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Betzingen OA. Reutlingen 22. März. Bei der am Ostermontag stattfindenden Feier der Eingemeindung Betzingens in die Oberamts­stadt, wird bei dem Festakt vor dem Rathaus, dem ein Gottesdienst voraurgehen wird, namens der Gemeinde Betzingen Gemeinderat Georg Schickhardt, namens der Stadt Reutlingen Ober­bürgermeister Hepp und als Vertreter der Re- gierung Präsident von Hofmann sprechen. An- schließend an den Festakt findet ein Mittagessen im Gasthaus zurRose" statt. Diesem folgt ein Volksfest, abends ist in derKrone" eine gesellige Zusammenkunft.

Tübingen 21. März. (Strafkammer.) Die 14jährige Holzhauerstochter Mössinger in Sprollenhaus, OA Neuenbürg, war gegen die 61 Jahre alte Holzhauerswitwe Günthner, die in einer Kammer des elterlichen Hauses der An­geklagten ein lebenslängliches Wohnrecht genießt, von so leidenschaftlichem Haß erfüllt, daß sie darauf sann, die Günthner au« dem Haus zu schaffen. Zu diesem Zweck schabte sie von Zünd­hölzern den Phosphor und verbrachte ihn in einer Tasse Milch in die Kammer der Günthner, da­mit die Günthner davon trinke. Die Günthner aber entdeckte die Sache. Die jugendliche Ver­brecherin wurde wegen versuchten Mords zu der Gefängnisstrafe von 1 Jahr, woran 3 Wochen Untersuchungshaft abgehen, und den Kosten verurteilt.

Aus Württemberg 21. März. Pauline Maier, die Tochter des Steinhauers Maier in Möckmühl hat von der englischen Universität Edinburg den Doktortitel erhalten. Es ist wert, der Deffentlichkeit übergeben zu werden, welche Energie diese Frau entfaltet hat und was sie überwinden mußte, bis das Ziel erreicht war. Pauline Maier hatte nämlich nur die Volksschule in Möckmühl besucht, sie war darnach noch einige Zeit zu Hause und verdingte sich später als Dienst. Mädchen. Ihre Bücher waren ihr aber schon immer das Liebste und so wurde sie befähigt, bald eine Gouvernantenstelle zu bekleiden, zuerst in der Heimat, später in England. Sie gab end­lich, im Jahre 1897, ihren seitherigen Beruf auf und lebte nun ausschließlich der Wissenschaft und dem Lernen. Nach manchen Mühsalen gelang es ihr, zur Universität Edinburg zugelaffen zu werden und hier hat sich der große Wunsch ihres Lebens erfüllt, vr. Pauline Maier hat sich ihren Wir­kungskreis in China gesucht als Miss io ns- ärztin einer englischen Mission; sie ist nun auf dem Wege dorthin.

Leipzig 21. März. Der Einsturz des Gasthofs zumHirsch" in Nagold beschäftigte heute das Reichsgericht. Es wird noch in all­gemeiner Erinnerung sein, daß am 5. April v. I. dar am Markte in Nagold liegende Haus de« Gastwirts Neudeck, welches um etwa 1V- m ge­hoben werden sollte, gerade in dem Augenblick zusammenstürzte, als eine lebensfrohe Menge sich in demselben aufhielt. Dabei wurden 51 Personen getötet, 57 verletzt. Der Bauunternehmer Eras­mus Rückgauer aus Stuttgart, der die Hebung des Hause» ausführen wollte, wurde am 20. Okt. v. I. nach sechstägiger Verhandlung vom Land­gericht Tübingen wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung, sowie Zuwiderhandlung gegen die anerkannten Regeln der Baukunst zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. DasVer- schulden des Angeklagten, der vorher schon viele Häuser gehoben hatte, ist vom Gericht darin er­blickt worden, daß er die Hebung nicht fortwährend beobachtet habe. Die Revision des Angeklagten enthielt eine Anzahl prozessualer Beschwerden ohne allgemeines Interesse und rügte Verletzung des materiellen Recht«. Das Urtäl enthalte Wider­sprüche, wurde behauptet. Geprüft sei nicht, wie weit die Tötung der drei Zuschauer voraus- sehbar war. Nur Neudeck und der Stadtbau­meister hätten die Leute aus dem Hause weisen dürfen, da der Angeklagte keine Polizeigewalt hatte. Die Mitverantwortlichkeit der anderen be­teiligten Personen sei nicht geprüft worden. Der Reichsanwalt bqeichnete sämtliche Rügen als unbeachtlich. Einen Widerspruch enthalte das Urteil nicht. Allerdings würden nach den Aus­führungen de« Urteil« noch andere Personen auf die Anklagebank gehört haben, aber

das Urteil habe sich nur mit dem Angeklagten Rückgauer zu befassen. Das Reichsgericht er­kannte auf Verwerfung der Revision.

