Allgemeinen Zeitung" zufolge u. A. heißt: Ich möchte feststellen, daß der vorläufig mit Erfolg beendete Kampf sich nicht einzig und allein gegen die Sozialdemokratie richtete. Das nationale Bürgertum hat vielmehr durch sein Votum gegen die Sozialdemokraten auch eine parlamentarische Taktik verurteilt, durch deren Anwendung am 13. Dez. v. I. die damalige Minderheit von der Zentrumspartei unter Beihilfe der Sozialdemokratie niedergestimmt wurde. Es hieße den Geist der Nation verkennen, wenn man über dieses charakteristische Merkmal der jüngsten Wahlen hinwegsehen wollte. Ich vertraue auch fernerhin aui die ausgleichenden Wirkungen einer gewissen­haften und besonnenen Sozialpolitik. Die große Bereitwilligkeit, mit der die deutsche Industrie die Lasten dieser Politik getragen hat, erkenne ich rückhaltslos an. Ich hoffe aber auch, daß mir bei den künftigen Bemühungen der verbündeten Regierungen zur Abstellung sozialer Mißstände und zur Milderung der wirtschaftlichen Gegensätze die wertvolle Unterstützung des Zentral-Verbandes nicht fehlen wird.

Berlin 9. Febr. Wie die Geschäftsstelle des deutschen ,,Flottenvereins" mitteilt, sind die im Bayrischen Kurier veröffentlichten Schriftstücke der Mehrzahl nach Privatbriefe, die sämmtlich den VermerkVertraulich" tragen und meistens Abschriften. In welchem Umfange Originale entwendet sind, steht noch nicht fest Von Mitte bis Ende Januar sind, wie festgestellt ist, in mehreren Nächten Diebe in den verschlossenen Räumen der Präsidial^ Geschäftsstelle tätig gewesen. Es handelt sich also um einen schweren Diebstahl, weshalb auch die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft zur weiteren Veranlassung übergeben ist. Ein Briefwechsel mit dem Reichs­kanzler hat nicht stattgefunden.

Berlitt 9. Febr. DerVorwärts' schreibt: Wie von verschiedenen Seiten mitgeteilt wirb, mußten sich am Stichwahlabend die beiden Ba­taillone der Garde Grenadiere alarmbereit halten. Von 8 Uhr Abends mußten sie sich zum Ausrücken bereit halten. Bis gegen 3 Uhr morgens lagen die Leute mit umgeschnallten Seitengewehren und scharfen Patronen versehen auf ihren Stuben. Es liegt auf der Hand, daß diese Alarmbereitschaft mit scharfen Patronen nicht deswegen angeordnet worden war, um etwa gegen die Radau-Creme der Hurrahpatrioten einzuschreiten. Vielleicht aber man nahm an, daß sich auch die Wähler der sozialdemokratischen Partei, also die die Mehrheit der Wähler der Reichshauptstadt repräsentierenden Sozialdemokraten, zu einer Gegendemonstration veranlaßt sehen möchten und die Ausrüstung der beiden Bataillone läßt vermuten, daß die Polizei und das Militär dieser Proletarier-Demonstration nicht mit der gleichen Toleranz begegnet sein würde, wie dem johlenden Umzug der hurrahpatrio- tischen Radau-Creme.

Berlin 9. Febr. Der Straßenverkauf der Faschingsnummer des Simplizissimus ist in Berlin verboten worden.

Berlin 9. Febr. Einbrecher drangen in den Kaffenraum des Verbandes der baugewerb­lichen Hilfsarbeiter, erbrachen den Kassenschrank und entwendeten 5000 ^ Bargeld, während sie die in dem Schrank befindlichen Wertpapiere un­beachtet ließen. Von den Dieben fehlt noch jede Spur.

Berlin 9. Febr. Von den Arbeitern des Etablissements Borsig wurde in einer stark be­suchten Versammlung eine Resolution angenommen, in welcher der Generalrat alle Mitglieder des Gewerkvereins der deutschen Maschinenbau-Metall- arbeiter in der Ueberzeugung, daß die von der sozialdemokratischen Partei empfohlene Maifeier in keiner Weise fördernd auf die fortschrittliche Entwickelung der Arbeitersache und die Ver­besserung der Arbeits-Bedingungen wirkt, noch in der verflossenen Zeit gewirkt hat, verpflichtet, sich an keinen Versammlungen und Abstimmungen über die Maifeier zu beteiligen. Wer an der Maifeier teilnimmt, hat keinerlei Anspruch auf Unterstützung im Falle seiner Maßregelung.

