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Amtsblatt für
clas Oberamt Aleuenbürg
Nr. 225
Donnerstag den 2S. September 1V35
VS. Jahrgang
Ser Völkerbund i« ständiger Bereitschaft
Wie es in Genf heute wettergehe« soll
Genf, den 25. Seht. Im Präsidium der Bölkerbundsdersammlung hat sich unter den IS Mitgliedern eine Mehrheit dafür ergeben, daß die Versammlung angesichts der italienisch-abessinischen Konflikte nicht in der üblichen Weise nach Beendigung ihrer normalen Arbeit «usgelöst wird, sondern lediglich vertagt werden soll. Damit wäre jederzeit ein Wiederzusammentritt in der bisherigen Zusammensetzung ohne Neulvahl des Präsidiums und Erfüllung anderer Formalitäten.
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Laval, Eden und Madariaga besprachen Mittwochnachmittag gemeinsam das weitere Verfahren, das dem Völkerbundsrat für die Regelung des italienisch-abessinischen Streites vorgeschlagen werden soll. Danach würde sich der Rat am Donnerstag daraus be- schränken, den Bericht des Fünferausschusses einem neuen Ausschuß, der wahrscheinlich alle Ratsmitglieder außer den streitenden Parteien umfaßen würde, zur Prüfung zu überweisen.
Aus dieser Prüfung würde dann in der nächsten Woche der Entwurf eines endgül- tigen Berichts des Völkerbundsrates hervor- aehen. Die Annahme des Berichtes durch den Rat oder die Versammlung würde die in der Satzung vorgesehenen Rechtswirkungen, vor allem das Verbot kriegerischer Maßnahmen kür die streitenden Parteien und gegebenenfalls die sofortige Feststellung eines Bruches der Satzungen auSlösen. '
Das Präsidium der Völkerbundsversamm- lung ist Mittwoch abend bereits zu einer Be- ratung über diese Frage zusammengetreten, ein Beweis dafür, daß die Befasiung der Völkerbundsversammlung, die den englischen Wünschen nach einer Verteilung der Verant- Wörtlichkeit auf einen möglichst großen Kreis von Staaten entspricht, grundsätzlich bereits beschlossene Sache ist.
Neutrale 30-Kilometer-Zone in Abeffinlen
Der Kaiser von Abessinien hat den Völkerbund verständigt, daß er Befehl gegeben hat, die abessinischen Truppen auf der ganzen Front um 30 Kilometer von der Grenze zurückzunehmen und daß dieser Befehl strengstens befolgt worden ist. Gleichzeitig bot er dem Völkerbund an, einen Beobachter zu entsenden. damit bei künftigen Zwischenfällen gleich zu Anfang der Schuldige festgestellt werden kann.
Die Gerüchte von der allgemeinen Mobilisierung in Abessinien werden von der Negierung in Addis Abeba ausdrücklich als er- funden bezeichnet.
Rom» den 25. Seht. Wie die römische Presse am Mittwoch meldet, liege« im Hafen von Neapel 1» Dampfer ausfahrtbereit, die in de« nächsten 24 Stunden mit rund sooo Soldaten und Schwarzhemden und großen Materialbeständen nach Ostafrika in See gehe» werben.
dte Anwendung der fatzungSmäßlgen Mittel gelöst werden. Vor allem müsse suh Italien der Gewährung eines Zuganges zum Meer an Abessinien widersetzen.
Sperrt Rumänien die Oelausftchr nach Italien?
Aus rumänischen Kreisen erfährt man, daß sich die Wirtschaftskommission der rumänischen Regierung demnächst mit Maßnah. men befaßen wird, um ein weiteres Anwach, sen der italienischen Schulden in Rumänien, die bereits aus 800 Millionen Lei angewach- sen sind, im Hinblick aus die sinkende Tendenz der italienischen Währung durch Ausfuhrbeschränkungen. insbesondere von Oel, Benzin usw. zu verhindern. Außerdem können gegen- wärtig die rumänischen Erdölgesellschaften für den Inlandsbedarf fast gar kein Erdöl mehr zur Verfügung stellen, da alle Petroleum-Gesellschaften fast ausschließlich auf italienische Bestellung arbeiten.
