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mit vieler Mühe und mit großen Kosten für die Gemeinden zur Aufrechterhaltung des Verkehrs ausgeschäufelt werden mußten. Ein rasches Tauwetter müßte bei den ungeheuren Schneemassen, welche noch in Feld und Wald lagern, gefürchtet werden. — Infolge der andauernden Kälte, welche glücklicherweise selten über 10° U. stieg, und wohl auch dem allgemeinen Aufschlag, folgend, sind die Brennholzpreise zu einer ungewohnten Höhe gestiegen.
Neuravensburg 23. Febr. In Ried find vorgestern Mittag der 6 Jahre alte Bauernsohn Alfred Knill und sein 3*/s Jahre altes Brüderchen, welche vor ihrem elterlichen Hause spielten, von einer vom Dache herabstürzenden Schneelawine verschüttet worden. Obwohl bald Hilfe zur Stelle war, konnte der ältere Knabe nur als Leiche unter dem Schnee hervorgezogen werden; er war erstickt. Der jüngere Knabe erlitt eine bedenkliche Gehirnerschütterung.
Berlin 23. Febr. Der Abgeordnete Dr. Arendt von der Reichspartei hat mit Unterstützung seiner Partei im Reichstag den Antrag gestellt, den Reichskanzler zu ersuchen, in Anbetracht der schweren Schädigung, welche durch die dauernd hohen Diskontsätze der Reichsbank dem Erwerbsleben erwachsen, eine umfassende Untersuchung herbei zu führen, in welcher Weise Abhilfe zu schaffen ist und die Ergebnisse dieser Untersuchung bei der bevorstehenden Erneuerung des Privilegs der Reichsbanks zu berücksichtigen.
Berlin 23. Febr. In der heutigen Abgeordnetenhaussitzung gelangte die Interpellation über das Redener Gruben-Unglück zur Verhandlung. Handelsminister Dr. Delbrück dankte in Beantwortung der Interpellation dem Interpellanten, daß ihm Gelegenheit gegeben worden sei, aus das Grubenunglück näher einzugehen. Der Minister gab alsdann eine genaue Schilderung der Katastrophe. Sofort nach Eintritt des Unglücks seien Maßregeln zur Rettung etwa noch Lebender getroffen worden. Festgestellt sei allerdings, daß ein Wettermann erst um 4 Uhr 50 Min., ein anderer mit einer halben Stunde Verspätung eingefahren sei. Als Ursache des Unglücks sei die Explosion schlagender Wetter anzusehen. Das sei durch Zeugen festgestellt. Das zweite Moment sei die Kohlenstaubs-Explosionsgefahr. Zur Verhütung einer solchen sei die Berieselung angeordnet. Die nötigen Apparate seien vorhanden gewesen. Ferner sei fest- gestellt, daß die Temperatur zwischen 21 und 28 Grad geschwankt hat. Erst nach dem Unglück sei sie auf 29 Grad gestiegen. Der Minister glaubt feststellen zu können, daß die nötigen Sicherheitsmaßregeln vorhanden waren und kommt alsdann auf die Frage der Arbeiter-Kontrolleure zu sprechen. Das Haus dürfe sich darüber nicht hinwegtäuschen, daß wenn überhaupt Fehler gemacht worden seien, sie nicht etwa von den Be- amten sondern von den Arbeitern gemacht wurden. Man könne die schönsten Einrichtungen treffen, die Unvollkommenheit der Menschen werde immer einen Strich durch die Rechnung machen. Für die Witwen und Waisen der Verunglückten würden Renten gezahlt werden. Es würde auch dafür gesorgt werden, daß die ihrer Ernährer beraubten Familien wirtschaftlich nicht zurückkommen. Der Staat werde Jahresbeiträge zahlen, die auf den Etat übernommen werden könnten. Der Minister sprach noch seinen Dank aus für die zahlreichen freiwilligen Gaben.
Amsterdam 23. Febr. Dem „Telegraf" wird gemeldet, daß 3 Frauen, die sich noch auf dem Wrack der „Berlin" befanden, heute früh um 3 Uhr gerettet wurden. Die Zahl der Geretteten beträgt nun 15, darunter 6 Frauen.
