MW
MM
-EV
^ 17. Amts-
und Änzeigeblatt für den Bezirk Calw. 82. Jahrgang.
Erscheinungstage: Dienstag, Donnerstag, Samstag, Sonntag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stad t und Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Dienstag, de« 29. Januar 1997.
Lbonneme.irLpr, in d. Stadt pr. Mertels. Mk. l.10 incl. Träger!. Merteljährl. PaftbezugLpretL ahn« Ärstellg. f. d. Ort«, u. Nachbar- ortSverkehr 1 >M., f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10. Bestellgeld W Pfg,
Tagesnemgkeiten.
* Calw 27. Jan. Das Geburtsfest des Kaisers wurde in herkömmlicher Weise durch ein Bankett gefeiert, das gestern abend im „Hirsch" abgehalten wurde. Stadtschultheiß Conz, der den Vorsitz übernommen hatte, hielt die Festrede. In schwungvollen, von glühendem Patriotismus durchwehten Worten feierte der Redner die hohen Verdienste des Kaisers um das deutsche Volk, er gedachte der Tatkraft und des unermüdlichen Fleißes des ruhmvollen Beherrschers Deutschlands und knüpfte daran die Mahnung: Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist. Die wertvollsten Gaben aber, die dem Kaiser vor seinem Geburtstage dargereicht werden können, seien Treue und Liebe der Untertanen; die wahre, echte Treue müsse aber auch Taten zeigen und dadurch ein-immer engeres Verhältnis des Volkes mit seinem Kaiser hervorbringen; denn das Wohl der Bürger beruhe auf einmütigem Zusammengehen von Krone und Volk. Jubelnd stimmte die Versammlung in das auf den Kaiser ausgebrachte Hoch ein, worauf die Musik die Kaiserhymne intonierte. Der eindrucksvollen Rede folgte donnernder Beifall. Mit Begeisterung feierte sodann Stadtpfarrer Schmid das deutsche Heer und die Marine und Eisen- bahninspektor Westermay.r die Kaiserin und die deutschen Frauen. Major Blaich pries das deutsche Vaterland und Pfarrer Burk teilte selbsterlebte Erinnerungen aus den Jahren 1870 und 1871 in humoristischer Weise mit. Warme, patriotische Töne schlug Medizinalrat Dr. Müll er an, indem er der tapferen Haltung unserer Truppen in Südwestafrika das höchste Lob zollte und sodann unserer alten Veteranen gedachte; zum Schluß weihte Zustellungsbeamter Rack sein Glas der Waffenfähigkeit des deutschen Volkes. Die patriotische Begeisterung wurde belebt durch
allgemeine Gesänge und durch die Vorträge der Stadtkapelle, so daß die Feier, welche eines zahlreichen Besuches sich erfreute, einen sehr animierten Verlauf nahm.
* Calw 27. Jan. Was die Jugend bei der herrschenden Kälte sehnlichst wünschte, ist eingetreten: die Nazolo ist überfroren und bietet vom Biersteg an bis zum Krappen eine prächtige, spiegelglatte Eisfläche. Hunderte von Personen tummelten sich gestern auf der Bahn, um sich dem Schlitt- schuhsahren hinzugeben. Das Eis ist sehr dick und wenn nicht plötzliches Tauwelter eintritt, so dürste die Bahn mehrere Tage befahrbar sein.
8 Calw. Nach einer Bekanntmachung des Präsidiums des Württ. Kriegerbundes soll der Er- trag der Veteranensammlung Seiner Majestät dem König an dessen Geburtstag (25. Februar) übergeben werden, worauf der König als Protektor des Bundes die weiteren Bestimmungen über die Verwaltung, Bewilligung und Ausbezahlung von Unterstützungen aus dieser „König-Wilhelms-Trost" genannten Stiftung treffen wird. Die Bezirksobmänner des Bundes sind angewiesen, die im Bezirk ersammelten Gaben bis zum 15. Februar an die Bundeskasse abzuliefern. Wer daher bisher noch versäumt hat, unserer Veteranen mit helfender Tat zu gedenken, der möge nicht mehr länger säumen, sondern sein Schärflein in den nächsten Tagen noch an die bekannten Sammelstellen (in Calw: Bezirksobmann, Stadtschultheiß Conz, Oberamtspfleger Fechter, K. Essig, Wirt, 86ii.) einsenden. Besonder- in der Stadt Calw ist das bisherige Ergebnis der Sammlung noch ein bescheidenes; gegenüber der Sammlung z. B. für die Buren sogar ein sehr bescheidenes. Tut aber wohl an Jedermann; am meisten aber an des eigenen Volkes Genossen!
Gültlingen 26. Jan. Am vergangenen
Samstag fiel der 38jährige Johann Georg Müller von der Scheunenleiter herab und zog sich so schwere Verletzungen zu, daß er nach zweitägigem Schmerzenslager starb.
Herrenberg 26. Jan. Auf heutigem Schweinemarkt waren zugeführt: 68 Stück Läuferschweine. Erlös pro Paar 36—90 118 St. Milchschweine, Erlös pro Paar 18—32 Verkauf ordentlich.
