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mit seiner selbswerfaßten Glanznummer „der Hauptmann von Köpenick" und den dabei vorgetragenen Schnadahüpfeln, worin so manche —zeller und —-zeller Begebenheit kräftig gegeißelt wurde, reichen, wohlverdienten Beifall. Aber auch dem Liederkranz als solchem darf ein Lob für die stimmungsvoll und gut zum Vortrag gebrachten Männerchöre, unter der bewährten Leitung seines Dirigenten Wohlgemuth, nicht vorenthalten werden. Ebenso gebührt ein Dankeswort allen denjenigen, die zum Gelingen des Festes beigetragen haben. Die anwesende Jugend, welche besonders seitens der Damen durch reizende Kostümierung ein buntes Bild abgab, vergnügte sich bis in den frühen Morgen des andern Tags hinein bei Tanz und allerlei Kurzweil und Jedermann begab sich schließlich hochbefriedigt nach Hause, manch' schöne Erinnerung an daS wohl- gelundcne Fest niitnehmend. Viele, die vorher nur ein skeptisches Lächeln für das Gelingen einer solchen Veranstaltung hatten bezw. nicht daran teilgenommcn haben, dürften nachher anderer Meinung geworden sein. Möge das „Kränzchen" dazu bestimmt sein, in den Annalen des Vereins und für dessen gedeihliches Fortbestehen eine mehr oder weniger größere Rolle zu spielen!
X Gechingen 13. Feb. Fast unbemerkt brannte heute morgen gegen 5 Uhr, die vom Ort etwa V« Stunde entfernte, sogenannte Reibe ab. Das Gebäude, das zur Brackenhammer'schen Kunstmühle gehörte, diente Müllereizwecken. Als das Feuer ausbrach, stand das Werk still, so daß offenbar Brandstiftung vorliegt.
Neuenbürg 14. Febr. Durch ein Schadenfeuer in Dobel find sieben Familien obdachlos geworden und beklagen überdies den Verlust der meisten Fahrnis. Das Feuer entstand im Haus des Holzhauers König und seiner Schwiegermutter Witwe Pfeiffer. — In Schwarzenberg fuhr ein Knecht aus Calw auf der Oberlengenhardterstraße in schlittenfahrende Kinder hinein. Ein 4jähriges Mädchen wurde getötet und ein 6 Jahre alter Knabe am Fuß verletzt.
Leonberg 13. Febr. Der wegen Brandstiftung in Merklingen verhaftete Taglöhner Schnaufer von dort ist geständig, den Brand, welchem vier Doppelscheunen zum Opfer fielen, gelegt zu haben. Wegen der früheren Brandsälle konnte bis jetzt noch nichts ermittelt werden.
Stuttgart 14. Febr. Die zweite Kammer hat heute die allgemeine Debatte über den Hauptfinanzetat begonnen. Als erster sprach der Abg. Liesching (Vp.), der zunächst die Probe mit den Proporzwahlen als glänzend gelungen bezeichnet, die Politik des ehemaligen Ministerpräsidenten v. Breitling offen, ehrlich und einem gesunden Fortschritt huldigend nannte und sodann die Tronrede als nach keiner Seite befriedigend kritisierte. Weizsäcker verlange nicht nach neuen Dingen und werde die Unterstützung der Volkspartei nicht finden, wenn er eine andere Bahn als Breitling einfchlage. Liesching vermißte in der Tronrede eine Stellungnahme zur Betriebsmittelgemeinschaft und zur Schiffbarmachung des Neckars sowie eine klare Aeußerung über die im Vordergrund des Interesses stehende Schulfrage. Seine Ausführungen zum Etat gipfelten in der Forderung, daß in Jahren mit günstiger wirtschaftlicher Konjunktur die Ueberschüffe zu Reserven verwendet werden, um auch in den mageren Jahren etwas zu haben und daß der Etat in formeller Hinsicht namentlich mit Rücksicht auf die vielen neuen Mitglieder des Hauses hätte übersichtlicher gestaltet werden sollen. Liesching wies ferner auf die schwere Belastung des Etats durch die Gehaltsaufbesserungen hin, was zur Vorsicht mahne; die den Beamten gegebenen Versprechungen müßten aber gehalten werden. Gegenüber der Kritik Lieschings betonte nunmehr Ministerpräsident v. Weizsäcker, daß die Tronrede ein Arbeitsprogramm enthalte, daß die Krone im Hinblick auf die erledigten wichtigen Gesetze keinen Grund gehabt habe, parteipolitische Saiten anzuschlagen, daß das politische Programm der Regierung mit der Tronrede nicht erschöpft sei und daß der darin vermißte Schwung in den kommenden Gesetzen liegen werde. Die Reformwerke der letzten Jahre müßten Zeit haben, sich einzuleben. Die Regierung habe durch den Wechsel in den Personen keine andere Bahn eingeschlagen und Liesching habe auch nicht gewußt, ein großes Programm vorzuschlagen, das er in der Tronrede vermißte. Der Minister machte dann die sehr wichtige Mitteilung, daß die Betriebsmittelgemeinschaft sich leider nicht in einem guten Fahrwasser befindet und daß die Regierung in der Schulfrage nicht hinter die Gedanken der letzten Volksschulnovelle treten werde, vorerst aber die
