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Die Politik, die mit einer Mehrheit aus Zentrum und Sozialdemokratie auf die Dauer hätte gemacht werden können, hätte ich seh.n mögen. Große Ge­setze sind mit Hilfe des Zentrums zustande ge­kommen. So lange dies der Fall war, war ein Zusammengehen möglich, aber ein Zusammengeheu mit jeder Partei hat schließlich seine Grenzen. Ich gehe mit jeder Partei, welche die großen Linien achtet, ohne die das deutsche Volk nicht atmen und leben kann. Wird dagegen gesündigt, so hört bei mir die Gemütlichkeit auf und bei der Regierung das Zusammengehen. Druck erzeugt Gegendruck. Wie kam es zur Krisis? Wir haben bet der Ein­führung des neuen Kolonialdirektors alle Schäden und Fehler eingestanden und nichts vertuscht und Wechsel zugesagt; daß es dann trotzdem zu einem Zusammenstoß zwischen Roeren und Dernburg kam, mußte mich überraschen. Roeren verging sich in maßloser Form. Eine fruchtbringende Tätigkeit der Gesetzgebung ist mit Hilfe der Konser­vativen und Liberalen viel leichter denkbar, als mit der Farbe Roeren-Singer. Das Zentrum wollte mit Hilfe der Sozialdemokraten die Regie­rung ducken. Das wird sich die Regierung niemals gefallen lassen. (Beifall.) Ein per­sönliches Regiment besteht nicht. Das Zentrum stellte sich an die Seite einer Partei, deren letzte Ziele nur mit Hilfe des Verfassungsbruches er­reichbar sind. Die Krone machte bei der Auf­lösung des Reichstags nur Gebrauch von dem ihr verfassungsmäßig zustehenden Recht; das Wahl­geheimnis und das Budgetrecht sind nicht angetastet worden. Ich habe die Diäten eingeführt und manches andere geschaffen. Unwahr ist, daß ein neuer Kulturkampf vorbereitet wird. Wenn die Kluft zwischen den Konfessionen durch die Wahl größer geworden ist, bedaure ich das; ich führe dies aber auf jenes in den Wahlkampf geworfene Moment zurück. Ich halte an der Solidarität fest und meine Hoffnung war, daß alle bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokratie Zu­sammengehen werden; daß dies nicht zustande kam, lag in erster Linie daran, daß das Zentrum demonstrativ mit der Sozialdemokratie ging. In diesem Zusammengehen lag nicht nur ein großer politischer Fehler, sondern auch ein großer moralischer. (Sehr richtig.) Einer solchen Partei, die die Kommune verherrlicht, durfte das Zentrum nicht den Steigbügel halten. Dem christlichen Zentrum sollte ein Zusammengehen mit der Sozialdemokratie unmöglich sein. Für die Re­gierung und meine Person nehme ich das Recht in Anspruch, bei den Wahlen die Wähler aus­zuklären. Das werden wir künftig in noch viel größerem Maße tun. (Lärm bei den Sozialdemokraten; jubelnde Zurufe bei der Mehr­heit.) Das wäre noch besser, wenn man der Re­gierung bei unerhörten Vorwürfen das Maul ver­binden könnte. (Sehr gut.) Wir werden noch aktiveren Anteil an den Wahlen nehmen, als seither. Dem Flottenverein stehe ich genau so gegenüber, wie jedem anderen Verein. Dem General Keim danke ich laut und herzlich, daß er sich rast­los in den Dienst der guten Sache gestellt hat. In den 10 Jahren, in denen ich Reichskanzler bin, war ich niemals persönlich; ich habe den Kampf stets sachlich geführt. Wenn wir nun fragen.

