des Westens entgegen und die Politik der Sühnemaßnahmen sei für Moskau ein unerwartetes Mittel, um in die kommunistengegne- rische Einigkeit der verschiedenen nationalen Interessen eine Bresche zu legen.
125 Jahre Kriegsakademie
Jubelfeier i» Anwesenheit des Führers
Berlin, 15. Oktober.
Mit oer Wiederherstellung der deutschen Wehrhoheit ist auch die 1810 von General von Scharnhorst gegründete Kriegsakademie. ans der so viele deutsche Feldherrn hervorgegangen sind, neu erstanden, nachdem sie auf Grund des Versailler Diktats geschlossen werden mußte. Festlich wurde der 125. Gründuugstag der Akademie in ihrem neuen Heim im Berliner Nordostcn begangen. Die Feier erhielt ihre besondere Bedeutung durch die Anwese n- heit des Schöpfers der neuen deutschen Wehrmacht, des Führers und Reichskanzlers. Außerdem nahmen daran mit dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Neichskriegsministcr Generaloberst von Blomberg und den Oberbefehlshabern der Wehrmachtsteile, Ge- neral der Artillerie Freiherr von Fritsch und General der Flieger Göring, sowie dem Chef des Generalstabes, General der Artillerie Beck, zahlreiche Offiziere der Wehrmacht und des alten Heeres teil, u. a. Generalseldmarschall von Mackensen, Generaloberst von Seeckt und der einzige noch lebende Direktor der Kriegsakademie, General oer Infanterie. Litzmann.
Der Kommandeur der Kriegsakademie, General der Infanterie, Liebmann, Nein lkübrer und Obersten Befclils-
haber der Wehrmacht in militärisch knappen Worten für sein Erscheinen und für die Wiederherstellung der deutschen Wehrfreiheit: „Wir wissen und sind im tiefsten durchdrungen davon, daß wir diese Freiheit allein Ihrem heißen Wollen und Ihrer unbeirrbaren Führung verdanken und — wie das deutsche Volk werden auch wir mit der gesamten deutschen Wehrmacht Ihnen, mein Führer, dies durch unwandelbare Treue und Hingabe danken."
Der Chef des Generalstabes, General der Artillerie, Beck, beglückwünschte die Kriegsakademie zu ihrem Jubeltage. Wir brauchen Offiziere, die den Weg logischer Schluß-
Itzucht
folgerung in geistiger Selbstzucht tisch bis zum Ende gehen, deren Charakter und Nerven stark genug sind, das zu tun, was der Verstand diktiert. Möchten die Offiziere, die durch die. Kriegsakademie gehen, immer der stolzen Ueberlieferung dieser Anstalt, aber auch der Verpflichtungen bewußt sein, die sie dem Erneuerer und Mehrer der deutschen Wehrmacht, der die Fesseln von Versailles endgültig von ihr genommen hat, und dem neuen Staat schuldig sind. Dieser verbürgt uns in einem in sich geschlossenen Volke festere Grundlagen als früher.
Reickskrieasminister und Oberbefehlshaber
der Wehrmacht, Generaloberst von Blomberg, führte u. a. aus: Man darf über die Mittel nicht den Zweck, über den Generalstab nicht die Truppe vergessen. Aus der Truppe erhält der Generalstab die Kraft. Der Truppe hat er zu dienen in selbstloser Arbeit. Alan darf aber den einzelnen Gegenstand, das Heer, nicht ohne das Ganze, die Wehrmacht, betrachten. Alle Teile müssen aufeinander abgcstimmt sein, um eine harmonische Gesamtleistung zu ergeben. Die Geburtsstunde der Wehrmachtsakademie, zusammengesetzt aus Führergehilfen der drei Wehrmachtteile, beauftragt mit dem Studium der großen Fragen der Gesamtkricgs- sührung, fällt zusammen mit dem 125. Jahres- jubiläum der Kriegsakademie.
Die Wehrmacht ist nur ein Teil, das Größere ist die Nation. Der Offizier muß wissen, wo die Kraftquellen der Nation liegen. Das hat nichts mit politischer Betätigung zu tun, Wohl aber fordert der Blickpunkt aufs Ganze die Pflicht zu politischem Denken, zur Aufgeschlossenheit für die neue Grundlage unserer Lebensordnung, zum freudigen Bekenntnis zur nationalsozialistischen Weltanschauung. W i r müssen alle Bahnbrecher der Ein- heitundGeschlossenheitvonVolk undStaatsein. Dann erst hat die Wehrmacht die feste Grundlage, die sie braucht. Der große politische Führer und die zusammengeballte Kraft der Nation, der ausgezeichnete Feldherr und die festgefügte Wehrmacht und' in ihr ein Heer mit einem Generalstab und einer Truppe, die an kriegerischer Tüchtigkeit und soldatischer Haltung mit der alten Armee wetteifern könnte: Das ist das Ganze, und das sind die einzelnen Gegenstände. Das ist der rotze Rahmen, in den sich die Arbeit der riegsakademie einstigen muß.
Wir, die wir an einer Aufgabe arbeiten dürfen, wie sie schöner und ehrenvoller nie zuvor deutschen Soldaten gestellt war, wollen diese Feier stunde mit dem Gelöbnis unerschütterlicher Treue und Hingabe zu dem Manne bekräfti« en, der die Lebensziele Schar n- orsts verwirklicht.
Ein dreifaches Sieg-Heil auf den Führer, Reichskanzler und Obersten Befehlshaber, den Schöpfer des Dritten Reiches, der geeinten Nation und der neuen Wehrmacht und die Hymnen der Nation bildeten den Abschluß der Feierstunde.
Der Führer besichtigte dann eingehend das Gebäude und die Einrichtungen der Kriegsakademie.
Der Kommandeur der Kriegsakademie, General der Infanterie Liebmaun, hatte am Bormittag einen Kranz am Grabe Scharnhorsts niedergelegt, dessen Schleife die Inschrift trug: „Dem Wegbereiter für Deutschlands Freiheit und Größe die deutsche Wehrmacht zur 125. Wiederkehr des Grnndnngs- tages der Kriegsakademie."
Fünf MWysrlre SsMers verfchleWt
Äeuyork, 15. Oktober.
Aus Douglas (Arizona) wird ein toller Vanditenstreich gemeldet, der sich in der benachbarten mexikanischen Provinz Sonora ereignet hat, und dessen Opfer einige der bekanntesten Neuyorker Bankiers wurden. Fünf Bankiers aus Neuyork, darunter der Vizepräsident der National City Bank, I. H. Dnrell, und James Bruce von der Chase Nationalbayk, die seit dem 8. Oktober im östlichen Teil 'der Provinz Sonora mit einem ortskundigen Führer jagten, wurden von einer mexikanischen Räuberbande überfallen, entwaffnet und in die Berge verschleppt. Nur der Neuhorker Verleger A. D. Noreroß, der sich in Gesellschaft der Bankiers befand, konnte entkommen.
Man hegt um das Schicksal der Verschleppten die größte Besorgnis, da die Banditen kurz zuvor in Stärke von 80 Mann die Stadt Santa Ana überfallen und den dortigen Polizeichef sowie mehrere Beamte erschossen haben. Die amerikanische Polizei in den Grenzorten Arizonas ist alarmiert worden.
Das „Deutsche Nviksbiatt hört aus
Stuttgart, 15. Okt. Wie der Verlag des „Deutschen Volksblattes", der früher maßgebenden Zentrumszeitung in Württemberg, mitteilt, stellt das Blatt auf 1. November 1085 sein Erscheinen ein.