272
auch durch den betreffenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses bis zum 20. April an uns einzusenden. Zugleich mit den Anmeldungsvordrucken erhalten die Vereinigungen und Vorsitzenden der Prüfungsausschüsse Kärtchen, die bei der Einsendung an den Ausstellungsstücken zu befestigen sind.
Als Zeitpunkt für die Einsendung der Arbeiten ist Anfang Mai, für die Eröffnung der Ausstellung Mitte Mai in Aussicht genommen. Näheres hierüber wird noch bekannt gemacht werden.
Die gewerblichen Vereinigungen des Landes ersuchen wir, ihre Mitglieder auf die Abhaltung dieser Ausstellung aufmerksam zu mache« und zu lebhafter Beteiligung anzuregen. Das gleiche Ersuchen richten wir an die Mitglieder der Gesellenprüfnngsausschüsse bezüglich der Prüflinge.
Stuttgart, 27. März 1907.
_ Mostha f.
Tagesneuigkeiteu.
Herrenberg 2. April. In Oeschel- bronn stürzte eine Scheuer, die schon länger baufällig war, zusammen. Ein angebautes Wohn- Haus erhielt dadurch solche Beschädigungen, daß eine polizeiliche Räumung angeord'net werden mußte.
Stuttgart 2. April. (Kriegsgericht der 26. Division.) Der Grenadier Karl Loos von der 9. Komp, des Infanterieregiments Nr. 119 entfernte sich am 10. Dezember v. Js. in der Absicht, sich dauernd der Dienstpflicht zu entziehen, von seinem Truppenteil Nachdem er seine Uniform in Konstanz gegen Zivilkleider vertauscht hatte, begab er sich in die Schweiz und von hier nach Italien. Am 19. Januar stellte er sich dann freiwillig in Engen der dortigen Gendarnrerie. Außerdem hatte er sich wiederholt aus dem Militär- genesungsheim Waldcck ohne Urlaub entfernt. Wegen unerlaubter Entfernung und Fahnenflucht erhielt er 8 Monate 15 Tage Gefängnis.
Stuttgart2.April. Ein blutiges Liebes- drama spielte sich am Ostersamstag nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr im Hause Pragstraße Nr 9 ab. Der dort wohnende ledige Schreiner Theodor Mast hatte sich in die im gleichen Haus wohnende 28 Jahre alte Tochter Frieda des Packers Jakob Merkte verliebt, die aber nichts von ihm wissen wollte. Am Samstag Nachmittag kam Mast in angetrunkenem Zustand in die Wohnung des Mädchens und stellte es zur Rede. Als das Mädchen eine spöttische Bemerkung machte, versetzte ihr Mast mit einem Messer einen Stich in den Hals, der die Schlagader traf und den alsbaldigen Tod des Mädchens zur Folge hatte. Der Täter wurde dann von einem herbeigerufenen Schutzmann in der Wohnung festgenommen. Die Staatsanwaltschaft traf alsbald am Tatort ein. Am Ostersonntag wurde Mast der Leiche im Leichenhaus des Pragfriedhoss gegenübergestellt.
Stuttgart 2. April Beim Kahnfahren auf dem Neckar fiel am Sonntag Nachmittag ein 18 Jahre alter Flaschner, der mit einem zweiten Insassen den Sitz wechseln wollte, unter der Eisenbahnbrücke in den Neckar und ertrank. Der Leichnam konnte bis jetzt nicht gefunden werden. Der zweite Insasse konnte gerettet werden.
Stuttgart 2. April. Dem am Oster- sonntag Nachmittag in der westlichen Gegend unserer Stadt lustwandelnden Beobachter bot sich ein äußerst seltenes Naturschauspiel dar, nämlich das Auftreten einer durch einen Cyklon hervorgerufenen sogenannten Windhose von riesiger Ausdehnung. Vom oberen Drittel der Roten- waldstraße au» gesehen stieg in der Nähe der Bismarcksäule eine breite, scharf abgegrenzte, gelbliche Staubsäule in cylindrischer Form zunächst völlig senkrecht gegen die ziemlich tief gehenden gleichfarbigen Wolken auf, wobei man die rotierende, wälzende Bewegung der Erscheinung selbst auf große Entfernung mit bloßem Auge deutlich verfolgen konnte. Nach verschiedenen Wendungen und Flexionen löste sich die interessante Erscheinung nach einer Dauer von ca 5 Minuten, immer schwächer werdend, im Luftmeer auf.
Ulm 2. April. Die hiesige Fleischerinnung hat die Ladenfleiscbpreise wie folgt festgesetzt: Ochsenfleisch 86 Pfennig. Rindfleisch 80, 75 oder 65 Pfennig, Schweinefleisch 75 Pfennig, Kalbfleisch 85 oder 80 Pfennig.
