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führenden Ausschusses den im September in Stuttgart abgehaltenen. Kongreß der Aerzte und Naturforscher eröffnet und bei den geselligen Veranstaltungen namens der Stuttgarter Aerzte- schüft die Honneurs gemacht. Aber schon damals nagte die tückische Krankheit an seinem Lebens­nerv. Obwohl sich Burckhardt über die schwere Natur seiner Leidens klar gewesen ist, war er mit ungebeugter Energie in seinem Berufe tätig, bis die Krankheit ihn aufs Lager warf. Hermann Burckhardt war geboren am 3. Juli 1847 zu Cannstatt; sein Vater war der nachmalige K. Badearzt in Wildbad. Der angehende Mediziner studierte in Tübingen, machte seine Approbation und Doktorpromotion in Leipzig, war von 1872 bis 1877 an der dortigen chirurg. Klinik Assistent und wurde 1877 Vorstand der chirurg. Abteilung des Ludwigsspitals; 1883 übernahm er zugleich am Katharinenspital dieselbe Stellung. Burckhardt galt als einer der geschicktesten Chirurgen und mit seiner Gewandtheit und seiner oft gerühmten leichten Hand ist ihm manche schwere, ja aussichts- los scheinende Operation geglückt. Er wurde oft nach auswärts zu Operationen berufen, sein Wirken an den beiden großen Stuttgarter Kranken­häusern, die sich, nicht zuletzt durch Burckhardts Ansehen, den Universitätskliniken zur Seite stellten, ist ungezählten Kranken im ganzen Lande zu gut gekommen. Ehrenvolle Rufe nach auswärts hat Burckhardt mehrfach abgelehnt. An äußeren Ehrungen hat es ihm nicht gefehlt. 1885 erhielt er den Titel eines Medizinalrats, 1893 wurde er zum Generaloberarzt L la suite des Sanitäts- korps, 1896 zum Generalarzt ernannt. 1897 wurde er Obermedizinalrat. Hohe Ordensaus­zeichnungen waren ihm verliehen. Zu größeren wissenschaftlichen Werken ist der vielbeschäftigte Arzt nicht gelangt, dagegen hat er in medizinischen Zeitschriften die Früchte seiner Erfahrungen niedergelegt. Am geistigen Leben in Stuttgart nahm der feinsinnige Mann regen Anteil; man sah ihn oft im Theater, bei Konzerten, in inte­ressanten Vorträgen und bei bedeutenden Ver­anstaltungen. Ein hochangesehenes Haupt der württ. Aerzteschaft, eine Zierde der medizinischen Wissenschaft Deutschlands sinkt mit Obermedizinal­rat v. Burckhardt ins Grab. (Staatsanz.)

Stuttgart 1. April. Unter großer Be­teiligung wurde heute vormittag auf dem Prag­friedhof der langjährige Leiter der chirurgischen Abteilungen des Katharinen- und Ludwigshospitals, Obermedizinalrat vr. Hermann v on Burckhardt zur letzten Ruhe bestattet. In dem Trauer­gefolge befanden sich Herzog Robert, Vertreter des Königs und der Königin, der Herzogin Wera, des Herzogs Ulrich und des Herzogs Wilhelm von

Urach, der kommandierende General von Hugo, der Gouverneur von Stuttgart, General von Berger, sowie zahlreiche Sanitätsoffiziere mit Generalarzt vr. von Wegelin an der Spitze, Minister von Pischek als Vertreter der Regierung, Oberbürgermeister von Gauß, Vertreter der Uni­versität Tübingen und Vertreter der ärztlichen Vereine. Unter den Klängen eines Trauermarsches bewegte sich der Leichenzug von der Kapelle des Friedhofs zum reichgeschmückten Grab. Der Sarg wurde von 8 Sanitätsunteroffizieren getragen. Im Sinne des Entschlafenen sprach Prälat von Weitbrecht nur ein Gebet. Oberbürgermeister

von Gauß legte sodann namens der Stadt Stutt­gart einen Lorbeerkranz am Grabe nieder. Mit dem ChoralGott ist getreu" schloß die ernste Feier. Unter den zahlreichen Kranzspenden be­fanden sich u. a. solche des Königspaares, sämt­licher Mitglieder des kgl. Hauses, des württbg. ärztlichen Landesvereins, des württbg. Sanitäts- offizierkorps, der Geschäftsleitung der 78. Ver­sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte.

