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daß zur Unterstützung der Angehörigen Urlaub zu erteilen ist, soweit die Aufgaben und Forderungen des militärischen Dienstes dies irgendwie zulassen. Wenn nun einmal ein Regiment in umfassender, das andere nur in beschränkter Weise beurlaubt, so erklärt sich dies aus der Verschiedenheit der jeweiligen dienstlichen Lage der betr. Truppenteile zur Erntezeit und ist keineswegs ein Zeichen ver­schiedener Auffassung der betr. Kommandeure bezw, Kompagnie-Chefs über diese Vergünstigung. Ein Regiment, das zur Erntezeit seine Schießübungen, seine Uebungen in größeren Verbänden schon hinter sich hat, kann und wird weitgehend beurlauben, ein Regiment dagegen, das zu ebendieser Zeit den Gefechts- und Schieß-Uebungen auf dem Truppenübungsplatz obliegt, muß sich in dieser Hinsicht beschränken. Die äußerste Ausnützung des Truppenübungsplatzes vom erstmöglichen Tag im Frühjahr bis zum letztmöglichen im Herbst ist nicht nur eine militärische Notwendigkeit sondern auch sehr im Interesse des Landes, weil dadurch die Uebungen auf dem Lande außer­halb des Uebungsplatzes verringert und der ländlichen Bevölkerung die Lasten länger dauernder Einquartierungen, der Absperrungsmaßregeln bei Schießübungen rc. erspart werden. Nun noch einige Zahlen. Es sind im verflossenen Jahr zur Unterstützung ihrer Angehörigen beurlaubt gewesen 8692 Mann 56 "/« der Ausrückstärke, auf den einzelnen Mann entfielen 5,9 Urlaubs­tage, im Ganzen waren es deren 50948. Sie sehen, wir kargen nicht mit Urlaub, mir tun alles Mögliche, um neben den dienstlichen Erfordernissen auch den Interessen des bürgerlichen Lebens gerecht zu werden.

Unterboihingen 21. Febr. Aus der Strecke UnterboihingenPlochingen ist heute Vormittag der Bahnwärter Bader, dessen Posten in nächster Nähe von Wendlingen liegt, vom Tübinger Schnell­zug überfahren und getötet worden. Der Verun­glückte hatte anscheinend sein Augenmerk auf einen Materialzug, welcher auf dem 2. Gleis verkehrte, gerichtet und dadurch das Herannahen des Schnell­zugs nicht bemerkt.

Reutlingen 21. Febr. Ein Schüler einer oberen Volksschulklaffe spielte während des Unter­richts mit einem geladenen Terzerol. Dieses ging unversehens los und die Kugel ging einem Mit- schüler in den Rücken, so daß der Knabe in die chirurgische Klinik nach Tübingen verbracht werden mußte.

Berlin 20. Febr- Wie es gewöhnlich an Eröffnungstagen geschieht, wurden im Speisesaal und der Wandelhalle allerlei Gerüchte kolportiert. Es hieß, und auch in Regierungskreisen scheint man zu glauben, daß die Beratung des Kolonial- Etats schon am morgigen Donnerstag beginnen werde. Herr Erzberger versprach, in einer ausführlichen Rede mit dem Kolonial-Direktor abzurechnen. Er will die Vorträge, die Herr Dernburg während der Wahlperiode gehalten hat, eingehend beleuchten.

Berlin 20. Febr. Zu der heutigen Ver­handlung im Pöplau-Prozeß, in der die Plai- doyerS beginnen sollten, war der Angeklagte nicht erschienen. Er hatte ein Schreiben geschickt, in dem er erklärt, daß er körperlich und geistig so herunter gekommen sei, daß er der Verhandlung nicht folgen könne. Da er gleichzeitig ein ärzt­liches Attest beigefügt hatte, so beschloß der Vor­sitzende die Verhandlung auf Freitag Vormittag zu vertagen.

Hannover 20. Febr. Heute früh 6 Uhr ging bei anhaltendem Schneesturm ein äußerst starkes Gewitter über die Stadt und den Bezirk Hannover nieder. Mehrere heftige elektrische Entladungen erfolgten unter orkanartigen Wind- stößen.

Rotterdam 21. Febr. Heute morgen lief der DampferBerlin" der Linie Harwich- Hoeck (Holland), welcher aus London kam, bei der Einfahrt in die Maas auf Grund. Es wurde verfocht die Passagiere zu retten, jedoch ehe die« gelang, riß das Schiff in 2 Teile und sank mit großer Schnelligkeit. Die Gesellschaft Great Tastern, welcher der Dampfer gehört, teilt mit, daß bei der Katastrophe 141 Personen, darunter 91 Passagiere, ertrunken sind.