Potsdam 2. April. Als der Kronprinz und die Kronprinzessin gestern nach, mittag 5*/s Uhr von einem Besuch beim Prinzen Eitel Friedrich auf einem Dogcart heimfuhren, scheute das Pferd und ging durch. Vergeblich bemühte sich der Kronprinz, der selbst kutschierte, den rasenden Lauf des Tieres zu zügeln. Ein Herr fiel dem Traber in die Zügel, wobei das Tier ausglitt und zu Boden stürzte. Das Kronprinzenpaar verließ das Gefährt und begab sich zu Fuß zum Schloß zurück.
Rom 2 April. Tittoni erklärte einem Redakteur des Blatter „Resto del Carlino," daß das Einvernehmen zwischen Italien und Deutsch, land ein vollständiges sei. Er sagte, er würde sich nicht weigern, seine Erklärung vor dem Parlament abzugeben, daß er niemals die Verpflichtung eingegangeu sei, bedingungslos die englischen Vorschläge betreffend die Abrüstung zu unterstützen. Weiter fügte der Minister hinzu, Deutschland stehe der Abrüstung nicht feindlich gegenüber, sei aber skeptisch in Bezug auf die Ergebnisse der Konferenz. Italien werde eine Vermittlerrolle zwischen England und Deutschland spielen. Tittoni erkannte an, daß dies das erste Mal sei, daß eine Mitteilung über eine amtliche Unterredung zwischen zwei Staatsmännern in die Presse komme.
Paris 2. April. Nach Meldungen aus Tanger wird dort morgen oder spätestens übermorgen die Antwort des Sultans auf die Mitteilung der französischen Sühneforderungen erwartet. Es fehlt nicht, heißt es in den Depeschen an Unheil prophezeienden Stimmen in der Bevölkerung. Der Sultan werde im Vollbewußtsein seiner Sou- veränität gegen die übertriebenen Forderungen protestieren.
London 2. April. Der Korrespondent der „Times" in Tanger bespricht in einem langen
Artikel mit heftigen Ausdrücken die Lage in Marokko und erklärt, Deutschlands Gegensatz zu Frankreich ruiniere die Interessen aller europäischen Staaten in diesem Lande. Der deutsche Einfluß in Fez sei stark genug, die Ziele anderer Mächte zu vereiteln, doch zu schwach, um hiergegen gleiche Vorteile für die Deutschen zu erlangen. Die „Times" erklärt, das deutsche Prestige sei in der Abnahme. Der Sultan höre auf Deutschland nur, wenn es ihm genehm sei. Deutschland werde zum Sündenbock gemacht, der für alle Verbrechen der Mauren verantwortlich sei. Der Artikel schließt mit einem Appell an Deutschland, es solle erwägen, ob es irgend etwas bei dem fortgesetzten Versuch eines Wetteiferns mit Frankreich, das die Finanz.Situation kontrolliere, zu gewinnen habe.
London 2. April. Gestützt auf angebliche Aeußerungen des russischen Geheimrats v. Martens liefen hier in den letzten Wochen Gerüchte um, wonach Deutschland nicht an der Haager Konferenz teilnehmen wollte, falls England die Frage der Ei, schränkung der Ausgaben für Kriegsvorbe- reitungen anschneiden würde. Da hierdurch die Aussichten der Konferenz höchst unsicher geworden wären, so telegraphierte die Londoner Tribüne an Herrn v. Tschirschky und erhielt folgende Antwort: Meinen besten Dank für Ihr Telegramm. Ich autorisiere Sie, zu erklären, daß die Behauptung des „Temps", Deutschland weigere sich, an der Haager Konferenz teilzunehmen, falls England vorschlägt, die Abrüstungsfrage zu besprechen, ohne Begründung ist. Ich hoffe, daß trotz aller entstellten Mitteilungen über die Haltung Deutschlands die engeren Beziehungen Deutschlands und Groß-Britaniens sich weiter entwickeln werden. Tschirschky.
Vermischtes.
