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Amtsblatt für
clas Oberamt Aleuenbürg
Nr. 219
Donnerstag den 19. September 1985
93. Jahrgang
Vas wahre Gesicht de» Abessinien-StceitS
Entweder gerechte Verteilung der Erdreichtümer — oder allgemeine Katastrophe
London, 16. Sept. Das bekannte liberale Oberhausmitglied Lord Lothian hielt auf einer Versammlung in Scarborough eine bemerkenswerte Rede über das Verhalten des Völkerbundes im Abessinienkonflikt.
Es handele sich, so betonte er, um einen viel größeren und umfassenderen Fragenkomplex als man gemeinhin annehme, nämlich um das Problem der Uebervölkerung und Expansionsbedürfnisse gewisser Staaten. Falls der Völkerbund diese Frage nicht wirksam und schnell in Angriff nehme, werde der abeffinische Konflikt von einem Kriege, bei dem es «m viel größere Dinge gehe, verschlungen werden. Wenn der Völkerbund lediglich eine Einrichtung zur Verewigung des status guo unter der Androhung von Sühnemaßnahmen wird, dann wird unser letzter Zustand viel schlimmer als der erste sein.'
1. werden alle unbefriedigten Mächte — manche von ihnen sind mit vollem Recht unbefriedigt — aus dem Völkerbund austreten und wir werden wieder auf das alte unheilvolle Bündnisshstcm zurückkommen. Die eine Seite wird sich der Völkerbund nennen und die andere eine Kombination, um die Völker- bundsmitgliedcr zu zwingen, den Reichtum und die Vorräte der Welt mit ihnen zu teile».
2. wird England unter der Völkerbunds- satznng gezwungen sein, in den Krieg zu ziehen, um den status guo für alle anderen aufrecht zu erhalten, selbst wenn es selbst eine Vertragsrcvision für dringend notwendig hält.
Diese Fragen könnten nun entweder durch Verhandlungen oder durch einen Krieg gelöst werden, und je früher es durch Verhandlungen geschehe, desto geringer sei die Gefahr eines allgemeinen Krieges. Er hoffe, daß Mussolini diesen Gesichtspunkt dem Völkerbund unterbreiten werde, bevor er in Abessinien zum Kriege schreite.
Abschließend sagte Lord Lothian: So lange der Völkerbund nicht auf die Bedürfnisse aller Staaten Rücksicht nehme und damit ihre Rückkehr nach Genf ermögliche, würde die Ergreifung von Sühnemaßnahmen lediglich die Wirkung haben, jeden lokalen Streit in einen allgemeinen Krieg zu verwandeln.
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Die Pariser Blätter veröffentlichen ausführliche Berichte über die militärischen Vorbereitungen Italiens und Abessiniens. Nach den Sonderberichten des „Paris Soir" und des „Jntransigeant" verfügt die aüessinische Armee zurzeit über 500 000 Gewehre und 125 Millionen Patronen, ferner über 200 Maschinengewehre mit höchstens 10 000 Schuß pro Gewehr.
Thronrede der Königin der Niederlande Den Haag, 17. September.
In der traditionellen feierlichen Weise wurde Dienstag mittag die neue Sitzungsperiode des Parlaments eröffnet. Königin Wilhelm ina begab sich hierzu in Begleitung der Thronfolgerin in der vergoldeten Staatskarosse in einem festlichen Zug zum Rittersaal. Nach Eröffnung der Sitzung verlas die Königin die Thronrede, deren Inhalt diesmal mit besonders großer Spannung zur Kenntnis genommen wurde.