Rotterdam 21. Febr. Ueber die Schiffskatastrophe wird noch berichtet, daß sich unter den Passagieren 40 Mitglieder der deutschen Operngesellschaft befanden. Die Pianistin Fräulein Scharrer, welche nach Berlin reisen wollte, blieb in letzter Stunde in London wegen eines leichten Unfalles, den sie erlitten, zurück und verdankt diesem Umstande ihre Rettung. Der erste Dirigent der Oper, Leopold Reichwein sowie der zweite Dirigent Bryk, welche ebenfalls nach Deutschland reisen wollten, vertagten ihre Abreise; andererseits glaubt man. daß die Sopranistin, Fräulein Schöne und Frau Runk sich unter den Opfern befinden. Der Impresario Dyk dürfte wahrscheinlich in London zurückgeblieben sein. Herr Deminger, welcher zu spät gekommen war um mit den übrigen der Truppe zu reisen, fuhr über Antwerpen und traf im Laufe des heutigen Vormittags hier ein. Die Mehrzahl der übrigen Deutschen wollte nach Dortmund reisen. An Bord befanden sich nach den letzten Meldungen 180 Personen, darunter 120 Passa­giere. Auf dem verunglückten Schiff waren heute Mittag noch einige Ueberlebende, doch war es bisher nicht möglich wegen des hohen See­ganges an das Schiff heranzugelangen. Der Kapitän des verunglückten DampfersBerlin" heißt Parkeson. Bis jetzt sind 25 Leichen an das Ufer geschwemmt worden. Die Gesamtzahl der Opfer wird auf mindestens 150 geschätzt. An Bord des Dampfers, befindet sich auch eine bedeutende Sendung Diamanten, welche einen Wert von 1000 Pfund Sterling haben dürfte.

Petersburg 20. Febr. Der frühere Ad­miral Nebogatow tritt seine zehnjährige Festungshaft nächster Tage im hiesigen Zentral- gefänguis an.

Der Norddeutsche Lloyd.

(Zum 50jiihr. Jubiläum.)

Am 20. Februar 1907 blickt der Norddeutsche Lloyd in Bremen auf eine 50jährige Geschichte zurück. Seine Entwickelung ist auf das engste verknüpft mit der Ausdehnung, welche der deutsche Handel sich in allen fünf Erdteilen zu erwerben gewußt hat, mit den Erfolgen der deutschen Industrie, mit j den Fortschritten der Technik im Maschinenbau und Schiffbau, welche seit fünfzig Jahren den gesamten Dampferverkehr der Welt umgeformt, die fünf Erd­teile zu einem geschlossenen Ganzen gemacht haben, in welchem der fortdauernde Austausch zwischen Rohstoffen und Jndustieerzeugniffen, das Hin- und Herströmen großer Menschenmaffen zu einer grund­legenden Bedingung des Lebens geworden sind.

Die Schiffahrt ist es, welche das unlösliche Band, zwischen den Erdteilen knüpft, welche an der Einigung der Völker, an der Verbreitung der Kultur, an der Erweiterung der Lebensanschauungen, an der Steigerung des Nationalvermögens durch Arbeit bei allen Völkern am stärksten gewirkt hat.

Wenn eine Reederei mit gerechtem Stolze von sich sagen darf, daß sie nicht nur an der Ent­wickelung der Interessen ihres engeren Vaterlandes, sondern der Weltinteressen einen wichtigen, ja zum Teil ausschlaggebenden Anteil genommen hat, wenn sie von sich sagen darf, daß während der' ganzen Dauer ihres Bestehens in logischer Aufeinanderfolge die Zahl und der innere Wert der von ihr ge­schaffenen Verbindungen sich fortwährend gesteigert hat, wenn sie endlich den Ruhm für sich in Anspruch nehmen darf, daß die gesamte Dampfschiffahrt der Gegenwart ihrer Initiative wichtige Fortschritte, dauernde Anregung, die Schaffung neuer Schiffstypen verdankt, so muß einer solchen Reederei eine sehr er­hebliche internattonale Bedeutung beigemeffen werden.

Aus kleinen Anfängen einer mit nur drei Dampfern betriebenen Linie nach England und der Linie nach Newyork hat der Norddeutsche Lloyd bis zur Gegenwart in andauerndem Fortschritt 15 transatlantische regelmäßige Hauptlinien zu entwickeln vermocht, er hat durch 20 Zweiglinien den für die Hauptlinien in Betracht kommenden Zwischenverkehr organisiert, er hat darüber hinaus in Linien zwischen nichtdeutschen Ländern dem Verkehrsbedürfnis in der Entwicklung begriffener fremder Gebiete in ganz hervorragendem Maße Rechnung getragen. Von 192 Dampfern weht heute die Flagge des Nord­deutschen Lloyd. 417 Millionen Mark sind der Schiffsbauindustrie vom Norddeutschen Lloyd zuge­flossen. 6'/- Millionen Passagiere haben in den fünfzig Jahren seines Bestehens seine Stellung in der Passagierfahrt begründet, darunter mehr als eine halbe Million allein im Jahre 1906. Mehr als 23 Millionen Mark fließen jährlich den Kohlen­gruben aus dem Betriebe des Lloyd zu, für mehr

als 15 Millionen Mark verbraucht der Lloyd jähr­lich Proviant auf seinen Schiffen, nahezu 3000 Agenturen, über den ganzen Erdenrund zerstreut, dienen der Lloydflagge; stolze Ziffern sind es, welche hier zu Tage treten.