Berlin 22. März. Die verhafteten Frauenrechtlerinnen in London wurden gestern dem Westminster Polizeigericht vorgeführt. Der präsidierende Polizeirichter bemerkte junge Mädchen von 17 Jahren aus den Fabriken unter ihnen und erklärte, es sei eine Schande für die verantwortlichen Führerinnen, daß solche Kinder nach London gebracht und den Gefahren der Großstadt preisgegeben worden seien. Der Polizei­chef hatte speziell einen Vertreter entsandt, um dem Richter vorzustellen, daß es an der Zeit sei, mit der Nachsicht gegen die aufrührerischen Frauen ein Ende zu machen, da diese eine ernste Gefahr für die öffentliche Sicherheit bilden. Die Ver­hafteten wurden in Paaren zu je 20 Schilling, eventuell 14 Tage Gefängnis, oder 40 Schilling, eventuell einen Monat Gefängnis, verurteilt. Sie erwählten der üblichen Praxis gemäß, das Ge­fängnis. Einige von ihnen, welche Beschwerden gegen die Polizei vorbrachten, wurden zurückge­stellt; ebenso die Kinder zum Zweck des Rück­transports an ihre Eltern.

Oberstdorf 21. März. Gestern früh stürzte vom Einödsberg zwischen Birgsau und Einödsbach eine mächtige Lawinezu Tal, welche große Waldbestände mit sich riß. Die Lawine übertrifft an Größe noch bei weitem jene in Ahorn bei Mittelberg. Sie löste sich, wie man der Augsb. Abendztg." berichtet, von der Spitze des vorderen, 1641 m hohen Einödsberges, teilte sich unterwegs und ging schließlich in den Stillachfluß nieder. Der erst im vorigen Jahre neu angelegte Weg Birgrau-Einödsbach, dessen Anlage 9000 ^ kostete, ist vollständig verwüstet. Von der schönen Gemeindewaldung links dieses Weges ist fast nichts mehr übrig geblieben. Gestern nachmittag ging eine Lawine von der Weißen Rinne herab, alles mit sich fortreißend. Viele Stangen der Telephon­leitung sind verschwunden. Auf der Walserstraße zwischen Walserschanz und Riezlern wälzte sich gestern gleichfalls eine mächtige Staublawine zu Tal. Der eben des Wegs kommende Postomnibus kehrte schleunigst um; viele Häuser sind gefährdet. Die meisten Bewohner sind bereits ausgezogen. Die meisten Täler werden selbst von Einheimischen gemieden. Gestern regnete es in Strömen, wo­durch die Lawinengefahr noch bedeutend ge­steigert ist.

Wien 22. März. Aus dem rumänischen Aufruhrgebiet wird berichtet: In Valoj zogen Bauern vor die Präfektur und forderten von dem Präfekten Ackerland zu billigem Preise. Als ihnen dies verweigert wurde, begannen sie die Präfektur zu demolieren. Militär feuerte und tötete zahl­reiche Bauern. Der Minister des Auswärtigen, Freiherr von Aehrental, erklärte einer Deputation der Wiener Judengemeinde, er habe der öster­reichischen Gesandtschaft in Bukarest bereits Wei- sung zum Schutz der österreichischen Staatsan- gehörigen gegeben.

Czernowitz 22. März. In der Bukowina fürchtet man das Uebergreifen der Bewegung auf österreichisches Gebiet. Die Bauern, denen sich sehr viel Mob angeschloffen hat, haben sich in Banden von je 200 Mann geteilt, die von Bezirk zu Bezirk ziehen. Sie sind genau darüber unter­richtet, wo sich augenblicklich kein Mlitär befindet. Im Bezirk Botoschani ist der Aufstand augen­blicklich vorüber. Einwandsfreie Zeugen bestätigen, daß die rumänische Gendarmerie und das Militär sich ganz offen auf die Seite der Aufrührer stellen, die von der Geistlichkeit und der Lehrerschaft auf­gehetzt werden. Die christlichen Häuser wurden durch besondere Zeichen kenntlich gemacht, ebenso die Häuser der Juden, sodaß der Mob, auch wenn er ganz fremd ist, sich ohne Mühe zurechtfinden kann.