Hinsichtlich der Außenpolitik wird betont, daß zwar der freundschaftliche Charakter der niederländischen Beziehungen zu den anderen Mächten unbeeinträchtigt geblieben sei, daß die Regierung jedoch trotzdem die Entwicklung der internationalen Lage mit größter Aufmerksamkeit verfolge. Die niederländische Regierung hoffe, daß es dem Völkerbund gelingen werde, die zwischen mehreren Staaten entstandenen Gegensätze zu überbrücken. Im Hinblick ans die in der internationalen Lage eiugetretcnen Aenderungen sehe sich Holland allerdings genötigt, besondere Vorkehrungen inbezugaufseineLan de s- verteidigung zu treffen. Entsprechende Vorlagen würden dem Parlament zugehen. Auf innerpolitischem Gebiet werden die Aen- derung mehrerer Bestimmungen der Berwi- jung und ein Gesetzentwurf zur Verhinderuna
der Miangung politischer Gruppen auf Ge. bieten, die dem Staat Vorbehalten seien, an« gekündigt. Ferner wird eine Revisionder Ausländergesetzgebung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Problem der politischen Flüchtlinge in Aus- sicht gestellt. Mit Bezug auf die zukünftige Finanz, und Wirtschaftspolitik wird die Er- klärung abgegeben, daß eine Abwertung oder eine Prei s g a bedes Goldstandards nicht als Mittel betrachtet würden, die der Volksgemeinschaft in ihrer Gesamtheit Nutzen bringen könnten. Zur Be- Hebung der Arbeitslosigkeit will die Regierung große öffentlicheArbei- ten durchführen und namentlich die Trocken» legnng des Asel-Meeres fortsetzen. Die Wirt- schaftliche und finanzielle Lage der Kolonien wird als sorgenvoll bezeichnet.
Auch Amerika baut vor
Washington, 18. Sept. In der Pressekonferenz am Mittwoch erklärte Marineminister Swanson, für den Fall eines italieuisch- abessinischen Krieges sei die Flotte vorbereitet, die Kriegsschiffe aus dem Stillen Ozean nach dem Atlantischen Ozean zum Schütze der
Was geht in
amerikanischen Schiffahrt zu verlegen. Bisher sei diese Frage jedoch noch nicht erwogen worden. Man würde auch keine Entscheidungen treffen, bevor nicht der Krieg ausgebrochen sei. Der Minister fügte dabei hinzu, er hoffe immer noch, daß es nicht zum Kriege kornmen werde.
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Pressemeldungen aus Genf zufolge sind dort streng vertrauliche Besprechungen über die Frage der Anwendung von etwaigen Sühnematznahmen gegen Italien geführt worden. Die Anregungen hätten sich aber nur auf wirtschaftliche Sühnematznahmen bezogen.
Dabei soll, wie Reuter berichtet, eine internationale Autorität erklärt haben, Oester - reich habe die Schlüsselstellung. Angenommen, es sei möglich, zu verhindern, daß Italien ans dem Seewege bestimmtes Material erhalte, dann liege die Frage der Belieferung vom Lande her über Frankreich, die Schweiz, Oesterreich und Jugoslawien nahe. Wenn Frankreich und Jugoslawien Sühnemaßnahmen zustimmen würden, die Haltung Oesterreichs aber ungewiß bleibe, dann würde die Schweiz leinen Schritt tun können.
Libyen vor?
London, 18. Sept. Dem „Star" zufolge hat sich die Ministerbesprechung am Dienstag in der Hauptsache mit der durch die Entsendung zweier motorisierter italienischer Divisionen nach Lhbicn aufgeworfenen Frage der Sicherheit Aegyptens und des Suezkanals befaßt. Diese Tatsache lasse einen Zusammenstoß am Suezkanal als möglich erscheinen. Während die britischen Flotten- und Luftstreitkräfte in Aegypten über eine ausreichende Stärke verfügten, sei die militärische Garnison zahlenmätzig klein, werde aber zurzeit verstärkt.
Aus guter Quelle verlaute, datz, falls Italien zur Vergeltung britischer Sühnematznah- mcn England in Aegypten oder Palästina anzugreifen versuche, die englische Regierung in der Türkei einen bereitwilligen und tatkräftigen Verbündeten finden werde, der eine erstklassige Armee zu diesem Zweck dem Völkerbund zur Verfügung stellen würde. Die Türkei wünsche, datz sich Italien Von den Dodekanes-Inseln entferne, wo die italienischen Streitkräfte sowohl die Türkei als auch die Küste Palästinas bedrohten.