Oesterreich zwischen Hammer und Amboß
In Oesterreich wird die Entwicklung des italienisch-abessinischen Streitsalles mit großer Besorgnis verfolgt. Das Wiener Heim» wehrblatt „Oesterreichische Abend - Zeitung* gibt zu, daß ein Ausscheiden Italiens aus dem Völkerbund Oesterreich in einen bösen Zwiespalt bringen würde. Der römische Pakt, dessen Einleitung in die enge politische Zu- sammenarbeit Oesterreichs mit Italien und Ungarn festlegt, vertrüge sich mit dem Völkerbundspakt ausgezeichnet, solange Italien im Völkerbund sei Und Genf daher keinen Anlaß habe, Italien als Vertragsbrüchigen Staat im Sinne des Artikels 16 zu behandeln. Im anderen Falle aber befände sich Oesterreich unversehens zwischen dem Hammer seiner Völkerbundstreue und dem Amboß der Politischen und mehr noch der mora- lischen Verpflichtungen, die das „unabhängige* Oesterreich mit starkem Bande an die befreundete italienische Großmacht knüpfen.
Großbritannien gibt keine Garantien
Frankreich hat die Erregung der italienischbritischen Auseinandersetzung dazu benützt, fein „kollektives Sicherheitssystem" wieder rn den Vordergrund zu rücken. Vor einiger Zeit hat es daher einen diplomatischen Schritt in London unternommen, um zu erfahren, wie Großbritannien sich zur Garantjerung des Status quo in Mitteleuropa stelle. Die britische Antwort ist vermutlich in der britischen Kabinettssitzung am Dienstag sertiggeftellt worden und wird jetzt in Paris mit Ungeduld erwartet. Daß die französische Presse eine Be- schleunigung der Antwort mit den alten Phrasen von der „deutschen Gefahr" herbeiführen will, sei nur nebenbei bemerkt.
Die Londoner Berichterstatter des Pariser „Figaro" und „Journal" wollen inzwischen erfahren haben, daß das britische Schriftstück Wohl sehr lang sei, daß ccher die britische Regie- rnng keinerlei Garantien übernehmen will; sie werde lediglich bestätigen, daß man auf die Mitarbeit Großbritanniens zählen könne, wenn es sich um einen Angreifer handle, der den Völkerbundspakt herausfordere. Denn die britische Regierung stehe auf dem Standpunkt, daß eine innerpolitische Revolution in irgendeinem europäischen Land keinesfalls unter allen Umständen als eine Bedrohung der durch das Versailler System ausgestellten Sicherheit angesehen werden.
Diesen europäischen, richtiger: französischen Fragen soll auch eine Mittwoch vormittag statt- gefnndene anderthalbstündige Aussprache zwischen Laval und Eden in Genf gewidmet gewesen sein.
Ein guter Fang ber EtrsMurger Belize!
Paris, 25. September
Die Untersuchung gegen die in Straßburg verhafteten kommunistischen Spione hat eine überraschende Wendung genommen: Durch das Geständnis der verhafteten deutschen Kommunistin konnte festgestellt werden, daß der verhaftete angebliche Nielsen in Wahrheit der stellvertretende Vorsitzende der Kommunistischen Partei Dänemarks, Georg Lauersen ist, der einen falschen Paß besaß.
Der Führer in Augsburg
Augsburg, den 25. Srpt. Der Führer und Reichskanzler traf am Mitwoch vormittag auf der Durchreise in Begleitung des Reichspressechefs Dr. Dietrich und seines Adjutanten, Obergruppenführer Brückner, unerwartet in Augsburg ein.
Unter Führung des Intendanten Pabst besichtigte er das Augsburger Stadttheater und anschließend den Goldenen Saal des Rathauses und die Pläne der neuen Stadthalle. Während des Aufenthaltes des Führers im Goldenen Saal hatte sich vor dem RathauS eine vieltausendköpfige Menschenmenge angesammelt, die ihrer Freude über den Besuch de- Führers in begeisterten Kundgebungen Ausdruck gab.
Segen Mißbrauch von SA-Auöweijen
München, 25. September.