wer bei den letzten Wahlen gesiegt hat, so heißt die Antwort: das deutsche Volk, auf dessen Vertrauen wir gerechnet haben. Das stelle ich vor dem In- und Auslande fest. Neben dem vollen Schutz der Landwirtschaft werde ich die In­dustrie fördern und die Fürsorge für die Arbeiter betreiben. Manchem Wunsche Wassermanns wird nähergetreten werden: Ersparnisse durch Verein­fachungen in der Armee, eine Reform des Strafrechts und der Strafprozeßord­nung, Verbesserung der Beamtenverhält­nisse, Beschränkung der -Majestätsbeleidi- gungsprozesse, die der Initiative des Kaisers entspringt. Unsere Börsen sollen in den Stand gesetzt werden, den Anforderungen als wichtige wirtschaftliche Instrumente besser als bisher zu ge­nügen. (Bravo!) Ich werde eine gesunde, vor­urteilslose und vernünftige Sozialpolitik fortsetzen. Auf diese Andeutung beschränke ich mich. Bei der jetzigen Mehrheit, die zu unserer Genugtuung das Volk uns gab, halte ich eine fruchtbare, zielbewußte Politik für sehr gut möglich. Sie wird umso fruchtbarer sein, je mehr sie getragen wird von dem Vertrauen der Mehrheitsparteien und der Re­gierungen. Möge dies Vertrauen sich immer festigen und wachsen zum Wohl des oeutschen Volkes und der ihm gestellten großen Aufgaben! (Lebhafter, anhaltender Beifall und Händeklatschen.)

Berlin 26. Febr. (Reichstag.) Die Etatsdebatte wird fortgesetzt. Abg. Bebel (Soz.) greift zunächst zurück auf die Bemerkungen, die gestern Fürst Bülow an das Zentrum gerichtet habe. Der Reichskanzler scheine es geradezu für ein Ver­brechen zu halten, wenn eine bürgerliche Partei für einen Sozialdemokraten stimme. Bülow scheine bei­nahe eine persönliche Beleidigung darin zu sehen, daß es hier im Hause oder daß es überhaupt Sozial­demokraten gibt.' Unter stetem Beifall und Hört Hört-Rufen im Zentrum verbreitet sich Redner über das Zusammengehen von Nationalliberalcn und Sozialdemokraten bei den letzten badischen Land­tagswahlen, desgleichen in Osnabrück und Hildes­heim. Sozialdemokraten und Zentrum seien bei ihrem Zusammengehen von dem Reichskanzler direkt in dieselbe Schlachtreihe bei den letzten Wahlen getrieben worden. Von einem Bündnis zwischen Zentrum und Sozialdemokraten sei deshalb noch lange keine Rede. Redner polemisiert in seinen weiteren Ausführungen gegen die Nationalliberalen und sagt, daß es in deren Partei eine ganze Meng? Leute gäbe, die jeden Tag bereit seien, den Kultur­kampf zu erneuern. Redner berührt noch das Ein­greifen des Fürsten Bülow in den letzten Wahlkampf, sowie die Keim-Affäre und erinnert dann an die Rückständigkeit unserer Gesetzgebung auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungsrechtes. Preußen und Fürst Bülow an seiner Spitze sei die Jncarnation allen kulturellen Stillstandes. Seine Partei habe bei der Errichtung der sozialen Versicherungsgesetze eine bessere Gestaltung dieser Gesetze erreichen wollen, man habe aber alle sozialdemokratischen Gesetze ab­gelehnt. Redner verbreitet sich dann über die Tätigkeit des Flottenvereins, um zu zeigen, wie in der Wahlbewegung gegen die Sozialdemokratie ge­kämpft wurde. Redner bringt nun die bekannten Forderungen seiner Partei zur Sprache und schließt, die sozialdemokratische Partei werde arbeiten nach