Hoek van Holland 23. Febr. Die drei Frauen, die sich noch auf dem Wrack der „Berlin" befinden, find sehr schwach. Zwei von ihnen gehören zur Operngesellschaft. Es find Frau Theile aus Dresden, Frau Wennberg aus Berlin und ihr 16jähriges Dienstmädchen. Unter den Leichen find sonst keine als Deutsche erkannt. Von den 11 geretteten Personen sind 6 Passagiere. Sie heißen: Fräulein Käthe Buttel, Fräulein Johanna Gäbler und Frau Schröter, alle drei aus Berlin
stammende Mitglieder der deutschen Operngesell- schaft; ferner Herr Brodersen au; Altona. Herr Emil Jung aus Gerabronn in Württemberg und Vorscherre aus Tain in Frankreich. Sämtliche Geretteten fühlen sich ziemlich wohl und beauftragten den Agenten des Great Eastern Rallway, an ihre Familien zu drahten. Ferner wurden 5 englische Seeleute gerettet.
Rotterdam 23. Febr. Die Züge nach Holland sind wegen der Angst vor der Ueberfahrt sehr leer. Zwei Brüder Lehmann, die ihre Schwestern suchten und der Direktor des Konservatoriums in Stettin, Paul Wild, der seine Tochter verloren hat, sind in Rotterdam eingetroffen. Die drei jungen Mädchen stammen aus Stettin, waren von Jugend auf befreundet, haben ihre Studienzeit zusammen verlebt, gemeinsam das erste Engagement angetreten und nun zusammen den Tod gefunden, Elisabeth Wild an dem Tage, an dem ihre Eltern die silberne Hochzeit feierten. Ihr Glückwunsch war ihr letztes Lebenszeichen.
Haag 24. Febr. Gestern Abend sammelten sich Tausende von Menschen vor dem königlichen Schlosse an, um dem Prinzgemahl eine Ovation wegen seiner Haltung bei der Schiffskatastrophe zu bereiten. Die Menge sang die Nationalhymne und klaschte beim Erscheinen des Prinzen und der Königin lebhaften Beifall. Der Prinz dankte und brachte ein Hoch auf die Rettungsmannschaften aus. Im Laufe des gestrigen Nachmittags wurde eins neue Untersuchung des Wracks vorgenommen, wobei wieder 16 Leichen gefunden wurden. Es sind nun insgesamt 56 Leichen geborgen, von denen eine große Anzahl bereits nach England überführt ist Wie weiter aus Hoeck van Holland berichtet wird, wird kein Maffenbegräbnis stattfinden, da die meisten Angehörigen ihre Rechte geltend machen. Der deutsche Gesandte in Haag begab sich gestern in die Leichenhalle und teilte den Hinterbliebenen die Kondolenz-Telegramme des deutschen Kaiserpaares mit. Fräulein Gäbler aus Dresden erzählte, daß verschiedene Frauen, die stark fieberten, ihren Durst nicht unterdrücken konnten und Meer- waffer tranken. Eine von ihnen wurde darauf wahnsinnig und die Wellen schlugen sie über Bord.
Paris 25. Febr. Nach einstimmigem Beschluß des Ministerrats erteilt die französische Regierung der Comödie francaise auf Antrag des Direktors Claretie die Erlaubnis, eine Wohl- tätigkeits-Vorstellung zu Gunsten der bei der Rotterdamer Katastropheverunglückten deutschen Kunstkräfte und ihrer Angehörigen zu veranstalten. Der Reinertrag kommt den Witwen und Waisen zu Gute. Für Ueberzeichnungen wird besonders quittiert. Das Programm wird von den allerersten Kräften bestritten werden.
Chambery 23. Febr. Heftige Schnee, stürme werden aus dem ganzen Alpengebiet gemeldet. Die meisten Züge treffen mit großen Verspätungen ein. In Merane ist ein Zug mit 500 italienischen Emigranten im Schnee stecken geblieben. Jeden Augenblick gehen Lawinen auf den Bahnkörper nieder. Bei Chambery sind drei Wohnhäuser eingestürzt. In vielen Ortschaften herrscht große Panik. Bei Nivolet ist ein 40 m. tief gelegenes Tal vollständig mit Schnee «»gefüllt. Seit Menschengedenken sind so große Schneemengen nicht niedergegangen.