Nehren OA. Tübingen 1. April. Hier

wurde die 65jährige Ehefrau des Schuhmachers Dürr abends kurz vor 8 Uhr von einem

Tübinger Personenzug überfahren und sofort ge­tötet. Kurz vor 12 Uhr ertönte Feuerlärm. Wahrscheinlich infolge Brandstiftung brannte es im Ort an 4 verschiedenen, räumlich von einander erheblich getrennten Orten, bei Zimmermann Nill, Wagner Wulle und bei dessen Vater

Gemeinderat Gottlieb Wulle, zu gleicher Zeit. Mit diesem letzteren Haus brannten noch zwei andere Anwesen nieder, während die andern Brände mit Mühe gelöscht werden konnten.

Ulm 30. März. Der Besitzer des Gast- Hofes zumGreifen", Ehr. Zimmermann, begab sich gestern Mittag in den Keller. Da er längere Zeit nicht zurückkam, sah man nach ihm und fand ihn tot im Keller liegen. Ein Schlagfluß hatte seinem Leben ein Ziel gesetzt.

Rapallo 1. April. Der Minister des Aeußern, Tittoni, stattete gestern dem Fürsten Bülow einen Besuch ab. Die Unterredung dauerte anderthalb Stunden. Nachher fand zu Ehren Bülows bei Tittoni ein Diner statt.

Bukarest 30. März. Alle heute vor­liegenden Nachrichten aus dem Aufstandsgebiet konstatieren, daß in der Moldau völlige Ruhe ein- getreten und in der Wallachei der Aufstand in rapider Abnahme begriffen ist. Die in der Moldau überflüssigen Truppen wurden nach der Wallachei dirigiert.

Brüssel 30. März. Die hiesige spanische Gesandschaft dementiert entschieden die Meldung

von einer schweren Erkrankung König Alfons an einem Lungenleiden. Der König sei von seinem letzten Jnfluenzaanfalle völlig wieder­hergestellt.

Madrid 30. März. Der spanische Ge­sandte in Tanger berichtet, daß der französische Vertreter dem Vertreter des Sultans Mohammed el Torres ein Ultimatum überreicht und dabei eine sehr energische Sprache geführt habe. Der französische Gesandte hat in einer späteren Unter­redung den französischen Standpunkt zum Ausdruck gebracht.

Petersburg 30 März. Wie dieNowoje Wremja" meldet, hat das sozial-revolutionäre Könnt« in Riga 30 000 Proklamationen verteilen lassen, in welchen zur Ermordung aller Guts- besitzer und Plünderung aller Besitztümer aufgefordert wird.

Moskau 30. März. Stolypin erhielt ein Telegramm aus dem Petroleumrevier, wonach dort neue Unruhen ausgebrochen seien. Die Industriellen sehen sich gezwungen 40000 Arbeiter auszusperren, was zu politischen Zwischenfällen führen dürfte.

Glasgow 1- April. Die schwarzen Pocken fordern immer neue Opfer. 106 Neu­erkrankte wurden gestern in den Spital gebracht.

Nerv-Park 30. März. Der von New- Orleans nach San Franziska abgelassene Expreß­zug der Southern Pacifik Bahn entgleiste an der Station Colton, als er mit einer Geschwindigkeit von 40 Meilen in der Stunde fuhr. Die Zahl der Toten beträgt 26. Die übrigen Passa­giere, über hundert sind fast alle schwer verletzt.

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Endlich kehrte wieder Farbe in Guenns bleiches Antlitz zurück, ihre krampfhaft erhobenen Arme sanken herab. Mit herzigem Lächeln wandte sie sich zu Nannic, ihr Gesichtsausdruck ward weich und ihre großen blauen Augen glänzten hell.

Gleich komme ich, lieber Junge!" sagte sie zärtlich,warte auf mich!"

Ich warte auf Jeanne," versetzte der Kleine eigensinnig.

,Ä«w« estose," lachte Guenn; dann packte sie ihre Habseligkeiten zusammen und schritt von Jeanne und Nannic begleitet, leichtfüßig die Bucht entlang.

^1i mon äieu, gu« la vi« «st amörs," hörte man noch aus weiter Ferne die frischen, jugendlichen Stimmen singen.