wie vor, denn ihr gehöre die Zukunft trotz alledem. Reichskanzler Fürst Bülow erwidert dem Vorredner zunächst, aus amtlichen Fonds sei für Wahlzwecke nicht ein roter Heller geflossen. Er selbst habe sich lediglich interessiert für die Bildung eines Komites, welches für die Minderheit am 13. Dezember Gelder gesammelt habe. Herr Bebel, so fährt Redner fort, hat ferner gemeint, daß die Sozialdemokraten nur eine reformatorische Tätigkeit entwickeln. Nun, Herr Bebel hat doch in Dresden offen erklärt, daß er nicht ruhen werde, bis dieser Staat und diese Ge­sellschaftsordnung beseitigt seien. Ec will nicht ruhen, bis die Monarchie beseitigt ist. Nun, meine Herren, die Monarchie ist die Grundlage unserer Verfassung, jeder Staatsmann muß also die Sozialdemokratie bekämpfen. Das hat Fürst Bismarck getan und jeder seiner Nachfolger muß es auch. Die Niederlage der Sozialdemokratie war zu wohl verdient, einmal weil sie die Strafe war, für die vielen vorausgegangenen Großsprechereien. Weiter war die Niederlage verdient wegen der sozialdemokratischen Gesinnungsschnüffelei, wegen eines von ihnen geübten Terrorismus, wie ihn die Welt bisher nicht gesehen hat. Die Niederlage der Sozialdemokratie war auch verdient, weil sie eine Strafe war für ihre ganze Kampfesweise, für eine publizistische Methode, die sie so brutal die Welt noch kaum gesehen hat. Die Niederlage ist aber eine gerechte Strafe nicht nur für ihren Klassen­kampf, für ihre Gehässigkeiten, ihre Vernichtung Anderer, es war auch wohl verdient durch ihren Terrorismus, durch ihre Einschüchterung und Unter­drückung Anderer. Ich hoffe, daß die Anhänger unserer Gesellschaftsordnung solchen terroristischen Exzessen Ihrerseits künftig die Stirn bieten, daß sie die Freiheit der Bürger gegen solche Exzesse schützen werde. Die Niederlage, die sie erlitten, war weiter wohl verdient, weil sie die Strafe war für Ihre ganze Verneinungs- und Nörgelpolitik. Ich selbst hatte einmal Hoffnungen gesetzt auf den Revisionismus in Ihrer Partei. Aber, da kam Dresden und Ihre Revisionisten klappten zusammen wie Taschenmesser. Nur der Sozialdemokratie allein fehlt jeder Sinn für natio­nale Bedürfnisse. In allen anderen Ländern stehen die Sozialdemokraten in großen nationalen Fragen zu ihrem Volk. Die Bedeutung ihrer Niederlage sehe ich in zwei Punkten, erstens darin, daß die sozial­demokratische Doktrin widerlegt ist, als sei die Sozialdemokratie eine Naturnotwendigkeit, eine Flut, die unaufhörlich steigen müsse, bis sie alles über­schwemmt. Den zweiten Moment aber sehe ich darin, daß das Bürgertum aus eigener Kraft unter der Herrschaft des allgemein gleichen Wahlrechts einen Sieg erfochten hat. Ein solcher Steg ist mehr wert, als ein operativer Eingriff und als Medizin. Wir dürfen uns jetzt aber nicht auf die Bärenhaut legen, sondern die bürgerlichen Parteien müssen ihre Organisation, die sie sich jetzt vor dem Wahl­kampf geschaffen habe, weiter ausbauen. Unsere Sozialpolitik werden wir weiter ausbauen und fort­führen Ich glaube, daß nach langem schwerem Kampf der Tag kommen wird, wo alle Teile ein­trächtig Zusammenwirken werden und wo wir auf die sozialdemokratische Bewegung zurückblicken werden, wie der Genesene auf eine Krankheit und der Er­wachende auf einen bösen Traum.

Amtliche und Privataazeigen.

Breitenberg.

Verkauf einer Säg und MahlmWe.