DieBerliner Korresp." meldet: Es ist genehmigt worden, daß zur Fortsetzung der

Luftschiffahrten des Grafen v. Zeppelin eine Geldlotterie veranstaltet wird und die Lose dieser Lotterie im ganzen Bereiche der Monarchie vertrieben werden.

Posen 9. Febr. Wegen des Schulstreiks wurden mehreren Gemeinden die Staatsbeihilfen entzogen, sodaß einzelne unter ihnen 250 ^ Schulsteuern aufzubringen haben. 62 Väter streikender Schulkinder in Hohensalza wurden vom Schöffengericht zu Geldstrafen verurteilt, weil ihre Kinder Arreststrafen, welche ihnen wegen Wider­setzlichkeit bei Erteilung des deutschen Religions- unterichtes zudiktiert worden waren, versäumt hatten.

Beuthen O. S. 9. Febr. Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich aus der Heinitz- Grube. Bei einem nachts in der Grube plötz­lich ausgebrochenen Brande wurden 3 Gruben­arbeiter durch zusammenstürzende Gesteinmassen schwer verletzt. Außerdem erlitten sie mehr oder weniger schwere Brandwunden. Einer der Verun­glückten ist bereits gestorben.

^ Mährisch-Ostrau 9.Febr. Im Salomo- Schacht wurde ein Bergmann trotz des strengen Verbotes beim Zigarettenrauchen betroffen und sofort verhaftet. Es hätte dieses Vergehen leicht zu einer ähnlichen Katastrophe wie im Saarrevier führen können.

Olmütz 9. Febr. Hier find 3 Kinder plötzlich an Genickstarre erkrankt und ins Krankenhaus gebracht worden. Umfassende sanitäre Vorsichtsmaßregeln sind getroffen worden, um einen weitern Vorsprung der Seuche zu ver­hindern.

London 9. Febr. DerGraphic^ ver­öffentlicht ein Interview des englischen Journalisten Bashford mit dem Staats­sekretär des Reichsmarineamtes v. Tir- pitz, bei dem sich dieser wie folgt über die Lage ausgesprochen haben soll: Ich kann mir nicht denken, daß das englische Volk im Ernst glaubt, das Reichsmariueamt bereite einen Angriff gegen England vor. Ich kann nur wiederholen, daß ich diese Beschuldigung für zu närrisch halte, als daß sie einer ausdrücklichen Widerlegung wert wäre. In der ganzen Welt giebt es doch keine einzige Frage, die den Grund zu einer Angriffsaktion speziell gegen England für uns abgeben könnte! Andernfalls hätten wir uns bewogen gesehen, 1906 eine'Flotten- vorlage von ganz anderem Umfange einzubringen. Daß Deutschland zu jenen Mächten gehört, die dem Abrüstungsgedanken einigermaßen skeptisch gegenüberstehen, kann niemand überraschen, denn für eine Macht mit einer kleinen Flotte, wie Deutschland ist eine Einschränkung der Rüstungen natürlich viel bedenklicher als sie es etwa für England sein würde, dessen Marine der jeder anderen Macht so außerordentlich überlegen ist. Wenn ferner über die enorme Vermehrung der Ausgaben für Marinezwecke geklagt wird, so sollte nicht vergessen werden, daß England diesen Weg zuerst eingeschlagen und dadurch die übrigen Mächte genötigt hat, ihm darin zu folgen.

London 10. Febr. Die Londoner Fr auenrechtlerinnen veranstalteten gestern eine neue Kundgebung, die vom Wetter indes ungünstig beeinflußt wurde. Mehrere Tausend Frauen zogen vor der Trafalgar Statue vorbei und begaben sich in den Hyde-Park. Die Demonstration verlief ohne Zwischenfall.

Petersburg 9. Febr. Bei der Station Marino der Moskau-Windau-Rybinsk-Essenbahn wurde uachts die gesamte Familie eines wohlhabenden Händlers, im Ganzen 9 Personen, ermordet. Die Räuber erschlugen die Bewohner des Hauses mit Beilen und verschonten sogar einen sechs­monatlichen Säugling in der Wiege nicht. Die Räuber nahmen 40 000 Rubel in Wertpapieren mit und entflohen unentdeckt nach Petersburg.