Der Chef deS Stabes, Lutze, veröffentlicht folgende Anordnung: Der SA.-Ausweis Kat nur dann Gültigkeit, wenn er auf der Rückseite ordnungsgemäß für den laufenden Monat abgestempelt ist. Ein ungestempelter Ausweis oder ein Ausweis, auf dem die Beglaubigung in anderer Art, beispielsweise handschriftlich, vorgenommen ist, ist ungültig. Jeder, der einen ungültigen Ausweis vorzeigt, wird der Polizei übergeben, die gebeten ist, in solchen Fällen den Ausweis abzunehmen, die genauen Personalien festzustellen und der obersten SA.-Führung Mitteilung zu machen. Gegebenenfalls wer- den die Inhaber falscher oder unzureichender Ausweise zur Anzeige gebracht und zur Rechenschaft gezogen. Die Streifen der SA, sind ausdrücklich befugt, in Ausübung ihres Dienstes von jedem Mann ohne Ansehen der Person und Stellung den SA.-AuSweis zu verlangen, wenn SA.-Dienstanzua oder daS Zivilabzeichen getragen werden. Träger des SA.-Sportabzeichens können gleichfalls jeder- zeit durch die Streifen der SA. auf die Berechtigung zum Tragen des SA.-Sport- abzeichens hin kontrolliert werden.
V
Ter -Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Admiral Dr. h. c. Rae- der, hat am 24. September eioe Tauchfahrt mit dem U.-Boot „U. 2* unternommen. Am Tag darauf besichtigte er den Seeoffizier- anwärterlehrgang 1935 auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock*. Am Donnerstag wird er Marineanlagen und Werften besichtigen.
1000 Paar M i l i t ä r st i e f e l. daS Geburtstagsgeschenk des Deutschen Handwerks an den Führer, sind am Mittwoch im Wehrkreiskommando III Berlin feierlich übergeben worden.
Wieder..fromme" Devifen- fchiebmmen
Berlin, 25. September
Wieder standen zwei katholische Ordens- schwestern vor Gericht wegen Devisenschie- bungen. Es handelt sich um die General- oberin Elisabeth S ch u l t e - M e s u m und die Generalprokuratorin Therese Dreier des Frauenordcns „M i s s i o n s sch w e - stern vom Heiligsten Herzen Iesu* aus H i l t r u p i n W e st fa l e n, die in den Jahren 1932 bis 1934 zum Rückkauf der im Kurs gesunkenen Schuldverschreibungen des Ordens in Holland auf Anraten des berüchtigten Tr. Hofius nachweislich 170 000 NM. nach Holland verschoben haben. Nach dem ersten Eingreifen durch die Zollfahndungs- stelle hat die Schwester Dreier das gesamte helastende Material beseitigt und neue Bücher angefertigt, um die kontrollierenden Beamten zu täuschen. Die Generaloberin Schulte- Mesum erklärte, daß sie bis zur Anzeige gegen den Orden am I. August 1933 der M?i- nund gewesen sei, daß die Geschäfte gesetzmäßig durchgeführt wurden.
Das Berliner Schöffengericht fällte in den späten Abendstunden folgendes Urteil:
Die Angeklagte Gencraloberin Elisabeth Schulte-Mesum erhält 1 Jahr Gefängnis und 30 000 RM. Geldstrafe und die Mitangeklagte Gcneralprokuratorin Therese Dreier 7 Monate Gefängnis und 10 000 RM. Geldstrafe. Die Untersuchungshaft wird in voller Höhe angerechnet und der Haftbefehl gegen die Angeklagte Dreier aufgehoben. Außerdem werden 15 000 RM. eingezogen. Der Orden haftet für die Geldstrafen und Koste».
Warum Ratten den SMchtungs Vorschlag
ablehale
Es verweigert Abessiaieu die Anerkennung der Gleichberechtigung
KI. Genf, 25. Sept.
ES herrscht jetzt auch in Genf, aber auch in Paris und London kein Zweifel mehr darüber, daß Italien in Ostafrika marschieren wird. Man findet sich damit ab und ist genau genommen heilfroh, daß man den Völkerbund bisher soweit aus der Angelegenheit heraushalten konnte, daß ein Austritt Italiens aus der Genfer Einrichtung bisher nicht erfolgt ist. Diese Resignation ist der eigentliche Grund der „Entspannung", die man gestern neuerdings verzeichnet hat.