In der Entwickelung des Lloyd sind drei Epochen von einander zu unterscheiden. Während der ersten zwanzig Jahre steht die Ausgestaltung des Verkehrs mit Amerika völlig im Vordergrund. Sie wird im ersten Jahrzehnt des Lloydbetriebes durch widrige Umstände aller Art, durch einen wirk­lichen Kampf ums Dasein nur mit all der Energie, welche von Anfang an die Leitung des Lloyd ans­zeichnete, durchgeführt, sie festigt sich im zweiten Jahrzehnt dank der Einigung der deutschen Stämme und zieht Mittel- und Südamerika in den Kreis des Betriebes.

Die zweite Epoche, unter der Direktion von I. G. Lohmann, reicht von 1877 bis zu seinem Tode im Jahre 1892.

In diese Epoche fällt die Schaffung des Schnelldampferdienstes nach New N»rk und die Er­bauung einer Schnelldampferflotte, welche völlig vereinzelt dastand und den Norddeutschen Lloyd in der Passagiersahrt nach New Jork an die erste Stelle brachte.

In die dritte Epoche fällt die völlige Um­gestaltung der Lloydflotte nach neuen Prinzipien, welche für die Schiffahrt der Gegenwart typisch ge­worden sind. Von 210 000 Tonnen hat der Raum­gehalt der Lloydfloite sich bis heute auf mehr als 700 000 Tonnen gesteigert. Die Typen des Tropen­dampfers, wie derPrinz Heinrich" undPrinz Regent-Luitpold", der Barbarossa-Dampfer mit ihren späteren Ergänzungen durch Schiffe wie derGroße Kurfürst" und der noch im Bau befindlichenWa­shington" von 13 und 17 000 Tonnen, der Feld- Herrn-Klasse, wieZieten",Roon",Gneisenau", der Prinzenklaffe, der modernen Schnelldampfertypen endlich, wie derKaiser Wilhelm II.", dieKron­prinzessin Cecilie", derKronprinz Wilhelm" und derKaiser Wilhelm der Große", sind Ergebnisse eines ebenso sorgfältigen wie erfolgreichen Studiums aller der Bedingungen, welche für den Schiffbau und für die Schiffahrt heute als grundlegend an­gesehen werden müssen.

Hand in Hand mit der Neuschaffung der Llodflotte ist in der letzen Epoche der Lloydgeschichte der Ausbau der einzelnen Linien gegangen. Die Verdoppelung der ReichSpostlinicu, die Umgestaltung des Liniennetzes in Ostasien und der Südsee durch Zwischenlinien, die Schaffung eines neuen, außer­ordentlich weit verzweigten, großartigen Liniennetzes im Mittelmeer, die Schaffung neuer Verbindungen von Bremen nach Mittelamerika und nach dem südlichen Teil der Vereinigten Staaten, die Verbindung zwischen Japan und Australien, das sind die Haupt­merkmale, welche die Erweiterung des Schiffahrts­betriebes seitens des Norddeutschen Lloyd während der letzen 15 Jahre kennzeichnen.

Neben der außerordentlich großen Ausdehnung der Anlagen des Lloyd am Lande soll noch die soziale Fürsorge erwähnt werden, welche der Lloyd durch dieSchaffung vonPensionskaffen und Hilfskassen nicht nur für seine 12000 Seeleute, sondern auch für die Tausende von Landarbeitern, welche dauernd im Heimatshafen in seinen Diensten stehen, geschaffen hat.

Dem Handel und Wandel dient der Lloyd, aber er nimmt nicht.nur, sondern er gibt auch. Seine befruchtende Tätigkeit im Weltverkehr wird von niemandem verkannt. An seinem fünfzigjährigen Jnbeltage gibt es niemanden im Wirtschafts­leben aller fünf Erdteile, der nicht aus wahrer Ueberzeugung und von ganzem Herzen dem Lloyd seine Glückwünsche brachte.

Gottesdienste.

Sonntag Rsmiulsovr«, 24. Febr. Vom Turm 131. Vredigtlied: 130,13. 9Y- Uhr: Vorwitt -Predigt, Dekan Wurm. 1 Uhr: Christenlehre für die Töchter. 5 Uhr: Missionsstunde im Vereinshaus, Missionar JosenhanS-

Geburtsfest Sr. Maj. des Königs, 25. Febr.

10 Uhr: Festpredigt Dekan Roos.

Asnnerotag- 28. Febr. 8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereinshaus. Dekan Roos.

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