Petersburg 9. Febr. In der Nähe von Wladiwostock überfielen Männer in Matrosen- Uniform das Haus eines Koreaners, ermordeten durch Beilhiebe die Frau und ein vierjähriges Kind und damach 8 Einwohner und raubten einige hundert Rubel. Um alle Spuren zu ver­wischen, steckten sie das Haus in Brand. Ein

tätlich verwundeter Koreaner berichtete den grauen­vollen Vorgang.

Preßburg 10. Febr. Die große Treib­riemenfabrik von Lewy ist in der ver­gangenen Nacht vollständig niedergebrannt. Der Schaden wird auf eine halbe Million Kronen geschätzt.

Vermischtes.

Zum Mord in Baden-Baden wird berichtet: Die Voruntersuchung gegen den Rechts­anwalt Hau aus Bernkastel, der beschuldigt ist, seine Schwiegermutter, Frau Geheimrat Molitor, Anfang November v. Js in Baden-Baden getötet zu haben, ist nunmehr abgeschlossen. Hau leugnet die Tat in entschiedener Weise. Er verweigert aber auch die Aussagen über den Zweck seiner verschiedenen Maßnahmen vor dem Verbrechen. Der Staatsanwalt in Karlsruhe hat Anklage gegen Hau erhaben wegen Verbrechens aus H 211 des Strafgesetzbuches: Mord mit Ueberlegung. Die Verteidigung wird, wie man hört, versuchen, dis Tat als Körperverletzung mit tödlübem Erfolge sS 226 des Reichsftrafgesetzbuches) hinzustellen. Ferner wird jedenfalls versucht werden, mildernde Umstände dadurch herbeizusühren, daß man die Tat als im Effekt begangen hinstellt. Hau soll sich bei Begehung der Tat und überhaupt seit längerer Zeit im Zustande nervöser Erregung befunden haben. Eine Untersuchung des Mörders auf seinen Geisteszustand erscheint deshalb nicht ausgeschlossen. Im übrigen benimmt sich Hau in der Untersuchungshaft durchaus ruhig und gibt allen Beamten, die mit ihm zu tun haben, bereit­willigst Auskunft.

Literarisches.

Der neue Reichstag tritt am 19. d. Mts. zusammen. Wenige Tage später wird auch diesmal der rührige Verleger Hermann Hillger, Berlin 9, Kürschners Deutscher Reichstag" herausgeben, dieses interessante und für jeden Deutschen unent­behrlich« Handbuch, wie es keine andere Nation der Erde besitzt. Wie immer enthält es die Porträts und Biographien der Abgeordneum. die Wahlergeb­nisse, die Zahl der Wahlb, rechteren, die Zahl der abgegebenen Stimmen, die Geschäftsordnung des Reichstags und ein reichhaltiges statistisches Material. Neu hinzukommeu wird auf vielfachen Wunsch eine farbige Karte über das Wahlergebnis und ein U «bersichtstableau des Sitzungs­saales mit Platzangabe der einzelnen Abgeordneten. Gegen früher wird das originelle Büchlein wesentlich besser ausgestattet und im Formate etwas vergrößert werden und trotzdem zum Preise von 60 A durch jede Buchhandlung zu beziehen sein. Die beste Empfehlung für das Buch ist wohl die Tatsache, daß von den bisherigen 4 Ausgaben 455000 Exemplare abgesetzt wurden.

NettamejeU»

Zur Unterstützung der Phosphorbehandlung der Säuglinge bei englischer Krankheit, empfiehlt sich als ausgezeichnetes Nährmittel Kufekes Kinder­mehl, welches die im Magen des Kindes zu großen Klumpen gerinnende Kuhmilch nicht nur zu einer feinflocktgen, der Muttermilch ähnlichen Gerinnung zwingt und so den Verdauungssäften leichter zugäng­lich macht, sondern dadurch auch die so oft bestehende chronische Stuhlverstopfung beseitigt, zugleich aber durch seinen reichen Gehalt an leicht verdaulichen Eiweiß- und Mineralstoffen die Muskelfleisch- und vor allem auch die mangelhafte Knochenbildung auf das günstigste beeinflußt. Endlich wirkt Kufekes Kindermehl auch anregend auf den darniederliegen­den Appetit ein.

olienloke^«

Orünkernmelii

ftür rsscke Bereitung ilVLirsrorrrLbiSLkrsr Orüirlcsrnsnppso.

Streikt Mer de» hmgendea Vögel».