144 britische Floiteneilcheiten zwischen Gibraltar und Aden
Die britischen Flottenansammlungen im Mittelmeer und im Roten Meer sind in vollem Gange. Insgesamt sind zwischen Gibraltar lind Aden 144 Schiffseinheiten versammelt. 23 davon liegen vor Alexandria, 20 längs der Küste von Palästina, 6 im Kanal von Suez, 20 vor Aden. Die übrigen 70 Schiffe liegen vor Gibraltar. Dauernd ! treffen noch weitere Verstärkungen ein. Auf
oen kleinen Inseln vor den Waba Golfs im Noten Meer werden überall Depots für die Versorgung der Schiffe angelegt. Um die Verbindung dorthin aufrechterhalten zu können, werden die Straßen auf der Sinai- Halbinsel ausgebessert und Wasserstellen angelegt. Am Dienstag haben zwei italienische U-Boote, begleitet von britischen Kreuzern, den Suezkanal südwärts durchfahren. In Alexandrien macht sich bereits eine erhebliche Steigerung der Lebensmitrelpreise bemerkbar.
Englands Truppenverschiffungen dauern an
Die englischen Truppenverschiffungen nach Malta und Aegypten dauern an. Am Mittwoch tritt das 7. englische Husarenregi- ment von England aus die Reise nach Aegypten an. Die englischen Abendblätter beschränken sich aus die Veröffentlichung von Lichtbildern, die Szenen beim Abschied aus den Verladebahnhöfen zeigen.
In Gibraltar sind gestern die britischen Schlachtschiffe „Hood" und „Renown", einer das zweite Kreuzergeschwader und echs Fahrzeuge der 6. Zerstörerflotille ein- getrofsen. Vier Zerstörer sind bereits am Vortage in Gibraltar eingetroffen.
Die Blätter veröffentlichen ferner einen Bericht, wonach 12 Italien. U-Boote auf dem Wege nach Süden „unter dem wachsamen Auge patrouillierender britischer Zerstörer" den Suezkanal passiert haben. Wie „Daily Telegraph" aus Malta meldet, kehren z. Zt. Hunderte von englischen Frauen und Kinder, bei denen es sich zum größten Teil um Angehörige der auf der Insel lebenden englischen Truppen handelt, nach England zurück.
«Val Sbee AdeWieu?
Dir Vorschlüße vom Sünferausschoß endgültig angenommen
Genf, 18. September.
Die Vorschläge zur Regelung des italienisch- abessinischen Streites sind vom Fünferausschuß Mittwoch vormittag endgültig angenommen worden. Nachdem sie bereits Dienstag abend der italienischen Abordnung durch Laval und der abessinischen Abordnung durch Eden offiziös zur Kenntnis gebracht worden sind, wurden sie den beiden Abordnungen Mittwoch nachmittag durch Madariaga als Vorsitzendem des Fünferausschusses amtlich unterbreitet. Die Antworten der italienischen und der abessinischen Negierung werden für die nächsten Tage erwartet. Daraufhin soll der
Rat zu einer neuen Prüfung der Lage zu- sammentrelen.
Ueber den Inhalt der Vorschläge verlauten hier gewisse Einzelheiten, die jedoch angesichts der strengen Geheimhaltung des Planes mit Vorbehalt aufzunehmen sind. Der Plan soll von dem Grundsatz einer finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsmäßigen Hilfeleistung für Abessinien ausgehcn. Diese Hilfe soll unter der Aufsicht des Völkerbundes zum Zweck der Modernisierung des abessinischen Staatswesens gewährt werden. Die Spitze dieser Organisation, die auf eine internationale Regierung hinauslaufen würde, soll der v o m Bölkerbundsrat zu ernennende
Veffaggung der öffentlichen Gr-SnLe
Eine Bekanntmachung des Reichs- und preußischen Ministers des Innern
Berlin, 18. Sept. Durch das Reichsflaggen- gesetz vom 15. 9. 1935 ist die Hakenkreuzflagge zur alleinigen Reichs- und Nationalflagge erhoben worden. Unter Aufhebung aller ent- gogenstehenden Bestimmungen über das Beflaggen öffentlicher Gebäude hat der Reichsund preußische Minister des Innern daher aufgrund des Artikels 4 des Reichsflaggengesetzes mit sofortiger Wirkung folgendes angeordnet:
1. Sämtliche öffentlichen Gebäude des Reiches, der Länder und der Körperschaften des öffentlichen Rechts flaggen künftig mit der Hakenkrvuzflagge.