4. Kapitel.

Der Pfarrer der I-smulons stand vor der halboffenen Tür von Rodellecs Hütte und klopfte. Da er keine Antwort erhielt, und außer dem leisen Rasseln herabfallender Blätter kein Laut vernehmbar war, bückte er sich, um in die niedere Behausung einzutreten. Es war noch alles so, wie es Guenn vor Stunden verlassen hatte. Der kleine Suppentopf stand unberührt auf dem erkalteten Herd und der Hausherr schlief noch immer in seinem turmhohen Bette.

Der Priester setzte sich auf die Bank am Tisch, warf einen prüfenden Blick in dem unfreundlichen Raume umher und seufzte tief. Thymert sah ganz aus wie ein Mann aus dem Volke, seine gebräunten, starkknochigen, wetterdurchfurchten Züge gaben Zeugnis von einer mehr tatkräftigen, als beschaulichen Natur. Mit der Würde seines priesterlichen Amtes vereinte er die Sorglosigkeit des Seemanns, auf der einen Seite besaß er ein starkes Bewußtsein seiner persönlichen Kraft und unbegrenzten Autorität über die Glieder seiner Jnselgemeinde, auf der andern kennzeichnete ihn noch dieselbe schüchterne Einfachheit, wie dereinst den achtjährigen Knaben, den der gute Pfarrer von Beüzec sich zum Gehilfen herangebildet hatte, bis er ihn auf die Priesterschule schickte. Auf den I-annwus angestellt, war er dort verblieben, weil seine Vorgesetzten wohl kaum einen zweiten gefunden hätten, der wie er für die Stelle paßte. Ein Ehrgeiziger würde sich

schwerlich begnügt haben mit dem bescheidenen Posten eines Seelsorgers von etwa hundert armen Fischern, deren rohe Hütten hier und da auf den neun öden Inseln verstreut lagen, denen bei der Geburt, bei Leben und Tod, Krankheit und Gesundheit immer und ewig das Rauschen des mächtigen Ozeans ertönte, zu denen Jahre hindurch kein Klang der aufgeregten Zeit drang, mochten auch Reiche erstehen und untergehen! Aber Thymert war nicht ehrgeizig. Er stellte nie Betrachtungen über seine Lage an. Er war der Usetsur ä«s I-annions, das sagte alles.

Arzt, Seelsorger und Tröster der Frauen, Freund und Gefährte der Männer, stark genug, um wenn's Not tat ein paar zänkische Trunkenbolde zur Vernunft zu bringen, nie zu vertieft in sein Gebet, um nicht sofort gewahr zu werden, wo sich ein Streit zu erheben drohte war Thymert König auf seinen wilden Eilanden. Sein Boot ankerte vor seiner Tür und zu jeder Stunde des Tags oder der Nacht ob die Wogen noch so ungestüm an das felsige Gestade anprallten, ob der Sturm brüllte und menschlicher Anstrengung zu spotten schien er war bereit, auf den ersten Ruf seinen Pfarrkindern zu Hilfe zu eilen. Einfältigen, treuen, tapfern Mutes, übte der junge Seemannspriester aufs sorgsamste die Pflichten seines Berufes aus. In der ärmlichen kleinen Kapelle zur heiligen Jung­frau auf dem I^oed, deren rohe Wände mit Abbildungen der dem Schutz der Madnnna befohlenen Schiffe bedeckt waren, ward die heilige Messe freilich oft mit eigentümlicher Hast gelesen, wenn der Pfarrer soeben er­fahren hatte, daß einem Glied seiner Gemeinde ein Unfall zugestoßen sei; ja einmal, als der lahme Jean so schwer am Fieber darniederlag und ihn rief, ist es den beiden alten Bettbrüdern, die wie immer ihren Rosenkranz hersagten, noch bis zum heutigen Tage unklar geblieben, ob der Pfarrer die Messe, die Vesper oder gar nichts gelesen habe, so hastig war er auf die Kanzel geeilt und wieder herunter. Aber sie liebten ihn trotzdem» ihren heißblütigen, warmherzigen jungen Pfarrer; und was die heilige Schutzpatronin der Insel anbelangte, so legte sich Thymert gar nicht erst die Frage vor, ob ihr eine eintönige Liturgie ihr zu Ehren, oder eine männliche, hilfreiche Tat zu Gunsten der armen Menschenkinder lieber wäre.

(Fortsetzung folgt.)