Stuttgart 20. Jan. Der württemb. Verein für Frauenstimmrecht hat an das Konnte für den Vortrag des Kolonialdirektors Dernburg einen Protest gerichtet, da er in der Ausschließung der Frauen von diesem Bortrag eine willkürliche Handlung erblickte. Der Verein richtet nun an alle Frauen Württembergs die Bitte, da der Protest unberücksichtigt blieb, sich allen Veranstaltungen der in Frage kommenden Vereine, bei denen die Hilfe der Frauen künftig in Anspruch genommen werden soll, sei es durch Geldspenden oder durch Liebesgaben, oder bei Wohltätigkeitsfesten fernzubleiben.
Heidelberg 26.Jan. Das „Heidelberger Tagblatt" meldet: Das Portland-Zementwerk A.-G. Heidelberg und Mannheim in Leimen bei Heidelberg, eine der größten Zsmentfabriken Deutschlands, steht in Flammen. Der Brand ist in einem Ringofen auszebrochen. Die Feuerwehren von Heidelberg und Umgegend sind ausgerückt. Der Brand nimmt große Dimensionen an.
Nürnberg 22. Jan. Wie auch die heitere Poesie im Reichstagswahlkampf Mitwirken mußte, das lehrt folgendes Stücklein von den stet« zu einem Scherz aufgelegten Franken: In einer freisinnigen Wählerversammlung zu Nürnberg
Das Doktor-Fräulein.
Novelle von Alwin Römer.
(Fortsetzung.)
Er wartete still, bis die Flut der landesüblichen Beifallsphrasen bis auf die letzte Welle verebbt war und Schollmayer junior sich anschickte, die ländliche Gesellschaft mit einer dürftigen Nachahmung des Marcell Salzerschen „Fremdenführers" zu beglücken, den er sich im Berliner „Wintergarten" und anderswo so angehört hatte, bis er imstande gewesen war, ihn mit all den „bemmischen" Mätzchen und Witzchen wortgetreu wiederzugeben. Da trat er langsam und scheinbar absichtslos hinter Lenores Stuhl und fragte halblaut:
„Können sie nach diesem Liede solch einen Unsinn vertragen?"
„Ich weiß nicht, was der Herr vortragen will," entgegnete sie ver- wirrt, „aber —"
„Es paßt auf ihr Lied wie Essig auf Pommery. Kommen Sie und nehmen Sie drüben eine Erfrischung!" flüsterteer. Zögernd erhob sie sich, noch ehe der sich gewohnheitsmäßig räuspernde kleine Schwerenöter sein drolliges Kauderwelsch über die Herrlichkeit des Prager Königschloffes begonnen hatte, und wandte sich unauffällig der Tür zu.
Wortlos bat er ihr in dem lauschig beleuchteten Nebenraum, der für den festlichen Abend mit Lorbeerbäumen und Granaten dekoriert war, einen Sessel und ließ von einem der dienenden Geister ein Tablett mit Selters und Rotwein auf dem Nipptischchen niedersetzen. Und während er ihr eine nicht zu starke Mischung davon zuberettete, wobei das leise Knirren der Flasche an den Gläsern seine sich neu steigernde Erregung kundtat, sagte er, ohne den Blick auf ihr Antlitz zu richten:
„Es war nicht ganz ohne Egoismus, gnädiges Fräulein, daß ich Sie
den kräftigen Lachsalven entzog, die Mäxchen Schollmayer jetzt entfesselt- Er vermittelt unserer weltabgelegenen Scholle nämlich die Segnungen der Berliner Brettl-Kultur» das heißt, soweit sie das Klima hier vertragen können. Allzu freie Sachen darf er nicht bringen. Das leiden unsere Mamas nicht. — Aber trinken Sie doch, bitte!" Und er schob ihr das Glas näher hin. „Das Lied hat sie angestrengt. Ich weiß es!"
Sinnend sah er sie endlich an indem er fortfuhr: Ich kenne e» nämlich — und — liebe es. Liebe es sehr! Wenn es auch schmerzliche Erinnerungen in mir wachruft! Das konnten Sie natürlich nicht wissen!" setzte er schnell hinzu, als er bemerkte, wie eine heiße Blutwelle ihr in Wangen und Schläfen schoß und sie tief erröten ließ.
„Doch!" sagte sie nun leise. „Das habe ich mir wohl denken können!"
Ueberrascht hob er die Lider.
„Wie soll ich das verstehen, Fräulein Rümelin?" fragte er hastig.
„Ich kenne die Frau, die Ihnen das Lied sang. Sie war meine Lehrerin und Freundin!" entgegnete sie und sah ihn halb verlegen und halb trotzig an dabei.
„Die Gräfin Nelkeneck?" forschte er zweifelnd.
Sie nickte.
„Mein Vater war Hausarzt auf Schloß Nelkeneck. Ich war noch ein ganz junges Ding damals, als sie einzog. Mißtrauisch gegen alle Welt und verbittert durch eine zweite Heirat, die mein Vater-geschlossen, lebte ich mir selbst zum Ueberdruß. Da trat sie wie Lenzsonne in mein Leben. Angefeindet von der Familie des Grafen, vertrieb sie sich mit mir die Tage wo ihr Gatte sie allein lassen mußte und machte dabei ein vernünftiges und heiteres Menschenkind aus mir. Und unsere Freundschaft hat gehalten, so vielseitig die Gräfin auch nachher in Anspruch genommen wurde, denn es dauerte nicht gar zu lange, da hatte ihr bezauberndes Wesen all die stolzen feindlichen Vettern und Kusinen ihres Gatten in lauter schwärmerische