Vermischtes.

Auch die Franzmann.Hottentotten unterwerfen sich. Oberst v. Deimling meldet unterm 19. ds., daß sich nunmehr auch Simon Köpper, der Kapitän der Franzmann- Hottentotten, der sich bisher in der für die Truppen schwer zugänglichen Kalahari-Wüste abwartend verhielt, unterworfen habe. Am 3. März

erschien vor der Werft Köppers bei Kowise Kolk überraschend Major Tierer mit einer Kompagnie, einem Maschinengewehrzug. einer Bastardabteilung und 30 Kameelreitern. Gegen Zusage von Leben und Freiheit versprach der Kapitän, seinen ganzen Stamm zu sammeln und die Waffen bei Gochas abzuliefern. Er ent­sandte sofort Boten an die in der Kalahari weit und zerstreut sitzenden Stammesteile, die angeblich zusammen 100 Gewehre stark sind, und trat selbst am 7. März den Abmarsch nach Gochas an.

Der Parasit des Kropfes. Das ge­häufte Auftreten der Schilddrüsenanschwellung, des Kropfes, ließ schon längst die Vermutung auf- kommen, daß demselben eine parasitäre Ursache zu Grunde liege. Bisher hat man allgemein an­genommen, daß das Trinkwasser die Schuld an der Entstehung des Kropfes trägt. Nun hat neuerdings vr. Carisson imLancet" eine Theorie aufgestellt, welche die Trinkwassertheorie mit der parasitären vereinigt. Dieser Forscher hat in Chital, einer Hochebene in Vorderindien, den Kropf studiert. Er nimmt an, daß die Ansteckung vom Darm aus erfolgt. Der Parasit lebt im Boden und gelangt wahrscheinlich mit dem Trink­wasser in den Körper Er kann durch kranke Menschen in gesunde Gegenden verschleppt werden und hier den endemischen Kropf erzeugen, wenn die Bodenverhältnisse seinem Wachstum günstig sind, nachdem er mit den Darmentlesrungen nach außen gelangt ist. Fremde, die in Kropfgegenden kommen, erkranken besonders leicht, während die Einheimischen immun sind. Der Kropf verschwindet wieder, wenn der Kranke in kropffreie Gegenden zieht, in welchen die Lebensbedingungen für den Parasiten ungünstig sind. Da das Filtrieren und Kochen des Wassers nicht vor Erkrankungen schützt, so hat vr. Carriffon den Kropf, entsprechend seiner Hypothese, durch Darminjektion zu bekämpfen gesucht. Er wandte Tymol und Abführmittel mit so gutem Erfolg an, daß 25 Kröpfe im Verlauf von 38 Wochen beseitigt wurden.

Landwirtschaftlicher Kkzirksvereiu Calw. Bekanntmachung.

Am Montag, den 25. -s. Mts., nachm. 2 Uhr, findet auf dem Gute des Herrn Oekonom Oettinger hier eine Vorführung der fahrbaren Baumspritze des Güterbesitzervereins von Calw statt. Hiezu ist jedermann fceundlichst eingeladen. Calw, 22. März 1907.

Vorstand:

Voelter, Reg. Rat.

Standesamt Calw.

Geborene.

20. März. Friedrich Alfred, S. d. Josef Rehm, Hilfsbremsers hier.

18. Franz Emil, S. d. Christian Friedrich

Stotz, Messerschmieds hier. Getraute.

16. März. Christian Finkbeiner, Zimmermann hier mit Maria Barbara Wetmert, Nähterin hier.

16. Karl Christian Schüttle, Bahnarbeiter

hier mit Anna Maria Ritter, Dienst­mädchen hier.

Gestorbene.

19. März. Luise Beck, Tochter der Margarethe

Beck, nunmehrigen Ehefrau des Tag­löhners Simon Ritter in Stammheim, 7 Jahre alt.

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teilt gerne und unent­geltlich Herr Chri­stian Böhner jr. in Sigmarswangen (Württ.) mit, wie er auf einfache Weise von seinem langen und qualvollen Magenleiden befreit wurde.

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