Vermischtes
Stuttgarter Hauptbahnhof. Der den Ständen vorgelegte Gesetzentwurf über den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes und die damit zusammenhängenden Erweiterungsanlagen auf der Strecke Plochingen-Ludwigsburg nimmt im Ganzen eine Ausgabe von 98*/r Millionen Mark in Rechnung. Der neue Hauptbahnhof in Stuttgart soll von dem jetzigen Platze rund 500 Meter talabwärts an die Schillerstraße verlegt werden. Die Kosten für den Neubau werden nach Abzug des Erlöses für das freiwerdende Gelände auf 51650000 geschätzt. Umgebaut werden auch die Bahnhöfe in Cannstatt, Untertürkheim, Kornwestheim und Ludwigsburg. Von Untertürkheim bis Plochingen soll eine linksufrige
Neckarbahn gebaut werden, für die 15,7 Mill. Mark nötig sind. Für die Ausführung aller dieser Bauten sind zwölf Jahre in Aussicht genommen.
Vom Bodensee 18. Febr. Mit der Erbauung einer elektrischen Bahn auf den Pfänder soll es nun ernst werden. Eine dieser Tage in Bregenz stattgefundene Sitzung de« Aktionskomitees der Psänderbahn brachte die Angelegenheit einen bedeutsamen Schritt näher. Ingenieur Strube aus Zürich hat einen Detailplan ausgearbeitet. Nach demselben beginnt dis Bahn auf den Pfänder in der Nähe des Seehafens. Die Baukosten sind auf 1080000 Kronen berechnet. Die Stadt Bregenz hat beschlossen, sich mit 150000 Kronen Stammaktien zu beteiligen. Die Firma Schindler und Jenny in Rieden bei Bregenz liefert zum Bahnbetrieb den elektrischen Strom. Der Bau der Pfänderbahn soll nach ihrer erfolgten Finanzierung sofort in Angriff genommen werden.
Reue auf dem Sterbebett. Im rheinischen Orte Bütlingen ließ ein kranker Mann, von Gewissenspein getrieben, einen anderen Dorfbewohner an sein Krankenlager bitten, der vor achtzehn Jahren unschuldig zu neun Monaten Gefängnis verurteilt worden war, die jener auch abgesessen hat. Es handelte sich damals um eine schwere Mißhandlung. Der Sterbende hakte die den Mann belastende Aussagen gemacht, worauf die Verurteilung erfolgte. Jetzt gestand der damalige Täter ein, daß der Verurteilte an der Mißhandlung völlig unbeteiligt gewesen, daß er wissentlich falsche Aussage gemacht und die ihn selbst belastenden Tatsachen verschwiegen habe. Die Aussagen sind in Gegenwart von Zeugen niedergeschriebsn worden. Kurz darnach starb der Kranke. Nunmehr wird ein Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet werden.
(Humor der Tübinger Polizei). Den Polizeiverwaltungen anderer Universitätsstädte zur Nachahmung empfohlen: Die Burschenschaft Germania in Tübingen, welche im vergangenen Sommer ihr 90jähriges Stiftungsfest feierte, er- zählt'in ihrem Festbericht: Ein Helgoländer Bundssbruder bekam noch ein Strafmandat über 3 ^ in seine Heimat nachgeschickt, weil „er eine zehn Meter lange Blumengirlande um einen Schutzmann wickelte und diesen dadurch an der Ausübung seiner Amtstätigkeit verhinderte".
Das arme Wild. Unter dem Schnee und der langandanernden Kälte hat der Wild stand stark gelitten. Aus Kurhessen wird berichtet: Schmalrehe und Kizböcke mit wundgeriebener Haut an den Läufen sind vielfach gefunden worden. Ermattete Hirsche — der Hirsch hat in Kurhessen keine Schonzeit — konnten in nicht waidgerecht gepflegten Jagden leicht erlegt werden. Auch die Vogelwelt der Wälder hat eins schwere Zeit gehabt. Jnlolge des Futtermangels und der Kälte sind namentlich viel Spechte und Häher eingegangen.
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