2. Die Flagge schwarz-weiß-rot und die Flaggen der Länder und der Provinzialverbände sind künftig nicht mehr zu zeigen.
3. Den Gemeinden 4m Sinne der Ge- meindeordnuug ist es gestattet, neben der an erster Stelle zu hissenden Hakenkreuzflagge bei festlichen Anlässen auch die Gemeindeflagge zu zeigen.
Oberste Berater bilden. Ihm und den ihm untergebenen Beamten soll eine internationale Polizeitruppe zur Ver- fügung stehen, jedoch soll vorgesehen sein, daß weder der Oberste Berater noch seine beiden Stellvertreter einer der drei angrenzenden Mächte angehören, also weder Franzosen, Eng- länder oder Italiener sein dürfen. Der gleiche Grundsatz soll für die Zusammensetzung der internationalen Polizei gelten. Während so eine politische und militärische Kontrolle über Abessinien ausgeschlossen wäre, sollen im Rahmen dieses Kollektivmandates die wirtschaftlichen Bedürfnisse Italiens weitgehend berücksichtigt werden. Auch wird von einem gebiet- lichen Ausgleich im Süden und im Osten Abessiniens gesprochen, wobei daran gedacht lein soll, Abessinien gegen die Abtretung der Provinzen Ogaden und Danakil einen Gebietsstreifen entlang der englisch-französischen Somaligrenze mit Zeila und Dschibuti zuzu- teilen. Diese territorialen Fragen sollen jecoch bis zur Annahme des Planes als Erörterungs- grundlage offen bleiben.
Entscheidung des ital. Ministerrakes auf Sonnabend vertagt
Der italienische Ministerrat hat sich ent- gegen der ursprünglichen Erwartung nicht von neuem in grundsätzlicher Weise mit dem italie- nisch-abessinischen Konflikt befaßt. Der nächste Ministerrat wird am kommenden Sonnabend zu einer neuen Sitzung und voraussichtlich zur Stellungnahme zu den Genfer Vcrhandlungs- ergebnissen zusammentreten.
Der wichtigste Beschluß des heutigen Ministerrats betrifft die Auflegung einer inneren Anleihe, deren Ertrag, wie es in dem amtlichen Bericht heißt, für die Verteidigung der italienischen Kolonien bereitgestellt wird. Die Anleihe wird zum Zinssatz von 5 v. H. und zum Kurs von 95 ausgegeben. Der Termin für die Auflegung und den Schluß der Zeich- iinngsliste wird noch bekanntgegeben.
Außerdem hat der Ministerrat zum Ausgleich der zu erwartenden Unterbilanz im laufenden Rechnungsjahr die Erhöhung der Um- sabsteuer "" —""
Erhöhung des Tarifes der Eisenbahn- und Lastkraftwagentransporte genehmigt. —
Abessinien prüf! die Vorschläge des Fnnferausschusses
Die abessinische Regierung unterzieht gegenwärtig die Vorschläge des Fünferausschusses einer eingehenden Prüfung, Es verlautet, man sei der Auffassung, daß diese Vorschläge den letzten Vorschlägen Abessiniens fast gleichkämen und daher annehmbar erschienen.
In der britischen Gesandtschaft werden umfassende Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Einige Gebäude wurden mit getarnten Verteidigungs- Mitteln versehen. Eine im Ausland verbreitete Meldung, wonach die Kaiserin die Hauptstadt verlassen haben soll, hat sich als unzutreffend herausgestellt. In Addis Abeba laufen ständig Nachrichten ein, nach denen an der Grenze von Eritrea große italienische Trnpprnbewc- auugen beobachtet we'-t""-