(Aprilscherze.) Ein paar grausige Aprilscherze werdender „Deutschen Goldschmiedezeitung" in Leipzig von Pforzheim berichtet. Ein zweispaltiger Bericht erzählt, daß angesichts der Lohnerhöhungen, welche die Pforzheimer Arbeiterschaft sich voriges Jahr erzwungen habe, eine englische Kuli-Jmportgesellschaft beschlossen habe, zirka 2000 Gelbgesichter nach Pforzheim zu im- portieren, wo sie zum Preis von 2 bis 2 ^ 50 den Fabrikanten überlassen werden Die Geschichte, meint hiezu der „Pforzh. Gen.-Anzg ", ist nicht schlecht ausgemalt und gut erzählt, sodaß sie wohl über Ostern einen oder den andern von jener Sorte, die nicht alle werden, aufgeregt haben mag. Ter zweite Aprilscherz handelt vom Kre- matorium und variiert einen hier scherzweise schon oft erörterten Gedanken in neuer Form. Im Krematorium sollen alten Goldschmiede nach ihrem Tod verbrannt und aus ihrer Asche der Goldstaub ausgezogen werden, den sie am Feilnagel eingeatmet haben. Der ingeniöse Verfasser rechnet mit der Kleinigkeit von 280 bis 290 Gramm Goldstaub. Wer kann da der Verlockung widerstehen, sich verbrennen zu lassen, damit die Hinterbliebenen noch ein kleines Ver- mögen herausbekommen?
„sie sind alles, was mir armem, alten Manne geblieben ist, seitdem uns Barba verlassen hat und ein schöner Engel geworden ist."
„Vergiß nicht, daß Du mit mir sprichst," sagte Thymert kalt abweisend. „Verschwende Deine Worte nicht, Du änderst damit nichts an dem, was nur wir beide wissen. Du bist kein alter Mann, sondern in Deinen besten Jahren. Barba ist freilich ein Engel geworden, der Himmel erbarme sich ihres reinen Herzens — (dabei bekreuzte er sich inbrünstig), aber Guenn und Nannic leben noch und ich wünsche zu verhindern, daß sie durch die Brutalität eines Trunkenen vor der Zeit den Engeln zugesellt werden."
„Hat mich das unnütze Mädel bei Euch verklatscht?" rief Rodellec zornig, mit der Faust auf den Tisch schlagend.
„Ich habe seit mehreren Tagen nicht mit Guenn gesprochen. Eine innere Stimme sagt mir, wann ich zu kommen habe, Rodellec."
Rodellec bekreuzte sich hastig. Es gibt wohl kaum einen bretagnischen Bauer, der nicht an das Wiederkehren der abgeschiedenen Geister glaubt, und Barba war Thymerts Cousine! Dort zu Lande lebt ein Ueberrest der anbetenden Verehrung für die alten Druidenpriester und Barden heute noch unter dem abergläubischen Volke, trotz des vertraulichen Verkehrs, in dem es zur Geistlichkeit steht.
„Ich habe sie neulich aus Versehen getroffen," brummte Hervv unbehaglich. Des Pfarrers Antlitz verfinsterte sich merklich.
„Rodellec, wenn Du nicht ewig in der Hölle brennen willst," begann er feierlich, „so vergreife dich nicht an Deinen Kindern. Ist es nicht genug, daß Du die Mutter getötet und den Sohn zum Krüppel gemacht hast? Ich
versprach Barba auf ihrem Totenbette, daß ich die Kinder beschützen wolle. In Loruoäot waren sie wieder hungrig, Herv«, und Guenn hatte eine häßliche Beule auf der Stirn. — Nein, sie hat nicht darüber geklagt. Eine Heilige in der Nische täte das eher als Guenn. Ich fragte sie, aber sie schüttelte lachend den Kopf, rief „meine eliose", und sprang davon.
„Sie ist eine unkindliche Tochter, die ihren armen alten Vater vernachlässigt und in den Gassen umherläuft; das ist die volle Wahrheit, monsieur 1s rseteur."
„Sie ist ein pflichtgetreues, arbeitsames Mädchen, das Euch vierzig Franken monatlich aus dem Fischgeschäft heimbringt, ganz abgesehen von dem, was sie für Botenlohn und Aushilfe in den VozwAsurs verdient. Ich verlange keine Versprechungen von Euch, denn ich glaube nicht an Euren Schwur, selbst nicht, wenn Ihr ihn aufs heilige Kreuz ablegt. Aber das laßt Euch gesagt sein: Wagt es nicht nochmals, Eure Kinder zu schlagen, statt ihnen Brot zu geben. Nannic muß zur Schule geschickt werden, und Guenn muß anständig gekleidet und ordentlich beaufsichtigt werden. Hört Ihr wohl — ordentlich beaufsichtigt! Das arme Kind — sie hat nur Euch
— Euch! Und alle diese Fremden und Gefahren um sie her, Euch! und so jung, so zart — Euch! und mit diesem süßen, schönen Gesicht! Euch! der Ihr schlimmer seid als gar niemand! Aber hiermit schwöre ich Euch,"
— Thymert erhob drohend seine Stimme, — „wenn Ihr sie frierend und hungrig umhergehen laßt, wenn Ihr sie nur noch ein einziges Mal mit Eurer rohen Faust berührt, wenn Ihr sie in Leid und Gefahr bringt — so werde ich Euch öffentlich als Verfehmten und Verfluchten b^eichnen." (Forts, folgt.)