Entwicklung abwarten und Fühlung nehmen wolle, um in dem ihr richtig erscheinenden Zeitpunkt mit Entschiedenheit daraus zurückzukommen (Bravo!). Das Zentrum schickte als ersten Etatsredner Vizepräsident Or. v. Kiene vor, der zunächst von einer demokratisch-konservativen Paarung und dem daraus Hervorgehenden Zwitter sprach und sodann auf den Etat einging, der als Ganzes mit dem Eisenbahnbaukreditgesetz hätte vorgelegt werden sollen. Der Redner gab dann seiner Freude über den allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung Ausdruck, betonte, daß die Preissteigerung bei der Industrie noch größer sei als bei der Landwirtschaft und daß Deutschland sowohl einer leistungsfähigen Landwirtschaft als auch einer gesunden heimischen Industrie bedürfe. Den Gehaltsaufbesserungen stehe seine Partei wohlwollend gegenüber, v. Kiene ging dann näher auf die Thronrede ein und stellte folgende Forderungen auf: baldige Vorlegung einer Wegordnung ohne Rücksicht auf die Finanzlage, Einbringung einer Novelle zum Gebäudebrandversiche- runasgesetz und einer Flußbauordnnng, Organisation der Landwirtschaft nicht in einer, sondern in mehreren Kammern, Schaffung eines selbständigen Rechnungshofes, Weiterbildung des Steuerwesens und Gestaltung einer etwaigen Vermögenssteuer nach der Ertragsfähigkeit der Vermögen, keine Verschlechterung der Rechtspflege durch Vorschläge, wie sie neuerdings in der Fachpresse gemacht werden, namentlich nicht durch Erhöhung der Klagewerte, Weiterverfolgung der Betriebsmittelgemeinschaft unter Erhaltung der Eiscnbahnhoheit, keinerlei Einschränkung des Baues von Nebenbahnen infolge des Bahnhofumbaues in Stuttgart, Mitwirkung der Kammer bei Festsetzung der Posttarife und Erhaltung der Volksschule auf religiöser und konfessioneller Grundlage. Hoffentlich werde die Volkspartet in diesem Hause ebenso sprechen, wie im Wahlkampfe und die Simultanschule nicht in den Mund nehmen. (Beifall und sehr gut links.) Das Zentrum werde auf dem Boden seines Programms und der neuen Verfassung Mitarbeiten zum besten des Vaterlandes. Minister des Innern v. Pischek teilte mit, daß die Vorarbeiten für die Neckarkanalisation im erfreulichem Fortschritt begriffen seien und daß der Voranschlag für die Kanalisation von Mannheim bis Heilbronn ohne die Hafenanlagen sich auf 25 Millionen beziffere. Die Frage der SchiffahrtSabgaben müsse erst genau geprüft werden, ehe man sagen könne, was dem Lande zuträglich sei. Der Minister hob dann noch hervor, daß eine Novelle zum Gebäudebrandversicherungsgesetz dem Hause zugehen werde und daß die Regierung für die Organisation der Landwirtschaft eine Kammer Vorschlägen werde; sollten die Stände jedoch mehrere Kammern wünschen, so werde daran der Entwurf nicht scheitern. (Bravo!) Zum Schluß sprach dann noch der Abg. Haug (Bbd.), der insbesondere die Betriebsmittelgcmein- schaft und eventl. anch die Eisenbahngemeinschast, den Ausbau der Nebenbahnen und die Pflege des Nachbarschaftsverkehrs durch Kraftwagen befürwortete und weiterhin forderte: Berücksichtigung der ländlichen Verhältnisse in der Bauordnung, baldige Vorlegung der Wegordnung, gerechte Verteilung genügender Gehaltsaufbesserungen, Gleichstellung der Lehrer in Stadt und Land, Erhaltung der Volksschule als Konfessionsschule, gleicher Schutz von Landwirtschaft und Industrie auch in neuen Handelsverträgen, Berücksichtigung der Weingärtner, Verwendung älterer Beamten in Einzelrichterstellen und Berücksichtigung des Kleingrundbesitzers in den Landwirtschaftskammern, deren Zahl von den diesen zugewiesenen Befugnissen abhängig zu machen sei. Morgen findet die Fortsetzung der Beratung statt.
Cannstatt 14. Febr. Am Neckarufer bei Cannstatt wurden gestern früh Frauenkleider und Portemonnaie mit 7 ^ 36 ^ und eine Broche gesunden. Er ist zu vermuten, daß eine Frauensperson den Tod im Neckar gesucht und gefunden hat.