Die Erben des verst. Elias Haisch, gewes. Mühle­besitzers in Weikenmühle, hies. Gemeindebezirks bringen am

Montag, den 4. März 1907»

nachmittags 1 Uhr,

auf dem Rathaus zu Breitenberg das vorhandene Mühle­anwesen zum ersten Mal zur freiwilligen Versteigerung, nämlich:

Markung Breitenberg:

Die Hälfte (Stockwerkseigentum) an Gebde. Nr. 34 14 a 57 qm Wohnhaus, Hofraum re., die Weikenmühle, mit der Häste an 5 a 37 qm Hofraum bei der Scheuer Nr. 35, Gebde. Nr. 36 1 a 58 qm Scheuer bei der Weikenmühle, Gebde. Nr. 36a 1 a 50 qm Stallgebäude daselbst, '/- an einem Backofen im Meßgehalt von 0,7 qm unter bezw. an Gebde. Nr. 36 b angebaut, Gebäude Nr. 36c 1s 18 qm Kellergebäude, Anbau und Hofraum bei der Weikenmühle,

Gebde. Nr. 44 und 44a 16 a 11 qm Wohnhaus, Sägmühle mit an­gebauter Mahlmühle bei der Weikenmühle,

Parz. Nr. 362 4 a 19 qm Baumwiese daselbst,

Parz. Nr. 361 1 15 a 76 qm Gras- und Baumgarten daselbst,

Parz. Nr. 355.1 48 s 55 qm Wechselfeld rc. daselbst,

Parz. Nr. 356 2 8 a 67 qm Gras-, Baum- und Gemüsegarten daselbst, Parz. Nr. 288 2 ba 14 a 66 qm Wiese im Teich,

Parz. Nr. 359 21 s 46 qm Wässerungswiese bei der Weikenmühle,

Parz. Nr. 360 21 a 68 qm Oede im Tal,

Parz. Nr. 358/1 Parz. Nr. 303/1

1 ks 12 L 1 qm Wiese bei der Weikenmühle,

46 Ä 98 qm Nadelwald in den Weiden,

Parz. Nr. 354/2 5 ba 39 a 92 qm Nadelwald im Mühlberg,

Parz. Nr. 345 2 ba 41 a 23 qm Nadelwald im Glasberg,

Parz. Nr. 353 1 ba 1 a 78 qm Nadelwald im Steinwald,

Parz. Nr. 351 1 ba 3 a 66 qm Nadelwald daselbst.

Markung Martinsmoos:

Parz. Nr. 446/2 83 qm Wässerungswiese im Tal.

Markung Oberhaugstett.

Parz. Nr. 1216/1 1 ba 44 a 13 qm Acker l , .

1 ba 44 a 13 qm Oede / ^ den Reutemadackern,

Parz. Nr. 1216/2 2 ba 11 a 34 qm Acker und Weg) , .

6 a 73 qm Oede l daselbst,

Parz. Nr. 1215 31 a 67 qm Wiese im Teinachtal,

Parz. Nr. 12201224 2 ba 62 a 42 qm Nadelwald im Ebersberg.

Die Sägmühle hat 1 Hochgang und Vollgatter, die Mahlmühle, welche erst vor kurzer Zeit neu eingerichtet wurde, hat 3 Mahlgänge und 1 Gerb gang. Die Wasserkraft belauft sich auf ca. 8 Pferdekräfte, außerdem ist noch ein im vorigen Sommer neu aufgestellter Sauggasmotor mit 16 Pferdeklüften vor­handen, so daß an Betriebskraft kein Mangel ist.

Die vorhandenen Waldungen sind sehr schön mit haubarem Holz bestan­den; außerdem ist Vorrat an teilweise noch im Walde lagerndem Langholz vorhanden, zu dessen Erwerbung dem Käufer des Anwesens Gelegenheit ge­boten ist.

Kaufsliebhaber werden mit dem Anfügen eingeladen, daß jeder Steigerer einen tüchtigen Bürgen und Selbstschuldner zu stellen hat und daß sich den Erben unbekannte Steigerer und Bürgen über ihre Zahlungsfähigkeit durch obrigkeitliche Vermögenszeugnisse neuesten Datums auszuweisen haben.

Den 23. Februar 1907.

Bezirksnotar Lay er

in Teizmch.