Wie wir bereits gestern angedeutet haben, hofft man, das schwer ramponierte Ansehen des Völkerbundes vielleicht doch durch einen „Zwischenfall" an der abessinischen Grenze Heven zu können, der es den Genfer „Friedensstiftern" ermöglichte, Italien der Form halber einen Auftrag zu einer Befriedungsaktion in jenen Gebieten zn geben. Vor allem Frankreich würde eine solche Gelegenheit freudigen Herzens aufgreifen. Würde sie ihm doch die Möglichkeit geben, die Verstimmungen, die Frankreichs Einlenken in das britische Fahrwasser — das ausschließlich von der Sorge um den Völkerbund und von der, w>e der Pariser „Times"-Berichterstatter sagt, Besessenheit von oer vermeintlichen „deutschen Gefahr" diktiert ist — in Rom hervorgerufen hat. wieder zu beheben.
Von Gens, aber auch von einer Dreimächtebesprechung erwar- tetsichaberniemand mehretwas. Zu deutlich geht aus den italienischen Erläuterungen zum Ablehnungsbeschluß des italienischen Ministerrates auf die Vorschläge des Fünfer-Ausschusses hervor, daß Italien sich durch nichts mehr von seinen Absichten abhalten läßt. '
Sir Hoares Botschaft an Mussolini
Während über eine am Mittwoch vormittag in Genf abgehaltene Besprechung Lavals, Edens und Baron Aloisis nur verlautete, daß von Dreimächtevcrhandlungen keine Rede sein könne, wurde über den Empfang des britischen Botschafters in Nom durch Musso- lini folgende amtliche italienische Verlautbarung bekannt:
„Der Duce hat im Palazzo Venezia den englischen Botschafter Sir Drummond emp- fangen; der Botschafter übermittelte ihm eine persönliche Botschaft des britischen
Außenministers Sir Samuel Hoare, der darin als alter Freund Italiens seinem beson- deren Wunsche Ausdruck gibt, jedes unnötige Mißverständnis zwischen den beiden Ländern zu beseitigen. Der Duce hat den Botschafter gebeten, in London wissen zu lasten, daß er den Wert dieser Mitteilung hoch anschlägt und sie mit Genugtuung ausgenommen hat.'
Zu dieser amtlichen italienischen Mitteilung wird von maßgebender römischer Seite noch bemerkt, daß Italien keinen Streitfall mit Großbritannien gewollt hat und ihn auch jetzt noch nicht wist. Der Kolonialcharakter des italienisch-abessinischen Streitfalles ist so klar, daß es sür jeden gesunden Menschenverstand unmöglich und widersinnig erscheine, diesen Streit auf Europa herüberzutragen.
Italiens Erläukerungen zur Ablehnung der Genfer Borschläge
Diese Erläuterungen sind nunmehr zusammen mit dem Bericht des Fünseraus- schusses an den Bölkerbundsrat veröffentlicht worden und besagen, kurz zusammengefaßt, folgendes:
Der Fünserausschuß habe die Klagen Ita- liens gegen Abessinien wegen Nichterfüllung seiner beim Eintritt in den Völkerbund über, iwmmenen Verpflichtungen so wenig geprüft wie die Würdigkeit Abessiniens dem Völkerbünde weiter anzugehoren. Italien bestreitet das Recht Abessiniens, mit anderen Völkerbundsmitgliedern auf der Grundlage der Gleichberechtigung zu verhandeln. Die Randgebiete Abessiniens sind durch die Mißwirtschaft der Beherrscher bedenkenlos ausgebeutet und als Sklavenquelle in eine Lage gebracht worden, die ein sofortiges scharfes Eingreifen notwendig macht. Von einer Autorität des Nequs sei dort keine Rede.
Das abessinische Problem hätte daher folgendermaßen in Angriff genommen werden müssen: Reformation der abessinischen Verwaltung, um das Land auf eine höhere Kulturstufe zu heben, Befreiung der abessini- schen Völker von der Tyrannei. Da es sich um ein Land handle, dessen barbarische Zustände mit einer starken, modernen Rüstung Hand in Hand gehen, kann die internationale Kontrolle nicht als eine Lösung betrachtet werden, die den anzustrebenden Zielen entspricht. Der Fall Abessiniens kann nicht durch