Tuttlingen 13. Febr. Die XVIII. Landesverbandsausstellung der Geflügelzucht- und Vogelschutzvereine Württembergs vom 9. bis 12. d. M. war gut beschickt. Ueber 600 Nummern waren vertreten. Die Ausstellung erfreute sich zahlreichen Besuchs. Viele Preise konnten vergeben werden. Mit der Ausstellung war die Generalversammlung des Landesverbandes verbunden. Die Wahlen ergaben die Wiederwahl des bisherigen Vorstandes. Vorstand des Verbandes ist Notar Stellrecht, Ditzingen. Der Verband zählt 130 Vereine mit etwa 9900 Mitgliedern. Die Zahl der Zuchtstationen beträgt 132. Bei der für 1908 von der deutschen Landwirtschafts, gesellschaft in Cannstatt abzuhaltenden Ausstellung plant der Verband sich mit einer Kollektivausstellung zu beteiligen. In Bezug auf Vogelschutz
ist der Verband sehr tätig und wirkt segensreich. Die Kassenabrechnung ergab einen Ueberschuß von rund 751 Die nächste Landesverbandsausstellung ist in Ravensburg.
Pforzheim 13. Febr. Bei Mühlhausen wurde die nur mit Hemd und Strümpfen bekleidete Leiche eines etwa '/--jährigen Kindes aus der Enz gezogen. Man vermutet ein Verbrechen.
Konstanz 13. Febr. Die „Konstanzer Zeitung" schreibt zu dem auch von uns gemeldeten Brandunglück, bei dem 7 Personen vermißt werden aus Arbon: Man ist immer noch im unklaren, was aus der 7 köpfigen Jtalienerfamilie nach dem Brande geworden ist, man muß sich mehr und mehr der Meinung hingeben, daß die ganze Familie in dem mit riesiger Schnelligkeit um sich greifenden Flammen umgekommen ist. Nachforschungen in dem Schutt- und Trümmerhaufen haben zwar noch keine definitive Bestätigung dieser Annahme ergeben. Die „Thurg. Zeitg." meint, daß die Nachforschungen nicht mit dem gehörigen Nachdruck durchgeführt worden seien.
Konstanz 14. Febr. Ein Fräulein das von dem Fenster eines Hauses am Münsterplatz aus den Faschingsumzug ansah, erhielt vom Wagen der Wilderergruppe aus eine Schrot- kugel ins Auge; nach ärztlicher Aussage gilt da« Auge als verloren. — Bei der Aufsichtsbehörde in St. Gallen wurde gegen die Untätigkeit der Gemeinde- und Bezirksbehörden Klage geführt anläßlich der Nachforschungen nach den beim Brande im Morgental vermißten sieben Personen. Unaufgefordert erschienen aus Arbon 30 Italiener mit Schaufeln und Pickeln auf dem Brandplatz, um nach den vermißten Landsleuten zu suchen. Sie haben bis zur Stunde nichts gefunden.
Dresden 14. Febr. Der in Berlin festgenommene und nach Dresden gebrachte Sohn der tot aufgefundenen Leiterin der hies. Filiale des Wolff'schen Telegraphen-Bureaus, Frau Kummer, ist wieder auf freien Fuß gesetzt worden, nachdem sich herausgestellt hat, daß die Frau zweifellos Selbstmord begangen hat.
Berlin 14. Febr. Die Kriminalpolizei Berlin und Hamburg, sowie die Eisenbahn- Verwaltung in beiden Städten sind seit gestern eifrig an der Arbeit, um die Spur mehrerer Schwindler zu eruieren, die durch einen sorgfältig vorbereiteten und mit größtem Raffinement ausgeführten Coup den Eisenbahn- Fiskus um 23 300 ^ betrogen haben. Auf Grund gefälschter Nachnahme-Begleitscheine wurden in den letzten Tagen des Januar an den Stationskassen von sechs Berliner Güterbahnhöfen je 3550 ^ erhoben für wertlose Sendungen, die hier nach Hamburg aufgegeben worden waren, aber ihren Bestimmungsort niemals erreicht haben, während die wertvollen Begleitscheine ordnungsgemäß mit Amtssiegel und Unterschrift versehen von der Hansastadt nach Berlin geschickt wurden. Der Verdacht richtet sich in erster Reihe gegen mehrere Eisenbahn-Angestellte sowohl in Berlin als auch Hamburg. Wahrscheinlich wird der Betrug zu einer Revision der Dienstvorschriften über die Auszahlung von Nachnahme-Geldern Anlaß geben.
London 14. Febr. An hundert Frauenrechtlerinnen machten gestern Abend den Versuch, in das Unterhaus einzudringen, um eine Petition gegen die Unterlassung einer Frauenrechtsbill zu überreichen. Die Tore wurden verschlossen und die berittene Polizei sprengte mitten unter die Menge. Viele Frauen wurden umgeritten und verletzt, darunter auch Journalistinnen, die nichts mit den Demonstrantinnen zu' tun hatten. Mehrere Frauen wurden ohnmächtig fortgetragen, an 30 verhaftet und zur Westminster- Polizeistation transportiert. Nach 9 Uhr erneuerten die Frauenrechtlerinnen ihren Versuch, in das Unterhaus einzudringen. Die herbeigerufene Polizei war gezwungen, gegen die auf- geregte Volksmenge, die sich inzwischen angesammelt hatte, vorzugehen. Die Gesamtzahl der verhafteten Frauen beträgt ungefähr 60.
London 14. Febr. Von dem Westminster Polizeigericht wurden 56 verhaftete Frauenrecht.